Nagolder Tagblatt »Der Gesellschafter"
Dienstag, 14. Februar 1828
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gelischen Waisenhauses in Ellwangen und des katholischen Waisenhauses in Ochsenhausen einzureichen. Während de» Schuljahrs kann der Eintritt von Schälern künftig nur «och in dringenden Fällen erfolgen.
Das gibt zu denken. Eine kleine Familie von 3 Köpfen suchte ein Hausmädchen. Auf zwei Zeitungsanzeigen meldeten sich zwei Mädchen. Derselbe Mann suchte auch für sein kaufmännisches Büro ein Lehrmädchen. Auf eine Anzeige meldeten sich 210 Mädchen.
Metzingen, 13. Februar. MitdemOmnibuszum Wiener Sängerfest. Die Metzinger Omnibusgesellschaft beabsichtigt, zu dem im Juli stattfindenden deutschen Sängerfest in Wien einen oder mehrere ihrer neuen erstklassigen Luxusomnibusse laufen zu lassen. Die Fahrt soll im Gegensatz zur Bahnfahrt bei Tag erfolgen, um den Fahrgästen die Naturschönheiten der zu durchfahrenden Länder recht vor Augen führen zu können. Für die Hin- und Rückfahrt ist jeweils eine andere Strecke vorgesehen. Der Fahrpreis für die Hin- und Rückfahrt nach Wien beträgt pro Person 45 Mark, entspricht also ungefähr dem Eifenbahn-Sonderzug-Fahrpreis.
Reutlingen, 13. Februar. Entscheidung im Schwimmbad-Wettbewerb. Im Wettbewerb um das neue Hallen-Schwimmbad der Stadt Reutlingen waren etwa 127 Arbeiten eingegangen, von denen 14 in die engste Wahl genommen wurden. Ein erster Preis wurde nicht verteilt, dagegen zweite Preise mit je 1750 Mark, die Dipl - Ing. Hans Wurste r-Stuttgart und Oberbaurat LempP- Eßlingen erhielten. 3 dritte Preise zu je 1500 Mark fielen zu Architekt Ernst S ch a u p p - Frankfurt a. M., Regierungsbaumeister D ö ck e r - Stuttgart und Dipl.-Ing. Karl Gonser - Stuttgart. Außerdem wurden 6 Entwürfe zum Ankauf empfohlen.
Tübingen. 13. Febr. Ausflug deshygienischen Instituts. Das hygienische Institut besichtigte am Freitag unter Führung seines Vorstands, Prof. Dr. Wolf, die Domäne Ammern, um die dort neu eingerichtete maschinelle Melkanlage kennenzulernen und sich über die Behandlung tuberkulöser bzw. tuberkuloseverdächiger Tiere unterrichten zu lassen.
Bartenstein OA. Gerabronn, 12. Februar. Heimatspiel. Die Stadtgemeinde hat beschlossen, am Ostermontag das von Dekan Maisch-Oehringen verfaßte Schauspiel „Aonradin, der letzte Hohenstaufe" zur Aufführung zu bringen. Ein geeigneter freier Platz ist für die Freilicht- ausfübruna vorbanden.
Aus Stadt und Land
Nagold, 14. Februar 1928
Man mutz wirklich einmal lernen, sich selber dis Lippen zusiegeln, wo man reden möchte, sich fest ins Gebinde fassen, wenn alles in einem von Witz und Neugier und Mitteilungssucht aufstrudelt, und man mutz es über sich bringen, auch nicht mit Gebärden zu reden, wo die Zunge schweigen soll, — erst wenn man in dieser Zucht sicher ist, wird man allmählich auch das rechte Matz finden zwischen Zurückhaltung und kameradschaftlicher Mitteilsamkeit.
Dienstnachrichten.
An der Universität Tübingen promovierte Walter Pfeifle von Ebhausen, z. Zt. Hilfsrichter beim Amtsgericht Balingen — s. Zt. beim Amtsgericht Nagold — zum Doktor. — Im Bereiche des Landesfinanzamts Stuttgart wurde der Zollpraktikant Denzel vom Hauptzollamt Horb zum Oberzollsekretär ernannt.
Canada und Alaska. _
Der neueste Eroßfilm der Döring-Film-Werke, Hannover, führt uns diesmal nach Canada, jenem in Deutschland fast unbekannten, aber trotzdem wirtschaftlich wertvollem Lande. Angefangen in Halifax am Atlantischen Ozean und endend in Vancouver am Stillen Ozean, sind in herrlichen Bildern nicht nur die gewaltigen Natur
schönheiten und Reize dieses unermeßlichen Gebietes, son- ! dern auch das Leben und Treiben seiner Bewohner fest- ' gehalten. Man steht bewundernd vor den niederstürzenden Wassermassen, sieht Silberfuchsfarmen, den Hummerfang, Gold- und Silberminen im Betrieb und lernt die großen westlichen Ackerbauprovinzen Manitoba, Saskatchewan und Alberta kennen. Die Sioux- und Wood-Cree Indianer werden besucht. In den Rocky Mountains trifft man wilde Büffelherden, Bären, Biber, Bergschafe, Elche u. a. m. Die Ueberfahrt erfolgte mit dem Lloyddampfer „Sierra Ventana". — Die Vorführungen finden am Donnerstag, den 16. Februar, nachmittags 5 Uhr und abends 8 Uhr, in den hiesigen „Löwenlichtspielen" statt. Hierzu wird Herr Achim von Winterfeld-Berlin einen interessanten Vortrag halten.
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Heizung der Posiomnibusse. Die seit anderihalb Jahre im Gang befindlichen Versuche der Heizung der Postkraftomnibusse unter Ausnützung der Auspuffgase haben ein so befriedigendes Ergebnis gehabt, daß die verbesserte Heizung nach und nach bei sämtlichen Omnibussen eingeführt werden wird. Auch die Kraftomnibusfabriken arbeiten noch an der Verbesserung der Heizungen.
Neue Lohnsteuermarken zu 20 Rpf. und 2 R7N. Veranlaßt durch Beschwerden aus Mitgliederkreisen hat sich der Deutsche Handwerks- und Gewerbekammertag an das Reichsfinanzministerium gewandt und unter Hinweis auf das Fehlen von mittleren Werten die Ausgabe neuer Lohnsteuermarken im Betrag von 20 Rpf. und 2 RM. angeregt. Der Minister hat nunmehr hierzu mitgeteilt, daß dem Antrag entsprochen werden wird. Wegen der notwendigen technischen Vorbereitungen könne jeodch die Ausgabe erst nach Ablauf einiger Wochen beginnen.
Warnung vor falschen Fünsmarkstücken. Von den erst kurze Zeit im Verkehr befindlichen Fünfmarkstücken sind bereits Fälschungen im Verkehr. Die Falschstücke, die mattglänzend aussehen und sich fettig anfühlen, sind beim Vergleich mit echten Stücken fast immer sofort als solche erkennbar. Da die Falschstücke sehr bleihaltig sind, können sie überdies am leichtesten durch Schreibversuche als Falschstücke festgestellt werden: sie hinterlassen hiebei auf Papier einen deutlich sichtbaren Strich. Beim Auftauchen eines Falschstückes wird um Festhaltung des Einzahlers und sofortige Benachrichtigung des nächsten Polizeibeamten gebeten.
Die Kündigungsfrist für Schwerkriegsbeschädigte. Das Reichsgericht hat eine für das Wirtschaftsleben bedeutsame Frage durch Urteil grundsätzlich entschieden, nämlich die Frage: Genießt der schwerkriegsbeschädigte Arbeiter den Schutz der Kündigungsfrist auch dann, wenn im Lauf eines Arbeitskampfs der Arbeitgeber seine Belegschaft aussperrt? Das Reichsarbeitsgericht verneint die Verpflichtung des Arbeitgebers auf Einhaltung der verlängerten Kündigungsfrist im Fall einer Aussperrung aus folgenden Gründen: Das Reichsarbsitsgericht sieht in 8 13 Abs. 3 des Schwer- beschädigtenqesetzes den Ausdruck der Anerkennung dafür, daß auch Schwerbeschädigten anläßlich einer Aussperrung fristlos gekündigt werden kann, ohne daß ihnen ein weit"rer Schutz zustshe. als der in diesem Absatz 3 vorgesehene Anspruch auf Wiedereinstelluna.
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Altensteig, 12. Febr. Gemein deratssitzung vom 8. Februar 1928. Auf Anregung des Sparkassendirektors Walz wird die Einrichtung von Bausparkonten bei der städt. Sparkasse beschlossen. Genehmigt werden Verkäufe vom 3. Februar und zwar von Schichtnutz- und Brennholz mit einem Erlös von 2455 RMk. (Forstpreis 1995 Mk.) und von Nutzprügeln mit einem Erlös von 5082 Mk. (Forstpreis 4884). Ferner finden am 2. und 6. Februar abgehaltene Verkäufe und zwar von Nutzscheit- und Brennholz mit einem Erlös von 2692 Mk. (Forstpreis 1709 Mk.) und von Nadelstammholz, Erlös 40 935 Mk., Forstpreis 28 635 Mk. Genehmigung. Außerdem wird ein Verkauf von 39 Rm. Brennholz vom städtischen Lagerplatz um 394 Mk. genehmigt. — Die Genehmigung zur Kraftfahrlinie Klosterreichenbach—Besenfeld—Eöt- telfingen- Altensteig läuft am 31. März 1928 ab. Nachdem der Unternehmer um Verlängerung der Genehmigung nachgesucht hat, veranlaßt das Oberamt zu einer Stellungnahme. Die Genehmigung des Gesuches wird befürwortet. - Der württ. hohenzoll. Wasserwirtschaftsverband e. V. Sitz
in Stuttgart lädt die Stadtgemeinde als Inhaberin eines Wasserkraftwerks zum Eintritt in den Verband ein. Es wird beschlossen, vorläufig noch nicht beizutreten. — Die Viehuntersuchung beim Gasthaus zum „Sternen" an den Markttagen hat sich im Lauf der Zeit als verkehrshindernd erwiesen. Es wird nun bestimmt, die Marktvieh-llntersuchung auf den freien Platz neben der Polizeiwache zu verlegen. - An die Aufwertungsgläubiger der Stadt soll der Zins für 1927 ausbezahlt werden. '— Gegen den Einbau eines 2. Benzinbehälters zu der Tankanlage der Rhenania-Ossag Mineralölwerke, auf städt. Eigentum vor der Schlosserei Schaupp wird unter den vertraglichen Bedingungen nichts eingewendet.
Ettmannsweiler, 14. Febr. Goldene Hochzeit. Heute dürfen Johannes Seitz und Anna Maria, geb. Schaible, in körperlicher und geistiger Frische das Fest ihres fünfzigjährigen Ehejubiläums feiern. Die Glückwünsche des Herrn Staatspräsidenten u. eine schöne Ehrengabe desselben, sowie die Glückwünsche des Herrn Kirchen Präsidenten mit einer prächtigen Ausgabe des Gesangbuches konnten ihnen bei diesem freudigen Anlaß übermittelt werden.
Mötzingen, 13. Febr. An den roten Flecken sind viele kleine Kinder erkrankt, so daß die Kinderschule geschlossen werden mußte. Die größeren Kinder wurden bis jetzt verschont.
Calw, 13. Febr. Die Oberamtssparkasse hat im Jahr 1927 eine sehr günstige Weiterentwicklung gehabt. Die Eesamtspareinlagen einschließlich der Depositen betragen 1903 855 Mark, wovon auf das letzte Jahr ein Zuwachs von 595 234 Mark entfällt. Sehr wahrscheinlich wird die Kasse ihre Aufwertungseinlagen mit Wirkung ab ab 1. Januar 1928 mit dem gleichen Zinssatz wie die neuen Reichsmarkspareinlagen verzinsen, was für sie einen bedeutenden Mehraufwand bedeutet, der aber von den Altsparern dankbar begrüßt werden wird.
Enzklösterle, 13. Febr. Warnung für Autofahrer. Vergangene Woche ereignete sich auf der steilen Straße Simmersfeld-Enzklösterle ein Autounfall, der den Umständen entsprechend noch gut abgelaufen ist. Ein Stuttgarter Personenauto, in dem der Besitzer und dessen Chauffeur saßen, fuhr die steile Straße herunter. Auf dem glatten, vereisten Weg versagten Steuer und Bremsen. Ein an einer Kurve haltendes Lastauto wurde ungefähren. Das Lastauto hielt jedoch das Personenauto auf und bewirkte, daß das Stuttgarter Auto nicht die etwa 40—50 Meter hohe Böschung hinunterfuhr. Der Stuttgarter Wagen konnte noch rechtzeitig zum Stehen gebracht werden. Beide Wagen wurden erheblich beschädigt: wie durch ein Wunder blieben die Insassen verschont. Autobesitzer, die nach Bescn- feld oder Simmersfeld fahren wollen, tun gut, Schneeketten mit sich zu führen. In letzter Zeit mußten zahlreiche Fahrer wieder umkehren, weil sie solches versäumten.
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Der Berliner StariLalproreß
Der Prozeß gegen den 17jährigen Primaner Paul Krantz in Berlin-Steglitz wegen Ermordung eines gleichaltrigen Genossen ist bedauerlicherweise von dem größten Teil der Presse durch Veröffentlichung ausführlicher Berichte in das große Publikum hineingekragen worden. 5st der Prozeß, der vielleicht besser in geschlossener Verhandlung erledigt wäre, an sich schon ein Aergernis, das einen mit 'Schaudern erfüllen kann, so ist durch die Veröffentlichung das Unheil erst recht groß geworden. Man wird daher dem Abg. Lic. Dr. Mumm nur Zustimmen können, wenn er im Reichstag diese Mißstände einer scharfen Kritik unterzog und einen Antrag einbrachte, daß die Veröffentlichung von Berichten derartiger Skandal- prozesse reichsgesetzlich verboten werde.
Der Vorstand und die Führerschaft des Evangeli- schenReichselternbund s'haben an den Präsidenten des Schwurgerichts in Moabit, Landgerichtsdirektor Dicht, ein Schreiben gerichtet, worin der tiefen Beunruhigung der Elternschaft des ganzen Reichs über die Art der Berichterstattung eines Teils der Presse über den Krankvro.zeß Ausdruck aeaeben wird. Der Reickselternbund
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Geleitwort.
Sehr verehrter Herr Verleger!
. Wenn ich mich, nach reiflicher Ueberlegung, entschlossen habe. Ihrer an mich gerichteten Aufforderung Folge zu leisten und einen authentischen Bericht über die ebenso seltsamen wie grauenvollen Geschehnisse, welche sich vor nunmehr zwanzig Jahren in Schloß Terosal zutrugen, zu veröffentlichen, so tue ich dies wahrlich nicht, um die Neugier eines sensationslüsternen Publikums zu befriedigen, sondern weil ich, als einziger noch lebender Augenzeuge und Freund des Herrn Vinzenz von Andrian, die Pflicht zu haben glaube, den unsinnigen, entstellenden und übertriebenen Gerüchten, die auch heute noch nicht zum Schweigen gekommen sind, entgegenzutreten.
Kein Roman im üblichen Sinne ist es, was ich Ihnen zu bieten vermag, nur eine wahrheitsgetreue Schilderung von Tatsachen, eine Art Chronik, die aber alles Wesentliche enthält, und der ich einen seinerzeit von mir verfaßten, für das * K. K. Bezirksgericht in Bregenz bestimmten Bericht zu gründe lege. Als Belege stehen mir Briefe des Herrn Vinzenz von Andrian und das von mir gewissenhaft geführte Tagebuch zur Verfügung.
Ich besitze weder den Ehrgeiz, ein literarisches Kunstwerk zu schaff., noch Probleme aufzurollen, die aller menschliche Scharfsinn doch nicht ergründen kann. Jede Aus schmückung würde immer nur grotesk wirten: ich beschränke mich also daraus, lediglich Tatsächliches zu bringen. Und wenn dies oder jenes unwahrscheinlich wirken sollte, so bitte ich zu bedenken, daß das Leben oft Tragödien schreibt, dis seltsamer sind, als die ausschweifendste Phantasie eines Ve- rufsschriftstellers sich je träumen läßt.
In der Hoffnung, daß diese Blätter dazu beitragen
mögen, das Andenken eines mir teueren Toten vor übler Nachrede und legendärer Sagenbildung zu schützen, bin ich. sehr verehrter Herr Verleger, mit dem Ausdruck vorzüglichster Hochachtung,
Ihr Ihnen aufrichtig ergebener
H. A. von Byern.
Das Licht erlosch. Weiche, weiße, wehende Nebelschleier zogen aus der Aue herauf, formten sich zu phantastischen Gebilden, zerflatterten im.Hauch des Abendwinds zu breit hingelagerten Streifen und ballten sich von neuem. Im Wallgraben quarrten die Frösche. Eine Nachtschwalbe surrte hart an mir vorüber, gegen den fahlgelben, allmählich in ein blasses Aquamarinblau übergehenden Abendhimmel zickzackten Fledermäuse. Wie ruhelose Seelen, dachte ich unwillkürlich. Und von irgendwoher klang in das träumende Schweigen der Augustnacht fernes Elockenklingen,
vom Winde halb verwehte, sehnsüchtige Stimmen.-
Droben am Firmament flimmerte in weltenweiten Fernen ein Sternlein auf, nun noch eines, ein drittes, viertes. Düsterrot glomm das Feuer meiner Zigarette durch das Dunkel. So still war es hier im Park, so einsam und friedvoll. . .
Ueber den knirschenden Kies kommen eilige Schritte. Unwillkürlich kniff ich die Augen zusammen:
„Was gibt es denn, Wilhelm?"
Der Diener legte eine schwarzlederne Mappe vor mich auf den Tisch:
„Die Abendpost, gnädiger Herr . . ."
„Ach so. ja, richtig."
Ich stand auf und ging nach dem Herrenhaus hinüber, trat in mein Arbeitszimmer. Auf dem Schreibtisch brannte die grünbeschirmte Lampe, ein Str- nß weißer, ungarischer Moosrosen stand daneben. Mit dem kleinen, flachen Schlüssel öffnete ich die Mappe, zwei Zeitungen fielen heraus und ein einzelner Brief. Unschlüssig drehte ich das Schreiben einen Augenblick in der Hand. Dichtes, schweres, gelbliches Büttenpapier, aus der Rückseite ein Wappen in Hochrelief: drei Lilien im oberen Feld, unter dem Schrägbalken zwei gekreuzte Schlüssel. — Wo nur hatte ich das schon gesehen? Aber dann blickte ich auf die Marke, den Poststempel .... „Bregenz, 22. 8. 02." Und nun wußte ich, von wem der Brief kam . . . Mit dem vorn zugespitzten Falzbein öffnete ich den Umschlag, ein engbeschriebener Vogen fiel heraus:
„Schloß Terosal in der Oed, am 22. August 1902.
Mein lieber Alter!
„Spät kommt Ihr, doch — Ihr kommt!" Seit wir uns vor einem halben Jahr in St. Moritz trennten, hast Du nichts wieder von mir gehört, aber heute endlich will ich Dich an Dein Versprechen mahnen und anfragen, ob es Dir paßt, wenn Du vom 1. bis 4. September bei mir auf den Geweihten birscht? Auf den Geweihten, denn ich habe Dir einen für unsere Bergreviere mehr als braven Eissprossenzehner kalt gestellt, und ein Gams wird wohl auch noch abfallen. Die Zeit ist kurz, die Reise weit, aber am 5. will ich selbst als East auf ein ungarisches Revier fahren. Uebrigens, Du triffst noch drei Konkurrenten an: Den Poldl Pürkstein vom Auswärtigen Amt in Wien, Rittmeister Graf Pernegg, einen meiner Nachbarn, und schließlich meinen ungarischen Jagdfreund: Franz Josef Ritter von Molnar. Also „eine ganze Hetz", wie wir hier sagen, ich habe halt gern das Haus voller Gäste, ist sonst eh' nichts los, hier in der Oed. — Nicht wahr, Alterle, Du kommst? Ich muß mal wieder einen vernünftigen Menschen sehen, einen, mit dem ich von der anderen Welt plauschen kann, die unsere Leute hier nicht kennen, von dem Safari durch afrikanischen Buschwald, von den Mächten unter dem Kreuz des Südens-Weißt Du noch?!
Unwillkürlich ließ ich den Brief sinken. — Ob ich das alles noch wußte! In Shepheards Hotel in Kairo hatten wir uns zum erstenmal getroffen, Vinzenz von Andrian und ich. — Er saß an einem kleinen Ecktischchen, und da kein anderer Platz frei war, trat ich an ihn heran: „Gestatten?" — Bitt schön!" — „Ah — ein Landsmann? Wohl Bayer?"
Er lächelte, daß die starken, schlohweißen Zähne hinter dem tiefbraunen Gesicht blitzten. „Nicht doch, ich bin Oesterreicher, Tiroler — Vinzenz von Andrian!" stellte er sich vor. Nun nannte auch ich meinen Namen. So kamen wir ins Gespräch. Er hob sein Glas, in dem prickelnder Schaumwein perlte: „Gestatte mir, — Sie sind Jäger?" Dabei deutete er mit den Augen auf die Hirschhakenttadcl. die ich in meinem Selbstbinder trug. „Ja — allerdings, übermorgen will ich mit dem „Bürgermeister" weiterfahrca nqch Tanga, von dort aus in die Usambarasteppe, wenn möglich bis zum Kilimandscharo . . ." „Ach nein! Da haben wir ja denselben Weg! Ich benutze auch den Woermanndampfer, also — dann Weidmannsheil!"
(Fortsetzung folgt.)