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Nr. 210
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Donnerstag, den 8. September 1932
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verantwort!. Lchriftleitung: Frteärich Hans Scheele Druck unck Verlag 6er A. Oslschlöger'schen 8nch6ruckerei
Jahrgang 105
Der Reichspräsident wieder in Berlin
Schon morgen Empfang des Reichstagspräsidiums — Wird der Reichstag aufgelöst? Die Landwirtschaft fordert Ergänzung des Wirtfchaftsplans
TU. Berlin, 8. Sept. Der Empfang des Reichstagspräsidiums beim Reichspräsidenten von Hindenburg ist jetzt endgültig auf Freitag vormittag 11,30 Uhr anberaumt worden.
In parlamentarischen Kreisen wird nicht damit gerechnet, daß eine nochmalige Neichstagsvertagung erfolgt. Es wird als wahrscheinlich angesehen, daß im Anschluß an die Kanzlerrede am Montag am Tage darauf die große außenpolitische Aussprache beginnt und Ende der Woche die Abstimmungen vorgenommen werden. Ob es allerdings zu diesen Abstimmungen noch kommt, hängt von den Entschließungen der Reichsregierung ab. Für Montag vormittag haben bisher die Nationalsozialisten und die Sozialdemokraten Fraktionssitzungen anberaumt.
In Berlin glaubt man, daß die Reichsregierung Len Reichstag auflösen wird, sobald die Aussprache über die Kanzlererklärung ihr die Gewißheit bringt, bah sie mit dem Widerstand der überwältigenden Mehrheit des Hauses zu rechnen hat. Alles weitere soll sich streng nach den Vorschriften der Verfassung abspielen. Es dürfte also nichts geschehen, um die Neuwahlen hinauszuschieben. Eine Aende- rung des Wahlrechts ist nur insoweit beabsichtigt, als der Wahlkoeffizient von 60 000 Stimmen htnaufgesetzt werden soll, um eine Verminderung der Abgeorünetenzahl zu erreichen.
Die Verhandlungen zwischen National soziali st en und Zentru m sollen, wie wir hören, heute fortgesetzt werden. Die Koalitionsbesprechungen in Preußen werden in engem Zusammenhang mit den Verhandlungen im Reich) geführt werden. Aus diesem Grunde hat gestern eine Aussprache zwischen dem Landtagspräsidenten KerrI und Sem Reichstagspräsidenten Gbring stattgefunden. Für den Fall, daß die Verhandlungen zu einem Erfolge führen, ist, wie bereits angekündigt, mit einer früheren Einberufung des preußischen Landtages zu rechnen, der nach den bisherigen Dispositionen erst am 21. September wieder zusammenkom- men soll. Auf der Tagesordnung der nächsten Landtagssitzung würde dann die Wahl des Ministerpräsidenten stehen.
Erqänzunq des Wirtfchaftsplans
durch Einfnhrkompcnsterung und Zinssenkung
Morgen wird, wie die „Landwirtschaftliche Wochenschau" mitteilt, die „Grüne Front" dem Reichskanzler die Forderungen und Gesichtspunkte der Landwirtschaft für die
Fortsetzung des Wirtschaftsplanes und seine sofortige Ergänzung durch einen zweiten Teil vortrage». Man kann daraus entnehmen, daß dieser zweite Teil, der seit der vorigen Woche im Neichskabinett zur Erörterung steht, vor Ende dieser Woche nicht abgeschlossen sein wird. Nach der bisherigen Praxis des Reichskanzlers, die großen grundsätzlichen Entscheidungen vor ihrer Verkündung vorzutragen, sollte man erwarten können, daß der Reichskanzler am Montag im Reichstag Sie näheren Angaben über die Entschlüsse der Reichsregierung zum zweiten Teil des Wirtschaftsplanes machen wird.
Es handelt sich um die Einfuhrkontingentie- rung, die Zinssenkung und die Umlagerung der Konsumbelastung von den heimischen Erzeugnissen fZuckersteuer und Schlachtsteuer) auf die ausländischen Erzeugnisse, vor allem Margarine. Ueber die Einzelheiten der Kontingentierung auf Grund der Vorlage des Reichsernährungsministers dürften die Entscheidungen erst in einer Kabinettssitzung Ende der Woche fallen. Dementsprechend könnten noch insgesamt 2 Wochen bis zur Inkraftsetzung der Kontingente vergehen. Erst vor 10 Tagen sei eine Vielzahl von Jndustriezöllen, rund 200, mit Wirkung vom 6. September ganz erheblich heraufgesetzt worden. Die Industrie, durch Handelsverträge nicht gebunden, habe also eben erst wieder eine gewaltige Verschärfung ihres Zollschutzes erfahren, während bei der Landwirtschaft angesichts der Handelsvertragsbinbungen nur der Weg der Kontingentierung bleibe.
Besprechungen im Reichswirtschaftsministerium über die Durchführung des Wirtfchaftsplans.
Amtlich wird mitgeteilt: Am Mittwoch vormittag fand im Reichswirtschaftsministerium eine Aussprache zwischen den an der Durchführung des Wirtschaftsplans hauptbeteiligtcn Ministern, der Reichsbank und führenden Persönlichkeiten der Unternehmerschaft statt, die hinsichtlich der Bedeutung und des Zwecks der erlassenen Notverordnungen und der weiteren Behandlung der noch bevorstehenden Ausführungsbestimmungen eine weitgehende Ueberein- st immung erzielte. Die kurze Aussprache hatte informatorischen Charakter, lieber die Durchführung der sozialpolitischen Maßnahmen finden zurzeit noch weitere Besprechungen mit Arbeitgebern und Gewerkschaften im Reichswirtschaftsministerium statt.
Zn Erwartung der Pariser Gegenantwort
Antwortnote auf die deutsche Abrüstungsdenkschrist nicht vor Ende dieser Woche
Französische Rückfragen in London
— Paris, 8. Sept. Wie am Quai d'Orsay verlautet, i der Antwortentwurf auf die deutsche Denk schrist, der am Mittwoch dem Kabinett vorlag, bereits de Regierungen der wichtigste» Teilnehmermächte am Vertr«, eusahkommen von Lausanne im Wortlaut mitgeteilt wordei Ueber den Inhalt verweigert man vorläufig jede Erklärum Ueber den gestrigen Ministerrat weiß „Havas" zu beriä ten, daß Ministerpräsident Herriot den Entwurf der Noi »erlesen habe, den er als Antwort auf die deutsche Denkschri in der Frage Ser Rüstungsgleichberechtigung vorbereitet ha Dieser Text werde endgültig erst nach dem nächsten Min sterrat angenommen werden, der wahrscheinlich am Freita stattsindet, wenn die englische Regierung dem Ministcrpräf benten ihre Ansicht zur Kenntnis gebracht haben wird. Ol wohl die französischen Minister keine bestimmten Angabe über den Inhalt der Note machten, sei Loch klar. Laß d>-se Dokument eine P r ü f u ng d e r j u r i st i s ch e n u n d p ol i 7.' ° bleme enthalte, die durch das deutsch
D?2l!ända wurden. Die Rüstungsmöglichkeite
? den Versailler Vertrag festgcsetz
^ ^ übrigens nur eine allgemeine Beschrän
Iw enthalte keine Bestimmnnge
Ri'Itungsvermehrung, die Deutschlan
ordere. E s st e h e w e b e rHr a n k r e i ch » o ch De u ts ck
l a n d z u. d i e K l a u s e l n d e s V e r s a i l l e r V e r t r a
«es zu ändern,- allein die U n t e r z e i ch n - r ö i- 'es Vertrages hatten diese Macht. Aber die fü näck, den^N »^wendigen Verhandlungen könnte
setzuna ^ Vertrages selbst zu einer Herak
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m t ihr r .bas Mindestmaß Rücksicht nehme, La rung S^ S-ch-rheit und mit der Durchfüh
ch eine gemeinsame Aktion ihnen auferlegtei
internationalen Verpflichtungen vereinbar sei fArt. 8 -es Friedensvertrages). Eine bessere Organisierung des Friedens werde sich schließlich durch die Lösung des durch die Reichsregierung aufgerollten Problems finden lassen.
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Nervosität in Paris wegen der „rücksichtslosen Entschlossenheit" der Reichsregierung.
In Pariser politischen Kreisen herrscht im Zusammenhang mit den Erklärungen des Rcichswehrministers und des Neichsaußcnministers starke Nervosität, die man damit zu bemänteln sucht, daß man von einer „wachsenden deutschen Nervosität" spricht und die Zuspitzung der Lage mit den deutschen innerpolitischen Verhältnissen erklären will. Andererseits wird jedoch zugegeben, daß man jetzt vor entscheidenden und ausschlaggebenden Entscheidungen stehe. An der „rücksichtslosen Entschlossenheit" der Reichsregierung sei kaum zu zweifeln. Man betont aber ebenso hartnäckig, daß Frankreich von seiner einmal eingenommen^Haltung nicht abweichen könne.
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Englisches Dementi
In Hinblick auf Pariser Berichte, die eine kollektive Antwort der am englisch-französischen Vertrauensabkommen beteiligten Mächte aus die deutsche Forderung nach Nü- stungsgleichberechtigung Voraussagen, wirb in London nochmals betont, daß die englische Regierung zwar von französischer und deutscher Seite vollständig über die Entwicklung auf dem laufenden gehalten worden sei, daß sie aber an den Verhandlungen zur Zeit nicht beteiligt sei. Offensichtlich würde man es in den Kreisen der englischen Negierung sehr begrüßen, wenn es gelänge, die deutsch-französischen Verhandlungen baldmöglichst in Fluß zu bringen, so daß
Tages-Spiegel
Der Reichspräsident trifft hente vormittag wieder in Berlin ein und wird morgen das Reichstagspräsidium empfangen.
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In Berlin rechnet man neuerdings wieder mit der Auflösung des Reichstages, da voraussichtlich das Kabinett nicht die Billigung des Reichstages finden wird.
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Adolf Hitler hat in München eine neu« Kampsrede gegen das Neichskabinett gehalten, aus der zu entnehme« ist, daß die Nationalsozialisten die Auflösung des Reichstags erwarte«.
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Das Pariser Kabinett hat die Gegenantwort auf die deutsche Abrüstungsdenkschrift erst im Entwurf fertiggestellt «ud hält zunächst noch Rückfragen in London.
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Die Zahl der unterstützten Erwerbslosen im Reich ist leicht gesunken, was jedoch i« der Hauptsache auf die schärfere Prüfung der Hilfsbedürstigkeit zurückzusühren sein dürste.
schon vor dem Zusammentritt des allgemeinen Büros der Abrüstungskonferenz eine gewisse Klärung erzielt wird. Von einer Beteiligung Englands an einer kollektiven Antwortnote an Deutschland ist in London nichts bekannt. Sie dürfte auch der ganzen Sachlage nach nicht in Frage kommen.
Neue Kampfrede Hitlers
In München sprach im überfüllten Zirkus Krone Adolf Hitler über die politische Lage. Aehnlich wie schon in Berlin polemisierte Hitler gegen die Regierung Papen. Das Judentum und der feudale Herrenklub bildeten sich ein, Deutschland retten zu können. Unter stürmischem Beifall erklärte Hitler: WtrlasseneuchnichtzurMachtkom- men, undwennihrdenNeichstagzehnmalaus- löst! Diese alten Experimente werden uns nickst mutlos machen können. Wir bleiben bei der Verfassung. Allerdings» wir werden sie auch abändern, aber verfassungsmäßig. Wenn ihr uns vorwerft, daß wir den Parteistaat erhalten wollen, so antworten wir: wir wollen den deutschen Volksstaat ret- ten. Mit dem neuen Nettungsprogramm Papens rettet man nicht das deutsche Volk, sondern höchstens ein paar Banken.
Wenn Herr von Papen glaubt, die nationalsozialistische Partei wächst nicht mehr, so erwidern wir ihm, die Partei wächst, bis der letzte Deutsche erwacht ist. Wenn Sie morgen den Reichstag auflösen, so freue ich mich heute schon auf den Kampf, der dann beginnen wirb. Die Ehre, der Führer der Partei zu sein, ist für mich größer als ein Kanzler in -er bekannten Reihenfolge zu sein. Ich vestaufe die Partei nicht für einen Ministerstuhl, für einen Titel, den sie mir anbietet. Da kämpfe ich lieber weiter, und wenn die Herren sagen, wir werden es nicht aushalten, so sage ich, mein grober Gegenspieler, der Herr Reichspräsident, ist 85 Jahre alt und ich bin 43 Jahre alt, und ich fühle mich ganz gesund. Unter stürmischem Beifall der Versammlung schloß Hitler: „Wir wollen den Kampf durchsetzen und wollen sehen, auf wen Deutschland hört, ob auf den Befehl des Herrn von Papen: Das Ganze kehrt, oder auf unser Kommando: Junges Deutschland vorwärts!"
Notkundgebung der Gärtner in Frankfurt a. O.
Die Gärtner bringen ihre Erzeugnisse aufs Finanzamt
TU. Frankfurt a. Oder, 8. Sept. Am Mittwoch mittag veranstalteten die Obst- und Blumengärtner aus Frankfurt a. Oder und Lebus im Finanzamt eine nicht alltägliche Kundgebung, um ihre große Notlage vor Augen zu führen. Auf dem Wochenmarkt angebotene und übrig gebliebene Er. Zeugnisse, darunter 50 Ztr. Tomaten, wurden inlöWagen zum Finanzamt gebracht und dort in den Gängen und auf dem Hof aufgestapelt. Der Wortführer der Gärtner legte dem Vorsteher des Finanzamtes den trostlosen Not- stand des Gewerbes dar. Obwohl der deutsche Markt mit einheimischen Erzeugnissen geradezu überschwemmt sei, gehe die Einfuhr auslän- bischer Erzeugnisse ungehemmt weiter. In der vorigen Woche seien in Berlin täglich 16 Eisenbahnwagen- Ladungen ausländische Tomaten angekommen. Da die Gärtner ihren steuerlichen Verpflichtungen nicht Nachkommen könnten, versuchten sie, der Steuerbehörde ihre Erzeugnisse zur Verrechnung unmittelbar anzubictcn.
Der Vorsteher des Finanzamtes bedauerte, die aufge- stapeltcn Erzeugnisse nicht ««nehmen zu können, betonte aber, daß er die Bitte um entsprechende steuerliche Behandlung befürwortend weiterleiten wolle.