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Nr. 105

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Kmls- unö Knzeigeblall für äen vberamlsbezirk Calw

Samstag, den 7. Mai 1932

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Jahrgang 105

Der französische Staatspräsident ermordet

Präsident Doumer einem Reooloerattentat zum Opfer gefallen Der Täter ein Russe

TU. Paris, 7. Mai. Das Ministerpräsidiuin veröffentlicht am Freitag nachmittag folgende amtliche Verlautbarung: Staatspräsident Doumer wurde heute nachmittag um 16 lyr bei dem Besuch der Buchans-stellung ehemaliger kricgs- teilnehmender Schriftsteller das Opfer eines Revolveran­schlages. Der Attentäter, ein russischer Anarchist, scheint nicht tm Vollbesitz seiner Geisteskräfte zu sein. Doumer ist von drei Kugeln getroffen worden, von denen die eine die Schläfe streifte und die andere unter dem linken Ohr in den Kopf drang, ohne jedoch das Gehirn zu verletzen. Die dritte Ku­gel durchschlug die linke Schulter und rief eine weniger schwere Verletzung hervor. Der Schriftsteller Claude Far - ridre wurde am Unterarm verletzt. Der Chef der Pariser städtischen Polizei, Paul Gnicharb, der es durch sein Da­zwischentreten verhinderte, daß das Attentat einen noch ern­steren Ausgang nahm und der persönlich den Attentäter ent­waffnet-, wurde leicht am Handgelenk verletzt.

Der Präsident war in Begleitung eines Mitgliedes sei­nes Militärkabinetts im Ausstellungsgebäude erschienen, wo er von Kriegsminister Pietri, Justizminister Reynand und dem Präsidenten der Schriftstellervereinigung, Claude Far- rsre, empfangen wurde. Nach der Besichtigung des ersten Ausstellungsraumes begab er sich, gefolgt von zahlreichen Personen, in den dahinter liegenden Saal, in dem auch der Attentäter Gargulow an einem Bücherstand mit einem französischen Schriftsteller sprach. Als der Staatspräsident sich diesem Stand bis auf wenige Schritte genähert hatte, drehte sich Gargulow plötzlich um, zog einen Revolver und gab hintereinander 6 Schüsse ab. Von 3 Kugeln durchbohrt, brach der Präsident der Republik bluttiberströmt zusammen. Zwei andere Kugeln verletzten den Schriftsteller Farröre »nd den Chef der Pariser Polizei Gnichgrd. Kriegsminister Pietri stürzte sich als einer der ersten aus den Attentäter und

wurde bei der Verhaftung von Guichard unterstützt. Unter­dessen trug man den bewußtlosen Staatspräsidenten in seinen Kraftwagen und übcrführte ihn auf schnellstem Wege ins Krankenhaus. Die Besucher, die Augenzeugen des Anschla­ges waren, stürzten sich auf den Angreifer und richteten ihn durch Stock- und Faustschlüge übel zu. Den anwesenden Kriminalbeamten gelang es nur mit Mühe, ihn vor der Lynchjustiz zu bewahren. In seiner Tasche fand man ein in russischer Sprache abgefaßtes Notizbuch, in dem u. a. folgen­der Satz geschrieben steht: »Gargulow, Präsident der russi­schen Faschisten und Mörder des französischen Staatspräsi­denten".

Pawel Gargulow ist von Geburt nicht Nationalrirsse, son­dern Kuban-Kosake. Er wurde im Jahre 1896 in der Ko­sakenniederlassung Labinskaja Staniza geboren. Den Krieg machte er gegen Oesterreich unö gegen die Türkei ans russi­scher Sette mit. Nach dem Kriege studierte er in Prag Me­dizin und galt schon damals unter seinen Bekannten für ver­rückt. In politischen Kreisen ist man jetzt überzeugt davon, daß der greise Staatspräsident keinem politischen Anschlag, sondern der Tat eines Geisteskranken zum Opfer ge­fallen ist.

Staatspräsident Doumer gestorben

Trotz mehrfacher Blutübertragungen ist Staatspräsident Doumer heute morgen um 4.40 Uhr seinen schweren Ver­letzungen erlegen. Nach -er französischen Verfassung muß die Neuwahl des Präsidenten sofort erfolgen. Der Natto- nalkongreß in Versailles müßte also bereits am Montag zusammentreten. Wegen der am Sonntag stattfindenden Wahl nimmt man jedoch in politischen Kreisen an, daß die Wahl des neuen Präsidenten frühestens am Dienstag erfol­gen wird.

Um die Verabschiedung des Reichshaushalts

Die Reichsregierung legt Wert auf rasche Erledigung Ltatberatung im Reichstag

erst im Sommerabschnitt

TU. Berlin, 7. Mai. Die »Germania" schreibt: »Wie verlautet, wird das Reichsfinanzministerium sofort nach Ab­schluß der Haushaltsberatungen im Reichskabinett den Reichshaushalt als Vorlage gleichzeitig dem Reichsrat und dem Reichstag zugehen lassen. Das hat den Sinn, - der Haushaltsausschuß des Reichstages mit der Beratung im Ausschuß beginnen kann, ohne daß das Votum -es Reichs­rats vorliegt. Der Reichsrat wird sich gleich nach Pfingsten mit dem Reichsetat beschäftigen. Die Reichsregierung legt Wert darauf, daß die Vorlage im Reichsrat innerhalb der kürze st möglichen Frist erledigt wird. Reichs­finanzminister Dietrich wir- seine Etatrede im Reichstag erst nach dem Abschluß der Reichsratsvcrhandlungen halten. In der ersten Maitagung des Reichstags werden also im Plenum Reden zum Etat noch nicht gehalten werden. Ins­gesamt steht für die Beratungen im Reichsrat und Reichstag die Zeit bis zum 1. Juli zur Verfügung. Es wird fest an- genonnnen, daß diese Zeit ausreichen wirb, um die vorge­schriebenen drei Beratungen des Etats zu Ende zu führen. Ls wird auch weiter angenommen, daß -er Reichshaushalt im Reichstag mit der erforderlichen Mehrheit angenommen wird".

Das Reichskabinett trat gestern nachmittag wieder zu­sammen, um die Beratungen über das Wirtschafts- und Fi- »anzprogramm der Regierung fortzuführen.

Mißlrauensanlräge gegen das Reichskabinett

Die kommunistische Reichstagsfraktion hat zur bevor­stehenden politischen Anssprache im Reichstag einen Miß­trauensantrag gegen das Kabinett Brüning eingebracht, fer­ner besondere Mißtrauensanträge gegen die Minister Groe- ner und Stegerwald. Die Rechtsparteien haben bisher eine Entscheidung über die Einbringung von Mißtrauensanträgen nicht getroffen. Das wirb voraussichtlich erst in den Frak- Nonssitzungen, die am Montag stattfinden, geschchen.

Die kommunistische Fraktion hat im Reichstag einen An­trag eingebracht, der die Aufhebung der beiden Notverord­nungen zur Wahrung der Staatsautorität und -er Notver­ordnung gegen die Gottlosenbowegung fordert. Im Reichstag fanden am Freitag unverbindliche Besprechungen ^oischen Vertretern der Mittelparteien des Reichstages über ein engeres Zusammenarbeiten statt. Irgend ein Ergebnis wurde jedoch noch nicht erzielt.

Warmbolds Rücktritt ^

Amtlich wird mitgeteilt: Reichsivirtschaftsminister Dr. Warmbol- hat sich infolge von Meinungsverschiedenhei­ten in wirtschastspolitifchen Fragen veranlaßt gesehen, nach Rückkehr des Reichskanzlers um Entbindung von seinem Amte zu bitten. Der Reichspräsident hat diesem Wunsche nach Vortrag des Reichskanzlers Dr. Brüning entsprochen. Mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Reichswirtschafts­ministers ist bis auf weiteres Staatssekretär Dr. Tren­delenburg beauftragt worden.

Arbeitsbeschaffung durch Notopfer?

Einmalige allgemeine Abgabe znr Durchführung deS Arbeitsbeschaffungsprogramms Auf einer kommunalpolitischen Tagung in Dortmund erklärte Ministerialdirektor von Leyden vom Preuß. Ministerium des Innern, die Selbstverwdltung habe ein schweres Jahr -urchgemacht. Die preußischen Gemeinden verzeichnet«» im verflossenen Geschäftsjahr einen Fehlbetrag von einer halben Milliarde Reichsmark. Die Mittel auS dem staatlichen Ausgleichsfond würden nicht auSreichen. Im Jahre 1931 hätten 100 Millionen aus dem AuSgleichSfond zur Verfügung gestanden. Mit den Mitteln dieses Aus­gleichsfonds sei es nicht möglich, auf die Dauer die Ge­meindefinanzen in Ordnung zu hatten. Die preußi­sche Staatsregierung habe äußerst dringende Vorstel­lungen bei der Reichsregierung erhoben. Sie habe als sofortige Maßnahme vorgesehen, die Arbeitslosig­keit nicht nur einzudämmen, sondern die vorhandene Zahl der Arbeitslosen wesentlich zu mindern durch ein großzügiges Arbeitsbeschaffungsprogramm und durch eine ArbeitSzeitkürzung, die es ermöglichen wer­den, einen großen Teil der Arbeitslosen in den Arbeitspro­zeß wieder einzustellen. Es müsse möglich sein, diese Unter­stützungen abzuwälzen von den Haushalten der Gemeinden und Gemeindeverbände. Die Mittel sollten aufgebracht wer­den durch einen einmaligen Beitrag der Arbeit­nehmer und Arbeitgeber als allgemeine Ab­gabe. Dann könne die Krisenlohnsteuer und die zweite Kürzung der Beamtengehälter fallen.

Keine Zwaugsanleihc oder Vermögensabgabe Amtlich wird aus Berlin mitgeteilt: In der Öffentlich­keit werden Mitteilungen verbreitet, nach denen die Reichs­regierung zur Deckung von Fehlbeträgen eine Zwangsan­leihe oder eine Vermögensabgabe plant. Diese Nachrichter» sind unrichtig und entbehren jeder Grundlage.

Tages-Spiegel

Der französische Staatspräsident Doumer ist dem Reoolver- anschlag eines Russen zum Opfer gefallen.

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Der Rücktritt des Rcichswirtschaftsministers Dr. Warmbold ist vollzogen; Trendelenburg führt einstweilen die Ge­schäfte.

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Der Reichstag wird sich erst in seiner Sommertagung mit dem Reichshaushalt z« befasse« haben. Die Beratungen sollen bis 1. Jnli abgeschlossen sein.

Der Führer der -eutschen Abordnung für die Abrüstuugs- konferenz, Botschafter Nadolny, ist zu kurzem Aufenthalt in Berlin eingctroffen. Er wird sich am Sonntag nach Genf zurückbegebe«.

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Das österreichische Kabinett Bnresch hat seinen Gesamtrück­tritt erklärt. ^

Der litauische Gouverneur des Memellandes, Merkys, ist zurückgetrete». In Kowuo bemüht man sich jetzt um eine Verständigung mit Deutschland.

Das Programm für die Lausanner Konferenz

TU. London, 7. Mai. Gelegentlich ihrer Anfrage bei den Noungplanmächten, ob ihnen der 16. Juni als Eröffnungs­tag der Lausanner Konferenz genehm ist, hat die englische Regierung, wie der diplomatische Korrespondent desDaily Telegraph" erfährt, auch schon gewisse Richtlinien für das Programm der Konferenz in Vorschlag ge­bracht. Darnach sollen zunächst Besprechungen zwischen den hauptjächttHften. früheren alliierten Mächten England, Frankreich, Jtali«,,'Japan und Belgien mit Deutschland stattfinden. Anschließend sollen die kleineren alliierten Mächte -Rumänien, Südslawien, Griechenland und Portu­gal), die an den Reparationen unmittelbar interessiert sind, uud Polen und die Tschechoslowakei, die mittelbar an den Verhandlungen ein Interesse haben, hinzugezogen werden.

Der letzte Abschnitt der Konferenz würde sich mit den finanziellen und wirtschaftlichen Fragen Südosteuropas und möglicherweise auch mit Finanz­fragen im weiteren Rahmen, wie Währungsprobleme ufw., zu befassen haben. Zu diesem Abschnitt würben auch andere Länder, wie Oesterreich, Ungarn, Bulgarien, Türkei und voraussichtlich auch früher neutrale Staaten eingeladen werden, deren finanzielle und wirtschaftliche Interessen un­mögliche Hilfeleistung als bedeutungsvoll und wichtig ange­sehen werden.

Vor dem Zusammentritt des Völkerbundsrats

TU. Geuf, 7. Mai. Der Madrider Botschafter, Graf Welczek, wird die Vertretung Deutschlands auf der am Montag beginnenden ordentlichen Tagung -eS Völkerbunds» rats übernehmen. Auf der bevorstehende« Ratstagung ge­langt eine Reihe die deutschen Interessen unmittelbar be­rührende Fragen, vor allen Dingen grundsätzliche Minder­heitenfragen, sowie Danziger und Oberschlesische Fragen zur Verhandlung. Man nimmt an, - der englische und ita­lienische Außenminister an der Ratstagung teilnehme« werden. _

Wiederaufleben des Bürgerkrieges in China?

Kanton gegen Nanking

TU. Schanghai, 7. Mai. Die Kantonregierung veröffent­licht eine amtliche Mitteilung, in der sie den Abschluß des Waffenstillstandes in Schanghai als Verrat an den na­tionalen Interessen des chinesischen Volks bezeichnet. Die Kantonregierung sei nicht in der Lage, diesen Waffen­stillstand gutzuheißen, und habe beschlossen, ihre Truppen aus Schanghai nach Kanton zurückzuziehen. Sie werde in den nächsten Tagen zu der Frage der Zusammenarbeit mit der Nankingregierung Stellung nehmen.

Tschiangkaischek hat demgegenüber in einer Unterredung mit Vertretern der Kuomintang erklärt, daß der Einspruch der Kantonregierung gegen den Waffenstillstand mit Japan jedes Verständnis vermissen lasse. China habe alles erreicht, was zu erreichen möglich war. Kanton wolle anscheinend durch den Abbruch der Beziehungen zur Nankingregierung den Bürgerkrieg neu aufleben lassen. Die Nankingregierung wolle alles tun, einen neuen Bürgerkrieg zu vermeiden, dessen politische Auswirkungen ungeheure Folgen für ganz China haben würben.