„Ich muß mich getauscht haben", dachte Franz, als er aufs Neue versuchte die rechte Thüre zu finden. Ein Grauen erfaßte ihn unwillkürlich, wie wenn etwas Uebernatürlichcs mit ihm umginge; und das Bild seines alten ertrunkenen Meisters erschien vor ihm in dieser dunkeln Wcrkstätte, wo sie so manche fröhliche Stunde beisammen verlebten. Endlich fand er die Thüre, und begab sich so schnell als möglich in sein Zimmer, wo er sein Weib und Kind fest schl»fend fand. Er selbst schlief zuletzt auch ein, allein sein Schlaf war durch schwere Träume beunruhigt. Er sah im Traume seines Weibs Onkel vor sich stehn, ihn vorwurfsvoll fragend: „Warum hat man mich nickt in meinen Sarg gelegt? Warum hat man mich nicht auf einem christlichen Friedhöfe begraben? Suche und du wirst finden. Vernichte den Fluch, ehr er dich vernichtet!
Den andern Morgen, als er erwachte, sah er so bleich aus, daß Johanna ängstlich besorgt wurde; allein er wollte sie durch die Erzählung seiner Träume nicht erschrecken; und rn der Thal schämte er sich selber den Eindruck, den dieselben auf ihn hervorgebracht hatten, einzugestehen, denn trotz allem Zutrauen, mit welchem er in das Haus cinzog, konnte er sich eines unbehaglichen Gefühles nicht erwehren.
Auch wollten ihn diese düsteren Gedanken nicht verlassen; sein Frohsinn schwand dahin; auch fühlte er sich unglücklich, weil die Zeit hcrannahle, wo das Angeld für das Haus verfallen war; die Angelegenheiten des alten Mannes waren noch immer nicht bereinigt, und somit war die Erbschaft seiner Frau, auf welche er gehofft, in eben so weitem Felde, wie früher. Es wurde ihm schwer, die täglichen kleinen Ausgaben für feinen Haushalt zu bestreiten, und er fürchtete deshalb die drohende Zukunft. „Suche und du wirst finden!" wiederholte er bei sich selbst. „Vernichte den Fluch, ehe er Dich vernichtet! Welchen Fluch? Ich beginne zu fürchten, daß wirklich eine Art Verwünschung auf diesem Hause lastet."
Eine unerklärliche Thatsache war es auch, daß, so oft man auch die misteriöse Inschrift „Das verwünschte Haus" an der Mauer übertünchte, dieselbe jedesmal am andern Tage wieder so frisch und roth als je, zum Vorschein kam. Seine Gesundheit begann zu schwinden unter all' diesen Sorgen, auch das Kind wurde krank.
Als Franz eines Abends von einem einsamen Spaziergange zu einem Orte, welcher nun eine Art trauriger Anziehungskraft für ihn hatte, — nämlick vom Leichenhause für Ertrunkene — zurückkehrte, fand er Johanna weinend neben der Wiege ihres kranken Kindes.
„Du hattest Recht", rief er aus, „wir waren glücklicher in unserer bescheidenen Dachkammer, als in diesem verrufenen Hause. O! waren wir doch dort geblieben! Sage mir, Johanna, worüber denkst du denn nach? Ist der Doctor da gewesen? Was sagt er denn von unserem lieben Kinde?"
„Wenn cs gegen Abend schlimmer werden sollte, so liegt dort unsere letzte Hoffnung", erwiderte Johanna, auf den Tisch zeigend. Franz hob das Rcccpt auf und starrte die ihm unverständlichen lateinischen Worte an, als ob er sein Schicksal daraus ersehen könnte. Seine Augen schwammen in Thränen.
„Und morgen", sagte Johanna — „morgen wird erst ein Tag des Elends sein! Hast du Mittel, den Herrn Storch zu befriedigen?"
„Keine, daß ich wüßte! Allein jenes ist ein kleines Unglück im Vergleich mit diesem, antwortete er, auf das in Fiebergluth stöhnende Kind deutend.
„Bist du in der Werkstätte gewesen?" fuhr er nach einer Pause fort; der breite Sarg ist fertig; vielleicht wird er unsere eigene letzte Wohnung sein — er könnte uns alle drei in sich aufnehmen."
„O! wenn es sein könnte!" rief Johanna, indem sie ihre Arme um ihn schlang — „ könnten wir vereint in eine bessere Welt übergehn, so wären wir aller Sorgen enthoben! Allein unsere Scheidestunde ist nahe; morgen, wenn du Herrn Storch nicht bezahlen kannst, wird man dich in den Kerker werfen, und ich werde hier allein bei dem sterbenden Kinde sitzen."
„Was sagst du? In den Kerker werfen? Woher weißt
du das? Ist dieser Mensch hier gewesen, dich zu erschrecken? Gegen mich hat er noch keine Silbe derart geäußert!"
Johanna erzählte ihm nun, daß Herr Storch in letzterer Zeit öfters unter dem Vorwände, Franz zu besuchen, gekommen seie, doch jedesmal in seiner Abwesenheit. Er sei immer zudring, sicher geworden, und habe sie mit Complimenten und schmeichel« hasten Redensarten überhäuft; auch habe er öfters erklärt, daß er Franz wegen seinem Guthaben nicht incommodiren werde, wenn sie die Schuld auf eine andere Weise quitt machen wolle. Zuerst, sagte sie, verstund sie ihn nicht, und als sie seine Meinung begriff, getraute sie nicht, es ihrem Manne zu sagen, weil sie wußte, daß er sich darüber empören und Herrn Storch aus eine Weise zur Rede stellen würde, welche ihm selbst nur Verderben bringen könnte.
Herr Storch sei jedoch immer unverschämter und anmaßender geworden; und eben diesen Abend, als sie seine Anträge auf bas Bestimmteste abgcwicsen und ihn ersucht hatte, das Haus zu verlassen, habe er ihr gedroht, daß wenn sie nur eine Silbe von dem Vorgesallenen ihrem Manne erwähne, ja sogar, wenn sie ihr Benehmen gegen ihn nicht zu ändern gesonnen seie, er Franz in den Schulbthurm werfen lassen werde, allwo er sich alsdann ob der Treue seines Weibs gratuliren könne.
„Schon gut!" sagte Franz mit erzwungener Gcmüthsruhe; „er hat mich in sein Netz bekommen, doch soll seine elende Niederträchtigkeit mich nicht erdrücken. O! daß ich so kurzsichtig war, diese Schändlichkeit hinter seinem satanischen Lächeln nicht zu entdecken, und so unvorsichtig, mich dnrch seine vorgcspie« gelte Freundschaft täuschen zu lassen. Doch, wenn Gott der Allmächtige mich gesund erhält, dich und dieses liebe Kind beschützet, so werde ich den Muth nicht verlieren. Sei getrost, liebe Johanna!"
Es ward unterdessen spät geworden — das Kind erwachte aus seinem ruhelosen Fieberschlaf; es schien schlimmer geworden zu sein, und Franz eilte mit dem Rccept in eine Apotheke.
„Die letzte Hoffnung", seufzte er forteilend; „und wenn sie fehlschlagen sollte, wer wird morgen Abend meine arme Johanna trösten, wenn ich im Kerker sitze, und sie dem Kinde seine Stcrbekleider anziehen muß? O! wie werden wir dich vermissen, lieber kleiner Engel! Ist dieß die Glückseligkeit, die ich vom alten Hause träumend hoffte? Ja, die Leute haben Recht — das Haus ist verwünscht — verflucht!" (Forts, folgt.)
Allerlei.
— In den Zeitungen begegnet man jetzt sehr vielen Annoncen, in welchen sich Einzelne erbieten, gegen ein bestimmtes Honorar trüb, sauer, schal gewordenes Bier wieder schmackhaft und trinkbar zu machen, und zwar auf eine der Gesundheit nicht nachtheilige Weise. Ist dies nicht etwas, worauf die Polizei ihr Augenmerk richten müßte? Das beste Mittel, schlecht gewordenes Bier unschädlich zu machen, ist, es weglaufen zu lassen. Die Biertrinker haben von den chemischen Kunststückchen, welche so manche Brauer gleich beim Brauen anwenden, ohnedieß genug zu leiden und müssen Biere, in denen wenig Malz und nicht viel Hopsen ist, trotz der billigeren Preise von Gerste und Hopfen immer noch theuer genug bezahlen, ohne daß sie sich auf den Genuß derselben wohl befinden. Drum sollte man um so mehr zu verhüten suchen, daß auch noch Bier verschenkt wird, welches, nachdem es bereits verdorben war, wieder künstlich trinkbar gemacht worden ist.
— Auf einem englischen Schiffe, das nächster Tage nach Australien abgcht, fährt eine ganze Gesellschaft nobler Spitzbuben. Da sind die Bankiers Paul, Stephan und Bates, Robson, der Sekretär des Krystallpalastes, Redpath, der Direktor einer Eisenbahn, Leward, der Banknotenfälscher und Agar, ein Straßenräuber, aber en xro8, lauter Leute der vornehmen Gesellschaft, respektabel und „Gentlemans" bis zu dem Tage, da der Krug zerbrach. Mit ihnen fahren noch über 300 andere Verbrecher und es wäre kein Wunder, wenn das Schiff selber gestohlen würde.
Druck und Verlag der G. W. Za> se r'scheu Buchhandlung. Redaktwn: HSljle.