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Nr. 282
Gegründet 1827
Samstag, den 30. November 1SLS
Fernsprecher Nr. 29
103. Jahrgang
„Politische Wochenschau" siehe Seite g.
.... Md M BksriedllW des -MWe« Lebens
„Wie es die Bolschewisten machen"
ireyt. Dadurch soll verhütet werden, daß der gesetzliche Schutz gegen Angriff nur jeweils regierenden Parteimitgliedern zugute komme. Ferner ist auch die Bezeichnung des Gesetzes geändert worden. Die Ueberschrift „Gesetz zum Schutz der Republik" lautet nunmehr „Gesetz zum Schutz der Republik und zur Befriedung des politischen Lebens". Mit dieser Aenderung soll dem Gesetz der Stachel der Einseitigkeit genommen werden.
Der Reichsrat nahm ferner das Pensionsgesetz für Reichsminrster an. Danach wird den Reichs- mlnistern nach dem Ausscheiden aus dem Amt ein U e b e r- gangsgeld gewährt, dessen Höhe sich nach der Amtsdauer richtet. Eine dauernde Rente wird nur im Fall einer Gesundheitsschädigung bezahlt. Der preußische Antrag, den Reichsministern, wie in Preußen, nach vierjähriger Dienstzeit eine feste Pension zu zahlen, wurde mit 34 gegen 32 Stimmen abgelehnt. 7 .
Moskau abgegangen und am Samstag"früh 9 Uhr in Riga zu erwarten sei. Hier werden die Auswanderer gespeist und in deutsche Wagen gebracht. In Gumbinnen (Ostpreußen), wo sie am Sonntag früh eintreffen werden, ist eine Rast von 24 Stunden vorgesehen. Die zweite Abteilung in der gleichen Stärke verläßt Moskau am 29. November abends, die dritte Abteilung am 30. November. Die weiteren Züge folgen in gleichen Abständen. Die deutsche Ce- sandtschaft hat alles für die Verpflegung der Bauern geordnet. Dabei haben das lettische Ministerium des Aeußern, das Verkehrsministerium und das lettische Rote Kreuz größtes Entgegenkommen gezeigt. Ein SonVerzug mit Sanitätspersonal, darunter Zwölf Krankenschwestern, dre
Aerzte und Vertreter verschiedener Behörden, wurde F«ö» tag früh an die russische Grenze entgegengeschickt.
Die Flottenkonferenz im Sk. Zamespakast
London, 29. Nov. Das Kabinett hat das Angebot des Königs angenommen, den Staatsraum des St. Lames- Palastes für die kommende Fünfmächtekonferenz, die am 21. Januar beginnen soll, zu benutzen. Die Vollsitzungen der Konferenz sollen indessen in -er königlichen Galerie d« Oberhauses abgehalten werden.
Geben die Lankinsolvenzen Grund zur Lennrnhiguug?
Vorige Woche hat die mit einem Aktienkapital von SV0 000 Mark ausgestattete Voigtländische Credit- bank A.-G. Plauen i. V. ihre Zahlungen eingestellt. „Viele kleine Geschäftsleute", heißt es in den Handelsberichten, „dürften mindestens um einen Teil ihrer Ersparnisse gebracht sein. Das Institut wies für das am 31. Dezember 1928 abgelaufene Geschäftsjahr noch einen Reingewinn von 53 651 Mark aus, aus dem eine Dividende von 5 Prozent zur Verteilung gelangte."
Aehnliche Meldungen liest man Tag für Tag. Kein Wunder, daß die Sparer stutzig werden. Man denke an die Bestürzung, die der Zusammenbruch der „Deutschen B e- amtenbank" in weiten Kreisen der Beamtenschaft in Berlin und darüber hinaus vor ein paar Monaten hervorgerufen hat, so daß der „Deutsche Beamtenbund" und andere Beamtenverbände ihre Mitglieder pur zu trösten und zu beruhigen hatten, damit sie nicht austraten.
Kurz: In der Zeit seit dem 1. Juli 1929 sind insgesamt rund 80deutscheBankenzahlungs- unfähig geworden. „Wird es nicht zu einer zweiten Inflation kommen?" vollends, wenn wir Jahr für Jahr diese entsetzlichen Tribute an den ehemaligen Feindbund ohne jegliche Gegenleistung abführen müssen?
Nein, so schlimm wird's nicht werden. In 5 Monaten 80 Bankinsolvenzen — das klingt schauerlich. In Wirklichkeit aber ist das noch lange nicht so arg, wenn man das ausgepreßte und verarmte Deutschland mit andern Staaten, etwa mit dem "reichen und überreichen Amerika vergleicht. Bei etwa 3000 Eigentlichen Banken sind 80 Bankrotte e r st knapp 2 , LMrozent, und zählt man noch die andern bankähnlichen Unternehmungen dazu, so sind es nur 1 Proz. In den Bereinigten Staaten sind aber in den Iah-. ren 1921 bis 1928 nicht weniger als 5000 Banken verschwunden, sei es durch Fusion oder durch Bankrott, und dies trotz der fabelhaften Konjunktur, deren sich Amerika zu erfreuen hat.
Letztere fehlt uns aber in sehr empfindlichem Maß. Schon haben wir wieder über 1 Million Arbeitsloser. Die allgemeine Klage lautet allüberall: „Die Geschäfte gehen schlecht." Alte solide Firmen — von den andern ganz zu schweigen — melden ihre Zahlungsunfähigkeit an, und es wäre ein großes Unrecht, sie samt und sonders des Schwindels oder gar Betrugs zu beschuldigen. Die Sklareks sind, Gott sei Dank, immer noch Ausnahmefälle.
Die Hauptschuld an den Bankzusammenbrüchen hat selbstverständlich die rückgängige Konjunktur in Han- d e l und Gewerbe, für die es Dutzende von Erklärungen gibt und deren erhebliche Besserung wir, ohne daß wir Pessimisten wären, für die nächsten Jahre nicht zu erwarten haben. Zusammenbrechende Geschäfte, denen die Bank vielleicht mit allzugroßem Langmut kreditiert hat, ziehen ihre Geldgeber mit in den, Abgrund.
Auch hört man da und dort den Vorwurf: die Banken hätten zuviel Personal, sie würden die Spesen nicht ihren Umsätzen anpassen, ihre Direktoren und Sozi, hätten Einkünfte mit vier und gar fünf Nullen, ihr Inhaber fahre mitunter einen Wagen, der zwischen 30 000 und 60 000 Mark gekostet habe. Wir sind nicht in der Lage, diese Klagen nachzuprüsen. Mag sein, daß ab und zu ein Bankdirektor trotz seines reduzierten Geschäfts immer noch auf hohem Fuße lebt. Vielleicht muß er um des geschäftlichen Rufes willen dies tun. Und der Abbau von Bankbeamten, von dem vor drei Wochen auch in unserem Landtag die Rede war, und der vielfach mit der Fusion zusammenhüngt, ist im Hinblick aus die Betroffenen, die so schwer in andern Geschäften untergebracht werden können, keine so. einfache Sache, wie es sich Außenstehende vorstellen. Im allgemeinen aber kann man mit gutem Gewissen unfern alten Bankfirmen alles Vertrauen entgegenbringen.
Neueste Nachrichten
Der Liquidakionsverlrag mit Polen
Berlin. 29. Nov. Im Reichstagsausschuß für Auswärtiges wurde der Gesetzentwurf über den deutsch-polnischen Liquidationsvertrag von den bürgerlichen Parteien scharf kritisiert. Da der Vertrag mit dem Poung-Plan zusammenhängt und erst mit diesem im Januar zur Entscheidung kommt, so läßt sich über sein Schicksal noch nichts sagen. Die Regierung hat aber bis jetzt die Veröffentlichung des Vertragswortlauts der Oeffentlichkeit noch nicht mitgeteilt und soll nach dem Wunsch Polens erst mit den Gesetzen zum 'Zoung-Plan veröffentlicht werden, was die Beunruhigung im Reich noch steigert. Gewiß ist bis jetzt nur. daß die Reichsregierung den Polen ungeheure Opfer zu bringen gewillt ist.
Die demokratische „Deutsche Bauernschaft", die dem Neichsernährungsminister nahesteht. erklärt in einer Entschließung, der deutsch-polnische Handelsvertrag widerspreche in allen wesentlicken Punkten den
Berlin, 29. Nov. Der Reichsrat hat in seiner gestrigen I Düllsiyung das Republikschutzgesetz in der von den Aus- > schüssen beschlossenen beschränkten Fassung mit 50 ge- ! gen 16 Stimmen angenommen. Dagegen stimmten Bayern,
§ Mecklenburg-Schwerin, Ostpreußen, Pommern, Brandenburg und Schlesien. Die Ausschüsse haben aus dem Entwurf Severings vor allem die Zuständigkeit des Reichsministers des Innern für ein Vergehen gegen Vereine und Reichsverwaltungsgericht gesetzt, um persönliche und parteipolitische Willkür auszuschalten. Reichsminister Severing versuchte m der Sitzung nochmals, die ursprüngliche Fassung wiederherzustellen, die Anträge wurden aber mit 38 gegen 25 Stimmen bei 3 Enthaltungen abgelehnt. Der Reichsrat hat ferner die Severingsche Forderung, daß nur Amtspersonen und berufliche Politiker durch das Gesetz geschützt werden sollen, dahin erweitert, daß jede Gewalttat gegen eine Perfon wegen einer politischen Tätigkeit geschützt werden soll, ganz gleich, an welcher Stelle der zu Schützende
London, 29. Nov. Im Oberhaus richtete Lord Buckmaster erneut scharfe Angriffe gegen die jetzige und die früheren britischen Regierungen, die mit der Beschlagnahme deutschen Privateigentums es gerade so machen, wie es die Bolschewisten machen, indem man wehrlosen Leuten das Eigentum wegnehme. Besolchars.beschämend, sei..das für die Arbeiterregierung, die als Partei in den letzten 14 Jahren den Mund nicht habe soll genug nehmen können, um die Schlechtigkeit der Beschlagnahme zu brandmarken. Aber offenbar ändern sich Worte und Ansichten, wenn man von den Bänken der Opposition auf die Bänke der Regierung komme. Der Vertreter der Regierung ging in seiner Antwort auf die Sache selbst nicht ein, sondern bedauerte die „Ansdrucksweise" Vuckmasters; das Wort „Beschlagnahme" sei „unpassend" (wenigstens scheinen es gewisse Leute in England nicht gern zu hören. D. Schr.). Durch solche Reden würden nur Retbun-gen statt „Versöhnung" zwischen England und Deutschland herbeigeführt.
Die -euksch russischeu Dauern auf dem Weg
Riga, 29. Nov. In Riga ist die Nachricht aus Moskau eingetrossen, daß die erste Abteilung der deutschrussischen Bauern, 600 Personen, am Donnerstag abend 11 Ubr von
Interessen der deutschen Wirtschaft, insbesondere der deutschen Landwirtschafi.
Die Winzerkredite verlängert
Berlin, 29. Nov. Nachdem der Volkswirtschaftliche Ausschuß des Reichstags mit großer Mehrheit für die völlige Niederschlagung der Winzerkredite von 1925 im Betrag von 30 Millionen Mark sich ausgesprochen hatte, bemerkte ein Abgeordneter der Linken, daß der Reichstag die Niederschlagung am 3. Juni 1929 abgelehnt habe, die Entschließung war daher unwirksam. Es wurde darauf beschlossen, die Regierung zu ersuchen, die Winzerkredite über ihre Fälligkeit hinaus zu verlängern und i n b e- sonderen Notfällen teilweise oder gang niederzuschlagen.
Zwei Reichsgerichtsräte verurteilt
Berlin, 29. Nov. In der Berufungsverhandlung in der Vrivatklaaesache des Herausgebers der politischen Wochenschrift „Tagebuch", Leopold Schwarzschild in Berlin, wurden gestern von der Strafkammer des Landgerichts 2 der Senatspräsident am Reichsgericht, Reichert, und der Reichsgerichtsrat Bewer wegen Beleidigung zu je 300 Mark Geldstrafe oder 30 Tagen Gefängnis verurteilt. In erster Instanz warm sie freigesprochen worden, weil sie in Abwehr von Angriffen Schwarzschilds gegen ein Gerichtsurteil und den Richterstand in Wahrung berechtigter Interessen gehandelt hätten.
Schwarzschild hatte das Todesurteil des Schwurgerichts Neustrelitz gegen den aus Rußland stammenden Iakobowski wegen Mords, das inzwischen auch von anderen Gerichtsstellen als vollkommen einwandfrei festgestellt worden ist» heftig angegriffen. In der Abwehr dieser unerhörten Angriffe hatten Bewer und Reichert in einem Aufsatz der „Deutschen Richterzeitung" Schwarzschild als einen rechtsbeugenden Literaten bezeichnet. In diesem Ausdruck fand die Strafkammer eine Beleidigung, die über das zulässige Maß einer an sich berechtigten Wahrung des Ansehens des Richterstands hinausgehe.
Schulzwang zur Verfassungsfeier
hirschberg, 29. Nov. Der der Kommunistischen Partei angehürende Elektrotechniker Lehmann in Grunau in Schlesien hatte seine schulpflichtigen Kinder nicht zur Verfasiungs- feier in die Schule geschickt, weil nach seiner Ansicht Eltern, die mit der jetzigen Staatsform nicht einverstanden sind, auch ihre Kinder nicht zur Schulverfassungsfeier zu schicken brauchlen. Das Hirschberger Amtsgericht verurteilte Lehmann mit der Begründung, daß die Schulfeiern einen Teil des Unterrichts darstellen und daher von allen Kindern besuch: werden müsfen. Dieser Ansicht ist jetzt auch das Kammergericht beigetreten, indem es die Revision Lehmanns gegen das eZte Urteil verworfen hat. Nach Auffassung des Kammergerichts hat zwar jeder Deutsche das Recht, seine Meinung frei zu äußern, aber nur innerhalb der allgemeinen Gesetze. Zu diesen Schranken der Betätigung der freien Meinungsäußerung gehöre auch das Schulpflichtgesetz, das jeder Familienvater beachten müsse.
Studenlenausschußwahlen in Breslau
Breslau, 29. Nov. Bei den Wahlen zum Studentsn- ausichuß der Deutschen Studentenschaft an der hiesigen Universität wurden 1587 Stimmen abgegeben (im Vorjahr 1423). Die Nationale Studentenschaft erhielt 571 und damit 16 Sitze (im Vorjahr 22), die Nationalsozialistischen Studenten 391 Stimmen und 11 Sitze (0), Nationale Finkenschaft 306 Stimmen und 8 Sitze (9), Christlichnationale (katholische) Korporation 308 Stimmen und 8 Sitze (10).
Selbstmord des japanischen Gesandten in China
Tokio 29. Nov. Der japanische Gesandte in China, Sadao Saburi, der zur Zeit hier weilte, um die kommenden Verhandlungen mit China zu erörtern, hat sich gestern in später Abendstunde durch einen Schuß getötet Gestern war der dritte Jahrestag des Todes seiner Gattin und cs ist anzunehmen, daß der Gesandte die Tat in einem Anfall von Schwermut begangen hat. Allgemein ist man der Ansicht, daß Japan durch Saburis Tod des Diplomaten beraubt worden ist, der.am ehesten berufen war, die Be» söhnungspolilk Shideharas gegenüber China durchzufiihren.