Tagung des Militärgerichts in Calw
Verordnung Nr. 40
über Neuorganisation des Gnaden- und Revisionsverfahrens bei Verurteilungen durch Gerichte der Militärregierung des französischen Besetzungsgebietes
Der Gommandant en Chef Frangais en Allemagne erläßt auf Vorschlag des Administrateur General Adjoint pour le Gouvernement Militaire de la Zone Fran- $aise d’Occupation nach Anhörung des Comite Juridique unter Bezugnahme auf
Dekret vom 15. Juni 1945 über Errichtung eines Commandement en Chef Fran<jais en Allemagne, abgeändert durch Dekret vom 18. Oktober 1945,
Verordnung Nr. 1 des Commandant en Chef Frangais en Allemagne vom 18. Juli 1945 über Aufrechterhaltung der vom Commanderrjent Supreme Interallid oder in seinem Namen erlassenen Verordnungen und Bestimmungen,
Verordnung Nr. 7 des Commandant en Chef vom 22. August 1945 über Revision und Gnadenerweis, abgeändert durch .Verordnung Nr. 24 vom 29. Novbr. 1945,
Verfügung Nr. 48 des Administrateur General vom 2. März 1946 über Neuorganisation der Gerichte der Militärregierung folgende
VERORDNUNG
I. Revision 1
Artikel 1. Sämtliche Entscheidungen der Gerichte der Militärregierung sind revisionsfähig.
Art. 2. Die Revision kann eingelegt werden:
1. - vom Verurteilten oder seinem Ver
treter binnen 10 Tagen seit Verkündung des Urteils.
2. von der Anklagebehörde binnen zwei Monaten seit Verkündung des Urteils.
Art. 3. Die Tribunaux intermediaires (Mittlere Gerichte) entscheiden über die Revision gegen Urteile der Tribunaux sommaires (Uhteren Gerichte) ihres Bezirks.
Art. 4. Das Tribunal General (Oberstes Gericht) entscheidet über die Revision gegen Urteile der Tribunaux intermediaires.
Art. 5. Die vereinigten Kammern des Tribunal General entscheiden über die Revision gegen Urteile einer Kammer des Tribunal General. Die Mitglieder dieser Kammer sind von der Mitwirkung in der Revisionsinstanz ausgeschlossen.
Art. 6. Die Gerichte der Militärregierung entscheiden über die Revision nach Aktenlage. Sie können ungeachtet dessen alle der Ermittlung der Wahrheit dienenden Entscheidungen treffen.
Art. 7. Sie können ein oder mehrere beratende Mitglieder zuziehen, die jedoch nicht mitstimmen. Sie können das Erscheinen von Zeugen oder die gutachtlichen Äußerungen von Sachverständigen anordnen.
Art. 8. Die Verteidigung erfolgt mittels Schriftsätzen. Der Angeklagte oder
Am Montag standen wieder einige Männer und Frauen vor dem Einfachen Militärgericht. Es sind keine Kapitalverbrechen, die hier jeweils zur Verhandlung stehen, stellen aber immerhin Vergehen oder Verstöße dar, die zum Schutz der Bevölkerung selbst und für die Aufrechterhaltung der Ordnung geahndet werden müssen. Weiter ist es nur eine Selbstverständlichkeit, daß die von der Besatzungsmacht erlassenen Vorschriften auf das genaueste zu befolgen sind. Was rein menschlich zu verstehen ist, schließt noch lange keine Bestrafung aus, zumal aus den zahlreichen schon ergangenen und bekanntgegebenen Urteilen man endlich auch die nötigen Schlüsse ziehen sollte.
Es ist einem jeden unbenommen, ein Paar Schuhe Größe 39 gegen 40 zu tauschen, heute aber noch nicht und wahrscheinlich auch nicht in absehbarer Zeit Mehl gegen einen elektrischen Motor, der dazu noch der Kontrolle entzogen gewesen sein soll. Eine Frau und ein Mann wurden dafür mit je 3 Monaten Gefängnis bestraft, wozu beim letzteren noch eine Geldstrafe von 100 Mark eingeschlossen wurde, während der Mehllieferant mit 1 Monat Gefängnis und Strafaufschub davonkam. — Eine große Dummheit beging eine Frau in B. damit, daß sie französischen und deutschen Gendarmeriebeamten anläßlich einer Suchaktion auf Verlangen das Haus nicht geöffnet hat, angeblich aus einem Angstgefühl heraus wegen 1
sein Verteidiger kann auch vor Gericht gehört werden.
Art. 9. Die Revisionsgerichte der Militärregierung können in jedem Falle die Entscheidung entweder bestätigen oder sie, sei es durch Verweisung an ein anderes oder an das gleiche, jedoch anders besetzte Gericht, sei es durch eine anderweitige Entscheidung, auf- heben. Im letzten Falle ist die Sache zwecks Aburteilung gemäß den ordentlichen Verfahrensvorschriften auf eine spätere Sitzung zu vertagen.
Art. 10. Der Commissaire du Gouvernement beim Tribunal General ist an Stelle der ihm rangmäßig unterstehenden Vertreter der Anklagebehörde zur Einlegung der Revision berechtigt.
Art. 11 Die Urteile der Revisionsgerichte, die die Entscheidung eines Gerichts der Militärregierung bestätigt oder durch eine anderweitige Entscheidung aufgehoben haben, desgleichen die Urteile der Gerichte, an die eine Sache auf Grund eingelegter Revision verwiesen worden ist, sind endgültig und, abgesehen vom Gnadenwege, keines Rechtsmittels mehr fähig
Art. 12. Bei jedem Gericht der Militärregierung wird in der Geriehtsschrei- berei ein Register, in das die Revisionen
Alleinseins. Das Urteil lautete auf vier Monate Gefängnis mit der Belehrung durch den Präsidenten, daß nur ihr Alter sie vor der doppelten Strafe bewahrt hat. — Auf 3 Tage Gefängnis und 400 Mark Geldstrafe kam ein Liter Schnaps, den ein Mann in W. einem Soldaten gegeben hat und dafür, wie er aber erst später bemerkt haben wollte, 200 Mark auf den Tisch gelegt bekam. — Ein Wein- und ein Hühnerdiebstahl in R. führte zwei ausländische Staatsangehörige und zwei deutsche Frauen vor das Militärgericht. Der eigentliche und im Besitz einer Waffe befindlich) gewesene Täter ist flüchtig; gegen denl einen Angeklagten wurde wegen bedingter Teilnahme und Nichtanmeldung des Waffenbesitzers zu 1 Jahr Gefängnis verurteilt, wovon er noch 8 Mpnate, ui verbüßen hat, der andere zu 10 Mo- h&ten Gefängnis abzüglich 3 Monaten. Die beiden Frauen von diesem Ort erhielten wegen Mitwisserschaft am Diebstahl und Nichtmeldung eines Waffenbesitzers bzw. wegen Hehlerei 8 und 6 Monate Gefängnis. — Für einen Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung wurde eine Geldstrafe! von 25 Mark ausgesprochen. — Daß' Zonengrenzverstöße nicht straflos ausgehen. ergaben drei Fälle mit Geldstrafen in Höhe von 50. 25 und 20 Mark, und die Ueberschreitung der Sperrzeit, auf deren Einhaltung auch hier nachdrücklich hingewiesen wird, kostete einen Mann 20 Mark. KL
eingetragen werden, eröffnet. Die Revision der Anklagebehörde wird von Amts wegen dem Verurteilten oder seinem Vertreter bekannt gegeben; diese haben das Recht, sich schriftsätzlich hierauf zu äußern.
II. Gnadenverfahren Art. 13. Der Commandant en Chef Frangais en Allemagne kann in jedem Falle einer endgültigen Entscheidung eines Gerichts der Militärregierung von seinem Gnadenrecht Gebrauch machen.
Art. 14. Der Administrateur G6n6ral wird ermächtigt, über Gnadengesuche in den Fällen zu entscheiden, in denen eine Verurteilung zu einer Gefängnis-' strafe unter 5 Jahren oder zu einer. Geldstrafe unter 10 000 RM. ausgesprochen worden ist. Er hat vor seiner Entscheidung ein Gutachten der Gnadenkommission (Artikel 15) einzuholen. Er kann seine Befugnisse ganz oder teilweise auf den Directeur General de la Justice übertragen. -•
Art. 15. Die Akten dei Falte, in denen ein Gnadengesuch oder ein Vorschlag zur Begnadigung eingereicht worden ist, sind zur Begutachtung einer Gnadenkommission beim General Commandant zu unterbreiten. Die Gnaden 1 Immission wird aus einem Officier de Ju-