Siegerwalds Besprechungen kn London
TU. London, 20. Nov. Die Besprechungen zwischen dem Neichsarbeitsmtnister Dr. Stegerwald und den englischen Vertretern sind beendet. Mit dem englischen Ar- beitsministerium wurden die Schwierigkeiten erörtert, die der Ratifikation des Washingtoner Acht st un- bcnabkommens noch im Wege stehen. Man einigte sich dahin, beiderseits die Ratifikation vorzubereiten. Mit dem englischen Ministerium des Innern wurden die Probleme der enheitlichen Gcwichtsbezeichn ungen schwerer Frachtstücke und der Schuh der Arbeiter besprochen, die beim Beladen und Entladen der Schiffe beschäftigt sind. Es ist beabsichtigt eine weitere Erörterung dieser Fragen in der nächsten Zeit in Hamburg stattfinden zu lassen. Die B sprechung mit dem Bcrgbauminister erstreckte sich auf die Vorbereitung der am 23. Mai 1931 in Genf stattfiudenden Konferenz, betreffend die Konvention über die Arbeitszeit im Kohlenbergbau.
Die Gewerkschaften für den Preisabbau
TU. Berlin» 20. Nov. Der Allgemeine deutsche Gcwerk- schafts-bnnü teilt mit: Die Vorstände des Allgemeinen deutschen Gewcrkschaftsbnndes, des Afa-Bundes, der Sozialdemokratischen Partei und des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine traten im Bundeshausc des ADGB. zu einer Besprechung zusammen, um die Möglichkeiten eines durchgreifenden Abbaues der Preise für die Gegenstände des täglichenBedarfszu erörtern. Die Vertreter der Konsumgenossenschaften schilderten an reichem Zahlenmaterial die von ihnen selbst seit dem letzten Jahr durchgesührte» Preisermäßigungen und wiesen auf die steuerlichen und gesetzlichen Hemmungen hin, durch die ihre gesamte Tätigkeit und damit auch die Fortführung der Preisabbauaktion zur Zeit erschwert werden. Sie kennzcichneten an einer Reihe von Beispielen die Unzulänglichkeit der Ergebnisse der bisherigen von der Negierung ein- geleiteten Aktion. Die Konsumgenossenschaften würden aber trotz dieser starken Widerstände überall, wo sich die Möglichkeit biete, weitere Preissenkungen vornehmen. Die Vertreter der Spitzenorganisationen kamen überein, durch planmäßiges Zusammenwirken der Gewerkschaften, der Sozialdemokratie und der Konsumgenossenschasten einen verschärften. Kampf um den Abbau der Preise zu führen.
Weitere Tarifkiindigungen.
Der Verband der Mctallinöustriellen in Mannheim hat den Lohntarif in der Metallindustrie zum 31. Dezember 1910 gekündigt. Die Forderungen der Arbeitgeber gehen auf einen Lohnabbau von 15 v. H. hinaus.
Der Verband der Arbeitgeber im belgischen Jnbustrie- bezirk e. B. Wuppertal-Elberfeld hat das bestehende Lohnabkommen für den rechtsrheinischen Bezirk zum 3l. Dezember gekündigt. Hiervon werden 45 030 Arbeiter betroffen.
Arbeitslosigkeit und Schulpflicht
Bor einer Neugestaltung des preußischen Schulwefens- Wie die „DAZ." erfährt, schweben im preußischen Kultusministerium Pläne zur Neugestaltung des Schulwesens. Kultusminister Grimme beabsichtige, entsprechend den Plänen der Staatsregierung, die auf ein neues Schuljahr hinauslaufen, den Beginn der Schulpflicht auf das 7. Lebensjahr festzusctzen. Vom 6. Lebensjahr ab sollen alle Kinder verpflichtet sein, staatliche Kindergärten zu besuchen. Als Ausgleich für die Hinausschiebung der Gesamtsthulzeit soll das 9. Jahr aus den höheren Lehranstalten fortfallen. Das Abitur soll abgeschafft und durch eine Hochschulaufnahmeprüfung ersetzt werden.
Zu der Anregung des preußischen Haudelsministers zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die Schulpflicht um ein Jahr zu verlängern, veröffentlicht der amtliche Preußische Pressedien st eine Erklärung, in der es in Richtigstellung von in der Öffentlichkeit aufgetauchten Mei
nungen heißt, daß diese Frage seit vielen Wochen «tngehend geprüft werde. Die Prüfung erstrecke sich auf di« pädagogische, schulorganisatorische, wirtschaftliche und finanzielle Seite dieses umfassenden Problems.'Auf der Grundlage vorläufiger Ergebnisse sollen nunmehr kommisarische Verhandlungen zwischen den Ressorts statt- ftndcn, ohne daß der Kultusminister sich in diesem Stadium bereits für eine bestimmte Lösung entschlossen hätte. Von der Festsetzung einer Verpflichtung zum Besuche staatlicher Kindergärten sei dem Kultministerium nichts bekannt. Die Frage der Abschaffung der Reifeprüfung und der Einführung einer Aufnahmeprüfung an den Hochschulen sei seit längerer Zeit Gegenstand der öffentlichen Erörtetung, ohne daß irgend welche Pläne im Kultministerium hierfür in Angriff genommen wären.
Die Streikwelle in Spanien
Streikunruhen i« Barcelona.
Tll. Paris, 19. Nov. In Barcelona kam es am Dienstag erneut zu Zusammenstößen zwischen Arbeitern und Polizei. Besonders am Hafen entwickelte sich ein regelrechtes Feuergefecht, wobei zwei Arbeiter getötet und drei verletzt wurden. Der Streik hat sich nicht weiter ausgedehnt. Man rechnet damit, daß die Arbeit heute wieder ausgenommen wird.
In Alicanta ist der Generalstreik erklärt worden. Der Verkehr in der Stadt ruht. Bei den Zusammenstößen der Streikenden mit der Polizei gab es mehrere Verletzte. Als in Madrid die Bauarbeiter versuchten, dir Arbeit wieder aufzunehmcn, wurden sie verschiedentlich von den Syndikalisten mit Gewalt daran gehindert. Die Syndikalisten wollen den Streik mit allen Mitteln weiterftthren.
Kleine politische Nachrichten
Dis Arbeitslosigkeit in England. Die Zahl der Arbeitslosen in England betrug am 10. Nov. 2 201777. Das sind 1350 Personen weniger als in der Vorwoche, aber 1002 000 Personen mehr als in der gleichen Woche des Vorjahres.
König Hussein von Hrd'chaS 's Der ehemalige König Hussein von Hedschas, der Vater des Königs von Irak und von Transjvrdanicn ist ans Zypern im Alter von 77 Jahren gestorben. König Hussein erklärte als Parteigänger der Entente 1910 die Unabhängigkeit des Hedschas und schwang sich 1917 zum König von Arabien auf, mußte aber 1921 abdanken und lebte seitdem auf Zypern.
Ter afghanische Generalkonsul in Taschkent ermordet. Wie ans Moskau amtlich gemeldet wird, ist in der Nähe von Ashabad der afghanische Generalkonsul in Taschkent ermordet und beraubt morden. Einer der Täter konnte von der GPU. verhaftet werden.
Aus aller Welt
Der Fall «asra» geklärt?
Von der Justizpressestellc Königsberg wird mitgcteilt, baß es den Bemühungen des Untersuchungsrichters in Barten- stein nunmehr gelungen zu sein scheint, den Fall Safran in Rastenüurg restlos anfznklären. Der Untersuchungsrichter hat Saffran mehrere Stunden vernommen und ihn immer wieder auf die Unglanbwnrdigkeit seiner Behauptung hingewie- scn, daß er nicht wisse, wie die Leiche in das abgebrannie Haus gekommen sei. Saffian hat nun, eingestanöen, daß er
und Kipnik einen Mord verübt hätten, um sich in den Besitz einer Leiche zu setzen. Sie seien zunächst mehrfach vergeblich herumgefahren, um eine Leiche für ihre Zwecke ausfindig zu machen. Alsdann seien beide in der Nacht vom Freitag zum Samstag, dem 13. September, mit dem Kraftwagen svrt- gefahren. Auf der Straße Stürlack—Qenden Hätten sie bei Luisenburg einen Melker getroffen. Kipnik sei ausgestiegen und habe den Melker mit einer Selbstladepistole nieKr- gvschossen, während Saffran mit dem Auto eine Strecke wri- tergefahren sei. Sie hätten dann die Leiche in einen für sen Zweck mitgenommenen Teppich eingewickelt und sie in einem Speicher in der Artilleriekaserne von Rastend,.rg verborgen. Am nächsten Abend hätten sic die Leiche abgeholt, sie mit dem Anzug des Saffran bekleidet, mit Benzol begossen und dann das Haus angesteckt. Es bleibt noch kestznstellen, ob seitdem ein Melker vermißt wird. Die MitangeichiiUOgte Ella Augustin hat auf das Geständnis des Saffran hm zugegeben, daß Saffran und Kipnick ihr seinerzeit d'e Mo.dtat so geschildert hätten, wie jetzt Saffran bei seiner Aussage. Kipnick ist trotz des Geständnisses des Saffran und trotz Gegenüberstellung mit diesem bei seinem Leugnen verblieben und behauptet, an der Tat nicht beteiligt gewesen zu sein.
Das Urteil im Marxzeller Mordprozeß
In dem Prozeß wegen des Marxzeller Mordes wurde am sechsten Berhanölungstag die Beweisaufnahme geschlossen. In seinem Plädoyer beantragte der Erste Staatsanwalt, den Angeklagten wegen Mordes zumTode zu verurteilen, weil nur Schneider der Täter sein könne. Schneider s:i der einzige ernste Feind gewesen, den Braun gehabt habealle anderen, die etwa als der Tat verdächtig erscheinen könnten, hätten sich von diesem Verdacht zu reinigen vermocht. N.-A. Dr. Nu pp begründete als Verteidiger seinen Antrag auf Fretsprechung des Angeklagten damit, daß keinerlei wirklicher Beweis für die Täterschaft des Angeklagten vorliege, daß andere Täter in Frage kämen, daß für Schneider jedes ernste Motiv für die Tat fehle.
Der andere Verteidiger R.-A. Dr. Rhode beschränkte sich in der Hauptsache muf den eingehenden Nachweis, daß Schneider einen vollkommen schlüssigen AlibibewciS crbracht habe, was vom Staatsanwalt bestritten wurde.
Eine kurze Erörterung folgte der Anküiidigug des Vorsitzenden, Landgerichtsprüsident Dr. Nuömanu, daß da» Gericht eventuell auch das Borliegen eines Totschlages in Erwägung ziehen werde. Sowohl der Staatsanwalt wie die Verteidiger wenden sich gegen die Annahme eines Totschlags. Der Angeklagte beteuerte bis zuletzt seine Unschuld.
Nach beinahe fünfstündiger Beratung verkündete der Vorsitzende, Landgerichtsprüsident Dr. Nuümann, das U r - teil: Das Gericht hat den Angeklagten von der Anklage des Mordes freigesprochen, ihn aber wegen Totschlags zu 15 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust verurteilt. Zur Begründung des Urteils führte der Vorsitzende aus: Das Gericht ist felsenfest davon überzeugt, daß Schneider und kein anderer der Täter ist und daß gegen die anderen von ihm verdächtigten Personen, für die keinerlei Motiv zur Tat vorlag, auch nicht der Schatten eines Beweises vorlicgt. Für Schneider war das Motiv in erster Linie -Haß. Sein Hatz geht daraus zurück, daß er im Jahre 192« auf eine Anzeige dcs Braun hin verurteilt wurde- er wurde dann durch die dauernden Streitigkeiten und zuletzt durch die Beschuldigung des Fischöiebstahls genährt. Das Ailibt des Angeklagten ist restlos widerlegt. Der Angeklagte hat die Wirtschaft, in der er war, um 18.55 Uhr verlasse», sich sein Gewehr geholt und die Tat um 19.29 Uhr ausgeführt. Zur Verurteilung wegen Totschlags ist bas Gericht deshalb gelangt, weil es die Möglichkeit einer Tötung im Affekt für gegeben hielt. Die Art der Ermordung deutet darauf hin, daß Schneider die Tat in einem Zustande höchster Erregung, ja Wut begangen hat.
Wetter für Freitag und Samstag.
Ueber Spanien liegt Hochdruck, doch wird die Wetterlage nunmehr von einer Depression beherrscht, deren Kern sich über Großbritannien befindet. Für Freitag und Samstag ist mehrfach bedecktes, unbeständiges Wetter zu erwarten.
vir ktbin vsn AstterOingen.
72 Roman von E V a st c a n > § t u m k> f.
Lopvcietii d» S A tz Greiser. D m b H Rastatt.
„Tas will ich auch nicht. Anneliese — nur Tir meine Meinung sagen. Achim war die Tage her. wo ich um Teine Gesundheit bangte, von mir abgewiesen worden, erst als w'r an ein Ende glaubten, ließ ich ihn kommen und Liem. da ward ich bekehrt. Als er vor Teinem Bette kniete, wurdest Tu ruhiger, wie «in Wunder war es an- zuseben, wie Tu unter seinen Händen ein'chliefest. "nd desbalb möchte ich, spreche Tick mit Teinem Gatten aus. er wird Tir alles viel besser erklären und wartet mit Sehnsucht darauf, es zu tun. Er bangt und sehnt sich schon seit Wocken nach Tir und einem vergebenden Wort aus Teinem Munde."
Mit ihren großen Augen, in denen das Leid stand, sah sie ibn an.
„Onkel. ich kenne kein Zürnen und verzeihe ihm alles, nur vergessen kann ich nicht. Er hat ja keine Schuld da- ran, daß sein Herz nicht für mich spricht ..."
„So darf ich Achim rufen, er ist hier."
Wild und verzweifelt rühr Anneliese in die Hohe.
„Nein — nein — nie — laß mich — ich kann ihn nicht sehen, er soll weggeben."
Sie war so aufgeregt und außer sich, daß eS Meer- feld iür geraten hielt, nicht weiter in sie zu dringen.
„Lieselchen." bat er. „beruhige Tich doch, wir verlangen nichts von Tir. was Tu nicht kannst."
Cie verbarg voller Qual das Gesicht in den Kissen und jammerte.
„Onkel, mein Glauben und mein Vertrauen ist tot und meine Liebe zu Achim auch. Wer so vertraut hat wie ich uno dann diese Täuschung erleben muß. kann eS nicht
mehr. Tarum Onkel, laß mich meinen Weg gehen und der führt weit ab von Achnn."
Ter alte Herr seufzte auf und in dem Nebenzimmer, in dein er lauschend stand, barg Achim hosfnunslos sein Gesicht in den Händen.
Meerfeld, der Annelieses feines Seelenleben kannte, konnte sich gut in Annelieses Innere hineindenken. Sie war edel und gut und nie kam eine Lüge über ihre Lippen. sie hatte zuviel durch Hertas Lügenhaftigkeit leiden müssen und deshalb bielt es sehr schwer, ihre Zweifel zu besiegen. Auf diesem Wge ging es nicht, es niußten Taren gefunden werden, die die junge Frau an den Gatten wieder glauben ließen. Und kür heute war es auch besser, sie nicht länger zu quälen. Tie Zeit mußte hier heilend und lindernd nngreiien — ob es überhaupt jemals wieder gut ward? Ter alte Herr verlor säst den Glauben daran — der Bruch war schwer und schien ihm unheilbar zu sein.
Er streichelte ihr, um sie zu beruhigen, die Hände.
„Na Lieselchen — ich bin ein rechter Tolpatsch, statt dich zu zerstreuen, wie das meine Absicht war. rege ich dich auf. Wir wollen nicht mehr davon sprechen, du bist und bleibst mein Lieselchen und unter meinem Schutze, solange es dir gefällt. Ist es so recht?"
Anneliese nickte nur. dann schloß sie die Augen. Ter alte Herr meinte, sie würde schlafen und verließ leise das Zimmer. ,
Anneliese lag mit geschloffenen Augen in den Kissen und rang mit sich und dem Mißtrauen, das ihr ganzes Herz gegen den Gatten einnahm. Wie glücklich hätte sie sein können, wenn sie ihr verlorenes Vertrauen wieder gefunden — aber sie war zu tief verwundet und zu grausam enttäuscht. .
Sinnend lag sie lange ohne Bewegung da, bij^ste^wer I all ihrem Zweifel und Jammer einschllei^^--"^»
Während Frau Maiie an AuneU-les Bett fass uno >0- ren Schlummer bewachte» suchte Herr Mecrseld den verzweifelten Achim aus.
Er saß in dem Nebenzimmer und hatte den Kopf m den Händen vergraben. Meerfeld legte ihm die Hand aus die Schulter, er verstand den Schmerz des Mannes nach dem soeben gehörten. Gab er doch selbst jetzt die Hoffnung au», daß Anneliese anderen Sinnes würde.
„Achim, habe Mut und verliere die Hoffnung nicht, ist Anneliese erst körperlich gesund, dann wird auch ihre
Seele erstarken." ...
In tiefer Erschütteru.-g und Qual ließ Achim die Hände vom Gesicht sinken und sah den alten Herrn an.
„Glaubst Tu. daß solches zerstörte Vertrauen jemals wieder ausger-ckstet werden kann?"
Meerkeld nickte heftig mit dem Kopfe.
Er batte sie aber selbst schon verloren und glaubte
nicht daran.
Die nächsten Tage ließ Ach.m sich mch m Meerfeld je- hen. Annelieses Weigerung, ihn nur zu^ehem lastetew'e Bleigewicht auf ibm. und er war ratlos, was werden sollte. Warum nur hatte er Anneliese sein Vergehen nicht gebeichtet, mit seinem Schweigen hatte das kaltherzige Weib mit ihren Lügen Macht über sie bekommen und er sich die Liebe seiner warmherzigen Frau verscherzt.
In trübe Gedanken versunken saß er in seinem Ar- beitszimmer und stützte den Kopf in die Hand, als e- leicht klopfte und Tanke Helma über die S»welle trat.
Frau Ebertsheim war zum Ausgehen fertig und wollte ihren Neffen um den Wagen bitten.
„Willst Tu nach Meerkeld." fragte er. nachdem er den Bekekji »pur. Abspannen gegeben, i ^ . (Fortsetzung folgU L