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LAUFZEIT
1826-1973
BESTANDSHALTENDE INSTITUTIONEN
Kreisarchiv Calw (1826-1945); Stadtarchiv Calw (1949; 1951-1973)
GESCHICHTE
Adam Friedrich Rivinius, Besitzer der Papierfabrik Hirsau, Antiquar, Kommissionsbuchhändler und Buchdruckereibesitzer in Calw, hatte am 19. Dezember 1825 an König Wilhelm I. von Württemberg ein Gesuch gerichtet, in dem er um die Konzession für ein Wochenblatt bat. Am 22. Februar 1826 wurde die Genehmigung erteilt mit der Auflage, dass in das neue Blatt „keinerlei politische oder räsonnirende Artikel aufgenommen“ werden dürfen und dass von jeder Ausgabe ein Exemplar dem Königlichen Oberamt in Calw bzw. der Königlichen Zensurkommission in Stuttgart vorzulegen sei. Am 1. April 1826 konnte die erste Ausgabe unter dem Titel „Wöchentliche Nachrichten für die Oberamts-Bezirke Calw und Neuenbürg“ erscheinen. Das an jedem Mittwoch erscheinende Blatt bestand vor allem aus obrigkeitlichen Verordnungen und Bekanntmachungen, amtlichen und privaten Anzeigen, Bekanntgaben aus dem Kirchenbuch (Geburt, Heirat, Tod), den Preisen für Brot, Fleisch, Früchte und sonstige Lebensmittel sowie unterhaltenden Beiträgen.
1832 übergab der Verlagsgründer den Betrieb an seinen Sohn Gustav F. Rivinius, der seine Buchdrucker-Ausbildung in Nürnberg gemacht hatte. Nachdem der Druckereibesitzer Christian Friedrich Meeh in Neuenbürg seit 1843 ein eigenes „Amts- und Intelligenzblatt für den Oberamtsbezirk Neuenbürg“ herausgegeben hatte, wurde das Organ ab dem 21. November 1849 in „Calwer Wochenblatt. Amts- und Intelligenzblatt für den Bezirk“ umbenannt. Nachdem Gustav F. Rivinius im November 1856 starb, übernahm sein Schwiegersohn Adolf Oelschläger den Verlag am 18. März 1857.
Anfang 1862 wurde das Zeitungsformat vergrößert auf Viertelbogen zugunsten einer ausführlicheren politischen Berichterstattung und mehr Unterhaltung. Nach dem Tod von Oelschläger 1875 übernahm seine Witwe Sophie den Verlag bis zu ihrem Tod am 25. Oktober 1881. Zwei Tage später teilte der Schwiegersohn Paul Otto Adolff in einer Anzeige mit, dass er die „Buch- & Steindruckerei von A. Oelschläger – Verlag des Calwer Wochenblatts“ übernommen habe. Ab dem 2. Januar 1912 erschienen dem gestiegenen Lese- und Informationsbedarf entsprechend sechs Zeitungsausgaben wöchentlich statt bisher drei, nunmehr den neuen Titel führend „Calwer Tagblatt. Amts- und Anzeigenblatt für den Oberamtsbezirk Calw“. Für die Redaktion wurde die Stelle eines Redakteurs geschaffen, die von 1912 bis 1914 Paul Kirchner einnahm. Nach dem Tod von Paul Otto Adolff am 3. Mai 1929 übernahm sein Sohn Paul Gustav Friedrich Adolff den Zeitungsverlag, zusätzlich zur Buchdruckerei, die er seit 1912 geleitet hatte.
1933 musste sich auch das Calwer Tagblatt dem Druck der nationalsozialistischen Gleichschaltung beugen. Nachdem bereits seit dem 9. Juli 1932 die NSDAP die „Schwarzwaldwacht“ als Tageszeitung für die Oberämter Calw und Neuenbürg herausgebracht hatte, wurden zum 1. November 1933 beide Zeitungen zur „Schwarzwald-Wacht. Calwer Tagblatt“ als Parteiorgan der NSDAP verschmolzen. An der neu gegründeten „Schwarzwald-Wacht GmbH“ war Adolff mit 45 Prozent beteiligt, während 55 Prozent bei der „NS-Presse Württemberg GmbH“ lagen, die damit das Sagen hatte. Als Mitgesellschafter war Adolff auch an der Gewinnausschüttung beteiligt, hatte aber keinerlei Einfluss auf Inhalt und Gestaltung des Blattes mehr. Zum 1. April 1943 wurde der „Gesellschafter“ Nagold in die „Schwarzwald-Wacht“ integriert mit Verweis auf die Erfordernisse des Krieges, der „mit seinen harten Gesetzen … die äußerste Kraftanstrengung und die Zusammenfassung aller Energien“ verlange. Die „Schwarzwald-Wacht“ firmierte fortan mit dem Untertitel „Calwer Tagblatt/Nagolder Tagblatt ‚Der Gesellschafter‘ – Amtsblatt für den Kreis Calw“. Ab Februar 1945 musste der Umfang der „Schwarzwald-Wacht“ statt bisher vier auf nur noch zwei Seiten reduziert werden. Die letzte Ausgabe erschien am 3. April 1945.
Nach Kriegsende wurden von den alliierten Besatzungsmächten zunächst sämtliche deutschen Medien verboten. Ihre Stelle nahmen innerhalb der französischen Besatzungszone anfänglich Mitteilungsblätter der Militärregierungen, seit Mitte 1945 dann auch erste Lizenzzeitungen in den Händen deutscher Verleger und Redakteure ein. Die Lizenzvergabe wurde dabei sehr restriktiv gehandhabt – einerseits, um NS-belastete Journalisten aus der neu entstehenden deutschen Presselandschaft auszuschließen, andererseits, um sich ein gewisses Maß an Kontrolle über die politische Berichterstattung zu sichern. Bei der Besetzung der Redaktionsstellen derartiger Lizenzzeitungen achtete die französische Militärverwaltung auf parteipolitische Ausgewogenheit.
Vom 21. September 1945 an durfte im Gebäude der vormaligen „Tübinger Chronik“ als erste Lizenzzeitung für das Gebiet Württemberg-Hohenzollern das „Schwäbische Tagblatt“ erscheinen. Die Zeitung unterlag bis 1947 einer strengen Vorzensur, hatte mit Materialknappheit und Transportproblemen zu kämpfen. Dennoch brachte sie es unter der Redaktion des KPD-nahen Werbefachmanns Will Hanns Hebsacker, der sozialdemokratischen Journalisten Dr. Erich Schairer und Dr. Ernst Müller, des Christdemokraten Alfred Schwenger sowie der liberalen Schriftstellerin Rosemarie Schittenhelm bis 1946 auf eine Auflage von 200.000 Exemplaren.
Seit Anfang 1946 begann das „Schwäbische Tagblatt“ Lokalausgaben für die diversen Kreise seines Verbreitungsgebiets aufzubauen. So brachte die Zeitung ab dem 15. Februar 1946 auch eine eigene Ausgabe für den Kreis Calw heraus. Der Lokalteil („Aus dem Nagold-, Enz- und Albtal“) wurde dabei von Vertretern der NS-belasteten Altblätter des Kreises (u. a. dem ehemaligen Redakteur der „Schwarzwald-Wacht“, Friedrich Hans Scheele) sowie dem aus Ebhausen stammenden Journalisten Christian Kindler in Neuenbürg zusammengestellt und gedruckt. Der Calwer Landrat Emil Wagner sowie die Bürgermeister von Calw, Neuenbürg, Nagold und Wildbad begrüßten die Neuerscheinung mit freundlichen „Geleitworten“.
Dennoch strebten Kreis und Gemeinden langfristig eine Wiederherstellung der alten Lokalzeitungen an. So beschloss der Calwer Kreistag am 28. Januar 1949 auf Antrag des Calwer Verlegers Paul Gustav Friedrich Adolff, die Militärregierung um die Lizenzierung aller vier früheren Zeitungen im Kreisgebiet zu bitten. Hierzu sollte es jedoch nicht mehr kommen, da die Lizenzpflicht für Zeitungen in Westdeutschland im Sommer 1949 wegfiel. Im September 1949 gründeten die Verleger des „Schwäbischen Tagblatts“ daraufhin mit zahlreichen Altverlegern in ihrem Verbreitungsgebiet die „Schwäbische Verlagsgesellschaft“. Dem Gesellschaftsvertrag zufolge sollten die früheren Verleger die Erstellung von Lokal- und Anzeigenteilen der Zeitung übernehmen, während der überregionale Teil („Mantel“) gemeinschaftlich in Tübingen von einer Zentralredaktion (Will Hanns Hebsacker und Dr. Ernst Müller) produziert wurde.
Im Rahmen dieses Verbundes brachte Paul Adolff am 3. September 1949 die neu benannte „Calwer Zeitung“ heraus, als deren lokaler Redakteur Friedrich Hans Scheele fungierte. 1951 wurde die Position der Verleger innerhalb der „Schwäbischen Verlagsgesellschaft“ dahingehend gestärkt, dass sie ihre jeweiligen Zeitungen nunmehr ausdrücklich unter eigenem Titel, auf eigene Rechnung und auf eigene Verantwortung herausgeben durften.
Die erfolgreiche Entwicklung der Zeitung in der Wirtschaftswunderzeit zeigte sich daran, dass die „Calwer Zeitung“ im Juni 1952 zur täglichen Erscheinungsweise zurückkehren konnte, womit auch ein Namenswechsel zurück zum traditionellen Titel „Calwer Tagblatt“ verbunden war. Ende Juni 1952 trat Friedrich Hans Scheele als Redakteur zurück und wurde durch Helmut Haaser, einstmals Volontär beim Stuttgarter NS-Kurier, ersetzt. Bald darauf, im Herbst des Jahres, gelang es dem „Calwer Tagblatt“, zwei Mitbewerber vom Markt zu verdrängen: Das „Schwarzwald-Echo“ und der „Nagolder Anzeiger“ des Altensteiger Verlegers Dieter Lauk wurden mit der Zeitung verschmolzen; die jeweiligen Lokalredaktionen (unter Dr. Walter Wolf, Nagold, und Dieter Lauk bzw. Anne Schmid-Dürrschnabel, Altensteig) blieben bestehen, lieferten ihre Meldungen nunmehr aber beide an das Calwer Blatt.
Die „Schwäbische Verlagsgesellschaft“ benannte sich im August 1952 in „Südwest-Presse GmbH“ um – eine Änderung die seit Oktober 1955 auch in der Titelgestaltung des „Calwer Tagblatts“ deutlich wurde. Die Erstellung des Mantels der Zeitung übernahm vom 18. November 1954 an – aufgrund des Todes von Will Hanns Hebsacker – Dr. Ernst Müller als alleiniger Chefredakteur. In den Folgejahren führten verschiedene personelle Umbrüche, aber auch allgemeine Konzentrationstendenzen im Zeitungsgewerbe zum Ende des „Calwer Tagblatts“ und der Calwer Verlegertradition: So starb Anfang 1960 zunächst der Calwer Lokalredakteur der Zeitung, Helmut Haaser – ihm folgte im September des Jahres Horst Köhler nach. Ende April 1962 starb der Verleger Paul Adolff, woraufhin die Oelschlägersche Buchdruckerei KG und der Verlag des „Tagblatts“ durch seine Tochter Inge Haas-Adolff übernommen wurden. Bereits zum 1. September 1965 jedoch wurden 55 % der Anteile der in eine GmbH umgewandelten Buchdruckerei an die Württemberger Zeitung GmbH abgetreten.
Mit dem Jahreswechsel 1967 schied das „Calwer Tagblatt“ aus der Südwest-Presse GmbH aus; seinen überregionalen Teil (Mantel) erhielt es nunmehr von der „Neuen Württembergischen Zeitung“ (NWZ). Damit einher ging auch eine Umbenennung in „Kreiszeitung“ (mit dem Untertitel „Nagolder Anzeiger – Calwer Tagblatt – Schwarzwald-Echo“), der Mitte 1968 eine weitere Umbenennung in „Kreisnachrichten“ folgte. 1970 gab die Familie Haas auch ihre verbliebenen Verlagsanteile an die Württemberger Zeitung GmbH ab.
Die neue Zeitung entwickelte sich in der Folgezeit unter dem noch von Inge Haas-Adolff eingesetzten Verlagsleiter Helmut Eckoldt und dem langjährigen Redakteur Köhler sehr erfolgreich, sodass die Auflagenhöhe bis Ende der 1980er Jahre regelmäßig gesteigert werden konnte.
BESCHREIBUNG VERFASST VON
Martin Frieß, Kilian Spiethoff (2021/24), Kreisarchiv Calw
LITERATUR
- Hellmut J. Gebauer: 175 Jahre Calwer Presse. Eine chronologische Übersicht, Calw 2001