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Mit den illustrierten Beilage« „Feierstunden" „Unsere Heimat", „Die Made vom Tage".
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Mit der landwirtschaftliche« Wochrubeilage: „Haus-, Garten- und Landwirtschaft-
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Freitag, den IS. Juli 1SM
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tos. Iahegang
Briand'sches Zwielicht
Mit größtem Aufwand an Beredsamkeit und Zweideutigkeit hat PoincarS gestern in der großen Schulden-Ver- handlung der Abgeordnetenkammer den ersten größeren Erfolg errungen. Ihm gelang die Ablehnung des vom ehemaligen Vorsitzenden der Reparationskommission, Louis Dubais eingebrachten Antrags, die Bestätigung des Amerika- Abkommens zu vertagen. -Es war vorwiegend Briands Verdienst, daß dieser Antrag fiel. Der Minister verstand durch Hinweise auf Kriegserinnerungen und falsche Behauptungen über Deutschlands einstige Kriegsziele die Kammer zu erschüttern und dann auf den für die Regierung einzig annehmbaren Weg zu führen.
Für Deutschland ist wichtiger, was Briand auf eine Frage in bezug auf die Rheinland-Räumung usw. geantwortet hat. Die Frage war sehr bestimmt gestellt worden. Die Sicherheit liege in Locarno; sofortige Räumung des Rheinlands sei die Folge des Aoung-Plans; ohne sie gebe es keine Befriedung und vor allem nicht die Annahme des Aoung-Plans, von dessen Ausführung die Räumung des Rheinlands nicht abhängig gemacht werden dürfe. Briand wich aus: man müsse sich auf der bevorstehenden Kon« serenz einigen.
Die uns Deutschen wichtigste Frage, wie es mit der Rheinland-Räumung steht, hat Briand nicht beantwortet. Bedenklich stimmt uns der Hinweis darauf, daß, wie Briand sagte, die französische Regierung die Möglich- ket ins Auge gefaßt habe, die z w e i t e Z o n e zu räumen; Frankreich brauche für die endgültige Regelung die Gewißheit, daß der Doung-Plan lebendig und wirksam werde. Eine Anzahl Gesetze müsse vom deutschen Reichstag be- schl-ossen werden, da ohne sie der Aoung-Plan nicht durchgeführt werden könne.
Der unangenehme Eindruck, daß Briand nur an die zweite Zone und nicht an die vollständige Räumung denkt, wird verstärkt durch seine weitere Bemerkung: es wäre bedenklich, wenn sich Deutschland einige Monate nach erfüllter Räumung seinen Verpflichtungen entzöge, während Frankreich in der Zwangslage wäre, seine Schulden zu bezahlen.
Demgegenüber ist in den letzten Tagen wieder von Dr. Stresemann und Reichskanzler Müller unzweideutig über das aeivrocben worden, was Deutickland will und was
es nicht will. Deutschland will die sofortige vollständige Räumung und die Verhandlungen über die Saarfrage. Es will nicht die Einsetzung irgend einer Kommission über den im Versailler Frieden festgesetzten Zeitpunkt von 1935, bis zu welchem Zeitpunkt das ganze Rheinland hätte geräumt sein müssen, wenn Deutschland nicht schc-n bisher seinen Verpflichtungen nachgekommen wäre.
In der französischen Presse wird immer wieder auf Genf hingewiesen, wo im September vorigen Jahrs die Einsetzung einer dauernden Ueberwachungskom- missivn beschlossen worden sei. Zur rechten Zeit erinnerte Reichskanzler Müller daran, daß er bis zum letzten Augenblick in Genf die Einsetzung der über 1935 hinausgehenden Kontrolle abgelehnt habe. In Paris wird vergessen, daß in Genf nicht nur die Zusammensetzung und das Funktionieren, sondern auch der Gegenstand und vor allem die Dauer der Ueberwachungskommis- sion nicht festgesetzt worden sind, und daß diese Fragen den Verhandlungen zwischen den Regierungen Vorbehalten wurden. Wir wiederholen heute, daß sich allenfalls darüber reden läßt, bis 1935 eine Instanz bestehen zu lassen, beidervonDeutschlandgegenFrankreich, wie von Frankreich gegen Deutschland Beschwerden über den Frieden gefährdende Vorgänge in den Grenzgebieten angebracht, und von der solche Beschwerden auf irgendeinem Wege abgestellt werden können. Schon damals bestand der Eindruck, daß eine solche Kommission wenig Bedeutung haben würde.
Immer wieder muß den Franzosen vorgehalten werden, daß. wenn es am Rhein irgendwelchen Schutzes bedarf, nichtFrankre ich, sondernDeutschland schutzbedürftig ist, das waffenlose Deutschland gegenüber dem in Waffen starrenden Frankreich. An dieser Auffassung wird nichts dadurch geändert, daß Briand wieder mit dem ihm eigenen Wortschwung von der „Organisation Europas", also von der Gründung der Vereinigten Staaten von Europa, gesprochen hat, dem Luftschloß, das man von nun an Chateau Briaud nennen möge.
Die Rede Briands zeigt wiederum die großen Gefahren, die der deutschen Politik auf der bevorstehenden Konferenz drohen.
Bremen und Mauretania im Kampf um das Blaue Band
Der Schnelldampfer .Bremen" des Norddeutschen Lloyd, der am Dienstag abend 6 Ahr Bremen verlassen hatte, 'ist bereits am Mittwoch nachmittag 3.25 Uhr in Southainpion eingetroffen. Bei schwerem Nebel kam dann das Schiff um Mitternacht mit sechsstündiger Verspätung in dem französischen Hafen Cherbourg an, wo Botschaftsrat Döhl«
aus Paris den Kapitän Ziegenbein begrüßte. Am 1.50 Ahr setzte die .Bremen" die Fahrt nach Neuyork fort.
Der Dampfer .Mauretania" der englischen Cunard-Lini«, der erst kürzlich mit ganz neuen Maschinen ausgestattet worden ist, hal^e schon Ende voriger Woche Southampton verlassen, um in beschleunigter Wettfahrt nach Neuyork der .Bremen" den Rang abzulaufen.
Wie bereits berichtet, ' eabsichtigen englische Reedereien, als Antwort auf der Bau der deutschen Schnelldampfer .Bremen" und .Europa" neue Riesendampfer von 60 000 und 75 000 Tonnen zu bauen. Ingenieure haben jedoch Bedenken geäußert und geraten, mit dem Bau noch zuzuwarten, da nach ihrer Ansicht die Möglichkeit vorliege, daß in der Schiffahrt ganz neuartige Methoden aufkauchen, so daß auch die modernsten Bauten in wenigen Jahren veraltet sein werden.
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Der .Newyork Herald and Tribüne" schreibt zu der Wettfahrt der beiden Dampfer, der Kampf um den Besitz der größten Dampfer Mischen Deutschland, England und Amerika sei nui; die Form eines wirtschaftlichen Wettkampfes, aber bedeutender sei noch der Wettbewerb durch die Faktoren des Frachtverkehrs, der Seeversicherung und der Ordnung der Berkehrslinien. Die Bereinigten Staaten- Lmien beabsichtigen nämlich den Bau von zwei Dampfern im Wert von 25 Millionen Dollar, die alle andern Schiffe an Größe und Schnelligkeit übertresfen sollen.
Anschlag auf Bundeskanzler Steeruwitz
Dien, 18. Jull. Als Bundeskanzler Streeruwitz heute vormittag das Amtsgebäude am Ballhaussaal verließ, Zog ein Dann, der am gegenüberliegenden Hans gewartet hatte, einen Revolver, bevor er jedoch abdrücken konnte, entriß ein in de- Nähe stehender Schutzmann ihm die Waffe und nahm ihn fest. Es ist ein vor einigen Tagen aus Düsseldorf nach Wien gereister Schneidergeseüe namens Anton Lettner. Er gab an, er habe einen Anschlag gegen den Bundespräsidenten, nicht gegen den Bundeskanzler aussühren wollen, da nach seiner Ansicht jener für das Elend und die Arbeitslosigkeit in Oesterreich verantwortlich sei.
Neueste Nachrichten
Manschurische Rüstungen
Schanghai, 18. Juli. Die Regierung sragte in Nanking um die Erlaubnis zur Mobilmachung und Zusammen- ziehu?.g der Truppen an der sibirisch-mandschurischen Grenze an. Die Stärke des mandschurischeil Heers beträgt schätzungsweile 150 000 Mann neuzeitlich ausgerüstete Truppen. Der bekannte General Sunschuanfang soll das Oberkommando erhalten.
Reuter meldet aus Chardin: Die Chinesen treffen unablässig militärische Vorbereitungen. Im Arsenal von Mulden werde fieberhaft an der Herstellung von Munition ge- arbeitc-t.
Ein erster Zusammenstoß?
Nach chinesischen Berichten sollen sowjetrussische Truppen versucht haben, über den Amurfluß zu setzen und in die Mandschurei einzudringen, sie seien jedoch zurückgeschlagen worden. General Tschanghsueliang (der Sohn Tschangtsolins), der sich noch in einem Seebad bei Tientsin befindet, erhielt von Tschiangkaischek den Befehl, nach Mulden zurückzukehren und den Oberbefehl über die Truppen in der Nordmandschurei zu übernehmen. Nach japanischen Berichten sollen 80 000 Russen an der Grenze stehen.
Einstellung des Eisenbahnverkehrs Lhina-Europa
London, 18. Juli. Nach einer Meldung aus Tharbin konnte der Postzug aus Chardin keinen Anschluß an de» russischen Zug in der Grenzstation Manschuli erreichen. Daraus wird geschlossen, daß der Verkehr nach Europa «m- gestellt ist. Die chinesischen Behörden beschlagnahmten das Derkehrsdüro der chinesischen Ostbahn in Mulden und setz- ten den russischen Direktor ab. Der Verkauf von transsibiri- schen Eisenbahnfahrkarten ist vom Tokioer Reisebüro ein- gestellt worden.
In Berlin wurden kommunistische Massenkundgebungen gegen China veranstaltet.
Verschiebung der Regierungskonferenz?
Paris, 18. Juli. Das „Journal" will aus London berichten können, daß man in gewissen englischen Kreisen zu verstehen gebe, die inlernationale Konferenz zur Liquidation des Kriegs könnte um einige Wochen oder bis Oktober verschoben werden. Man rege an, daß die englischen Staatsmänner und Briand gelegentlich der Völkerbundstagung im September sich zunächst einmal aussprechen sollten. Enige englische Blätter deuten an, daß England und Frankreich sich schließlich aufBrüssel als Konferenzort einigen könnten.
! lagesiviegel
' Die lettische Regierung bewilligte zur Wiederherstellung : des von unbekannten Tälern gesprengten Denkmals für die Gefallenen des Landwehrverbands der ehemaligen dentsch- balkischen Krieger eine Zuwendung von 4900 Lat <3970 -K).
Das neue Gesetz Mussolinis über Zulassung der nicht- katholischen Kulte und die kirchliche Eheschließung mik bür-- getlichen Rechlswirkungen durch die Geistlichen dieser Kulte tritt demnächst ln Kraft. Nicht alle dieser Kulte werden von der ihr eingeräumlen Vergünstigung Gebrauch machen, i Einige verzichten darauf, sie werden die kirchliche Eheschließung wie bisher erst auf Grund der bürgerlichen Lheschll«- ßung vor dem zivilen Skandesbeamten vollziehen, um nicht das Recht der freien Wahl ihrer Geistlichen einzubüßen. Das Zugeständnis Mussolinis wurde von einer staatlichen Anerkennung der nichlkakholischen Geistlichen abhängig gemacht
Aus Moskau wird gemeldet, daß Sowjekrußland die diplomatischen Beziehungen mit China abgebrochen habe.
Ein Renlnergeseh in Oesterreich
Wien, 18. Juli. Nach langwierigen Beratungen in einem Untersuchungsausschuß hat der Finanzausschuß des Nativ» nalrars das Kleinrentnergesetz angenommen. Das Gesetz ist auf dem Grundsatz der Fürsorge aufgebaut und schließt den Gedanken der Aufwertung aus. Ansprüche auf eine Unterhaltsrente, die nach dem Vermögen abgestuft wird, haben alle jene mindestens 60 Jahre alten Männer oder mindestens 55 Jahre alten Frauen sowie Erwerbsunfähige, die vor dem 1. Januar 1919 ein Rentenvermögen von mindestens 6000 Kronen hatten. Zu diesem Zweck wird für 1930 ein Betrag von 16 Millionen Schilling festgesetzt. Für die folgenden Jahre wird im Haushalt vorgesorgt werden. Zu diesem Fonds tragen 75 o. H. der Bund und 25 v. H. die Gemeinden bei.
Beurlaubung des Präsidenten de» mecklenburgischen Rechnungshof»
Schwerin, 18. Juli. Wie mitgeteilt wird, ist die mecklenburgische Staatsrogierung mit den Regierungsparteien darüber einig, daß der frühere, der sozialdemokratischen Partei angehörende Finanzminister Asch das Amt des Präsidenten des Staatsrechnungshofs nicht ausüben könne. Asch hat einstweilen einen Urlaub von 6 Monaten angetreten.
Württemberg
Stuttgart, 18. Juli. Krankheitsstatistik. In der 27. Jahreswoche vom 30. Juni bis 6. Juli wurden in Württemberg folgende Fälle von gemeingefährlichen und sonstigen übertragbaren Krankheiten amtlich gemeldet: Diphtherie 24 (tödlich 1), Genickstarre — (1), Kindbettfieber 5 (—), Körnerkrankheit 5 (—), Tuberkulose der Lunge und des Kehlkopfs, sowie anderer Organe 9 (34), Scharlach 45 (-).
50 Zahre deutsche Gerichtsverfassung. Am Samstag, den 16. November 1929 findet im Festsaal der Liederhalle anläßlich des 50jährigen Bestehens der deutschen Gerichtsverfassung eine Feier statt, die von Richtern, Staatsanwälten und Rechtsanwälten Stuttgarts gemeinsam veranstaltet wird.
Der Schwindler «fürstlichen Geblüts". In der Rolle eines fürstlichen Abkömmlings aufzuireien, fand der 46jähr. Han- delsmann Istdor Einstein von Buchau weit bester, als mit Strümpfen von Glastür zu Glastür zu gehen. Der Familie eines Oberverwaltungssekretärs erzählte er ein Märchen eines „entführten Fürstenknaben', der aus dem Kgl. Palais in Stuttgart geraubt worden sei. Das Fürstenkind sei aber nach vielen Jahren entdeckt und den Eltern wieder zugeführt, später aber verbannt worden, da er inzwischen eine Bürgerliche geheiratet habe. Seine Güter und Gestüte seien konfiszier*- worden und so müsse der Prinz in großer Armut leben.. Er sei aber auch der intime Freund des Sachsenkönigs und des Königs von Spanien. Obwohl die Plumpheit dieses dreisten Schwindels beinahe mit den Händen zu greifen war, schätzte man in der Familie des Oberverwaltungssekretärs die Ehre der Bekanntschaft, hatte Einstein doch durchblicken lassen, daß er selbst der fürstliche Abkömmling sei. Darum gab man ihm auch die gesamten Ersparnisse von 2000 Mark, damit er einen .Erbschaftsprozeß" durchführen könne. Aber aus dem Erbschaftsprozeß wurde ein Strafprozeß. Das Schöffengericht verurteilte den Schwindler zu 1 Jahr Gefängnis unter Berücksichtigung, daß Einstein wegen ähnlicher Bergehen wiederholt vorbestraft ist.
Anlertürkheim, 18. Juli. DreiHitzschlägeimJn- felba d. Am Dienstag nachmittag erlitten im Jnselbad ein« Dame und zwei Herren, die sich stundenlang ungeschützt den Sonnenstrahlen ausgesetzt hatten, Hitzschläge. Den Bemühungen von zwei Aerzten gelang es endlich, die Unvorsichtigen; die längere Zeit bewußtlos waren, zu retten. — Es ist Mode geworden, sich von der Sonne möglich braun brennen zu lassen.