Mittwoch, 18. März 193V
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Sonntag, den 23. Mürz
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Nr. 66
Gegründet 1837
Donnerstag, den 20. März 1930
Fernsprecher Nr. 29
104. Jahrgang
Severing contra Frick
Severing sperrt Reichszufchüsse für Thüringen
Berlin, 19. März. Da bas Schreiben des Reichsinnenministers Severing vom 17. Februar in der Angelegenheit Siefert vom thüringischen Staaitsminifterlum bisher nicht beantwortet worben ist, hat Severing unterm 18. März ein neues Schreiben nach Weimar gerichtet. Nach Zeitungsmeldungen habe der thüringische Unkerrichtsminister Dr. Fr ick in einer öffentlichen Versammlung erklärt, Severing könne lange ans eine Antwort warten. Das habe ihn (Severing) veranlaßt, Anfragen und Schreiben des thüringischen Staatsministeriums an das Reichsinnenmimste- rium so lange unbeantwortet zu lassen, bis jener Brief vom 17. Februar beantwortet sei. Außerdem werden sämtliche Iteberweisungen aus Mitteln des Reichsinnerlministeriums.be- fonders die Zuschußzahlungen an die thüringische Polizei, eingestellt, da ihm Nachrichten zugegangen seren, die begründeten Zweifel darüber erwecken, ob die Voraussetzung für die Gewährung eines Reichs,Zuschusses durch das thüringische Staatsministerium nach erfüllt seien.
Der Streit auf die Außerdienststellung des Gym- nisiald-irektors Siefert in Weimar zurück, der eine nationale Schülervereinigung Adler und Falke verboten hatte. Liefert wurde indessen nach kurzer Zeit wieder in sein Amt eingesetzt. Reichsminister Severing hatte über die Amtsentsetzung eine Erklärung der thüringischen Regierung verlangt, die das Staatsministerium verweigerte, da der Brief Severings eine unzulässige Einmischung in thüringische Lan- desangelegenheiten darstelle. Es wäre vielleicht richtiger gewesen, dies dem Reichsminister amtlich zum Ausdruck zu bringen, als jenen Brief unbeantwortet >i lassen. U->ber die Verfassungsmäßigkeit seines jetzigen Vorgehens dürften aber wohl Zweifel bestehen.
Dem „Abend" zufolge wird am ist April die zu diesen! Tag fällige Reich-Überweisung von 225 000 Mark an das thüringische Staatsministerium nicht ausbezahlt. Der thüringische Polizeietat wird ungefähr zu neun Zehnteln au- Reichszuschüssen bestritten.
! Ein nationalsozialistischer Staatsrak ans dem Thür'ngc,
> Landtag ausgeschlossen
, Berlin, 19. März. Das „Berliner Tageblatt" meldet aus , Weimar, der nationalsozialistische Abgeordnete, Staatsrai ! und Vizepräsident des Landtags, Marschler, sei von dem ! Landtagsprästdenken, dem Landbundführer Rittergutsbesitzer j von Thümmel, nach zweimaligem Ordnungsruf und , mehreren Verwarnungen von der Sitzung ausgeschlossen i und aus dem Saal verwiesen worden. Marschler ist nicht
> nur Mitglied des Landtagspräsidiums, sondern als Staats- ! rat auch Mitglied der Regierung. Auch der nationalsozialisti- ! sche Minister Dr. Frick wohnte dem Vorgang bei.
Aufhebung der Beschlagnahme des sozialdemokratischen Aufruf in Thüringen
Weimar, 19. März. Die zweite Strafkammer des Landgerichts hob die von Innenminister Dr. Frick angeorünete j Beschlagnahme eines Aufrufs gegen den jetzigen politischen i Kurs in Thüringen, den die soziaDemokatische Landtags- fraktion und der sozialdemokratische Bezirksvorstand zuerst in der Presse brachten und dann als Plakat anschlagen ließen- auf. Die Beschlagnahme erfolgte, weil di« Strostierfolguw,- innerhalb der vorgefchriebeueu Frist von Met Woche» nicht eingeleitet worden ist.
Die Reichswehr gegen nationalistische Zellenbildung
i Berlin, 19. März. Die Voss. Ztg. teilt mit, die Unter- ! suchuna der Angelegenheit der beiden verhafteten Reichs-- ! wehroffizere, die von Ulm nach Berlin übergeführt wor- j den sind, habe ergeben, daß einer der beiden, Leutnant ! Laudin, der von Oberleutnant a. D. Wendt geworben i worden war, häufig Reisen von Ulm nach Berlin und Eise« l nach unternommen habe, um hier ihm bekannte jüngere Ov- °iziere für Len Nationalsozialismus zu gewinne». Außer der- z beiden bekcmntgewordenen Fällen sind Verhaftungen nicht ! rngeordnet worden.
Tagesspiegel
Im thüringischen Landtag keilte Skaatsminister Dr. Frick mit, -er Reichsrakbevollmächlige Thüringens sei angewiesen, -egen das Republikschuhgesetz Einspruch zu erheben.
Der Vertreter des Taschi-Lama in Nanking soll nach einer Meldung des amtlichen chinesischen Nachrichtenbüros auf telegraphischem Wege Nachricht erhalten haben, daß 60 000 Mann modern Ausgerüsteter Truppen aus Nepal in dem Südwesten von Tibet im Vordringen begriffen sind. Der Dalai-Lama hgt den chinesischen Staatsrai um die Entsendung von drei Divisionen zur Unterstützung der tibetanischen Truppen gebeten. Man erwartet, daß sich der Taschi-Lama, ner sich zurzeit in Mukden aufhält, unverzüglich an die Grenze begeben wird, um die Entwicklung der Lage zu überwachen.
Zuckersteuer, die Erhöhung der Viersteuer uno me Mniu» rung einer Mineralwassersteuer.
Abg. Dr. Rademacher (Dntl.) erinnerte an die im Dezember angekündigten Steuerermäßigungen in Höhe von SIS Millionen. Nichts sei von dieser Entlastung eingetreten, vielmehr werde der deutschen Wirtschaft eine Neubslastaan von 405 Millionen zugemutet. Seit Dezember betrage du absolute Neubelastung der Steuerträger sogar S25 Millionen. Wer trägt die Verantwortung für diese ungeheuerlich« Täuschung des Volks? War eine Täuschung in so riesigem Ausmaß möglich oder liegt eine bewußte Irreführung vor? Auch für 1931 wird sich nicht die Möglichkeit einer erheblichen Steuersenkung ergeben. Der Redner schilderte dann die Lage der deutschen Wirtschaft. Er verwies auf die Arbeitslosigkeit, auf den Rückgang des Werts des landwirtschaftlichen Besitzes. Erschütternd seien auch die Berichte aus dem gewerblichen Mittelstand. In der Chemnitzer Maschinenfabrikation seien von 22 Betrieben 12 stillgelegt, in dei Textilindustrie von 18 Betrieben 14. All? Großstädte leiden unter erheblichen Haushaltsdefiziten. Die Gründe für dies« Wirtschaftslage seien einmal in der außenpolitischen Belastung, in der Hauptsache aber in der falschen Wirkschafks- und Sozialpolitik der letzten 10 Jahre zu suchen. Diese Wahrheit sollte man endlich eingsstehen. Wir brauchen nicht Pessimismus oder Optimismus. Wir brauchen die Wahrheit!
Plakatierung der Hirrdenbrrrg-Erklärung - Die Steuervorlagen Arrsgadensenkirrrgsgesetz für Reich, Länder und Gemeinden
Deutscher Reichstag.
Berlin. 19- März.
Auf der Tagesordnung stand zunächst der Antrag der Regierungsparteien, die Kundgebung des Reichspräsidenten über die Haager Beschlüße öffentlich anzuschlagen.
Abg. Oberfohren (Dsutschnüt.) gab folgende Erklärung ab: Die Reichstagsfraktion der. Deutschnationalen Volkspartei sieht in diesem Antrag Dittmann und Genossen einen parteiagitatorischen Akt, durch den die Antragsteller den Versuch machen, ihre eigene Verantwortung vor der breitesten Oeffenilichkeit auf den Herrn Reichspräsidenten abzuschieben, das Staatsoberhaupt in den parteipolitischen Kampf hineinzuziehen und sein weltgeschichtliches Ansehen für sich auszunutzen. Von unserer Ueberzeuung, daß der Herr Reichspräsident in seiner Kundgebung von einer irrigen Auffassung der gesamten Lage und der Folgen des Houng- plans ausgeht, können wir uns auch nicht durch die Gefühls der Verehrung abbringen lassen, die wir seiner historischen Persönlichkeit schulden. Unser „Nein" gilt dem gekennzeichneten Charakter des Antrags der Koalltionsparteien. (Lebhafter Beifall rechts.)
Abg. Stöcker (Komm.) erkläre, seine Partei könnte eigentlich dem Antrag zustimmen, weil die Plakatierung der Bevölkerung zeigen werde, daß ihr sogen. Nationalheros (Hindenburg) auch in die Front der Fronvögte des internationalen Kapitals eingerückt sei. (Präsident Loebe ersuchte den Redner, gegenüber der Person des Reichspräsidenten Zurückhaltung zu üben.) Der Redner beantragte eine Ergänzung dahin, daß mitangeschlagen werde auch die Forderung des Reichspräsidenten, mit Hilfe des Art. 48 die zur Auspressung des Volks bestimmten Zoll- und Lkeuergesetze durchzuführen, wenn der Reichstag bis zum 1. April nicht damit fertig werde.
Abg. Drewitz (Wirtschaftsp ): Die Wirtschaftspartei lehne den Antrag der Regierungsparteien ab.
Abg. He pp (Chr.-Nat.) erklärte, seine Partei stehe tief erschüttert vor der Tatsache, daß Deutschland auf Generationen wirtschaftlich versklavt worden sei. In der Kundgebung des Reichspräsidenten sei die Auffassung der Regierung über den Doungplan übernommen worden, der seine Partei stets widersprochen habe. Die Plakatierung der Kundgebung des Reichspräsidenten sei nicht geeignet, die Mahnung des Reichspräsidenten, parteipolitische Gegensätze zurückzustellen, zu »füllen. Da tatsächlich mit diesem Antrag die Autorität des Reichspräsidenten mißbraucht werden solle, lehne seine Partei die Plakatierung ab.
Abg. Straffer (Nast-Soz.): Wir haben jahrelang unter dem Feldmarschall von Hindenburg gekämpft, glitten
und gestritten. Wir haben in vorderster Knie für die Kandidatur Hindenburgs gekämpft. Wir haben aber gesehen, -daß er von Tag zu Tag mehr das Werkzeug der Stabilisie- >.<ung dieser marxistischen Republik geworden ist. Die deutsche Befreiung wird durch den Youngplan auf Jahrzehnte hinausgeschoben. Wir stick nickt in der Lage, den Reichspräsidenten von dieser Verantwortung zu entbinden. Wir lehnen deshalb den Antrag ab. Interessant ist, daß für die Sozialdemokratische Fraktion der Abgeordnete Dittmann den Antrag unterzeichnet hat, während die übriger Fraktionen mit dem Namen der Fraktionsführer vertreten sirck. Derselbe Dittmann, der 1917 wegen Anstiftung der Flottenmeuterei hätte erschossen werden müssen, unterschreib! heute diesen Antrag für den ehemaligen Feldmarschall. (Unruhe links.) Als Frontsoldaten sehen wir das mit tiefem Schmerz, als Nationalsozialisten erklären wir aber, daß dies« Unterschrift nichts anderes ist als eine unerhörte marxistischjüdische Perfidie. (Präsident Lobe rügt diesen Ausdruck-!
Der kommunisiTTche Zusatzantrag wurde abgelehnt. De, Antrag wurde mit 218 gegen 130 Klimmen bei 26 Enthal kungen angenommen.
Es folgte dann di? erste Beratung der Skeuervorlagen nämlich der Gesetzentwürfe über die Erhebung der Aufbringungsumlage für 1930 über den Benzin- und Benzot- zoll, die Vorverlecmna der Steuertermin-- bei Tabak- und
Reichsfinanzminister Dr. Moldenhauerr
Der Vorredner hat gefragt, wie sich die jetzigen Steuervorlagen mit den Skeuerfenkungsverfprechungen des voriger Jahrs vereinbaren lassen. Ich habe die finanzielle Lage vr voller Offenheit dargestellt und keine unerfüllbaren Der sprechungen gemacht. Ich habe die erste Gelegenheit benutzt um darauf hinzuweisen. daß die Ausgaben beonders in de» Arbeitslosenversicherung weil über die ursprünglichen Schäl Zungen hinausgingen.
Die Reichskasse wieder gesund zu machen, ist wichtig» Äs der Streit darüber, welche frühere Regierung an de, Entstehung der Schwierigkeiten mitschuldig ist. Ich Hab« nach der Möglichkeit von Ersparnissen zu suchen, und ick habe mich dabei gegen Ausga-enfordernngen aller Parteier zu wehren. Man kann natürlich nicht einseitig auf die Ar/ beikslosenversicherunq verweisen, denn keiner wird es füi möglich halten, die Leistungen dieser Versicherung mit einem Schlag um 300 oder 400 Millionen zu senken. Der ander« denkbare Weg wäre eine entsprechende Senkung der Be- nmkengehälker, ein Vorschlag, gegen den ich mich mit größter Entschiedeheit aus staatspolitischen Gründen wende.
Erreichen können wir nur etwas, wenn mir planmäßig ruf allen Gebieten des öffentlichen Lebens die Ausgaben senken und in der Verwaltung sparen durch zweckmäßige Gestaltung und durch den Abbau von Aufgaben. Ich arbeite gemeinsam mit dem Reichssparkommissar an einem Aus- zabensenkungsgesetz für Reich, Länder und Gemeinden. Ich loffe, daß später nicht jeder Vorschlag auf Znsamrnenziehnng von Finanzämtern im Reichstag mit dem Protestruf keant- vortet wird: „Das ist für meine Stadt unertrcizlich". In Bezielnina lind d«? At-rx-ortineken nickt meniaer Sün
Das Notprogramm für die Landwirtschaft
Stützung des Roggenmarktes — Hilfe für den Osten
Berlin, 19. März.
Halbamtlich wird mitgeteilt: Die Verständigung der Regierungsparteien über die Agrarfrage hat ihren Niederschlag in einem Iniliakivgcsetz gefunden, das dem Reichstag bereits in den nächsten Tagen zugeht. Man rechnet damitz daß es lehr schnell verabschiedet werden wird. Die Stützung des Noggenmarkkes soll durchgeführt werden: 1. durch Verteuerung des Weizens, dessen Zoll erneut vor der Regierung aus t2 Mark erhöht werden^ kann, wobei ( lerdings ein Durchschnittspreis von 26 Mark beibehalten 'wird; und 2. dadurch, daß der Gerstenzoll erhöht und der Mais unter öffentliche Bewirtschaftung gestellt wird. Bei der Gerste ist gleichzeitig auf den alten Plan zurückgegrrffen, wonach die Regierung ermächtigt wird, denjenigen Käufern von Futtergerste, die gleichzeitig vergällten(eofinierken) deutschen Roggen Kausen, den Zoll zu ermäßigen. Die Bewirtschaftung von Mais ist notwendig, weil eine Zollerhöbuna nickt eintreten kann, da
der Zoll durch dcn f'dslawlschcn Hande'Sveilrag aebimden ist.
Die Lösung der Agrarzollprob.'cme ist in Deutschland deshalb so Ichwierig, weil di? Produktionsverhältnisse im Westen und im Osten verschieden sind. Die Reich-regierung und die Regierungspaneien sind aber von dem Gesjchtsvünkt ausgegangen. daß jetzt in erster Linie dem Osten geholfen wer- den muß, der auch national nur schwer zu verteidigen ist. wenn die Landwirtschaft zusammenbrichl. Allerdings war nur eine kurzfristig« Lösung möglich,
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Die Grüne Front beantragt folgende Zollsätze: Weizen bis 20 <4t, sonstiges Getreid? bis 15 <4l, um die im Gesetz bereits vorgesehenen Richtpreise von 260 -K je Tonne Weizen und 230 -4t für Roggen zu erzielen. Kleiezoll gleich 5,0 v. H. des jeweiligen Roggenzolls, Kartoffelzoll vom 15. Februar bis 31. März statt 4 20 »ll, Zuckerzoll 35 -4t, Zoll auf sog. Maltakartoffeln 30 ^t.