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Lel»>r.-Udr«st«: Gesellfchaster Ragold. In Fällen höherer Gewalt besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung «der Riickzahlung de» B«<ug»p r«tse». Poftsch.-Kt«. Stuttgart 811»

i».» 103. Jahrgang

Nr. 11»

Gegründet IgSk

Donnerstag, den 23. Alai 1929

Tagesspiegel

Zn politischen Kreisen in Berlin erklärt man. daß die von den Verbandssachverständigen geforderte Verlängerung -es Dawesplans bis 31. Januar 1930. die eine deutsche Mehrleistung von 800 Mill. im ersten Jahr gegenüber dem Youngschen Plan bringen würde, für Deutschland unannehm­bar sei.

Die »Times" meidet, der amerikanische Schatzsekrekär Mellon habe in Paris deutlich daran erinnern lassen, das; man über das noch nicht bestätigte Schuldenabkommen Mellon-Berenger endlich ins reine komme.

Die Staats- und Universitätsbibliothek in Königsberg feierte am 22. Mai das 400iährige Bestehen. Die Bibliothek, die etwa 200 000 Bände besitzt, ist berühmt. Sie ist 13 Jahre vor der Albertina-Universität errichtet worden. Die Universität wurde 1554 von Herzog Albrecht I. von Preußen gegründet.

Gerüchtweise wird gemeldet, in Lima (Peru) sei eine Revolution ansgebrochen. Znaeaeben wird, daß einige Studenten erschossen worden seien.

und den Landern

Der Bericht des Ministerpräsidenten Dr. Held

Der bayerische Ministerpräsident Dr. Held hat in einer Pressekonferenz in München am 21. Mai seinen an die nd e r ko n f e r e nz abgegebenen Bericht über die Zu­ständigkeiten zwischen Reich und Ländern veröffentlicht. Der Bericht ist als Broschüre gedruckt und umfaßt mit seinen Anlagen 109 Seiten. Im ersten Teil werden die Gesetz­gebung, im zweiten die vier in Frage stehenden Arten der V e r w alt u n g (Auftragsverwaltung, reichseigene Ver­waltung, Länderverwaltung unter Reichsaufsicht und Län- Lerverwaltung kraft eigenen Rechts), im dritten Teil der Finanzausgleich zwischen Reich und Ländern be­handelt.

Einleitend führt Ministerpräsident Dr. Held aus, er habe es abgelehnt, zusammen mit den anderen Bericht­erstattern über diese Frage einen Gemeinschafts­bericht zu verfassen. Einmal sei der Gemeinschaftsbericht zur Verwaltungsorganisation (an dem der württembergische Staatspräsident Bolz beteiligt ist) kein geglücktes Unternehmen geworden, und Dr. Bolz habe sich mit seinen Vorbehaltsfußnoten zu dieser Gemeinschaftsarbeit geradezu zweimal neben den Stuhl gesetzt, da sie in beiden Lagern mißfallen hätten. Zum andern aber seien die auseinandergehenden Ansichten über die Frage der Zustän­digkeiten überhaupt nicht auf eine gemeinsame Formel zu bringen; sollten aber in den vier Berichten (Remmele und Held liegen jetzt vor, Koch-Weser und Brecht sieben noch aus) einzelne einheitliche Gedankengänge zu finden sein, so werde man sich um eine gemeinschaftliche Fassung für sie bemühen.

Für die Lösung dieser Fragen müsse der Gedanke be­stimmend sein, auf welcher Versassungsgrundlage die Einheit und Wohlfahrt des Reichs am besten verbürgt werden könne. Nicht eine bayerische oder preußische Frage sei in den der Länderkonferenz anvertrauten Fragen zu er­blicken, sondern eine deutsche Frage, mehr noch: die deutsche Frage. Klar und fest sollen die Aufgaben und Zuständigkeiten zwischen Reich und Ländern geschieden werden. Nicht die Quantität, sondern die Qualität der Zu­ständigkeit sei entscheidend. Die Frage der Freiheit und Selbständigkeit der Länder sei eine hervor­ragend praktische Frage, die wichtigste, die der Länderkon- serenz anvertraut wurde. Gegenüber dem Gedanken, den Einheitsstaat durch Volksabstimmung her- beizusühren, wird betont, daß eine so tiefgründige Grund­lage des Reichs, wie sein bundesstaatlicher Charakter, nicht zu jenen Elementen gehören dürfe, die auf dem Weg einer Volksabstimmung geändert werden können. Das Ziel einer Dezentralisation auf der Grundlage der Selbstverwaltung fei nur auf der bundesstaatlichen Grundlage zu erreichen.

Auf dem Gebiet der Gesetzgebung wird Abgrenzung der Zuständigkeit und Sicherung der Abgrenzung gefordert. Der Reichsrat solle als gesetzgebender Faktor ein- geschccktet werden. Die Zuständigkeit der Länder sei dadurch zu sichern, daß die Staatspraxis der gleitenden Zuständig­keit verlassen werde und Aenderung der Zustän- digkeit an eine Zustimmung des Reichsrates mit bestimmtem Stimmenverhältnis ge­bunden werden solle.

Den größten Raum des Berichts nimmt die Verrval- tungsfrage ein, nwbei die Reichsauftragsverwal- ^.ung »bge lehnt wird mit der Begründung, daß sie die Länder unter die Kommandogewali der Reichszentrale stellen würde. Dies sei nur eine andere, aber keineswegs erträglichere Form der Zentralisation als die reichs­eigene Verwaltung und würde folgerichtig die Aus­dehnung des preußischen Einheitsstaates auf Gesamtdeutsch, land, d. h. dieVerprovinzialisierungderdeut- sch en Länder bedeuten. Zu der preußischen Frage wird der Ministerpräsident gesondert Stellung nehmen.

Die 400-3ahrfeier in Speyer

Speyer. Ll Mai.

Schon am Vortag des Festes der 400-Jahrfeier der Protestation von 1529 am Pfingstsonntag, waren weit über 50 000 Festteilnchmer in Speyer ein- getroffen. Der Pfingstsonntag wurde durch einen Gottes- dienst in der Gedächtniskirche eingeleitel, bei dem O. Dr. Desiderius Baltazär, Bischof von Debreczen (Ungarn) predigte. Anschließend fand in der Gedächtniskirche ein Kindergottesdienst statt, den Oberkirchenrat Zentgraf- Mainz abhielt. ^ ^

Nachmittags und abends kam im Stadtsaal das von Oberkirchenrat O. Munzinger, Landau, verfaßte Fest­spielUm Glauben und Gewissen" zur Aufführung. Den Abschluß bildete eine Beleuchtung des Turms der Protesta- tions-Gedächtniskirche.

Der Pfingstmontag brachte neue Ströme von Festgasten aus allen Teilen des Reiches und aus dem Ausland. Vom blauen Himmel leuchtete nach dem kalten Regen des Vor­tages die Sonne. Etwa hunderttausend Teilnehmer waren zusammengekommen. Auch die Gottesdienste waren überreich besucht. Auch hier hatten Aussichtsbeamte reich- lich zu tun, um den übermäßigen Ansturm zu bewälti^n. Eines besonders reichen Besuchs erfreute sich die Ge da ch t- niskirche, in der 9 Uhr vormittags Geh. Kirchenrat Unio.-Prof. O. Dr. Re n d t o r f f-Leipzig die Predigt hielt. Seinen Worten legte er den zweiten Korinther-Brces 1, 1720 zugrunde. In der D r e i f alt i g k e i t s k l r ch e sprach Prediger-Senior O. Stoeckl-Wien, dessen Predigt das Gemeindelied:Geist des Glaubens, Geist der Starke, des Gehorsams und der Zucht" voranging. Prediger Kirchenrat C a n tz l er - Speyer sprach m der Heillggeist- Kirche über Römer 10, 9 bis 10. Prediger Stadtpfarrer O. Hesselbacher, Baden-Baden, hielt den zweiten Gottesdienst in der Dreifaltigkeitskirche. In der Gedächt­niskirche sprach weiterhin Oberkonsistorialrat Domvrediaer v. Richter-Berlin und in der Heiliggeist-Kirche Pre« diger Kirchenrat Klei nm a n n - Ludwigshasen a. Rhein. Ein weiterer Gottesdienst fand außerdem um 10 Uhr im Freien auf dem Sportplatz des Turnvereins Speyer statt, bei dem Pfarrer Wien aus Heuchelheim die Festpredigt hielt.

Nach der Mittagspause füllten sich die Straßen der Stadt, durch die von zwei Uhr ab der Festzua- seinen Weg nehmen

sollte. Die Hessen mit Landgraf Philipp cröffneten den Zug. Sachsen mit Kurfürst Johann, Melanchthon und Agrl- colo bilden die nächste Gruppe. Mit großem Beifall wu^ den die Brandenburger mit Markgraf Georg begrüßt. Auch die Herzöge Ernst und Franz von Braunschweig-Lüneburg wurden treffend dargestellt, und nachdem die Anhaltiner mir ihrem Fürsten Wolsgang hoch zu Rotz vorbeigezogcn wa­ren, folgten die 14 Städte der Protestation. Den Banner- krägern der Städte folgten die Skadtoberhäupter in ihren malerischen Trachten. Den Schluß des Festzugs bildeten die zwei Bürgermeister der Reichsstadt Speyer mit Gefolge» Es war ein prachtvolles Bild, auf stolzen Pferden, in schwe­ren Ritterrüstungen, in schwarzen Talaren und bunten Ben­sen die Bäter der Protestation vorbeizieh-en zu sehen.

Nach Beendigung des Festzugs fand auf dem Städtischen Festplatz kurz vor 4 Uhr eine Massenkundgebung statt, in deren Verlauf Direktor Dr. F a h r e n st o r f - Berlin und Generalsekretär Dr. Geißler-Leipzig über das Deutsche Gewissen bzw. das deutsche evangelische Gewissen im Kampf" sprachen. Lebende Bilder auf einer großen Freibühne, dargestellt von Teilnehmern des Festzugs, stellten die drei großen Etappen der Protestation von Wittenberg bis Speyer dar. Das gemeinsame LiedEin feste Burg ist unser Gott" beschloß die Kundgebung. Abends fand ein Gesellschaftsabend mit Ansprachen und kurzen Vorträgen der Universiätsprofessoren Geh. Rat O. Dr Schubert-Heidelberg und Dr. Althaus-Erlangen statt.

Die Festversammlung der Speyerer Prokestationsfeier an den Reichspräsidenten

Berlin, 22. Mai. Die zur 400-Iahrfeier der Protestation von Speyer in Speyer vereinigte Festversammlung hat an den Herrn Reichspräsidenten das nachstehende Antwort­telegramm gerichtet:

Tausende evangelischer Christen des deutschen Westens geloben heute im Verein mit den leitenden Männern des gesamten deutschen Protestantismus dem großen Führer in des Vaterlandes Not in tiefster Dankbarkeit für seinen Herz- lichen Festgruß und im Bewußtsein innerster Verbundenheit unentwegte Gefolgschaft, treueste Pflichterfüllung in der Kraft evangelischen Glaubens und der Zucht protestantischen Gewissens. Im Auftrag: Kirchenpräsident Fleischmann."

Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, daß die landes­eigene Verwaltung unter Reichsaufsicht und die Länderver­waltung kraft eigenen Rechts auch künftighin den Grund­stein unseres Verfassungslebens bilden müssen.

Auf finanziellem Gebiet wird Scheidung der Steuerquellen und Ueberlassung der Ein­kommensteuer an die Länder zur selbständigen Ausschöpfung gefordert. Leider habe in diesen Fragen Bayern nur Württemberg an seiner Seite gehabt, in ge­wisser Hinsicht auch Sachsen, während Baden einen anderen Standpunkt einnehme und Hessen überhaupt noch keinen Standpunkt eingenommen habe.

An verschiedenen Stellen des Berichts kommt Dr. Held zu dem Ergebnis, daß die Meinung, eine starke Reichs­gewalt sei nur um den Preis der Freiheit und Selbständig­keit der deutschen Länder möglich, ein Irrtum fei. Re­gieren» nicht verwalten, müsse für das Reich die Losung sein.

Persönlich betonte Dr. Held in der Pressekonferenz, wenn der sogenannte Dualismus zwischen Preußen und dem Reich zerschlagen würde, so würde auch dies zuletzt zum zentralisierten Einheitsstaat füh­ren. Den Ländern sollte einEinflußausdieAußen- politik auf dem Weg über den Reichsrat eingeräumt werden, wenn auch die Außenpolitik für sich Sache des Reichs bleiben müsse. Auf alle Fälle müsse aber eine Uni­formierung der Verwaltung im Reichsgebiet vermieden werden. Unorganisch, unhistorisch und unpsychologisch könne man kein Reich aufbauen. Den dezentralisierten Einheitsstaat brauche man nicht erst zu schaffen; er sei in den Grundlagen bereits durch die Weimarer Ver­fassung gegeben. Es frage sich nur, ob er nicht zweckmäßiger einzurichten sei unter Wahrung der Hoheit der Länder durch Reform des Ganzen lediglich auf der Grundlage der Freiwilligkeit. Mit demdezentrali­sierten Einheitsstaat" dürste Deutschland allerdings schwer­lich gedient sein. Man dürfe nicht vergessen, daß das Reich aus den Ländern entstanden ist, nicht die Länder aus dem Reich.

Neueste Nachrichten

Reichskanzler und Reichsmlnister des Auswärtigen beim Reichspräsidenten

Berlin, 22. Mai. Reichspräsident oonHindenburg empfing heute den Reichskanzler Müller und den Reichs- Minister des Auswärtigen Dr. Stresemann zu einer gemeinsamen Besprechung der außenpolitischen Lage.

Glückwünsche zu 75. Geburtstag des Botschafters Schurmau

Berlin, 22. Mai. Der Reichspräsident hat dem ameri­kanischen Botschafter Schurman zu dessen 75. Geburts­tag seine Glückwünsche aussprechen lassen und ihm sein Bild mit Unterschrift im Rahmen übersandt. Der Reichsaußen- minister richtete an dev Botschafter ein Handschreiben und ließ Blumen überreichen. Der Reichskanzler übersandte telegraphisch seine Glückwünsche.

Umbildung der preußischen Landwirtschaflskammern

Berlin, 22. Mai. Die preußische Regierung hat einen Entwurf eines neuen Landwirkschaftskammer- gesehes an die interessierten Kreise zur Stellungnahme gehen lassen. Jeder Berufsangehörige der Landwirtschaft soll das aktive und passive Wahlrecht mit dem 20. bezw. 25. Lebensjahr haben. Berussangehöriger sei jeder, der in der Landwirtschaft tätig ist, gleichviel ob Besitzer, tätige Landfrau, Inspektor, Angestellter oder Landarbeiter und tätige Landarbeiterfrau. Es werden 2 Wahlgruppen geschaffen: In der einen wählen die Betriebsinhaber und wahlberechtigte Ehegakten, sowie die selbständigen Leiter fremder Betriebe der Kam­mersitze und in der anderen alle ädrigen Berufsgenossen )L. Von diesem Schema werden Abweichungen zugelassen, wenn das zahlenmäßige Verhältnis von Selbständigen zu Nicht­selbständigen in einem Kammerbezirk erheblich vom Reichs' durchschnitt abweicht. Der Wahlgruppe der Nichtselbstän­digen werden überall Sitze in den Präsidien der Kam­mer gesichert.

Außerdem soll das Gesetz der Regierung ein erhöhtes Aufsichksrecht über die Kammern bringen.

Jahresversammlung des De-tschey Lehrervereins

Dresden, 22. Mai. Die diesjährige Vertreter-Versamm­lung des Deutschen Lehrervereins war von etwa 500 Mit­gliedern besucht. Nach einem Bortrag von Oberlehrer Barkh-Leipzig über Kirche und Schule wurden vier Ent­schließungen angenommen: 1. daß zwischen Reich und Län­dern baldigst eine Regelung des Entschädigungsgesetzes betr. Privatschulen zustande komme, damit« Grundschule restlos durchgeführt werden könne; 2. Konkordate oder Kir- chcnverträge, in denen staatliche Bindungen bezüglich der Schule enthalten sind, sind äbzulehnen; 3. der Verein er­wartet eine tatkräftige finanzielle Hilfe in der Junglehrer- frage; 4. Mitglieder des Deutschen Lehrervereins dürfen nicht auch dem preußischen Rekkorenverein angehören, da besten Bestrebungen denen des D. Lehrervereins zuwiderlaufend seien.

Zum ersten Vorsitzenden wurde Schulrat Wolf-Berlin miedergewählt. Als Ort der Vertreterversammlung für 1930 wurde Kassel gewählt. Als Taaunasork der all-

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