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Dienstag, 2. S eptenr oer 1941
Die Rottenburger Krawalle vor Gericht
Am I. September begann in Tübingen der Prozeß gegen suüilt Angeklagte, die sieh bei den Ausschreitungen gegen den Bischof von Rottenburg, Dr. Joar.ves Baptista Sfroll. im April und Juli 19äS durch besondere Tätlichkeiten hervorgetan haben. Per Verhandlung liegen folgende Vorgänge zugrunde:
Am Pfingstmontagabend des Jahres 1938 zogen mehrere hundert Personen in geschlossenem Zuge vor das bischöfliche Palais in Rottenbujgs. Ein Teil der Menge stürmte vor den Eingang des Ordinariatsgebäudes, zerschlug mehrere Fensterscheiben und rammte mit herbeigeschleppten Baumstücken die massive Eingangstür zum Gebäude ein. Es bildeten sich Sprechchöre wie „Raus mit dem Volksverräter“, „Hängt ihn an den Galgen!“ Mit dem Lied: „Hängt die Juden, stellt die Schwarzen an die Wand“ zog dann die Menge wieder ab.
Diese Demonstration am 11. April bildete den Auftakt zu einer Reihe weiterer Kundgebungen, die sich in den darauffolgenden Tagen und späterhin im Juli vor dem bischöflichen Palais abspielten. Anlaß dazu war die Nichtbeteiligung des Bischofs an der freien und^ geheimen Wahl am 10. April 1938. Damals fanden in ganz Deutschland eine allgemeine Abstimmung über die Angliederung Oesterreichs an das Deutsche Reich und gleichzeitig die Wahlen zum damaligen Reichstag statt. Abstimmung und Reichstagswahl waren auf einem und demselben Stimmzettel enthalten, so daß über beide Fragen nicht getrennt, sondern einheitlich nur mit „Ja“ oder „Nein“ abgestimmt werden konnte. Der Bischof hatte sich deshalb an der Wahl nicht beteiligt, weil sich unter den Reichotagskandidaten Männer befanden (zum Beispiel Alfred Rosenberg), deren offene Feindschaft dem Christentum und der Kirche
er Rottenburg nicht. Die Gauleitung wird die Maßnahmen, die in dieser Angelegenheit zu treffen sind, bestimmen. Selbständiges Handeln hat zu unterbleiben. Es ist zu erwarten, daß Demonstrationen von der Partei durchzuführen sind. Nähere Anweisungen folgen. Taucht der Bischof irgendwo im Kreis auf, ist die Kreisleitung sofort telefonisch zu benachrichtigen. Ueber die zu treffenden Maßnahmen werden dann Anweisungen gegeben. Die Gauleitung verlangt strengste Disziplin bei Demonstrationen, für die ich die Ortsgruppenleiter verantwortlich machen muß. Dieses Schreiben ist verschlossen aufzubewahren“.
Am 15. Juli kehrte der Bischof auf Anweisung des Heiligen Stuhls wieder nach Rottenburg zurück. Bereits am nächsten Tag kam es zu weiteren Ausschreitungen. Die Teilnehmer stammten fast ausnahmslos von auswärts. Zwei Tage später fand unter der Anteilnahme von 1500 bis 2000 Personen aus der ganzen Umgebung erneut eine Großkundgebung gegen den Bischof statt Ein Redner nannte ihn in seiner Ansprache einen „Volksverräter“, eyien „Schuft“ und einen „charakterlosen Lumpen“. Die letzte, mit schweren Ausschreitungen verbundene Demonstration, erfolgte am 23. Juli. Mit Omnibussen, Autos und mit der Bahn waren 3000 Teilnehmer aus der Umgebung nach Rottenburg gebracht worden. Das Hauptportal im Bischofsgebäude wurde mit Gewalt aufgebrochen. Die Menge drang in das Innere des Bischofsflügels ein, etwa 20 Demonstranten stürmten in die Hauskapelle, in der sich außer dem Bischof, dem Generalvikar und einigen Domherren auch der Erzbischof von Freiburg befand. Den Erzbischof, den sie
für Bischof Sproll hielten, griffen sie tätlich an und beschimpften ihn auf üble Weise. Acht Tage später fan^ die letzte, vom Kreisleiter von Tübingen emberufene Kundgebung statt, die den Bischof zum Abtreten veranlassen sollte. Zu Gewalttätigkeiten ist es dabei nicht gekommen.
Ende August 1938 kamen dann in das bischöfliche Palais nach Rottenburg Gestapobeamte und erklärten ihm, daß er „Auf Grund des Gesetzes zum Schutze von Volk und Staat“ aus dem Gau Württemberg und Hohenzollem ausgewiesen sei. Sie brachten ihn dann im Auto nach Freiburg im Breisgau. Nachdem auch hier am nächsten Tag ' eine Kundgebung gegen ihn veranstaltet wurde, begab sich Bischof Dr. Sproll unter den Schutz von Kardinal Faulhaber in München. Von diesem Tag an war er keinen weiteren Ausschreitungen von seiten der Partei mehr ausgesetzt
Die Vorgänge liegen jetzt neun Jahre zurück. Beschuldigt sind folgende Persönlichkeiten: Wilhelm Seeger, Bürgermeister a. D., aus Rottenburg, Alfred Chormann, Landrat a. D., aus Rottenburg, Karl Adis, Hilfsschlosser, aus Oberndorf, Lucian Grall, Dentist, aus Rottenburg, Anton Ricker, Stadtinspektor, aus Rottenburg, Josef Vollmer, Werkzeugmacher, aus Rottenburg, Otto Spoh- ner, ehemaliger Kreisleiter, aus Reutlingen, Eugen Bude, Buchhändler, aus Reutlingen, Friedrich Depperich, Kaufmann, aus Reutlingen, Hans Letschö, Notariatspraktikant aus Reutlingen, Karl Schumacher, Kaufmann, aus Stuttgart, und Albert Haaga, Schriftleiter, aus Ulm. Die Anklage wirft ihnen ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Verfolgung von Menschen aus politischen Gründen im Sinne des Kontrollrats- gesetzes vor, Teilnahme als Rädelsführer bei Zusammenrottung und Gewalttätigkeit. st.
gegenüber bekannt war. Der ehemalige Bürgermeister von Rottenburg, Seeger, hat sofort nach der Feststellung des Wahlergebnisses dem Landrat telefonisch gemeldet, daß der Bischof als einziger der Wahlurne ferngeblieben sei. Diese Meldung war der Anlaß zahlreicher Vorwürfe gegen den Bischof während der „Siegesfeier“ in der Rottenburger Turnhalle. Die Siegesfeier endete dann mit dem „Marsch zum Bischofspalais“.
Der Bischof selbst war vor den bevorstehenden Kundgebungen rechtzeitig gewarnt worden und hielt sich außerhalb Rottenburgs auf. Sofort nach seiner Rückkehr, am 21. April, gab es erneut Ausschreitungen. Die Randalisten waren bei allen späteren Kundgebungen immer in Zivil gekleidet Bereits am andern Tag verließ der Bischof, um beruhigend zu wirken, abermals seine Residenz, diesmal für längere Zeit. Nun aber setzte eine abscheuliche Pressehetze, besonders durch das NS-Organ „Flammenzeichen“ in Stuttgart ein. Der Gauleiter von Württemberg, Murr, schrieb einen Artikel gegen den „Nichtwähler Bischof Dr. Sproll“. Die Ortsgruppenleiter und Blockleiter in allen katholischen Gemeinden Württembergs sammelten Unterschriften gegen den Bischof. Protestformulare gab es in verschiedenen, bereits vorgedruckten Fassungen, für Katholiken, für Protestanten, für Radikale und Gemäßigte und wieder andere für die „Deutschen Christen“. Viele unterschrieben gegen ihren eigenen Willen. Eine große Zahl der zum Teil zwangsweise abgenötigten Unterschriften wurde nachher wieder zurückverlangt. Die Amtswalter (büßten sie zurückgeben, denn die Partei durfte keinesfalls belastet werden.
Es ist ein Paradoxon, daß die Aktionen gegen den Bischof von Rottenburg einzig und allein Sache der Partei selbst war, daß jedoch die einzelnen Akteure die Verantwortung selbst dafür zu tragen hatten. Dies geht aus einem streng vertraulichen Schreiben der Kreisleitung Rottweil an die Ortsgruppenleiter hervor. Es heißt darin wörtlich:
„Bischof Sproll ist nun doch nach Rottenburg zurückgekehrt. Trotz Warnung verläßt
DIE KURZE NACHRICHT
Demontage der Kohlengruben In den Jahren 1945/1946 wurde ein Teü der Anlagen der Kohlenbergwerke von der Demontage aus Transportgründen ausgenommen. Da diese Gründe nun entfallen» hat die sowjetische Militärverwaltung angeordnet» daß ein Drittel der vorläufig verbliebenen Anlagen abgebaut werden sollen. Wie von sowjetischer Seite mitgeteilt wird, erfährt die Kohlenproduktion durch diese Demontagen keine Einbuße.
Berliner Frauen Intervenieren
Berliner Frauen, unter ihnen auch Katharina von Kardorfl und Hilde Körber, haben sich an General Clay wegen der Gewährung des Asylrechtes für politische Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone gewandt. Sie haben für die Flüchtlinge gebeten und erklärt, daß sie General Clay Material über Vorgänge in der Ostzone geben wollen» die demokratischen Grundsätzen widersprechen.
Neue Partei lizenziert
In Bayern wurde „die Bepubll- kanische Union Deutschlands" für den Stadt- und Landkreis München lizenziert. Diei Partei erstrebt ein Zweiparteiensystem und die völlige Westorientierung Deutschlands. Sie beabsichtigt, auch in der britischen und französischen Zone Gründungsversammlungen abzuhalten.
Zeitungen in Bremen verboten Die amerikanische Militärregierung hat im Lande Bremen innerhalb von vierzehn Tagen die sozialistischen und kommunlstl- söien Zeitungen verboten.
Die Wahlen in Ungarn Der Reuter-Korrespondent in Ungarn hat gemeldet, daß die Wahlen am vergangenen Sonntag in Ruhe und Ordnung abge- laufen seien. In den meisten Fällen hätten die Mitglieder der Wahlausschüsse erklärt, daß etwa
zwölf bis fünfzehn Prozent der Namen von den Wahllisten gestrichen worden seien. Besonders in Forog hätten sich die Sozialdemokraten darüber beschwert. Aus einem Ort bei Budapest wird dann berichtet, daß dort etwa 300 Personen mit kommunistischen Abzeichen, auf Lastwagen herantransportiert, mehrere Male zu wählen versucht hätten. Aus zuverlässiger Quelle verlautet, daß die Sozialdemokratische Partei beabsichtigt, die Wahlergebnisse nicht anzuerkennen. Sie hat mit der Kleinlandwirte-Partei Fühlung genommen, die noch am Sonntagabend offiziell gegen systematische und schwere Wahlmißbräuche protestiert hat. Das Innenministerium hat erklärt, daß Berichte über Morde und Zusammenstöße Lügen seien. Die Ergebnisse zeigen eine knappe Mehrheit der Kommunisten mit 509 »81 Stimmen vor der Demokratischen Volkspartei mit SS 948 und der Sozialdemokratischen Partei mit 295 576 Stimmen.
Aus Angst um das Leben
Der ehemalige Leiter der ungarischen Freiheitspartei, Deszo Sulyok, erklärte nach seiner Ankunft in Wien, es sei eine Lüge, zu behaupten, daß er sich auf einer Urlaubsreise befinde. Er sei, aus Angst um sein Leben, ohne Paß und Visum geflüchtet und „beabsichtige nicht nach Ungarn zurückzukehren, bevor nicht die Gefahr dort gebrochen sei".
Monsignore Ukmar ln Fiume Der kroatische Ministerpräsident Bakaric erklärte vor der jugoslawischen Presse, daß der Vertreter des Bischofs von Triest der Zone „B", Monsignore Ukmar, sich in Fiume in Behandlung befindet, nachdem er bei einem Zwischenfall in L’ein- seche verletzt, und sein Begleiter, der Priester Bulosit, getötet worden war. Ukmar soll sich nach seiner Genesung vor einem Gericht gegen die Beschuldigung
verantworten, den Zwischenfall selbst provoziert zu haben.
Kabinett ln Athen vereidigt Am Freitagabend wurde in Athen das Kabinett Tsaldaris vereidigt. Tsaldaris behält ln diesem Kabinett auch das Auß pn m inist erium.
Defizit an Brotgetreide Das Defizit an Brotgetreide ln der Tschechoslowakei soll sich nach sicheren Meldungen auf 500 000 Tonnen belaufen. Die Sowjetunion hat sich verpflichtet, davon 200 000 Tonnen zu liefern.
Ueberraschende Meldung Nach einer Meldung von Radio Moskau hat der Oberste Sowjet der UdSSR die Friedensverträge mit Italien, Rumänien. Ungarn, Bulgarien und Finnland ratifiziert. Die Meldung hat in Washington sehr Überrascht. Man beschränkt sich dort auf die Erklärung, daß man diese Nachricht von offizieller russischer Seite bestätig^ erhalten müsse. Radio Moskau sei nicht maßgebend. Man erwartet Besprechungen zwischen Truman und Marshall, die auch die Bedeutung des Einflusses der Ratifizierung auf die amerikanische Politik ln Griechenland klären werden.
In zwei Lager gespalten General Eisenhower hielt auf dem Kongreß der Amerika-Legion eine Rede, in der er sich für die allgemeine Dienstpflicht einsetzte. Er sagte,, daß er einen neuen Weltkrieg für nicht „unmittelbar bevorstehend“ halte und betonte die Tatsache, „daß die Welt in zwei Lager gespalten ist: die Gruppe um die Diktatoren und die Gruppe der Demokratien“. Die Sicherheit aller Länder sei nur durch internationale Zusammenarbeit gewährleistet. Admiral Nimitz bat, dafür zu sorgen, daß ausreichende Streitkräfte bereitstünden, um jeden möglichen Angriff auf die Souveränität Amerikas abzuschlagen.
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14 Erzählung von Adalbert Stifter
„Das ist ja sehr unangenehm und ein großer Umweg“, versetzte das Mädchen, „sein Geld muß man ja selbst bei sich haben und selbst kaufen und zahlen; dann braucht man keinen anderen und keine Rechnung.“
„Das ist wohl wahr,“ sagte Tiburius, „und du hast recht, aber es ist auch schon so Sitte geworden.“
„Eine Sitte, die närrisch ist,“ antwortete das Mädchen, „würde ich gar nicht mehr befolgen.“ So gingen sie unter verschiedenen Fragen und Antworten fort Sie gingen eine geraume Weile in dem Walde. Endlich lichtete er sich, die Bäume standen dünner, Wiesen zeigten sich hier und da, und der Pfad lief durch dieselben hin, dem tieferen Gebirge zu. An einer schönen Stelle, wo Laubbäume standen und mehrere sonnenbeglänzte Steine lagen, bog Maria von dem Pfade ab und auf ein dünnes, feines Weglein, das über eine Matte hinauf ging, zeigend, sagte sie: „Hier geht man zu unserem Hause hinauf, wenn Ihr mit kommen wollt, seid Ihr eingeladen.“ „Ich gehe schon mit,“ antwortete Tiburius. Sie schritt also voran, und er folgte. Da sie in Windungen, weil die Matte bedeutend steil war, nicht gar so weit gegangen waren, zeigte sich das Haus. Es stand in einer breiten, bequemen Mulde des Abhanges, der in einem Halbkreise etwas weiter von dem Hause eine ( Steinwand bildete, die das Haus von atten Seiten, außer der dtes Mittags, wohin die Feceter gingen, scl]£tzte. Darum war es auch Möglich, daß viele Obstbäume um das HacJs standen und ihre Früchte zeitigen konnten, während doch in der ganzen Gegend wyl insbesondere in der Höhe dieser Matte keine günstigen Bedingungen für Obst sind. Tiefer gegen die Wand hin standen auch
Bienenstöcke. Der Größe nach gehörte das Haus eher zu den kleineren der Art, wie sie gerne in jenem Teile der Gebirge liegen. Maria ging voran über die Schwelle der offenstehenden Haustür, Tiburius ging hinter ihr. Sie führte ihn an der Küche, in welcher eine Magd scheuerte, vorüber in die Wohnstube, die von dem durch die Fenster hereinfallenden Sonnenlichte hell erleuchtet war. An dem weißen, buchenen Tische der Stube saß der Vater Marias, der einzige Bewohner der Stube und des Hauses, da die Mutter des Mädchens schon lange gestorben war. Sie stellte das Erdbeerkörbchen vorerst in einen Winkel der Bank und rückte für Tiburius einen Stuhl zu dem Tische und lud ihn zum Sitzen ein, indem sie dem Vater erzählte, daß sie den Herrn da im Schwarzholze gefunden habe und daß er mit ihr heraufgegangen sei. Hierauf breitete sie ein weißes Tüchlein auf den Tisch, stellte drei Telierchen, für den Vater, für Tiburius und sich darauf und brachte dann die Erdbeeren, in eine bemalte, hölzerne Schüssel geleert, herbei. Die M«d stellte auch Milch hin, mit welcher der Vater von den für ihn gebrachten Früchten aß. Tiburius nahm nur äußerst wenig, und Maria sagte, daß sie sich ihren Anteil für abends aufhebe.
Nachdem Tiburius eine Weile mit dem Manne, der noch gar nicht alt war, sondern an der Schwelle des Qreisenaiters stand, über verschiedenes geredet hatte, erhob er sich von seinem Stuhle, um fortzugehen. Maria sagte, sie wolle ihn bis an die Straße geleiten, auf welcher er dann nur fortzugehea brauche, um' zu seinem Diener ztf gelangen.
Das Mädcheij führte ihn nun auf einem anderen, ebenso feinen Wege über die Matte hinab. Sie bogen gleich unterhalb des Hauses um die Steinwand der Mulde und gingen an deren sanfter Auße*’-eite schräge hiAab, gerade der Richtung entgegengef«'.zt, in der sie gekommen waren. Nach einer kleinen
Zeit kamen sie in die Tiefe des Tales, und in demselben eine Weile unter Gebüschen und Bäumen fortgehend, gelangten sie auf die Straße.
„Wenn Ihr nun in dieser Richtung hin fortgeht," sagte sie, „so müßt Ihr an die Stelle kommen, wo Euer Diener steht, wenn Ihr nämlich auf dem kleinen Pfade an der Andreaswand in das Schwarzholz hineingegangen seid und ihn dort an der Straße stehengelassen habt.“
„Ja, ich bin dort hineingegangen,“ antwortete Tiburius.
„So lebt nun wohl, ich gehe nach Hause zurück. Weil Ihr Euch vielleicht gar nicht einmal in die Urselschläge hinüberfinden würdet, so will ich Euch dieselben zeigen, wenn Ihr übermorgen zum Zwölfuhrläuten auf dem Steine auf mich warten wollt, wo Ihr mich heute angetroffen habt. Ihr könnt Euch dann genug Erdbeeren pflücken; denn ich werde Euch die Plätze zeigen, wo sie jetzt gerade am meisten sind.“
„Ich danke dir recht schön, Maria,“ antwortete Tiburius, „daß du mich beschenkt und nun hierher geführt hast, ich werde gewiß kommen.“
„Nun, so kommt,“ erwiderte das Mädchen, indem es sich umwandte und schon unter den Gebüschen wieder davonging.
Tiburius schritt auf der Straße in der be- zaichneten Richtung fort. Er ging ziemlich lang «», bis er endlich seinen Wagen und seine Leutfe stehen sah. Diese gaben, als er bei ihnen war, ihre Verwunderung zu erkennen, daß sie ihn heute nicht auf seinen Fußpfade, sondern auf der äträBe daherkommen sahen. Er aber sagte keine Ursache, sondern saß in den Wagen und fuhr in das Bad zurück. Auch in dem Badeorte sagte er keinem Menschen etwas von dem Begebnisse und daß er in dem Gebirgshause auf der Mulde gewesen seL
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Warum so aufgeregt?
J. S. Das „Schwäbische Tagblatt“ hat sich in seiner letzten Nummer über die „Schwäbische Zeitung“ aufgeregt. Das tut nie gut in diesen Tieißen Teigen. Den Anlaß dazu gab die Glosse, in der wir die Zensuren, welche der innerpolitische Kommentator der „Neuen Zeitung“, Leopold Goldschmidt, der deutschen Presse austeilte, bemängelt haben. Wenn wir die Stilübung unseres Landsmannes im „Schwäbischen Tagblatt“ richtig verstanden haben, so sollen wir uns in unserer Eitelkeit gekränkt fühlen, weil wir nicht auch die Ehre hatten, von Herrn Goldschmidt zu so repräsentativen deutschen Zeitungen gezählt zu werden wie das „Tagblatt“. Nun, das ist kein großes Unglück für uns, und wir werden es, so Gott will, mit Würde zu tragen wissen. Das Verhalten des „Tagblattes“ erinnert uns an unsere Bubenjahre, wenn das kleine Josephle triumphierend stichelte: „Ätsch, mich hat der Herr Lehrer gelobt, dich nicht“. Aber es scheint, daß die wohlwollende 2ten- sur des Herrn Lehrers, will sagen, des Herrn Goldschmidt, den aufgeregten Landsmann im „Tagblatt“ doch nicht so recht gefreut, im Gegenteil, daß sie ihn sogar peinlich berührt hat. Das „Tagblatt“ fürchtet nämlich, dadurch zu den Linksblättem gerechnet zu werden, für die Herr Goldschmidt nun einmal eine besondere Sympathie hat. Und dies allerdings wäre dem „Tagblatt“ kaum angenehm. Was würden die Leute dazu sagen, die hierzulande von der strammen Linksrichtung nicht viel wissen wollen? Jene Zeiten, als man im „Tagblatt“ noch das blutigrote Banner schwang und in der Sünden Maienblüte mit allen Füßen gegen den Bürger und das, was ihm heilig war, strampelte, sind noch nicht lange vorbei. Und es passieren auch jetzt noch manchmal kleine Betriebsunfälle, wie damals, als man nach der Münchner Konferenz der Ministerpräsidenten ausschließlich das Kommuniquö der SED-Vertreter der Ostzonen abdruckte, aber dafür ertönt umso sanfter unterm Strich die Musik der Pastoralen Weisen. Wir haben nichts dagegen, wir freuen uns zum Beispiel jedesmal, wenn die Leser des „Tagblattes“ die Bitten des Vaterunsers paraphrasiert bekommen. Das „Tagblatt“ meint, wir schrieben ihm eine „gefährliche Tendenz“ zu. Das lag urjs fern. Wir sprachen wohl von Zeitungen, die eine gefährliche Tendenz verfolgten, aber unleugbar geschickt gemacht seien. Da durfte sich das „Tagblatt“ doch wirklich nicht getroffen fühlen. _
AM RANDE
In Görlitz sagte ein Altlehrer zu einem Prüfling: „Von mir aus werden Sie zu dieser Prüfung nur zugelassen, wenn Sie bis dahin politisch organisiert sind. Aber kommen Sie mir ja nicht mit der LDP oder CDU an!“
In Halle wurden der Kurator der Universität, Elchlep, der der SED angehört, und der Vorsitzende des Studentenrats, Bötke, ihrer Aemter enthoben, weil sie die Lebensmittel verschoben hatten, die für den Studentenrat in der russischen. Zone bestimmt waren.
In Regensburg wurde de? Kommentator des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus, Dr. Johannes Priese, wegen Fragebogenfälschung zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt.
In Hessen dürfen Ordensschwestern, die in Krankenhäusern tätig sind, weder in die Betriebsräte der Krankenhäuser gewählt werden noch selbst wählen. Der Freie Gewerkschaftsbund stellt sich auf den Standpunkt, daß sie keine Betriebsangehörige im Sinne des Kontrollratsgesetzes Nummer 22 seien.
Unsere P.eportage „Berliner Sommer 1947“ werden wir in der nächsten Ausgabe fortsetzen.
^dmiäbifdjf^rifung
Verlag: Schwäbischer Verlag. KG.. Friedrichshafen, i Z. Lentkirch.
Druck: Kottweiler Verlags- und Druckereigenossen- schaft, Kottweil.
Aber am zweiten Tage darauf fuhr er schon vormittags zu seiner gewöhnlichen Stelle hinaus. Er stieg aus, ließ den Wagen stehen und schlug den Pfad gegen seine bekannte Steinwand ein. Er ging an ihr vorüber, er ging gegen die Buchen, schritt auf den Waldsteig und ging auf ihm fort, bis er zu dem vertragsmäßigen Stein gelangte. Auf denselben setzte er sich nieder und blieb sitzen. Man konnte wohl in dieser Entfernung und Wildnis keine Mittagsglocke hören, aber die Zeit, in welcher sie alle auf den Türmen und Türmlein des Landes tönen müssen, kannte Tiburius sehr wohl; denn er hatte die Uhr in der Hand — und als diese Zeit gekommen war, sah er auch schon Maria in der Walddämmerung genau so wie gestern gekleidet auf sich zugehen.
„Aber wie weißt du denn, daß es jetzt gerade Mittag ist, da man nicht läuten hört und da ich keine Uhr bei dir sehe?“ sagte Tiburius, als das Mädchen bei ihm angekommen war und stehen blieb.
„Habt Ihr vorgestern nicht die Uhr mit den langen Schnüren' in unserer Stube hängen gesehen?“ antwortete sie, „diese geht sehr gut, und Wenn sie auf elf zeigt, gehen wir zum Mittagessen, dann richte ich mich zum Erdbeersammeln, und wenn ich auf den Zeiger schaue, ehe ich fortgehe, weiß ich genau, wann ich hier eintreffen werde.“
„Heute bist du ganz zu der versprochenen Zeit gekommen,“ sagte er.
„Ihr auch,“ antwortete sie, „das ist gut; nun aber kommt, ich werde Euch führen.
Tiburius stand von dem Steine auf. Er hatte wieder seinen grauen Rock an, und so gingen sie, das Mädchen in der oben beschriebenen Kleidung, er in seinem grauen Rocke, durch den Wald dahin. Sie hatte wieder das flache Körbchen mit dem weißen Tuch darum, aber da es leer war, hing es lose an ihrem Arme.
(Fortsetzung folgt)