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Nr. 204
Mittwoch, tzsn S, September 1931
Die Finanznöte der kleinen Minder
Die FinanMinister der notleidenden Länder beim Reichskanzler — Verhandlungen
mit Führern der Sozialdemokratie
Tages-
^ahrgang 104
Spiegel
TU. Berlin, 2. Sept. Der Reichskanzler empfing gestern vormittag die Finanzminister von Thüringen, Oldenburg, Mecklenburg-Schwerin- Mecklenburg-Strelitz und Braunschweig zu einer Aussprache über die Finanzlage dieser unter der allgemeinen Finanznot besonders leidenden Länder. Die Minister schilderten dem Reichskanzler eingehend die Notlage ihrer Länder. Es ist anzunehmen, daß der Reichskanzler vorerst irgendwelche Maßnahmen nicht in Aussicht stellen konnte, da die maßgebenden Neichsstcllen zweifellos erst einmal sehen wollen, bis zu welchem Grade die Länder aus Grund der bekannten Ländernotverorönung in der Lage find, Einsparungen vorzunehmcn. Andererseits läßt sich im Augenblick noch nicht übersehen, wie sich die J-inanzgebah- rung des Reiches in der nächsten Zeit gestalten wird, da bekanntlich die über das Winterprogramm der Neichsregie- rung schwebenden Verhandlungen noch nicht endgültig abgeschlossen sind. Mit praktischen Maßnahmen für die in Frage kommenden Länder dürfte demnach erst zu rechnen sein, nachdem man im Reich einen genauen Überblick über die Einnahme- und Ausgabenseite des Rcichshaushalts gewonnen hat und nachdem die Länder ihre eigenen Haushalte nach Maßgabe der ihnen jetzt hierfür zur Verfügung stehenden Mittel in Ordnung gebracht haben.
Die SPD.-Führer Leim Reichskanzler
Die Vertreter der Sozialdemokratie, die Abg. Hertz' und Hilffcrding, haben gestern nachmittag die angekttndigte Aussprache mit dem Reichskanzler gehabt. Der Unterredung wohnten die Minister Stegerivald und Dietrich bei. Eine ossi- ,iclle Verlautbarung über den Empfang wurde nicht ausge- gcbcn, man geht jedoch nicht fehl in -er Annahme, tmß außer den bereits früher von der SPD. geforderten Abänderungen -er Notverordnungen auch Fragen der Sozial- und Wirtschaftspolitik besprochen wurden, die in der Rede des Reichsarbeitsministers Stegerivald auf dem Frankfurter Gewerkschaftskongreß angeschnitten worden waren. Konkrete Zusagen dürften jedoch den Vertretern der SPD., wie versichert wird, nicht gegeben worden sein, schon deshalb nicht, weil sich das Rcichskabinett über sein Winterprogramm noch nicht schlüssig geworden ist.
Wie zu dem Empfang der Führer der SPD. beim Reichskanzler ergänzend verlautet, werden die hierbei geführten Besprechungen am Samstag oder am kommenden Montag fortgesetzt werden. Da die Sozialdemokraten jedoch ihre Entscheidung in der Frage der Neichstagseinberufung von der Erfüllung ihrer Wünsche hinsichtlich der Abänderung der Juni-Notverordnung abhängig machen dürften, muß man da-
TU. Gens, 2. Sept. Die 64. ordentliche Tagung des Völkcr- bundsrates ist gestern vormittag unter Vorsitz des spanischen Außenministers Lerroux eröfsnet worden. In einer kurzen Geheimsitzung wurden die Tagesordnung der gegenwärtigen Tagung und eine Reihe bedeutungsloser Haushaltsund Verwaltungsfragen erledigt. Von Außenministern nehmen an der Tagung teil: Dr. Curtius, Grandi, Zaleski, Marinkowitsch und McGillan (Irland). Die englische Regierung war durch Lord Robert Cccil und die französische durch Massigli vertreten.
Die an die Geheimsitzung anschließeirde öffentliche Sitzung dauerte kaum zehn Minuten. Im Eiltempo nahm der Rat Berichte über Fragen von geringerer Bedeutung entgegen. Der ungewöhnlich kurze Verlauf der Ratstagung zeigt, daß man gegenwärtig das Schwergewicht der Verhandlungen ausschließlich in die Einzelausschttsse der Europakommission verlegt hat und bis E>che der Woche, wo dann der Zollnnionsplan zur Verhandlung gelangen soll, die Arbeiten des Rates völlig in den Hintergrund treten werden. ,
Die auf morgen angesetzte Sitzung des Völkerbundsrats ist entgegen der offiziellen Ankündigung des Präsidenten unerwartet auf Freitag verschoben worden. Als Grund für diese Verschiebung kann angenommen werden, daß der Rat das Eintreffen des Haager Gutachtens in der Zollunion- Frage für Freitag erivartet.
Die Vorzugs-Zollverträge
Dem Koordinationsausschuß der Europakommisflon erstattete am Dienstag Poncet den Bericht des Agrarkredit- auSschusseö und behandelte hierbei eingehend die Voraussetzungen für den Abschluß von Vorzugszollverträ-
Lrn.MLcet unterstrich, daß der deutsch-,rumänisch«
mit rechnen, daß die für Freitag angesetzte Sitzung des Aeltestenrates des Reichstags ohne Beschlußfassung über die beantragte vorzeitige Einberufung des Parlaments vertagt werden wird.
Erhöhte Kreditbereitschaft der Reichsbank
Der Reichsbankdiskont ans 8 v.H. herabgesetzt.
Die Reichsbank hat am Dienstag den Diskontsatz von 1V auf 8 v.H. und den Lombardsatz von 12 auf 10 v.H. mit Wirkung ab 2. September herabgesetzt.
Reichsbankprästdent Dr. Luther erklärte im Zentralausschuß der Neichsbank u. a., daß die Deckung der Noten durch Gold und dcckungsfähige Devisen etwa 30,3 Prozent betrage, gegenüber 36,1 Prozent Ende Juli. Der Reichsbankpräsident gab der Versammlung ferner davon Kenntnis, daß die unter dem Zwang -er Verhältnisse im Juni an- georbneten und im Juli weiter verschärften restriktiven Maßnahmen dank der seit der Wiederaufnahme des vollen Zahlungsverkehrs eingetretenen Beruhigung aufgehoben werden konnten, und daß die Reichsbank bestrebt ist, ihre wiederhergestellte Kreditbereitschaft tunlichst weiten Wirtschaftskreisen zugutekommen zu lasten. Vor einigen Tagen ist zur Bestätigung dieser seit längerer Zeit verfolgten Tendenz ein besonderer Runderlaß an alle Reichsbankanstalten ergangen, in dein darauf hingewiesen wird, daß jetzt jeder gute Handelswechsel, der als reichsbankfähig anzuerkennen ist, bei der Reichsbank untergebracht werden könne. Außerdem sind Besprechungen mit den Banken ausgenommen, die die Schaffung erweiterter Verwertung ZM öglichkeitensür guteWarenwech- s e l zum Ziele haben. Von größter Wichtigkeit hierfür ist, daß Handel und Gewerbe durch Bereitstellung eines geeigneten Materials von auf Güterumschlägen basierenden Wechseln den Banken die Möglichkeit geben, einen tunlichst großen Teil der gegenwärtig von ihnen bei den Banken in Anspruch genommenen Kontokorrentkreditc in Diskontkredite für Handelswechsel umzuwanbeln.
Um die Bankenaufsicht.
In der Frage der Bankcnaufsicht, in der die Entscheidung der Reichsregierung noch in dieser Woche zu erwarten ist, scheint die Tendenz dahin zu gehen, einen Staatskommissar bei der Reichsbank zu bestellen, der jedoch dieser unterstehen soll. Jedenfalls dürfte der von sozialdemokratischer Seite propagierte Gedanke der Errichtung eines selbständigen Aufsichtsams mit großer Bürokratie nicht mehr zur Debatte stehen. Der Kommissar hätte vor allem ausreichende Jnformationsbefugnisse
Vertrag einen Mustervertrag darstelle und alle bisher gestellten Bedingungen für Vorzugszollverträge erfülle. Er empfahl, daß der Ausschuß die allgemeinen Bedingungen des Vorzugszollsystcms fcststellen und die Zustimmung der Europakommisston hierzu nachsuchen solle. Er beantragte, daß die Europakommission die Uebereinstimmung des deutsch- rumänischen Vorzugszollvcrtrages mit den allgemein formulierten Bedingungen feststcllen solle und unterstrich, daß der Vertrag erst nach Zustimmung der meistbegünstigten Staaten in Kraft treten könne. Der Vertreter der Tschechoslowakei ersuchte den Vertreter Deutschlands um Aufklärung über einige Len deutsch-rumänischen Vertrag betreffende Punkte.
Litwinow erhob gegen die Zulässigkeit der deutschrumänischen und deusch-ungarischen Borzugszollverträge Protest mit dem Hinweis, daß die beiden Handelsverträge Deutschlands gegen die Meistbegünstigungsklausel verstießen. Auch von dem türkischen und dem tschechoslowakischen Vertreter wurden gleiche Bedenken geltend gemacht. Der Koordinationsausschuß hat nach langwieriger Aussprache schließlich den ersten Teil des deutschen Antrages angenommen, in dem festgestellt wird, daß die Vorzugszoll- Verträge Deutschlands mit Rumänien und Ungarn den internationalen Grundsätzen entsprechen. Der zweite Teil des deutschen Antrages, in dem die Hoffnung ausgesprochen wird, daß diese Vorzugszollverträge zur Verbesserung der allgemeinen Lage -er Agrarstaaten beitragen werben, ist bisher noch nicht angenommen' worben.
Der Bericht des Kreditausschuffes angenommen.
Der Koordinationsausschuß hat de« Bericht des Kredit- ausschustes angenommen und dem Europaausschutz überwiese«. I» de» B»icht stad an veHchwtzvW» WM»» ,Hj»
Reichskanzler Brüning h«t gestern die Finanzminister -er kleinere» Länder empfange«, deren finanzielle Schwierigkeiten ohne Hilfe des Reiches nicht mehr zu überwinde« find. Ferner hat -er Kanzler Verhandlungen mit der SPD. über das Rotprogramm ansgenommen.
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Der Besuch »es französische« Ministerpräsidenten Laval und des Außenministers Brian- in Berlin ist «enerdings für den 28. bis 28. September in Anssicht genommen.
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Rach Genfer Berichte« scheinen Curtius und Schober auf eine deutsch-österreichische Zollunion verzichten «nd diese in einen allgemeinere«, Weitergespannten Rahmen bringe» zu wolle«.
Frankreich hat in Nom nene Vorschläge znr Beilegung -eS Flottenstreites mit Italien unterbreitet.
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„Graf Zeppelin" ist gestern abend in Pernambnco eingetrof» fe«. Das Heck -es Lnftschisfes w«rde durch Regenstürme leicht beschädigt.
weise auf die Reparationsfrage ausgenommen worben, obwohl sich der französische Regierungsvertreter auf das heftigste jeder Andeutung des Zusammenhanges mit der internationalen Wirtschaftskrise und dem internationalen Schulden- und Reparationsproblem «übersetzte. Die Versuche von französischer Seite, dem Finanzausschuß des Völkerbundes künftig als Finanzkontrollstelle alle internationalen Anleiheverhandlungen zu sichern, find vorläufig insofern erfolglos geblieben, als in dem Böricht des Kreditausfchustes auf deutschen Wunsch hin die Einschaltung des Finanzausschusses ausschließlich auf die Anleiheverhandlungen derjenigen Länder beschränkt worden ist, die bereits Völker- bundsanleihen ausgenommen haben. Dies gilt jedoch nicht für künftige internationale Anleiheverhanblungen.
Verzicht auf die Zollunion?
Bor Erklärungen Curtins' und Schobers
Ueber die Erklärungen, die der deutsche und der österreichische Außenminister im Rat bei Ler Beratung über die Zollunion abgebc» werde», ist im große» bereits eine Uebereinstimmung erzielt worden. Die beiden Abordnungen stehen in Fühlung mit ihren Regierungen in Berlin und Wien und die Erklärungen der Außenminister werden infolgedessen in voller Uebereinstimmung mit diesen erfolgen. Es ist in Aussicht genommen, daß schon in Ler am 3. September stattfindenden Tagung des Europaausschusses von Curtius und von Schober eine Erklärung abgegeben wird, so daß damit bereits vor der offiziellen Verhandlung im Rat die Stellungnahme der beiden Regierungen bekannt sein wird. Es ka«n dagegen erwartet werden, daß in den Erklärungen übereinstimmend zum Ausdruck kommen wird, daß im Hinblick auf die seit der Maitagung eingetretenen Veränderungen ln der gesamteuropäischen Lage und die jetzt im Rahmen des Europaausschusses eingeleiteten Bemühungen zu einem allgemeinen Wirtschaftsplan und einer allgemeinen europäischen Zollanglci- chung zu gelangen, der vorliegende Plan einer Zollunion diesen Versuchen untergeordnet und eingeglieöert werden soll.
Rcichsaußenminister Dr. Curtius hatte gestern abend eine längere Unterredung zuerst mit Francois Poncet, sodann mit dem Generalsekretär Drummvnd über die Behandlung des Zollunionsplanes.
Die Frist für die Devisen-Ablieferung
An zuständiger Berliner Stelle wird nochmals daraus hingewiesen, baß die Ablieferung der Devise« auf Gründer Verordnung vom 20. August 1931 bis zum 5. September 1931 zu erfolgen hat. Hierzu ist jeder verpflichtet, der Devisen im Werte von mehr als 1000 ^-4!. besitzt und zwar
1. ausländische Zahlungsmittel sz. B. ausländische Banknoten, Goldmünzen, Schecks, Wechsel usw.).
2. Forderungen in ausländischer Währung lz. B. sämtliche Bankguthaben in ausländischer Währung bei in- und ausländischen Banken oder sonstigen Forderungen in ausländischer Währung, die in den nächsten drei Monaten fällig werden).
3. ausländische Wertpapiere, sofern sie nach dem 12. Juli 1931 erworben worden sind, und schließlich
4. Gold laußer den vorerwähnten ausländischen Goldmünzen alle außer Kurs gesetzten Goldmünzen, Feingold und legiertes Gold sowohl Rohgolb wie Halbfabrikate, nicht dagegen Schmucksachen).
Die Anmeldung und Ablieferung der Devisen hat bei der Reichsbank und allen Devisenbanken zu erfolgen. Wer seiner LbktejernngSvfltcht nicht vachkommt» wir- streng bestraft.
Beginn der Völkerbundsratstagung in Genf
Das Schwergewicht der Verhandlungen vorerst im Europaausschuß Haager Zollunion — Gutachten nicht vor Samstag