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Nagolder TagblattDer Gesellschafter-

Donnerstag, 14. November 192g

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Hirsau, 13. Nov. Unglücksfall. Ein bedauerlicher Un­glücksfall ereignete sich gestern nachmittag vor dem Beam­tenwohngebäude des Staatsrenamts Hirsau. Als die 22 Jahre alte, in den Floreatwerken beschäftigte M. Lutz nach Hause radelte, geriet ihr eine Schülerin in das Vor­derrad, so daß sie auf den Gehsteig stürzte und bewußtlos vom Platze getragen werden mutzte. Sie scheint eine Ge­hirnerschütterung davongetragen zu haben.

Schömberg, 13. Nov. Scheuernbrand. Freitag abend äscherte ein Brand die Doppelscheuer des Gottlieb Mai- senbacher, Landwirts, und der Johannes Oelsch lä­ge r, Stratzenwartswitwe, sowie einen Heuschopf vollstän­dig ein. Große Gefahr bestand für die stark bedrohten Wohngebäude der Brandgeschädigten, die aber die rasch herbeigeeilte Feuerwehr durch energisches, zielbewutztes Eingreifen zu bannen vermochte. Brandstiftung wird ver­mutet, doch ist die Sache noch nicht genügend aufgeklärt. Die Brandgeschädigten sind leider nicht genügend versi­chert.

Horb, 13. Nov. Das Auto im Schaufenster. Ein kleiner Unfall ereignete sich gestern abend am Breitenbachschen Eck. Der Automobilist K. aus Rexingen kam vom oberen Markt her und wollte bei Vreitenbach einbiegen, um über die Neckarbrücke zu fahren. Dabei nahm er jedoch die Kurve nicht eng genug und fuhr schnurstracks in ein Schaufenster der Bäckerei. Dort wurden Rolladen und Scheibe eingedrückt. Das Haus erhielt einen gewaltigen Stotz, daß die Bewohner schon dachten, es bräche etwas zu­sammen. Der kühne Fahrer schob seinen nicht unerheblich demolierten Wagen zurück, richtete soweit es möglich war den verbeulten vorderen rechten Kotflügel, ließ den Motor anspringen und fuhr wieder weiter.

Freudenstadt, 13. Nov. Das städtische Schwimmbad wird gebaut. Einem alten Wunsche ist nunmehr Erfüllung geworden, indem in der letzten Sitzung des Gemeinderates mit 9 gegen 9 Stimmen unter dem Stichentscheid des Vor­sitzenden der Ausbau des Bades in der Realschule geneh­migt wurde. Es enthält 22 Kabinen für Herren und 12 Kabinen für Damen je mit besonderem Reinigungsraum, Tusch- und Brauseraum, ehe man das Schwimmbastin er­reicht. Auch die Schüler haben besondere Auskleide- und Reinigungsräume u. kommen erst im Schwimmbassin mit den anderen Badegästen zusammen. Außer acht Wannen­bädern sind sogenannte russisch-irische Bäder (Schwitzbä­der) vorgesehen, ferner ein Dampfbad, ein Heißluftbad, Massage und Ruheraum. Auf Grund sorgfältiger und vor­sichtiger Rentabilitätsberechnung stellen sich die Betriebs­kosten auf 23 000 bis 24 000 Mark in Ausgaben, wozu noch 17 000 oll (10 Proz. Verzinsung und Amortisation aus dem Bauaufwand von 170 000 -1t hinzukommen 40 000 Mark, denen 30 000 Mark Einnahmen aus Bädern ge­genüberstehen. Der jährliche Betriebszuschutz würde also 10 000 Mark betragen. Die Betriebsausgaben können da­durch ermäßigt werden, daß die Stadt nur die Selbstko­sten für Wasser, Strom usw. berechnet. Je nach der Be­nützung des Bades können die Betriebergebnisse günstig beeinflußt werden. Der Wasserbedarf für das Bad (Wan­nen- und Schwimmbad) beträgt täglich 80 bis 100 Kubik­meter. Das Master wird mit einer Erwärmung bis zu 45 Grad durch eine Fernleitung durch die Pino AE.nach dem Bad geführt, in besondere Behälter (Kalt- und Warmwas­serreservoir) hinaufgepumpt. Das Wasser ist hygienisch vollständig, einwandfrei. Es ist vorgesehen, daß das Bassin zweimal in der Woche gefüllt werden kann. In dem Ver­trag mit der Pino-AG. ist festgelegt, daß die Stadtge­meinde anderthalbfache Wastermenge, die sie von der Pino AG. bezieht, an frischem Wasser an die Firma abgibt. Eine Barentschädigung ist beiderseits ausgeschlossen. Der Wert der Wassermenge, die die Stadt abzugeben hat wird auf 1500 im Jahr geschätzt, wogegen die Stadtgemeinde den Vorteil hat, daß sie das gewärmte Wasser kostenlos be­kommt.

Freudenstadt, 13. Nov. Orkan im Schwarzwald. Seit den ersten Morgenstunden' des Dienstags geht über den hohen Schwarzwald ein Orkan. Der Sturm aus Südwest, der schon in der Nacht einsetzte, erreichte im Laufe des frü­hen Vormittags seinen Höhepunkt. lieber die Paßhöhen ist ein Verkehr unmöglich geworden. Auf den nicht wind­geschützten Halden und Hochkämmen wurden Dutzende von starken, stämmigen Tannen umgeknickt. Nach einer Mel­dung vom Feldbergobservatorium ist der seit morgens auf- ; tretende Sturm der stärkste seit vielen Jahren, ja sogar ! seit Bestehen der Wetterwarte überhaupt. Nachts, als der ! Südsturm bei 2 Grad Kälte aufkam, erreichte er zunächst j Windstärke 8, gegen Morgen aber 10 und dann 11, also i nahezu den höchsten Grad der Orkanstärke. Im Sturmbe- > reich war ein Vorwärtsschreiten unmöglich, da die Kraft des Sturmes atemraubend war. In Massen wurden selbst armdicke Aeste und Zweige von den Bäumen abgeschlagen. , In den Jungholzschonungen ist viel Schaden entstanden; ! nur geschützte Berglagen litten weniger durch den Wind­

bruch. Nach weiteren Meldungen hat der Sturm auch an den Dächern der hochgelegenen Bauernhöfe Schaden verur­sacht. Der Umfang der angerichteten Schäden ist noch nicht festgestellt, scheint aber nicht unbeträchtlich zu sein, zumal der außergewöhnlich schwere Sturm auch noch am Nach­mittag anhielt. Die Temperatur ist in den oberen Berg­lagen plötzlich stark angestiegen. Dem Orkan voraus ging ein außerordentlich schroffer Barometersturz von nahezu 20 Millimeter in wenigen Stunden.

Tonbach, OA. Freudenstadt, 13. Nov. Freilegung eines alten Harzofens. Durch das Entgegenkommen des Forst­amts Klosterreichenbich wurde es möglich, in der Nähe der Ailbachquelle. zwischen Wiedenberg, Ailberg und Höllkopf einen alten Harzofen freizulegen. Die kreisrunde An­lage hat einen Durchmesser von etwa 2.50 Meter und eine Tiefe von 1 Meter. Das Schürloch ist gut erhalten. Der Boden zeigt eine eigenartige trichterförmige Vertiefung, in deren Mitte ein Loch ist. Das Harzen war in vergange­nen Jahrhunderten fast der einzige Erwerbszweig, der den Bewohner des Tales Bargeld eintrug und ein Erwerbs­zweig, der ganz allgemein geübt wurde. In solchen Oefen wurde das Harz gesotten, hernach gereinigt und inStan­den" verpackt; je eine solche einem Pferde links und rechts an den Tragsattel gehängt und über den Kniebispaß ins Nheintal befördert, wo es zu Schiffspech verarbeitet, in den Handel kam.

Neuenbürg, 13. Nov. Straßenbau. Seit einigen Wochen schon wird auf der im Eigentum der Stadt befindlichen Großen Wiese rüstig an der Anlage der neuen Straßen und ihrer Entwässerung gearbeitet, u. mit der alten Heu­scheuer verschwindet nun auch mit der Zeit der von der Enz und Lindenallee umsäumte - große und schöne Erün- platz am nördlichen Eingang der Stadt. Eine Autohalle nebst Zubehör für die Reichspost und ein städtisches Schul­gebäude werden unter anderem mit der Zeit darauf er­stellt werden. Bei den Grabungen für die Kanalisation, welche zum Teil bis zu einer Tiefe von 3,40 Meter erfolg­ten, ergaben sich lehrreiche Schnitte durch die Schichtung der Talsohle. Unter dem Humus lagerte eine rote Sand­schicht von wechselnder Mächtigkeit. Darunter zeigte sich Kies und grobes Geröll aus Buntsandstein. In der Tiefe von 3,40 Meter jedoch offenbarte sich, an der dunklen Färbung der Sandsteinwacken größeren oder kleineren Umfangs leicht erkennbar, ein altes Enzbett, welches auch eine ziemliche Menge Granitwacken führte. Funde aus der Steinzeit, wie sie z. B. bei Kehl auf einem trocken gelegten ehemaligen Rheinarm gemacht worden sind, haben sich hier nicht ergeben. Wenn man aber unseren von der Natur ge­formten Schloßberg betrachtet, so wird man die Hoffnung nicht aufgeben, daß doch einmal noch der unwiderlegliche Beweis dafür geliefert wird, daß unser Neuenbürger Schloßberg bereits Hunderte und Tausende von Jahren vor der Anlage der mittelalterlichenReuen Burg" Men­schen genährt und geschützt hat.

Schwann, OA. Neuenbürg, 13. Nov. Verschüttet. Der 50 5. a. Maurer Wilhelm Schühler von hier wurde beim Sprießen einer Mauer durch deren Einsturz verschick- tet. 5m Bezirkskrankenhaus Neuenbürg ist er.gestorben.

Gerichlssaal

Tübingen, 13. Nov. Fortgesetzter Diebstahl, Amtsurkun- denfäschung und Amtsunterschlagung. Großes Schöf­fengericht. Der frühere Verlademeister Gottlieb Schnierle von Calw, war angeklagt in einer Reihe von Fällen des Diebstahls an Eisenbahnfrachtgut sowie der Amtsunterschlagung und Urkundenfälschung. Der Sachverhalt war folgender. Schnierle hat im August d. I. in einer Reihe von Fällen die ihm als Verlademeister übergegebenen Güter auf der Eisenbahnstrecke Stuttgart- Pforzheim an sich gezogen, indem er die Koffer und Kisten geöffnet hat und deren Inhalt wie Kleider und Nah­rungsmittel, herausnahm; in mehreren Fällen hat er die Kistendeckel gehoben und einzelne Stücke, wie Frauenklei­der und Kindszeug daraus herausgenommen. Schnierle lebt in sehr mißlichen Familienverhältnissen und ist von seiner Frau getrennt. Die gestohlenen Sachen schickte er seiner Geliebten nach Karlsruhe, Schnierle hat ferner auf einer auf die 2. Wagenklaffe für 5 Personen ausgestellte Stammfahrkarte zu welcher im Zug Eilzugszuschlag im Betrage von 2.50 -4l gelöst worden war, den Zweier in einen Dreier abgeändert und den sich daraus ergebenden Mehrbetrag von 1.25 Mark für sich behalten. Der Ange­klagte schützte in dem Fall der Diebstähle Notlage vor, im Falle der Abänderung auf der Karte gab er an, es sei ihm beim Eintrag ein Versehen unterlaufen, und dadurch habe er, um sich einer Rüge zu entziehen, die Abänderung vorgenommen. Das Urteil lautet auf eine Gesamtstrafe von 7 Monaten und 15 Tagen Gefängnis.

TL

Letzte Nachrichten

Reichsfinanzreform und Regierungsparteien.

Berlin, 14. Nov. Wie derDemokratische Zeitungs­dienst" mitteilt, wird der Reichsfinanzminister in der näch­sten Zeit den Regierungsparteien seine Vorschläge zur Reichsfinanzreform zugänglich machen, damit im Zusam­menhang mit dem Poungplan die Frage der Reichsfinanz­reform zwischen den Regierungsparteien verhandelt wer­den kann.

Deutschlands Vertreter auf der Haager Konferenz.

Berlin, 14. Nov. Wie derVorwärts" erfährt, wird die Reichsregierung auf der zweiten Haager Konferenz durch den Reichsaußenminister Dr. Curtius und den Reichsfinanzminister Dr. Hilferding vertreten werden.

Einzeichnungen zum Volksbegehren durch Haussammlung anerkannt.

Berlin» 14. Nov. DerVorwärts" berichtet aus Schwe­rin, daß der Abstimmungsausschuß für den Wahlkreis Mecklenburg-Lübeck am Mittwoch entgegen einem Antrag der Sozialdemokratischen Partei mit 4 gegen 2 Stimmen beschlossen hat, auch die Einzeichnungslisten für das Volks­begehren anzuerkennen, die durch das Tragen von Haus zu Haus entstanden sind.

Der Zeitpunkt des Haager Konferenzbeginnes noch nicht festgesetzt.

Paris, 14. Nov. Das französische Außenministerium dementiert formell die von einer Pariser Morgenzeitung gebrachte Meldung, daß die zweite Haager Konferenz vom 7. Dezember beginnen solle. Der Zeitpunkt sei noch nicht festgesetzt.

Die Baden-Badener Verhandlungen abgeschlossen.

Baden-Baden, 14, Nov. Nach sechswöchiger Tagung hat am Mittwoch abend der Organisationsausschuß der B. I. Z. seine Arbeiten abgeschlossen. Nach Erledigung der letzten Streitpunkte in den Treuhandverträgen konnte zur Unterzeichnung der hier ausgearbeiteten drei Schrift­stücke, nämlich der Statuten, der Charakter und der Treu­handoerträge geschritten werden. Die Unterzeichnung wurde vorbehaltslos und einstimmig von sämtlichen an­wesenden Abordnungen vorgenommen.

Handel und Verkehr

Neuer Kurssturz ,n Neuyork. Am Dienstag, den 12. November erfolgte an der Neuyorker Börse ein neuer Kurssturz. Eine ganze Reihe von Aktien sank schon in den Vormittagsstunden bis um 25 Dollar. Vorübergehend trat eine leichte Erholung ein, dann ging der Hexensabbat von neuem los. Die Papiere der American Ex­preß Co. gingen um nicht weniger als 106 Dollar zurück. Die Papiere wurden in Massen zum Verkauf ousgeboten. Die Banken schienen der Spekulation gegenüber machtlos zu sein, wahrschein­lich stecken verschiedene mit ihr unter einer Decke Hunderttausende kleiner und mittlerer Leute, Angestellte, Kontoristinnen, Arbeiter haben nicht nur ihre Ersparnisse verloren, sondern stecken in Schul- den. Um sich während der schwindelhaften Kurstreiberei an der Spekulation beteiligen zu können, hatten viele Geld ausgenommen.

Ausnahmekaris für Mehaussuhr. Die Deutsche Reichsbahn­gesellschaft hat mit Gültigkeit bis 30. November d. I. für Rind­vieh, Kälber, Schweine, Ferkel, Schafe und Lämmer einen Aus­nahmetarif mit 30 v. H. für die Ausfuhr deutschen Viehs bewilligt, wo diese Ausfuhr zur Entlastung des deutschen Vieh­markts erfolgt. Auf den Frachtbriefen für diese Sendungen muß das Reichsministerium das Vorliegen dieser Voraussetzung be­scheinigen.

Psorzheimer Schlachkviehmarkl. Auftrieb: 11 Ochsen, 13 Kühe, 47 Rinder, 27 Farren, 6 Kälber, 536 Schweine. Preise: Ochsen 1. 5557, 2. 5155, Farren 1. 54, 2. nd 3. 5319, Kühe 2. und 3. 4228, Rinder 1. 5861, 2. 5457, Kälber 1. 8386, 2. 76 bis 82, Schweine 2, 3. und 4. 8890, 7. 7880 Marktverlauf: mäßig belebt.

' Dekker

Infolge der nördlichen Depression ist für Freitag und Samstag Unbeständiges, auch zu Niederschlägen geneigtes Wetter zu er», warten.

Härter, geb. Kiesel, Freuden-

Friedr. Kallfaß, Besen seid ieo, geb. Proß, 54 Jahre, Calm-

Gestorbene: Mina st a d t Sophie Sie b a ch.

Die heutige Nummer umfaßt 8 Seiten, einschließlich der BeilageUnsere Heimat".

Beilagen-Hinweis.

Gute Stoffe für Bekleidung kauft man bei der Firma mit Weltruf Schwetach L Seidel, G. nn b. H., Spremberg N.-L. Ein Prospekt ist der heutigen Gesamtauflage beige- fügt.

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