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Nr. 93
Freitag, den 22. April 1932
Fahrgang 105
Ein neuer amerikanischer Abrüstungsvorschlag
Macdonald und Tardieu bei Slimson — Amerika besteht auf seinen Schuldforderungen
TU. Gens, 21. April. Wie in unterrichteten Kreisen verlautet, hat der amerikanische Staatssekretär Stimson in seiner Unterredung mit Macdonald nnd Tardieu am Donnerstag vormittag einen neuen amerltanischen Abrüstungsvorschlag Vorgelegt, der einen bis in alle Einzelheiten ausgcarbciteten Plan der qualitativen und quantitativen Abrüstung unter Berücksichtigung des Sicherheitsproblems darstellt. Dieser amerikanische Borschlag, der auf den Bestimmungen dcS KelloggpaktcS ausgebaut sein soll, wird zunächst noch von allen Seiten streng vertraulich behandelt.
Von seiten der amerikanischen Abordnung werden jetzt Mitteilungen über eine Erklärung gemacht, die Staatssekretär Stimson in seiner Unterredung mit Macöonaid und Tardieu abgegeben hat. Stimson habe zunächst betont, er sei nach Genf gekommen, nm den europäischen Staaten z» helfen, eine Lösung für al l e zur Verhandlung stehenden internationalen Probleme z» finden. Die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten sei gegenüber Europa außerordentlich skeptisch. Die Auffassung sei vorherrschend, daß die europäischen Staaten in den großen internationalen Fragen, vor allem dem Reparations- und Schulöenproblem, nicht mehr mit der wünschenswerten Ehrlichkeit handelten. Eine Zusammenarbeit der Vereinigten Staaten mit Europa sei nur gegen den Preis voller Ehrlichkeit in allen diesen Fragen zu haben.
Staatssekretär Stimson legte sodann Taröien und Macdonald den neuen amerikanischen Abrüstungsplan dar, der auf dem Verfahren der qualitativen Herabsetzung der Rüstungen aufgebaut ist und in dem DentschlandalSMuster für die Herabsetzung -er Rüstungen hingestcllt wird. Der amerikanische Vorschlag geht davon aus. daß in Zukunft die Staaten nur Uber Armeen verfügen dürften, die entsprechend dem deutschen Beispiel der Verteidigung der Grenzen und der Ordnung im Innern dienen. Nach den amerikanischen Plänen würde Frankreich über eine Armee von ungefähr 880000 Mann verfügen dürfen. Alle Länder sollen aus der Abrüstungskonferenz den Stand ihrer Rüstungen begründen. Jedoch dürsten künftig die Sicherheitslage eines jeden Landes und die geographischen Bedingungen lediglich unter dem Gesichtspunkt der Verteidigung und der Ausrechterhaltung der inneren Ordnung für Len RüstnngS- stand maßgebend sein.
Der amerikanische Abrüstungsvorschlag ist von seinen Urhebern zunächst nur als eineallgemeineAnregung gedacht, nicht als ein feststehender Plan. Stimson har in der eingangs genannten Unterredung sodann betont, daß die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten S,e Lage der einzelnen europäischen Staaten sehr woht kenn« und die Sicherheitsbedürfnisse der einzelnen Länder durchaus berücksichtige. Stimson hat dann weiter angedeutet. Saß die amerikanische Regierung für den Fall greifbarer Ergebnisse der Abrüstungskonferenz es nicht ablehnen würde, am Schluß der Konferenz eine Erklärung abzngeben. nach der sie für den Fall eines enropäischen Krieges dem angreifenden Staate weder direkt noch indirekt in irgend einer Weise Hilfe leisten würde.
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Amerika mahnt seine Schuldner
--- Washington, 22. April. Das amerikanische Staatsdepartement hat Ende des letzten und Anfang dieses Monats an 14 Schulünerländer Schuldscheine im Gesamtbetrag von 246 Millionen Dollar, die durch das Hoover-Jahr gestundet worden waren, zur Unterschritt übersandt. Der gestundete Jahresbetrag soll innerhalb von 10 Jahren, beginnend mit Juli 1933, bei einem Zinsfuß von 4 v. H. zurückgezahlt werden. Diesbezügliche Noten gingen an Belgien, Tschechoslowakei, Estland, Finnland, Frankreich, England, Ungarn, Italien Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Südslawien «nü Deutschland.
Doch Berqnickung der Kriegsschulden mit den Reparationen
Staatssekretär Stimson hat dem Staatsdepartement aus Grund seiner Genfer Besprechungen offiziell mitgeteilt, daß kein Land Europas vor der Lausanner Konferenz Schulden bezahlen werde. Stimson erklärte offen, daß die Länder ihre Kriegsschnldenzahlungen von den Zahlungen Deutschlands abhängig machten und entgegen dem Protest Amerikas, die Reparationen mit der Kriegsschuldenfrage verquickten. Bon hohen Beamten beS Staatsdepartements wird zwar darauf hingewiesen, daß nach Beginn der Lausanner Konferenz weitere Verhandlungen stattsinden würden, aber gleichzeitig betont, daß die amerikanische Regierung, gestützt auf die Unterschriften der Schuldnerländer, auch weiterhin aus Einhaltung der bestehenden Zahlungsverpflichtungen drängen werde.
Erste Aussprache zwischen Brüning und Tardieu
Die Genfer Slaalsmänner-Besprechungen häufen sich — Frankreichs Kampf
gegen die Abrüstung
TU. Genf, 22. April. Der französische Ministerpräsident Tardieu stattete Donnerstag nachmittag dem Reichskanzler Brüning jg, Hotel Metropole einen Besuch ab. Vorher empfing der Kanzler den belgischen Außenminister Hy- mans. Der englische Ministerpräsident Macdonald hat sich zu heute vormittag beim Kanzler angesagt. Tardieu emp- '/.7>5 Donnerstag nachmittag Bia^donald sowie die Vertreter Rumäniens, Sttdslawiens und der Tschechoslowakei.
binstündige Unterredung zwischen Brüning und Tardieu, an der Staatssekretär v. Bülow nicht teilnahm. wird ebcniowenig wie über die gesamten bisherigen Besprechungen des Kanzlers die geringste Mitteilung gemacht. Die Besprechungen werden heute unter Nin-»u,tek»no Bülows fortgesetzt werden.
In Washingtoner amtlichen Kreisen wird jetzt erstmalig zugegeben, daß Staatssekretär Stimson außer der Ab- rnstungsfrage in Genf auch andere Probleme besprechen wird. Unterstaatssekretär Castle erklärte, Stimson sei zwar hauptsächlich zur Besprechung der Abriistnngsfragc nach Genf gefahren, aber angesichts der Finanz- und Wirtschaftslage in der ganzen Welt sei es unumgänglich, daß die in Genf anwesenden Staatsmänner auch die Kriegsschulden- und Reparationstrage besprächen. Er betonte jedoch, daß die Besprechungen lediglich unverbindlichen und informatorischen Charakter hätten.
Um die Abschaffung der Angrisfswaffen
Im Hauptausschuß der Abrüstungskonferenz wurde die durch Sen neuen Vorschlag der engt'schen Regierung einge- lcitete große Aussprache über dre qualitative Ab- r ü st ung fortgesetzt. Die Vertreter von Kanada und Norwegen sprachen sich einheitlich für die Vorschläge der englischen Regierung aus. Unter großer Aufmerksamkeit setzte i»dann Paul Bonconr den Standpunkt der französischen Regierung zu dem englischen Vorschlag auseinander, ^le zu erwarten, erklärte er, daß die französische Delegation
sich gezwungen sehe, den in der letzten Sitzung gemachten englischen Vorschlag in seiner jetzigen Form abzuleh- n en. Sie sehe sich nicht aus dem Grunde dazu veranlaßt, weil das in ihm ausgesprochene Prinzip den Anschauungen der sranzöstschcn Vertreter widerspricht, sondern weil, wie aus dem französischen Vorschlag hervorgehe, Frankreich diese in has Gebiet der qualitativen Abrüstung gehörenden Massen einer internationalen Macht unterstellen wolle. Erst die von der französischen Delegation empfohlene internationale Polizeimacht könne der Welt die internationale Sicherheit geben, dazu sei aber noch eine Kontrolle der jetzt empfohlenen Abrüftungsmahnahmen notwendig.
Als nächster Redner betrat der amerikanische Delegierte G > bson die Tribüne. Er verwahrte sich gegen die bezüglich des amerikanischen Lanbabrüstungsvorschlages von französischer Seite geübte Kritik und erklärte, im Sinne der amerikanischen Delegation sei der Vorschlag als Teil der Abrüstung aufgcfaßt worden. Schließlich sprach er sich für die Unterstützung des englischen Vorschlages aus, der klar die Ansichten vieler Delegationen zum Ausdruck bringe. Auf den Hinweis des schweizerischen Delegierten Motta, man müsse bei der Abstimmung über den Ent- »chließungsvorschlag unter allen Umständen Einstimmigkeit erreichen, kam Titulcscn (Rumäniens mit einem neuen, den französischen Wünschen Rechnung tragenden Vorschlag heraus. Lttwinow (Rußlands versuchte diesen Vorstoß, der aus dem englischen Vorschlag ein zwitterhaftes Gebilde schaffen würde, abznwehren mit der Erklärung, die russische Delegation sei nur bereit, ihre Stimme für den ursprünglichen Vorschlag abzugeben.
Der Präsident der Allgemeinen Kommission, Hend ertön. sprach sich jedoch kür die Durchberatung des neuen Vorschlags ans. EL scheint die Absicht zu bestehen, durch eine Ueberarbettung des englische« Vorschlages sich die sran- zösische Stimme zu kaufen.
Tages-Spiegel
Der amerikanische Staatssekretär Stimson hat Macdonakd und Tardieu einen Abrüstungsvorschlag seiner Regierung vorgelegt, der als allgemeine Anregung gedacht ist.
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Zwischen Reichskanzler Brüning und Ministerpräsident Tardien fand gestern eine erste Anssprache in Genf statt.
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Der Reichskanzler wird sich am Sonntag in Hohenzoller« wo er sein Wahlrecht ansübt, mit dem Reichsinnenmini» ster treffen, nm die Reichsbannerangclegenheit zn be» sprechen.
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Dcr Reichsinnenminister hat neue Richtlinien für das Verbot von Zeitungen den Länder« zugehen lassen.
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Die Verlängerung des 125 Mill. Dollar betragenden Ueber» brücknngskredit, für das Deutsche Reich bis November 1983 ist durch ein internationales Bankenkonsortinm nn- terzeichnet worden.
Neue deutsche Memel-Denkschrift
TU. Genf, 32. April. Die deutsche Regierung har den vier Untcrzeichnerstaaten der Mcmelkonvcntion eine ausführliche Denkschrift überreicht, in der auf dieneuenBorkomm- nisse im Memelgebiet» insbesondere auf die unrechtmäßige Zusammensetzung der Wahlausschüsse, die Beschrän- kung der Presse-, Rede- und Versammlungsfreiheit und auf die neuen Einbürgerungen hingewieien wird.
In der von Staatssekretär von Bülow Unterzeichneten Note wird besonderer Nachdruck ans den gefahrvollen Charakter der Maßnahme gelegt, durch die die litauische Negierung die kommenden Landtagswahlen im Memelgebier. insbesondere auf dem Wege der Einbürgerung, zu beeinflussen sucht. Die Note hebt die Notwendigkeit strengster Jnnehal- tung des Memelstatuts und der Memelkonvention durch di« litauische Regierung hervor und gibt eine eingehende Darstellung der gesamten Vorkommnisse und der Lage im Memelgebiet. In der deutschen Note wird serner nachdrücklich die Aufmerksamkeit der Untcrzeichnerstaaten auf die Aufhebung der bisher geltenden einjährigen Frist für die Einbürgerung im Memelgebiet gelenkt.
Der Ucberreichung der Note sind zahlreiche vertrauliche Besprechungen des Leiters der Ostabteilung, Ministerialdirektor Meyer, mit den in Genf anwesenden Bertrerern der vier Mächte vorausgegangen. Eine Stellungnahme der vier Unterzeichnerstaaten zur deutschen Note liegt noch nicht vor.
Englands neue Zollverordnung
TU. London, 22. April. 'DaS englische Schatzamt hat auf Empfehlung des beratenden Zollausschusscs die neue Zollverordnung erlassen, die insgesamt etwa 100 Warengatcunge« umfaßt und am 28. April in Kraft tritt Durch die neuen Verordnungen werden dt« unter dem Dumpingabwehrgesetz erlassenen drei Zollvcrordnungen außer Kraft gesetzi Die neue Zollverordnung steht eine sofortige Zollerhöhung für eine grobe Anzahl Halb- und Fertigsabrikate vor. Darnach ergibt sich ein Zolltarif in Höhe von 25 bis 30 v H für Frucht- und Gemüsekonserven. Kaviar usw und von 2u v. H. für Fertigwaren. In gewissen Fällen beträgt der Zok nur 10 bis 15 v. H. Bei Halb- und Luxnswar«n 25 bis 80 v. H. Für Stahl und Eisen stellt sich der neue Zoll aus 33',, v. H Hierunter fallen Winkeleisen und Eisenmangan, ferner Eisenbarren, Zinnblcche und -Barren, alle Sorten von Stangen. Winkeln usw.» Schmiede- und Gußstücke. Hufeisen. Träger. Reisen. Platten und Bleche aller Art.
Die Zollerhöhung aus 20 v. H. umfaßt 18 Warengattungen: Keramische Waren, Glaswarcn, Möbel, Eisenwaren unfertige Eisen- und Stahlerzeugnisse wie Rohre, Stahlfedern, Draht, Messer, Gabeln und Schlösser, elektrische Artikel, landwirtschaftliche Geräte, Fertigwaren, wollene Fertigwaren, Wolldecken usw.? Schuhwarcn, Chemikalien, Kerzen und Seifen, Ledcrwaren, Papierwaren, Fahrräder (33'/» Prozent), Waffen »nd Munition <25 Prozent). Toiletten- gegenstände <30 Prozent), Spielwaren (25 Prozent).
Ausnahmezustand
an der ruffhch-mand^churischen Grenze
TU. Tokio, 22. April. Die japanische Presse meldet, daß das Oberkommando der Noten Armee im Fernen Osten am Mittwoch den Ausnahmezustand an der russisch-mandschurischen Grenze verhängt habe. Besonders soll di« Grenze bei Pogranitschna bemacht werden, wo nach russischer Auffassung ein Einsall von Weißgardisten droht.