LAUFZEIT
1887-1919
BESTANDSHALTENDE INSTITUTION
Stadtarchiv Bad Wildbad (1887-1903, 1916-1919); Württembergische Landesbibliothek (1904-1914)
GESCHICHTE
Der „Wildbader Anzeiger“ wurde als „Anzeige- und Unterhaltungsblatt für Wildbad und Umgegend“ am 1. Januar 1884 durch den aus Heilbronn stammenden Musiker Bernhard Georg Hofmann (1836–1902) gegründet. Hofmann hatte zuvor als Mitglied der Wildbader Kurkapelle fungiert und Anfang der 1880er Jahre im „Haus Schwaben“ – nahe des heutigen „Hofmannstegs“ – eine Druckerei etabliert. Redaktionell geleitet durch den Verleger, erschien der „Wildbader Anzeiger“ zunächst dreimal wöchentlich am Montag, Mittwoch und Samstag. Der äußerst günstige Preis für ein Vierteljahrs-Abonnement betrug innerhalb Wildbads 95 Pfennig, im Oberamtsbezirk Neuenbürg 1,10 Mark und außerhalb 1,35 Mark. Inserate, die „bei der großen Verbreitung des Blattes besten Erfolg garantieren“ sollten, wurden mit 8 Pfennig pro kleinspaltiger Zeile berechnet.
Die aggressive Preispolitik, mit der Hofmann die Marktstellung der etablierten „Wildbader Chronik“ anzugreifen versuchte, rechnete sich: 1886 rückte der „Anzeiger“ mit seiner Auflagenzahl von 400 Exemplaren schon nahe an die „Chronik“ (500 Exemplare) heran; ein Jahr später rühmte sich das Blatt, über die „weitaus größte Abonnentenzahl aller in hiesiger Stadt gelesenen Blätter“ zu verfügen. Im gleichen Zeitraum stieg der „Wildbader Anzeiger“ neben der „Chronik“ zum zweiten Amtsblatt der Stadt Wildbad auf; seit 1887 ist die Zeitung im Stadtarchiv Bad Wildbad überliefert. Einen weiteren kleinen Erfolg konnte der „Anzeiger“ 1888 verbuchen, als er zum Verkündigungsblatt des Königlichen Revieramts Wildbad erhoben wurde. Politisch vertrat der „Wildbader Anzeiger“ unter Hofmann anfänglich einen eher konservativen, regierungsnahen Kurs; seit Ende der 1890er Jahre unterstützte er zunehmend die linksliberale Deutsche Volkspartei.
Nach dem Tod Bernhard Georg Hofmanns im März 1902 wurden die familieneigene Buchdruckerei sowie der Verlag des „Anzeigers“ durch die hinterbliebene Witwe Marie Christine Hofmann, geb. Reinhardt (1842–1919) fortgeführt. Die Redaktionsarbeit übernahmen bis 1903 zunächst wechselnde Kräfte, so etwa der Buchdruckergehilfe Georg Drechsler (1865–1933), ein gewisser G. H. Kretzschmar und der Sohn des Ehepaars, Eugen Gottfried Hofmann (1871–1939). Der häufige Personalwechsel tat der Entwicklung des Blatts jedoch keinen Abbruch – so erschien der „Anzeiger“ seit Juli 1902 in vergrößertem Format und fungierte seit Ende Oktober desselben Jahres auch als Verkündigungsblatt für die Forstämter Meistern und Enzklösterle. Schließlich übergab Eugen Hofmann die Redaktion im Sommer 1903 an seinen Schwager Karl Friedrich Eugen Reinhardt (1875–1953), der das Zeitungsunternehmen in den Folgejahren mit Energie in die Zukunft führte.
Schlagartige Innovationen brachte vor allem das Jahr 1905: Als zweites Blatt auf dem Gebiet der drei Oberämter Calw, Nagold und Neuenbürg (nach dem Nagolder „Gesellschafter“, ging der „Wildbader Anzeiger“ zur täglichen Erscheinungsweise über. Damit verbunden war eine Umbenennung – der neue Titel lautete: „Der Freie Schwarzwälder. Wildbader Anzeiger und Tageblatt“. Sicherlich spiegelte sich in dieser Namensgebung auch Reinhardts Bestreben wieder, das linksliberale Profil des Blattes zu schärfen. Mittwochs und samstags wurde der Zeitung seit Anfang 1905 ein Unterhaltungsblatt „Der Erzähler vom Schwarzwald“ beigelegt. Trotz der umfangreichen Neuerungen gelang es offenbar, die Kostensteigerungen für die Produktion der Zeitung in Grenzen zu halten – so erhöhte sich der Preis für ein vierteljährliches Abonnement in der Stadt nur auf 1,20 Mark; außerorts auf 1,30 M zuzüglich 30 Pfennig Bestellgeld.
Die Attraktivität der Zeitung für Kurgäste wurde in den folgenden Jahren durch den regelmäßigen Abdruck der Fremdenliste und des täglichen Musikprogramms der Wildbader Kurkapelle erhöht. Zugleich gelang es Reinhardt auch, schriftstellerisch talentierte junge Mitarbeiter für seine Publikation zu gewinnen – so etwa Paul Ernst Köhler (1880–1914), der nach längerer Tätigkeit als Setzer von 1910 bis 1911 zeitweise die Redakteursstelle vertrat und später als Dichter nationalistischer Kriegslyrik von sich reden machte.
Mit Beginn des Ersten Weltkriegs machte sich der „Freie Schwarzwälder“ im Sinne der „Burgfriedenspolitik“ zunehmend die Aussagen der deutschen Kriegspropaganda zu eigen. Nach der Novemberrevolution von 1918 veröffentlichte das Blatt dann leidenschaftliche Wahlaufrufe für die neu gegründete Deutsch-Demokratische Partei (DDP). Dieses grundsätzliche Bekenntnis zum Liberalismus ging indessen mit scharfer Kritik am Friedensvertrag von Versailles einher, was sich im Mai 1919 auch in der Einsetzung des deutschnationalen Schriftstellers Carl Flum zum neuen Redakteur wiederspiegelte. Letztlich blieb dieses Intermezzo jedoch nur von kurzer Dauer, da sich Karl Friedrich Eugen Reinhardt – seit dem Tod Marie Christine Hofmanns im April 1919 alleiniger Verlagsinhaber – aufgrund zunehmender Finanzierungsschwierigkeiten schon einen Monat später entschloss, die Zeitung aufzugeben und mit der „Wildbader Chronik“ zu einer neuen Publikation, dem „Enztal-Boten“ zu verschmelzen. Am 20. Juni 1919 beendete der „Freie Schwarzwälder“ somit seine 35-jährige Tradition.
BESCHREIBUNG VERFASST VON
Kilian Spiethoff (2023), Kreisarchiv Calw
LITERATUR
Hans Schabert: Vor 50 Jahren entstand der Hofmannsteg in Bad Wildbad neu, in: Pforzheimer Zeitung (20.02.2022)