Leite 3 Nr. 93

Nagolder TagblattDer Gesellschafter"

Freitag, 20. April 1828

Tüchtige Landwirke sollten sich um Siedlunasgüter be« j werben, denn die Bewirtschaftung derselben erfordert Or­ganisationstalent, Weitblick und Umst-llunasvermöaen. Man sacht nach Möglichkeit den Charakter der .geschlossenen Siedlung" zu wahren, d. h. Siedler aus derselben Heimat- gemeinde oder Gegend in einem Dorf anzusiedeln, damit ein gewisser Zusammenhang in der Bevölkerung gewahrt bleibt. Das Angebot dürfte namentlich für junge Bauernsöhne in Betracht kommen, die selbst den väterlichen Hof nicht erben können.

Anfragen über Bauern- und Kleinsiedlungen sowie über -i« Errichtung von Heimstätten in Schlesien werden erbeten, an den Schlesischen Evangelischen Heimstätten- und Sied- lungsausschuß, Breslau 18, Scharnhorststr. 30.

Ans Stadt and Land

Nagold, 20. April 1928

Das ist ja der höchste Segen der Ehe. dag sie die Bürde des Lebens erleichtert, weil sie die Tragkraft verdoppelt. v. Francois.

Beerdigung Erwin Harr

Wiederum hat der Tod in unserer hiesigen Jugend eine empfindliche Lücke gerissen. Ein stattliches Trauergefolge bewegte sich gestern durch die Straßen der Stadt, um das, was an Erwin Harr, dem einzigen Sohn des Seifen­fabrikanten Albert Harr, sterblich war. zu seiner letzten Ruhestätte zu geleiten. Der junge Mann, begabt und strebsam, hatte zu den schönsten Hoffnungen berechtigt. Er besuchte in Pforzheim die höhere Schule, als in seinem 17. Lebensjahre sich die ersten Zeichen einer Krankheit einstellten. Er war genötigt, ein Jahr lang den Schul­besuch zu unterbrechen und in Davos Heilung zu suchen. Neugestärkt kehrte er von da zur Schule wieder zurück, be­stand im darauffolgenden Jahre mit best. Erfolg die Reife­prüfung und bereitete sich auf das Fachstudium der Chemie vor. Da ergriff ihn die Krankheit aufs neue. In dem Sanatorium Schönbuch bei Böblingen fand er nach länge­rem Aufenthalt eine gute Genesung, so dag mit seiner baldigen Entlassung gerechnet werden konnte; aber die Vorsehung hatte es anders beschlossen. Eine heimtükische Grippe warf ihn erneut auf das Krankenlager, von dem er nicht mehr aufstehen sollte. Zuletzt mußte er, als das Sanatorium in andere Hände überging, nach Schömberg in die Neue Heilanstalt übersiedeln, wo er am letzten Montag vormittag, noch nicht ganz 21 Jahre alt, uner­wartet rasch, aber sanft entschlief. Am Grabe sprach der Geistliche, Dekan Otto, an Hand des Psalms 69,14 in einer tief empfundenen Rede den Trost für die Hinter­bliebenen aus und gab insbesondere der Jugend zu ver­stehen, daß nicht die lange Dauer, sondern der Inhalt eines Menschenlebens das Wichtigste und das Entscheidende für Zeit und Ewigkeit sei. Im Namen der Altersgenossen und der Schulkameraden von Pforzheim wurden mit schlichten Worten der Liebe Kränze niedergelegt, und feierliche Ge­sänge des Liederkranzes umwoben die ernste Feier, dre auch in der äußeren Natur, durch Wandlung der Wetter­lage, zuerst Schneegestöber, dann warmer Frühlingssonnen­schein, für alle Teilnehmer ihren beredten Ausdruck fand.

Ev. Kirchenchor Nagold

Unser Kirchenchor wird seine Proben heute (Freitag)

8 Uhr mit dem prachtvollen Werk von ScheidtKomm heiliger Geist" eröffnen. Für später sind Cantaten. Ca­nons u. a. von Bach und alten Meistern vorgesehen. Neue musikalische Sängerinnen und Sänger sind in allen Stim­men herzlich willkommen.

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3. Regimcntstag des Infanterie-Regiments König Wilhelm l. (K. wiirtt.) Nr. 124. Die alten Sechser als die ehemaligen Angehörigen obigem Regiments, deren der­zeitige Organisation, der Landesverband ehemaliger 124er (Sechser) E. V. nahezu 4000 Mitglieder umfaßt, halten vom 26. bis 28. Mai (Pfingsten) in der alten ehemaligen Garnison Ulm ihren 3. Regimentstag ab. Das Pro­gramm sieht vor. Samstag, den 26. Mai. abends 8 Uhr Begrüßungsabend im Saalbau; Sonntag, den 27. Mai, vormittags 10 Uhr Festzug vom Bahnhof zur ehemaligen Kaserne des Regiments in der Karlstroße. Daselbst An­sprachen, Weihe einer Eedächtnistafel, Gefallenenehrung, Vorbeimarsch am Denkmal der Ulmer Grenadiere und dem 1. Vorsitzenden des Landesverbandes, Generalleutnant Haas, dem letzten Friedens- und ersten Kriegskomman­deurs des Regiments. Daran anschließend kompagniewei­ses Abrücken in die Quartiere zum Mittagessen. Nachmit­tags 2 Uhr Festbankett mit Ansprachen, musikalischen und anderen Darbietungen im Saalbau. Ende 6 Uhr. Mon­tag, den 28.. vormittags 9 Uhr Rundgang durch die Stadt und anschließend Frühschoppen auf der Wilhelmshöhe. Mögen die alten und jungen Sechser alle restlos nach dem schönen Ulm kommen, um Stunden der Erinnerung an das alte ruhmreiche Regiment und der Erneuerung der alten Kameradschaft und Treue zu erleben. Die rasch voran­schreitenden Vorbereitungen versprechen einen schönen und erhebenden Verlauf. Auch ist in Ulm sonst allerhand ge­boten. Alle Anfragen betreffend den Verband sind an dessen Geschäftsstelle Stuttgart, Möhringerstr. 49, zu rich­ten. Anmeldungen zum Regimentstag, Bestellungen auf Quartiere und Mittagessen usw. werden bei den zustän­digen Bezirksvereinigungen ehemaliger 124er entgegen­genommen. Anmeldungen aus solchen Bezirken jedoch, in denen derartige Vereinigungen nicht bestehen oder von außerhalb Wüttemberg wohnenden Kameraden werden an die Geschäftsstelle ehem. 124er in Ulm, Gideon-Bacher- Straße 20 gerichtet.

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Herrenberg, 19. April. In den ersten Jahrgang der Grundschule wurden Heuer 66 Schüler und Schülerin­nen ausgenommen. Es ist eine beträchtliche Steigerung der Schülerzahl gegenüber den Vorjahren. Trotz meh­rerer Versuche der Zurückstellung des 8. Schuljahrs ist es den amtlichen Stellen ermöglicht worden, das 8. Schul­jahr hier mit Beginn des neuen Schuljahrs 1928/29 im ganzen durchzuführen. Ein in Fellbach gestohlenes Motorrad wurde im hiesigen Steinbruch unversehrt wiedergefunden.

Auswärts Gestorbene.

T«tw: Kurt Leigel, 19 I.

Baiersbronn: Anna Rothfutz, geb. Machetanz.

Die heutige Nummer umfaßt K Seite«.

Letzte Nachrichten

Bayern verbietet de» Roten Frontkämpferbund.

Berlin, 20. April. Ebenso, wie die württembergische Staatsregierung, hat auch die bayerische Regierung dem Ersuchen des Reichsinnenministers auf Verbot des Roten Frontkämpferbundes stattgegeben. s

Fitzmaurices Rückflug nach Greenly Island.

Newyork, 20. April. Fitzmaurice beabsichtigt für den Rückflug nach Greenly Island ein Ford-Flugzeug zu be­nutzen. Das Flugzeug wird Samstag früh Detroit ver­lassen.

80 000 Dollar für den Empfang der Bremenflieger in Newyork.

Berlin, 20. April. Nach einer Blättermeldung aus Newyork hat die Stadtverwaltung einstimmig einen An­trag angenommen, für den Empfang der Bremenflieger 60 000 Dollar zu bewilligen.

Das Tafelsilber vonLeipzig" undScharnhorst" zurück­gegeben.

Berlin. 20. April. Nach einer Blättermeldung aus London meldet Reuterbüro aus Sidney: Das Tafelsilber der deutschen KreuzerLeipzig" undScharnhorst", die im Jahre 1914 bei den Falklandinseln sanken, wird der deutschen Regierung durch den hiesigen Generalkonsul als ein besonderer Akt des Entgegenkommens von dem austra­lischen Staatenbund zurückgegeben werden. Wie das Tafel­silber dorthin gekommen ist, ist bisher noch ein Geheimnis. Man nimmt an, daß die Deutschen es aus Sicherheits­gründen der japanischen Besetzung der Inseln seinen Weg nach Sidney fand.

Polen mit seinen Militärausgabe» an der Spitze Europas

Warschau. 20. April. Die Beratungen des polnischen Militärhaushalts in dem Haushaltausschuß des Sejm mußten wegen einer Erkrankung des Marschalls Pilsudski vorläufig verschoben werden. Der sozialistischeRobotnik" nimmt heute in einem längeren Artikel gegen den Militär­haushalt Stellung und rechnet aus. daß die Militäraus­gaben im laufenden Jahre zwei Siebtel des gesamten Haushalts ausmachten. Polen stehe mit seinen Militär­ausgaben an der Spitze Europas und wahrscheinlich auch der ganzen Welt. Es entstehe der Eindruck, daß Polen seine angeblichen Friedensbemühungen nicht ernst nehme.

Das Erdbeben in Bulgarien. Zahlreiche Todesopfer.

Große Verwüstungen

Sofio, 20. April. Bis gestern abend wurde die Zahl der durch das Erdbeben am Mittwoch in Philippopel zer­störten Häuser auf 2136 angegeben, davon 1036 ganz zer­stört und 1100 schwer beschädigt. Diese Ziffern beziehen sich erst auf 2 Stadtteile. Die Zahl der Toten in Phi­lippopel hat sich auf 20 erhöht; 60 schwer- und über 100 Leichtverletzte werden dort gezählt. Aus 8 Dörfern in der Umgebung der Stadt Philippopel werden 27 Tote und viele Verletzte gemeldet.

Die Erdstöße dauern an und sind auch in Sofia ver­spürbar. Die internationalen Züge haben den Verkehr durch Bulgarien eingestellt. Südlich und östlich von Phi­lippopel ruht jeder Bahnverkehr, da die große Maritza- briicke unbefahrbar ist. Zar Boritz weilt in Philippopel. Die Häuser, die an den hügeligen Abhängen der Stadt standen, stürzten bei dem Erdbeben eines auf das andere. Die Bevölkerung der heimgesuchten Stadtteile lagert im Freien. Sie leidet stark unter der zunehmenden Kälte und unter dem Mangel an Lebensmitteln. Das Erdbeben wurde auch in Sofia stark bemerkt. Die Glocken der großen Kathedrale schlugen an. Menschen sind hier nicht zu Scha­den gekommen, auch wurde kein Sachschaden angerichtet.

Jahresberichte über das Veterinärwesen in Württemberg

Nach einer Unterbrechung von 14 Jahren werden die Jahresberichte über das Veterinärwesen in Württemberg künftig wieder regelmäßig im Druck erscheinen. Um auch die im vergangenen Zeitabschnitt auf dem Gebiet des Beteri- närwejens gemachten Feststellungen und Erfahrungen all­gemein zugänglich zu mache» und die Lücke zwischen dem letzten gedruckt erschienenen Jahresbericht von 1911 und dem demnächst erscheinenden von 1925 zu schließen, sind die Jahrgänge 1912 bis 1924 nachträglich bearbeitet und vom Innenministerium 1927 herausgegeben worden. Der Be­richt behandelt die tierärztliche Verwaltung, die Bekämpfung der anzeigepflichtigen Tierseuchen, die Nahrungsmittelkon­trolle, bas Abdeckereiwesen, die Gesundheitsverhältnisse der Haustiere in Württemberg. Er enthält in gedrängter Form eine Wiedergabe aller wichtigeren Beobachtungen und Er­fahrungen, die in den Berichtsjahren auf dem Gebiete der Tierseuchenbekämpsung, der öffentlichen Gesundheitspflege, der Tiergesundheitspflege und der Tierzucht kn allen Teilen des Landes gesammelt worden sind. In die Berichtzeit fallen u. a. und haben in dem Bericht besondere Berücksich­tigung gefunden: das Inkrafttreten des Viehseuchengesetzes vom 26. Juni 1909, die Einschleppung des Pferderotzes und Ausbreitung anderer Pferdeseuchen im Krieg und bei der Demobilisierung sowie die planmäßige Bekämpfung dieser Seuchen, die Einichleppung der bösartigen Maul- und Klauenseuche nach Württemberg und ihre Bekämpfung (1919), die Einschleppung und Bekämpfung der Tollwut (1923 und 1924), die Einführung der Anzeigepflicht und Entschädigung für Kopfkrankheit und ansteckende Blutarmut der Pferde (1921), die Schaffung der Tiermehlfabriken und Neuregelung des Abdeckereiwesens.

Der Bericht wird, solange der Vorrat reicht, vom Innen­ministerium auf Ansuchen gegen Ersatz der Portoauslagen kostenlos zur Verfügung gestellt.

Ein Warnungsruf gegen die Einwanderung

Das Märzheft derGerman-American Commerce Bulle­tin", das von dem Ausschuß für deutsch-amerikanischen Handel herausgegeben wird, enthält folgende Warnung:

Der Ausschuß erachtet es als seine Pflicht, dis Aufmerk­samkeit auf die Schwierigkeiten zu lenken, die deutsche Ein­wanderer, besonders Leute mit technischer und kaufmän­nischer Vorbildung, bei der Erlangung von Beschäftigung hier finden. Der Umfang und die Dauer der gegenwärtigen Geschäftsflaute kann nicht vorausgesehen werden, und wir möchten die Einwanderer aus Deutschland und anderen europäischen Ländern warnen, indem wir die Möglichkeit betonen, daß sie für eine gewisse Zeit arbeitslos sein werden.

Die Warnung ist sehr zeitgemäß, denn die Zeichen der Zeit sind nicht sehr verheißungsvoll. Man streitet sich heftig darüber, ob es zwei Millionen Arbeitslose im Lande gibt oder vier Millionen. Aber selbst zwei Millionen sind kein besonderer Anreiz, den ohnehin überfüllken Arbeiksmarkk zu betreten, namentlich wenn man weder dis Verhältnisse noch die Sprache kennt. Ein voreiliger Schritt muß unfehlbar zu viel Jammer führen, und die Deutschen hier haben reichlich Gelegenheit, das Ausmaß des Einwandererelends kennen­zulernen. denn sie werden mit Bittgesuchen und Hilfe­rufen und Betteleien förmlich überschwemmt. Wer es gut mit seinen Landsleuten meint, der rate ihnen, zu Hause zu blei­ben, bis die Verhältnisse hierzulande sich wieder etwas qe- klärk haben. Der gelernte Arbeiter ist beinahe noch übler dran als der ungelernte; doch auch dieser findet einen Wett­bewerb vor, bei dem er nicht mikmachen kann. Ob diele Ar­beitslosigkeit ans schlechte Zeiten im allgemeinen weist oder ob sie lediglich der Answuchs einer Erzeugungswsise ist, die heute mit viel weniger Arbeitern auskommsn kann als vor zehn Iohren und trotzdem mehr erzeugt als damals, braucht nicht erörtert zu werden. Hier handelt es sich einzig um die Tatsache, daß mehr Arbeitskräfte nickt benötiat werden, und wer klug ist. zieht daraus die richtige Schlußfolgerung.

Musikverein Nagold

Die Vorspielabende des vergangenen Wintersemesters boten uns wieder eine reiche und mit Sorgfalt getroffene Auswahl von Musikwerken aus alter und neuerer Zeit. I. S. Vachs Klaviermusik waren 3 Abende ge­widmet; nicht zu viel, wenn man des Reichstums gedenkt, der in diesen Kompositionen verborgen ist. Durch A. Schwei­zers Werk über Bach ist diese Klaviermusik von neuem Gegenstand ernsthafter Betrachtung geworden, nachdem sich gezeigt hat, daß die Ausfassung und Gestaltung, wie sie Czerny und seine Schule vertreten und gepflegt hat, in vielen Fällen dem Willen und der Vorstellung I. S. Bachs widerspricht. Sehr interessant war die Gegenüberstellung alter und neuer Vortragsart, die besonders den Musizie­renden unter den Besuchern eine Anregung zu fruchtbaren und gewinnbringenden Versuchen auf diesem Gebiet ge­wesen sein wird. Man mag sich zu den Grundsätzen Schwei­zers und anderer Bachsorscher von Rang stellen, wie man will, die Beschäftigung mit ihnen wird immer den Ge­winn haben, daß man tiefer in das Wesen dieser Musik eindringt, die, ob mit stark persönlicher Note oder mit dem Willen zu überpersönlicher Gestaltung oorgetragen, ihre Lebenskraft bis heute behalten hat und auch ferner be­halten wird.

Es ging mit Bruckners Musik, von der wir in der Reihe der Vorspielabende die 4. Symphonie in der Be­arbeitung für 2 Klaviere hörten, ja ähnlich. Auch sie wurde dem Publikum zuerst von dem Dirigenten mit stark persönlicher Färbung (es sind nur wenige Orchesterleiter, die darin von Anfang an eine Ausnahme machen) vor­geführt, und lange Zeit sah man deshalb in Bruckner den Jünger und Nachfolger Wagners. Heute wissen wir, daß es Bruckner, wie auch Bach, um etwas ganz anderes zu tun war, als sich uns in seiner Musik vorzustellen. Die Tat­sache, daß Bach und Bruckner in ihren erhabensten Werken die Höhepunkte dem Choral oder dem Hymnus zuweifen, macht es deutlich, daß ihre Musik nicht von der Enge und Relativität der persönlichen Empfindungen her, sondern vom Religiösen oder Kosmischen aus betrachtet und ver­standen werden will. Daß bei einem Musiker wie Bruckner auch das rein Musikalische an sich interessiert, ist selbst­verständlich, erscheint uns doch seine Symphonie als Zusam­menfassung und Vollendung alles dessen, was seine Vor­gänger seit Bach erstrebt haben. Das Spiel einer Bruck­ner-Symphonie auf 2 Klavieren vermittelt dem Spieler und Zuhörer neben dem wichtigen Eesamteindruck des ganzen Werkes doch auch sehr vieles von den wunderbaren Einzelheiten der Partitur, obwohl natürlich die Pracht des Orchesterklangs nicht erreicht werden kann. Diese

Bruckner-Abende sollen ja auch keineswegs den Besuch von guten Aufführungen überflüssig und entbehrlich machen, sondern sollen vielmehr dazu ausmuntern und sind damit zugleich eine bei Bruckner dringend notwendige Einfüh­rung und Vorbereitung, für die wir den Spielern umso­mehr Dank schulden, als es ein gutes Stück Arbeit ist, einen solchen Klavierpart zu bewältigen.

Ein weiterer Abend war Mozart gewidmet. Wir hörten die berühmte Klaviersonate in A-dur, das Werk, das unter südlichem Himmel geboren zu sein scheint, eine Klaviersonate in D-dur zu 4 Händen mit einem Zögling der ersten Klasse als Partner (eine schöne Leistung!) und die Phantasie zu 4 Händen in f-moll, die allen denen, die sie noch nicht kannten, Mozart von einer ganz neuen Seite gezeigt hat. Wäre Mozart moderner Komponist, so hätte er diesem Werk vielleicht die Ileberschrist gegeben:Den Manen Fr. Handels", und er hätte sich damit keiner Ver­messenheit zu beschuldigen. Es ist interessant, zu beobach­ten, wie unsere Meister fremde Einflüsse ausgenommen und verarbeitet haben; bei Bach erfuhr diese Tatsache in einem Vortrag eine eingehendere Betrachtung; vielleicht erfahren wir über den Tatbestand bei Mozart auch ein­mal Näheres.

Neben der angeführten Klaviermusik hörten wir rm Violin-Sonaten von Händel und eine Kammersonate für 2 Violinen von PH. E m. Bach, gespielt von früheren Schülern des Seminars. Zwei Abende wurden eröffnet vom Seminarorchester, das in solchen Fällen von hiesigen Musikfreunden in dankenswerter Weise verstärkt wird, n>» Kammersonaten von Corelli, einer Musik, die uns heute noch ebenso bezaubert, wie die Zuhörer vor einigen hundert Jahren.

Unser Chor hat in den letzten Vorspielabenden als Fernchor vor den Türen des Festsaals gesungen. Es klang wie in einem großen Dom. Die Töne erreichten die fern sten Ecken unseres Seminars und erfüllten das ganze Haus. Möge der Geist, der aus den alten Gesängen spricht, ebenst in die kleinsten Ritzen der Herzen der Bewohner unseres Seminars und unserer Besucher dringen ,so wird es gm um uns stehen. L. H

(Es ist wohl manchen Lesern desGesellschafters" nicht unwillkommen, wenn sie bestätigt und mitgeteilt erhauei. daß der Leiter des Orchesters und des gemischten Cyo in den letzten Vorspielabenden Seminarlehrer L. HaN" war, dessen Geschmack, Phantasie und nachhaltiger Wi es in ausgedehnten Proben möglich machten, daß und Orchester sich so vorteilhaft ausnahmen. D. Schr -