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Mit den illustrierten BeilagenFeierstunden- Unsere Heimat-,Die Mode vom Tage-.

Bezugspreise: Monatlich einschließlich Trägerlohn 1.6l>; Einzelnummer 10 iZ. Erscheint an jedem Werktage. Verbreitetste Zeitung im O.-A.-Bezirk Nagold. Schriftleitung, Druck und Verlag v. E. W. Zaiser (Karl Zaiser) Nagold

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Mit der landwirtschaftlichen Wochenbeilage: Haus-, Garten- und Landwirtschaft-

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Fernsprecher Nr. 29

Nr.

Gegründet 1827

Montag, den 5, August 1929

103. Jahrgang

Frankreichs Anleil an der Einkreisung

Die pariser Dokumente

Nachdem durch die jüngst erschienenen Aufzeichnungen des verstorbenen früheren englischen Außenministers Lord Lansdowne der Anteil und die Urheberschaft Eng­lands an der Einkreisung Deutschlands in das Helle Licht der Geschichte gerückt worden war, ist es nun auch von größtem Interesse, aus Grund der kürzlich ver­öffentlichten diplomatischen Schriftstücke des Pariser Ar­chivs aus der Vorkriegszeit zu erfahren, welch hervorragende Rolle Frankreichbei der Einkreisung und damit bei der Heraufbeschwörung des Kriegs zukommt. Aus den Dokumen­ten wird ersichtlich, wie sehr der Dreiverband seit Jahren bemüht war, einerseits Freunde und Bundesgenossen von Deutschland abspenstig zu machen, andererseits jede Annähe­rung eigener Freunde an Deutschland zu verhindern. Und zwar wird dabei vom Krieg mit einer Selbstverständlich­keit gesprochen, die geradezu verblüffend ist.

Von demunbedingten Kriegswillen von Kaiser und Volk in Deutschland-, der in den Schandvertrag von Ver­sailles hineingelogen wurde, wissen die amtlichen Beobachter allerdings nichts zu sagen. So berichtet der französische Mili­tärattache in Berlin, Oberst Pelle, am 10. Dezember 1911 nach Paris:Man darf sich nicht verhehlen, daß eine Be­wegung, die wenig bewußt und wenig überlegt ist, wie alle Bewegungen, die auf die Masse wirken, gegenwärtig die öffentliche Meinung in Deutschland in einem kriegerischen Sinn beeinflußt. Ich bin unbedingt überzeugt, daß Kaiser und Kanzler (Bülow) fried­liebend find, doch fast allgemein beschuldigt sie die öffentliche Meinung der Schwäche."

Am 3. Fabruar 1912 berichtet Oberst Pelle,, Die weiteOeffentlichkeitinDeutschlandwünscht den Krieg ebensowenig wie jene in anderen Ländern, doch ist man hier (in Deutschland) beunruhigt, unzufrieden, und der beruhigende Einfluß, den der Kaiser ausüben könnte, hat seine Wirkungskraft verloren, weil man den Kaiser beschuldigt, in der letzten Krise (Agadir) schwach und kleinmütig gewesen zu sein."

Der französische Botschafter in Konstantinopel, Bom- pard, meldet nach Paris am 19. November 1911:Said Pascha (der türkische Kanzler) ist ein Intrigant: aber er ist bestrebt, die Türkei aus den Fangarmen Deutschlands zu befreien. Deshalb verdient er, (von Frankreich) mitSympathiengehörtzuwer- den. Ich würde nur Vorteil darin sehen, wenn Sir G. Lowther (der britische Botschafter) gleichen Auftrag er­hielte. Der russische Botschafter macht es ebenso."

Der französische Botschafter in London, Paul C a m b o n, berichtet am 25. Januar 1925:Herr Var rere (der französische Botschafter in Rom), der in Rom großes An­sehen genießt, verfolgt seit langer Zeit den Plan, Italien dem Dreibund zu entreißen."

Bompard berichtet am 28. Dezember 1911:Frank­reich darf ein offenes Bündnis mit Italien nur eingehen, wenn es bere it ist, auf die friedliche Politik zu verzichten."

Außer Italien sollte auch Oesterreich-Ungarn vom Dreibund losgelöst und dem Dreiverband (England, Frank­reich, Rußlands zugeführt werden. So berichtet der französi­sche Botschafter in Wien, Cropier, am 15. November 1911:Es ist eine Tatsache, daß Italien und nach ihm Oesterreich-Ungarn die Sicherheiten, die sie lange Zeit im Dreibund zu finden hofften, nunmehr in einer Annähe­rung an den Dreiverband suchen. Das Gerüst des Dreibunds besteht zwar fort, doch verliert er täglich mehr anInhal t; die Bestandteile (Italien und Oesterreich) werden fortschreitend vom Dreiverband angezogen."

Und am 20. November 1911 schrieb Cropier: das An­suchen des österreichischen Ministers Aehenthal, die bei­den Anleihen Oesterreichs und Ungarns von je 500 Millio­nen Franken auf dem Pariser Markt aufzunehmen, bietet eine Gelegenheit, von chm Aufklärungenzu verlangen, welche Haltung Oesterreich-Ungarn nach der Gasteiner Klau­sel des Dreibundvertrvgs imFalleinesKriegszwi- schen Frankreich und Deutschland einnehmen müßte. Wenn Oesterreich-Ungarn nicht unbedingtneu­tral blechen könnte, st müßte werckgstens Frankreich die Sicherheit gegeben werden, daß Oesterreich-Ungarn (im Kriegsfall) eine gewisse Zeit Neutralität beobachtete (während des Zeitraums, der Rußland in die Lage ver­setzen soll, kampfbereit zu werden). Ich bin der Ansicht, daß man (Frankreich) die österreichisch-ungarische Monorchie in ihrem Wunsch nach Aufrechterhaltung der Neutralität d u r ch ein Darlehen von einer Milliarde bestärken könnte.

Als am 7. Februar 1912 der englische Lord Haldane noch Berlin reiste, angeblich um eine englische Verständigung mit Deutschland zu prüfen, schrieb Paul Cambon aus London nach Paris: ,Zch glaube nicht an einen Erfolg der deutschfreundlichen Bewegung. Da sie jedoch die öffent­liche Meinung in Frankreich beunruhigen kann, müssen wir Vorkehrungen treffen, indem wir die Ententecordialefesterschließen."

Dieses amtliche Material, aus einem Zeitraum von drei Monaten genügt, um das Verbrechen der Kriegsschuldlüge Lu brandmarken.

! .Gras ZeWiiii" Mich gelmdet

! Verzögerte Landung 3 Tage 23 Stunden Fahrzeit Jubel überall

§ Am Freitag abend 7.05 Uhr Washingtoner Zeit (etwa ! 1^ Uhr in der Nacht auf Samstag nach deutscher Zeit)

> empfing die Marinestation in Washington einen Funkspruch ! des Luftschiffes, daß es sich 166,9 Kilometer südlich von ! Picot (Azoren) befinde und mit einer Stundengeschwin-

> digkeit von 83,4 Kilometer in norwestlicher Richtung fliege.

Von den fünf Motoren, die tadellos arbeiten, ist immer einer apßer Betrieb, um Brennstoff zu sparen. Das Luft­schiff fliegt in einer Hühe von 250 Meter. Die Temperatur ändert sich innerhalb weniger Stunden stark. In der Nacht zum Freitag waren es noch 32 Grad C., früh 3 Uhr bei Gibraltar nur noch 6 Grad Wärme. Die Geschwindigkeit beträgt schnell wechselnd 70 bis 100 Stundenkilometer.

Der blinde Reisende wird an Bord in sicherem Gewahr­sam gehalten, so daß er nichts anstellen kann, aber auch kei­nen Genuß von der Fahrt hat.

Keine Wekkerstörungen im Westaklantischen Meer

Die amerikanischen Marinesachverständigen erwarten keine ernstlichen Wetterstörungen für den «Graf Zeppelin" im westlichen Teil des Atlantischen Meers. Man nimmt an, daß der Zeppelin am Sonntag abend landen wird, und daß er am Tag über den Städten an der Küste kreuzen und auch Washington besuchen wird.

Vergebliche Funkversuche

Während der Nacht zum 'Freitag und in den frühen Morgenstunden versuchte derGraf Zeppelin", wie die amerikanische Mackay-Radio-Gesellschaft mitteilt, mehrfach vergeblich, mit europäischen und amerikanischen Funkstellen in Verbindung zu treten. Die statischen Bedingungen waren >- Len Funkverkehr zu ungünstig.

Am Sonntag mittags 12 Uhr (morgens 6 Uhr Neuyorker Zeit) traf von der Sendestelle in Lakehurst die Funk­meldung in Deutschland ein, das Luftschiff befinde sich etwa 1000 Kilometer von der amerikanischen Küste entfernt, auf die es mit einer Stundengeschwindigkeit von 100 Kilometer zusteuere. Um einem mit Regenschauern verbundenen Vturmzenlrmn an der Küste auszuweichen, nahm .Graf Zeppelin" vorübergehend südliche Richtung. Das Luftschiff werde in den frähen Nachmittagsstunden des Sonntags in Lakehurst erwartet.

Der Funkspruch meldete weiter: Seil der Tagesfrühe sammelten sich in den Straßen und beim Flugplatz Menschen an, deren Zahl immer größer wurde. Die von auswärts eintreffenden Kraftwagen find nicht zu zählen. Vormittags spielten Kapellen, deren Weisen durch Rundfunk weiter­etragen wurden, um den Fahrgästen des Luftschiffs Unter­altung zu bieten. (Das Konzert wurde durch den deutschen Rundfunk übernommen und war deutlich vernehmbar.)

Graf Zeppelins letzter Flugabschnitt über den Ozean.

Newyork, 4. August. Nachdem feit Sonntag früh vor­liegenden Standortmeldungen von Graf Zeppelin befand sich das Luftschiff um 3 Uhr MEZ auf 35,4 Grad nörd­licher Breite und 58,05 Grad westlicher Länge. Es fuhr zu dieser Zeit mit einer durchschnittlichen Stundengeschwin- digkeit von etwa 100 Kilometer. Das Luftschiff schlug spä­ter infolge ungünstigen Wetters einen etwas südlicheren Kurs ein, den es jedoch nicht aufrecht erhielt, sondern bald wieder in westlicher Richtung weiter flog.

Graf Zeppelin- über Newyork.

Newyork, 5. August.Graf Zeppelin" erschien 20.32 lllhr A. Z. (1.30 Uhr MEZ) über Newyork und kreutte in geringer Höhe über der Stadt. Die Bewohner strömten auf die Straßen und winkten von dem prächtigen Anblick begeistert dem Luftschiff jubelnd zu.

Neueste Nachrichten

Sitzung des Reichskabinetts

Berlin. 4. Aug. In der letzten Sitzung des Reichs- kccksinetts wurde über die Reparationskonferenz im Haag oeraten. Ueber alle Fragen bestand Einmütigkeit. Das Kabinett ist für Annahme des Youngplans.

Zur Aeaderung der Arbeitslosenversicherung

München. 4. August. Ueber das Ergebnis der Beratungen der Sachverständigenkommission zur Aenderung der Arbeits­losenversicherung fand am Freitag in München unter dem Vorsitz des Ministerialdirektors Dr. Weigert von Reichs­arbeitsministerium sine vorbereitendeAusfproche der Sachbearbeiter der Länderministerien statt. Sobald die Reichsregierung den Entwukf für eine Novelle zum Gesetz der Arbeitsvermittelung und Arbeitslosenversicherung fertig­gestellt hat, werden sich die Regierungen der Länder mit der Angelegenheit befasse».

Lakehurst, 5. August. Nachdem das LuftschiffGraf Zeppelin" in geringer Höhe den Landungsplatz umflogen hatte, stieg es plötzlich wieder auf und entfernte sich in Richtung Newyork.

Landung wahrscheinlich nach Sonnenuntergang.

Lakehurst, 5. August. Die nach Tausenden zählende Zuschauermenge brach beim Näherkommen des gewaltigen Luftschiffes in ungeheuren Jubel aus. In mächtigem Bo­gen kreuzteGraf Zeppelin" über dem Luftschiffhafen. Dr. Eckener zog es jedoch anscheinend vor, wegen der Voden- winde mcht sofort zu landen, sondern das Abflauen des Windes bei Sonnenuntergang abzuwarten.

Graf Zeppelin über Lakehurst.

Lakehurst, 5. August. Nachdem um 18.23 amerikanischer Zeit (23.23 Uhr MEZ) die Meldung eingegangen war, daßGraf Zeppelin" über Barneaat (New Persey) gesich­tet wurde, zeigte sich das Luftschiff 18.56 Uhr (23.56 Uhr MEZ) am Horizont und traf 3 Minuten später über dem Lustschiffhasen Lakehurst ein.

Graf Zeppelin" in Lakehurst glatt gelandet.

Lakehurst, 5. August. NachdemGraf Zeppelin" um 21.36 Uhr amerikanischer Zeit (2 36 Uhr MEZ) wieder über Lakehurst erschienen war, ist er nach kurzem Kreuzen über dem Luftfchiffhafen um 21.53 Uhr amerikanischer Zeit (2.53 Uhr MEZ) glatt gelandet.

Vorbereitungen zur Wettfahrt

Die Wettfahrt soll nach der Rückkehr desGraf Zeppe­lin" nach Friedrichshofen alsbald angetreteu werden uni» in vier Abschnitten erfolgen: FriedrichshafenTokio, Tokio Los Angeles, Los AngelesLakehurst und Lakehurst Friedrichshasen. Die Neuyorker Meldung, daß das Luft­schiff von Lakehurst nach Tokio und zurück nach Lakehmft fliegen werde, war also Bluff.

Das japanische Marineamt hat die Luftschiffhalle tn Kasumiga-Ura bei Tokio zur Verfügung gestellt, die größer als die Friedrichshafener ist und während des Krieges in Jüterbog bei Berlin stand und nach dem Waffenstillstand an Japan ausgeliefert werden mußte. Auf diesem Lan­dungsplatz der japanischen Marinelufkfahrt befindet sich außerdem ein Ankermast. 1000 Mann sind dienstbereit. Traggas, Betriebsgas, Benzin usw. werden in Vorrat ae- yatte«. Bo« Friedrichshofen sind mit Ingenieur Dauert« ein neuer Reservemotor und mehrere Kisten mit Ersatzteile» und Werkzeugen nach Tokio gesandt worden. Aehnlich« Vorbereitungen find in Los Angeles (Kalifornien) auf dem städtischen Flugplatz getroffen. Weiterhin sind die ameri­kanischen Ankermaststationen in Texas, Fort Worth und auf Hawai, sowie die Lustjchiffhalle m St. Louis zur Ver­fügung gestellt.

Ein amerikanisches Blatt hat sich in der Nacht zum Samstag über eine Stunde lang mit dem Luftschiff unter­halten und eine große Zcchl von privaten und Prefsenach- richten gefunkt. Kei, Wunder, daß wir in Deutschland jo spärlich mit Zeppelin-Nachrichten versehen werden.

Vau eines Riesen-Zeppelins

Die amerikanische Goodyear Zeppelin-Company gab die Pläne für den Bau zweier Luftschiffe, die doppelt so groß wie derGraf Zeppelin" sein sollen. Sie werden also dre Ausmaße des gegenwärtig für die Marine im Bau begrif­fenen U-berzeppelins haben. Das Luftschiff soll im Verkehr über das Stille, später auch über das Atlantische Meer verwendet werden.

Blutiger Zusammen st . .

Nürnberg. 4. Aug. Zwischen Nationalso zi al ist e n , die zurzeit ihren stark besuchten Reichsparteitagj in Nürnberg abhalten und Reichsbannerleute» kam es nachts zu einem Zusammenstoß. Dabei fiele» Schüße, die von den Reichsbannerleuten abgegeben worden iein sollen. Die zum Parteitag anwesende Fra« Katharine Grünewald aus Lamberthsim wurde tödlich getroffen, ein 19jühriger Reichsbynnernrann verletzt.

Verhandlungen über die Regierungsbildung in Holland.

Haag. 4. August. Halbamtlich wird mitgeteilt, daß die Verhandlungen, die von dem mit der Kabinettsbildung be- auftragten Präsidenten der zweiten Kammer, de Beeren- breuck, den Führern der Christlich-Historischen Partei, der Antrirevolutionören - Partei und der Römisch-kacholischen Staatspartei geführt wurden, eine ungünstige Wendung ge- nommen haben. Die Bildung eines sich bis auf die drei ge­nannten Parteien stützenden parlamentarischen Rechtskabi- netts wird damit aussichtslos sein.