Seite 2 — Nr. 257
Nagolker Tagblatt »Der Gesellschafter"
Donnerstag. 1 . November 1328
allem des eignen Volks die Schuld am Krieg zuzuschiebsn. Das S e l b st b e st i m m u n g s r e cht der Völker ist das zweckmäßigste Werkzeug zur Zersetzung des englischen Weltreichs, das aus so unzähligen Völkern besteht. Mit Genugtuung betrachtet Amerika die Selbständig- keitsbewegung der englischen Dominien, von denen Kanada wirtschaftlich immer mehr unter amerikanischen Einfluß gerät, während Australien die Vereinigten Staaten als den sichersten Schutz gegen die gelbe Gefahr betrachtet. Nach dem Krieg ist es Amerika gelungen, Irland die Autonomie zu verschaffen, und man wird dasselbe auch für Schottland versuchen. Amerika behandelt Aegypten bereits so, als ob es von der englischen Herrschaft schon völlig frei tei, und schließt mit ihm einen Freundschaftsoer- trag ab. Es tritt mit Abessinien in Verbindung und sucht durch Erlangung der Tanaseekonzessionen die Kontrolle über die Bewässerung und die Baumwollpflanzungen des Sudans zu erhalten. Es ist hinter den Kulissen für di« Einheit und Selbständigkeit Arabiens tätig, weil dieses die englische Herrschaft über den Irak und die Oelfelder von Mofsul und die französische Mandatshoheit über das zukunftsreiche Syrien bedroht. Man sucht die englandfeindliche russische Räterepublik durch Gewährung von Anleihen wirtschaftlich zu stärken. Von Anfang an steht Amerika hinter der chinesischen National bewe- gung. Dem feindlichen Japan, dem Verbündeten Englands, soll ein starkes China gegenübergestellt werden. Amerika hat deshalb als erster Staat die völlige wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit des neuen Chinas anerkannt und damit die Stellung erschüttert, die die europäischen Mächte, und zwar in erster Linie England, seit einem Jahrhundert im chinesischen Reich einnahmen.
Wie lange wird es noch dauern, bis die Vereinigten Staaten auch in Ostindien und auf dem schwarzen Erdteil, wo sie früher schon die Negerrepublik Liberia gegründet haben, ihren Einfluß auszuüben versuchen. Niemand kann allerdings Voraussagen, welche von beiden angelsächsischen Mächten sich in diesem neuen Weltkampf schließlich als die erfolgreichere erweisen wird. Aber das ist sicher: Engand hat es heule mit einem Gegner zu tun, der noch starker ist als das deutsche Kaiserreich war, zu dessen Nieder- Mvingung England neben der wühlenden Maulwurfsarbeik und der Hungerblockade fast die ganze Welt einschießsich Amerikas aufbieten muhte, um eben noch eine „Remis- Partie" zu erzielen, denn weder das deutsche Heer noch erst recht nicht di« deutsche Flotte sind in dem vierjährigen Kampf besiegt worden. Und hätte Deutschland statt eines Bethmann Hollweg einen einigermaßen tüchtigen diploma- Achen Führer gehabt, so wäre trotz allem und allem der Weltkrieg anders ausgegangen. Amerika aber hat kluge und, wenn es nötig ist, auch rücksichtslose Diplomaten.
neueste Nachrichten
Die Einberufung des Reichstags
Der Reichstag ist zum Dienstag, den IS. November, nachmittags 3 Uhr einberufen worden. Auf »er Tagesordnung stehen verschiedene weniger wichtige Vorlagen. Vor -er Vollsitzung wird der A e l k e st e n r a k zusammentreten, um die weiteren Bestimmungen für dir Herbstkagung zu treffen.
Die evangelische llirchenleituag in Preußen und da» Konkordat
Berlin. 31. Okt. Der in Berlin versammelte Kirchensenat der älteren preußischen Provinzen, die oberste Kirchenkeikung, lkibt in einer Entschließuna an die preußische Staatsreaieruna
Theodor Mommsen
(Zu seinem 25. Todestag am 1. November 1928.)
Von Herbert Hunecke.
Vor dreißig Jahren kannte ihn jedes Kind in Berlin, den unscheinbaren, kleinen, in sich versunkenen Mann mit den wallenden weißen Haar, der Tag für Tag in der Charlottenburger Straßenbahn faß und der Königlichen Bibliothek zufuhr, den großen Mommsen, die geistige Weltmacht unter den Gelehrten feiner Zeit.
Unberechenbar sind die Launen des Schicksals. Der Sohn des friesischen Pfarrers Jens Mommsen, dessen Unterricht die Liebe zur Wissenschaft weckte, glaubte in der Jurisprudenz seinen Lebensberuf gefunden zu haben. Doch aus dem Juristen machte die Sorge um das tägliche Brot einen Lehrer Hamburger Mädchenpensionate, der in Geographie und Geschichte, Latein und Französisch, Literatur und deutschem Aufsatz unterrichtete. Daneben, betätigte sich Mommsen als Kritiker, als politischer Tagesschriftsteller und mit Storm zusammen als Sammler heimischer Sagen.
Ein staatliches Stipendium brachte die große Wendung im Leben des Siebenundzwanzigjährigen. Denn als Jurist, der Quellen für seine Ausgabe römischer Eesetzesurkunden sammeln wollte, ging Mommsen mit staatlicher Unterstützung nach Italien i mit dem Wunsche, Historiker zu sein, kehrte er in die Heimat zurück. Das Bestreben, das Römische Recht wahrhaft zu erfaßen, in die Geheimnisse altrömischen Wesens einzudringen, ließ ihn zum Sprachenwissenschaftler werden und weckte die schlummernde Liebe zur Geschichtsforschung. Die Welt muß diesem Eingriff des Schicksals dankbar sein, denn er schenkte ihr den Bahnbrecher der neueren Eeschichtskunde, den größten Historiker seiner Zeit.
Die Ereignisse des Jahres 1848 und ihre Folgen drohten die Pläne des jungen Gelehrten zu zerstören. Momm- sens Teilnahme am politischen Kampf um die Freiheit seiner engeren Heimat und seines weiteren deutschen Vaterlandes. seine Tätigkeit als Redakteur zogen ihm das Mißfallen der Behörden zu und kosteten ihn die kaum errungene Leipziger Professur.
So stand Mommsen, mit 33 Jahren vor dem Nichts, seine Hoffnungen und seine Existenz schienen zerstört. Doch mit bewundernswerter Energie überwand er die Krise, und gerade in jene Zeit der Ungewißheit, noch stärker getrübt durch den Tod des Vaters, siel die Vollendung des „Corpus inscriptionum Neapolitanarum" des „Edikts des Diokletian" und einer Auswahl römischer Epigramme.
Die Berufung als Professor des Römischen, Rechts nach Zürich befreite Mommsen unerwartet von materiellen Sorgen. Doch auch der zwei Jahre später erfolgte Ruf nach Breslau brachte ihn noch nicht auf den Posten, den er sich zu seiner wissenschaftlichen Entfaltung wünschte und den er brauchte. Und doch sahen diese Breslauer Jahre neben
der Besorgnis Ausdruck, daß durch die Konkordatsoerhandi- lungen in der paritätischen Stellung der verfassungsmäßig gleichberechtigten christlichen Kirchen eine Verschiebung oin- treten wird, die den konfessionellen Frieden stören müsse. Für den Fall, daß die preußische Regierung eine vertragliche Regelung mit dem päpstlichen Stuhl für unvermeidlich hält, fordert der Kirchensenat auch für die evangelische Kirche eine gleichzeitige vertragsmäßige Sicherung. Die Entschließung stellt fest, daß die mit der evangelischen Kirche geführten Verhandlungen gerade jetzt ins Stocken geraten sind, wo das Konkordat zum Abschluß gebracht werden soll. Der Kirchensenat hat seinen Vorsitzenden ermächtigt, die Generalsynode unverzüglich einzuberusen, sobald es ihm nach der weiteren Entwicklung der Verhältnisse angezeigt erscheint.
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Nicht mehr als 2 Milliarden Jahreszahlungen
London, 31. Okt. In eingeweihten Kreisen wird versichert, das britische Schatzamt werde bei der neuen Festsetzung der deutschen Dawes-Jahreszahlungen keiner Summe zustimmen, die 2 Milliarden Goldmark übersteige. — lieber die Festsetzung bzw. Herabsetzung der Gesamssumme ist damit noch nichts gesagt. Die Verminderung der Iahressumme könnte somit auch «ine entsprechende Verlängerung der Zahlungszeit bedeuten, nämlich von 32 aus 62 Jahre, wovon man schon gesprochen hat.
Die deutschen Botschaften in London und Paris haben mit den dortigen Auswärtigen Aemtern gewisse Fragen betreffs der Einberufung des Sachverständigenausschusses für die Entschädigungsregelung besprochen. Die Unterredung mit Lord Cushendun soll befriedigend verlaufen sein.
Württemberg
Stuttgart, 31. Okt. Jubiläumsfeier. Die Würkt. Landes-Elektrizikäks-Aktiengesellschast (Wlag) feierte am 12. Oktober ihr zehnjähriges Bestehen und zugleich die Vollendung der 100 000 Dolkleitung quer durch Württemberg. Im Jahr 1921 wurde die Leitungsstrecke Stuttgart—Nieder- stohingen in Betrieb genommen, über die 1924 der Anschluß an das Bayernwerk gewonnen wurde. Seit 5. August 1928 ft.wßk nun auch der elektrische Strom aus dem Badenwerk über das städtische Elektrizitätswerk in Pforzheim in das Elektrizitätswerk in llntertürkheim. Bon dort aus wird der Strom vor allem der Stadt Stuttgart, der Neckarwerke A.-G., dem Bezirksverband Oberschwäbischer Elektrizitätswerke und anderen Großabnehmern zugeleitek. Zur gestrigen Feier in Ankertürkheim waren die würkt- Minister und andere Herren der Regierung, des Landtags, der verschiedenen Wirtschaftskreise usw- geladen. Nach der Besichtigung des Werks begaben sich die Herren im Kraftwagen nach Pforzheim, um im Verein mit verschiedenen Herren aus Baden das im Umbau begriffene städtische Elektrizitätswerk zu besichtigen. Abends fand sodann ein Festessen im Poskhokel in Herrenalb statt, wobei der Bor- sitzende des Aufsichksraks der Wlag, Herr Dr. E. Iung- hans, die Gäste begrüßte.
Stuttgart. 31. Oktober. Erhebung der Grunderwerbsteuer. Der Württ. Industrie- und Handelstag hat sich in den letzten Tagen durch wiederholte Verhandlungen mit dem Präsidenten des Landesfinanzamts Stuttgart darum bemüht, daß die Finanzämter angewiesen werden, vorläufig bei Nichterstattung von Anzeigen und Nichtabgabe der Steuererklärung für die erste Veranlagung her Grunderwerbsteuer der „Toten Hand" von der Einleitung von Ordnungsstrafen Abstand zu nehmen. Diese Bemühun- gen hatten insofern Erfolg, als die Finanzämter von dem
Arbeiten an der Großen Jnschriftensammlung der Berliner Akademie und an dem „Corpus inscriptionum Lati- narum" die Vollendung des Werkes, das seinen Namen unsterblich machte, des deutschen Eeschichtswerkes des neunzehnten Jahrhundert, der „Römischen Geschichte".
Die „Römische Geschichte" wurde in alle Kultursprachen übertragen, und sie hat bis heute auch durch die Ergebnisse neuerer Forschungen fast nichts an ihrem grundlegenden Wert verloren. Sie ist die erste gewesen, die mit der Ueberlieferung brach und die Erfindungen nachrömi- scher Literatur zu werten verstand. Mag das Werk auch manchen Irrtum, manches allzu harte, aus den politischen Ereignissen der Entstehungszeit zu erklärende Urteil über einzelne Persönlichkeiten des alten Roms enthalten, so sind doch die Genialität und die umfassende Großzügigkeit, mit der die „Römische Geschichte" das gesamte Leben eines großen Volkes schildert, bis heute unübertroffen geblieben.
Der Erfolg des Meisterwerkes blieb nicht aus. Dem Eindruck, den die „Römische Geschichte" hervor rief, war sicher nicht zum mindesten der Erlaß des Prinzen von Preußen zu verdanken, der Mommsen als Professor der alten Geschichte und Mitglied der Akademie nach Berlin berief.
Dort hat Mommsen noch 45 Jahre gewirkt, drei Jahrzehnte hiervon als Lehrer. Er übernahm die Leitung des Riesenwerks des „Corpus inscriptionum Latinarum", die Redaktion eines Teiles der „Monuments Eermaniae histo- rica" das Sekretariat der Akademie der Wissenschaften. Seine Arbeitskraft schien unerschöpflich; sie blieb ihm bis in das höchste Alter treu und ermöglichte ihm ein literarisches Lebenswerk, unübertroffen in seiner Gründlichkeit und Fülle. Alle Ehren, welche die Wissenschaften zu vergeben hat, fielen Mommsen zu. Die gesamte geistige Welt feierte seinen 70. und 80 Geburtstag, und der Nobelpreis erfreute den Fünsundachzigjährigen. Er war einer der wenigen, denen das Schicksal gönnte, ihren Ruhm zu erleben..
Treu bis in den Tod
Eine geschichtliche Erinnerung.
Bor fünfzig Jahren war es, im September 1878, da lies zu Danzig das Kanonenboot „Iltis" vom Stapel, 1896, wo in China Aufstände wüteten, unternahm dieses Kriegsschiff zum Schutz der Fremden Erkundigungsfahrten im Gelben Meer, einem Teil des Chinesischen Meeres. Am 23. Iuli geriet es in stockfinsterer Nacht in das Gebiet eines rasenden Wirbelsturmes und Taifuns. Die Gefahr war um so größer, als viele Klippen und Risse das Schiss bedrohten. Eine gewaltige Erschütterung — schon war es aus eine Felskante gestoßen, und Wasser drang durch ein Leck gurgelnd in den Maschinenraum und löschte das zischende Feuer der Dampfkessel aus. Jetzt war das Kano
Prasidenten des Lanvessinanzamts angewiesen wurden, bis auf weiteres von Mahnungen, sowie der Einleitung eines Strafverfahrens wegen Nichtabgabe der Anzeige und von dem Ansatz von Zuschlägen abzusehen.
Luftballon. Heute mittag 12 Uhr flog ein Ballon mit Führerkorb nördlich von Stuttgart vorüber. Er entfernte sich in westnordrveslUcher Richtung, wie wenn er dem heimkehrenden „Gras Zeppelin" begegnen wollte.
Einweihung. Das Turmhaus des Neuen Tagblatts in der Torstraße wird am 5. November mit einer Feier im 14. Stockwerk eingeweiht.
Cannstatt. 31. Okt. Tot aufgefunden. In einem Haus der Königstraße wurde ein 34 I. alter Mann in der Küche seiner Wohnung tot aufgefunden. Es liegt Selbstmord durch Gasvergiftung vor.
Vom Landtag. Der Verwaltungs- und Wirtschaftsausschuß des Landtags hat die Gemeindeordnung bis Art. 79 erledigt. Zu Art. 80 (Bestätigung der Ortsvorsteherwahl durch die Regierung) bemerkte Staatspräsident Dr. Bol z, die Regierung müsse an dem Bestätigungsrecht, das stets loyal gehandhabt worden sei, festhalten. Redner verschiedener Parteien verlangten Streichung des Absatzes 3 und 4, so daß also nach Ablauf der Wahlperiode eines Ortsvorstehers unter allen Umständen eine Neuwahl stattzufinden hat. Die Wahl auf Zeit war nicht umstritten. Die Abstimmung wurde zurückgestellt.
Eßlingen a. N.. 31. Okt. Verkauf des Seracher Schlößchen. Der dem Diplomwirt Umbrecht gehörige Teil des Anwesens des früheren Seracher Schlößchens ist dieser Tage an den Großgrundbesitzer Baron von Weibern in Pommern verkauft worden.
Alis dem Lande
Waiblingen, 31. Okt. Historischer Fund. Bei der Erneuerung des Cafes Griesheimer auf dem Marktplatz wurde eine Tafel gefunden, die infolge Erneueruna durch Steinmetzmeister Ruosf hier nun gut zu lesen ist. Es stellt darauf geschrieben: 1712. Johann Georg Vecherer der Zeit Bürger Maister. In der Mitte der Tafel ist reliefartia ein schöner alter Becher gehauen, der heute sehr gut zum Haus paßt, da man dort manchen guten Tropfen bechern kann. Vecherer war 1704—1726 Bürgermeister der Stadt Waiblingen.
Bietigheim. 31. Okt. Eine Abendmücke im Auge. Zu dem Unfall aus der Besigheimer Straße an der Kammgarn-Spinnerei erfahren wir noch, daß sich bei der ärztlichen Untersuchung im Krankenbaus im rechten Auge des an den Verletzungen gestorbenen Kaufmanns Anton Stärk eine dickschalige, sogenannte Abendmücke vorfand. Nach Ansicht des Arztes dürfte beim Eindringen des Insekts das Augenlicht des Motorradfahrers, der ohne Schutzbrille suhr, plötzlich gehemmt und dadurch das Anprallen an den Handwagen verursacht worden sein. Dieser Unfall mahnt alle Kraftfahrer, nie ohne Augenschutzbrille zu fahren: besonders zur Nachtzeit sollte dies nicht versäumt werden.
Gmünd. 31. Okt. Aus dem Flugzeug gestürzt. Das Segelflugzeug „Stadt Gmünd" hatte einen Unfall. In geringer Höhe stürzte der Führer des Flugzeugs, der nicht angeschnallt war, aus dem Flugzeug und trua leichte Verletzungen davon. Die Maschine brach beim Ausstößen an? den Boden am Hinteren Teil ab und mußte abgeschleppt werben.
Eheskekken OA. Münsinoen. 31. Oktober. Günstiges Jagdergebnis. Der Pächter der hiesigen Gemeinde- jagd, Baron Bodmann. veranstaltete am letzten Freitag und Samstag eine Treibjagd, bei der 35 Rehe, 56 Hasen und 10 Füchse geschossen wurden.
nenboot machtlos der Wut der Elemente überliefert. Ein gewaltiger Krach — das Schiss ist an einer Klippe entzwei gebrochen. Das Vorderschiff legt auf die Seite, das Hinterschiff treibt rückwärts. Eine gewaltige Woge legt beide Teile nebeneinander. Kapitänleutnant Braun verharrt kaltblütig auf der Kommandobrücke. „Wir sind verloren", erkennt er, erkennen alle. Sie stehen an der Pforte der Ewigkeit. Die rauhen Matrosenhände falten sich von selbst. Aber nicht jammernd wollen sie sterben, heldenhaft wollen sie enden: Mit Gott — für Kaiser und Reich. Mit donnerne der Stimme läßt der Kommandant sein letztes Kommandowort erschallen: „Ein dreifaches Hurra auf den Kaiser!" Brausend dem Sturm, dem Tod zum Trotz, stimmt alles in den Treuruf ein. Wieder eine mächtige Woge — der Kommandant ist weggespült und wird nie mehr gesehen. Da stimmt auf dem Hinterschiff Oberfeuerwerksmaat Raehm das oft gesungene Lied an: „Stolz weht die Flagge schwarz- weitz-rot von unseres Schiffes Mast . . . Ihr wollen wir treu ergeben sein,, getreu bis in den Tod." Wieder fällt alles in den Sang ein. Die meisten haben sich unterdessen auf das Hinterschiff geflüchtet. Raehm läßt Notraketen steigen. Keine Hilfe kommt. Da stimmt er an den Matrosensang: „Treibt auch des wilden Sturms Gewalt uns an ein Felsenriff . . . Wir tun, wie's Seemanns Brauch, den Tod nicht scheuend, unsere Pflicht." Das Lied verklingt. Ein entsetzlicher Schrei. Das Hinterschiff ist gekentert und kieloben auf ein Riff geschleudert worden. Drei Mann erreichen schwimmend die Küste, wo chinesische Dorfbewohner sie in liebreiche Verpflegung nehmen. 77 Mann, darunter alle Offiziere, ertrinken. An einem Mast des Vorderschiffes halten sich noch neun Mann. Nach zwei langen, bangen Tagen bringt ein chinesisches Boot ihnen Rettung. Die deutsche Volkseele zitterte in Schmerz und Stolz, als die Kunde vom Heldentod der Schiffsbesatzung das Vaterland durchslog. Der deutschfeindliche Pariser „Temps" schrieb damals: „Dieser Kommandant und diese Mannschaft des deutschen Kanonenbootes, die im Augenblick des Versin- kens drei Hurras auf ihren, Kaiser ausbringen — ein Schauer ergreift uns, indem wir daran denken, wie sie gestorben sind, weil sie im letzten, höchsten Augenblick eine Tatkraft, eine Verleugnung des eigenen Jchs und eine Treue gezeigt haben, die der menschlichen Natur zur Ense gereicht." Der deutsche Dichter Rudolf Presber hat die deutsche Volksstimmung in das Gedicht geprägt: „Die Hell den vom „Iltis", das auch in Schulbücher übergegangen m Die Schlußstrophe lautet:
Und prüfen sollen frohe Töne,
Ob auch die frische Wunde brennt.
Daß noch die Jugend solcher Söhne Germania ihr eigen nennt.
Wir fürchten keines Feindes Tücken Und bieten Trotz der Stürme Wehn,
Solang auf den Kommandobrücken '
Noch Helden euresgleichen, stehn!