DIE MEINUNG DEK ANDERN

WIRTSCHAFT

»IENSTAG, 2 8. OKTOBER1952

Politisdi mißbrauchtes Christentum

Ost-CDU:Christentum ist es, Vorkämpfer für den Sozialismus zu sein

Von unserem Berliner F. E. O. - Korrespondenten

Wachsender Machtwille

Verschiedene französische Blätter bedauern in ausführlichen Kommentaren die Unter­brechung der deutsch-französischen Saarver­handlungen, Das MassenblattLe P ari- sien sieht die Saar-Auseinandersetzung als Folge eineswachsenden Machtwillens in der Bundesrepublik und sagt dazu:

Allzusehr im Bewußtsein ihrer großen Ar­beitsfähigkeit, ihrer natürlichen Hilfsquellen und der Qualitäten ihrer führenden Schichten, sieht sich die Bundesrepublik in einer tonangebenden Rolle. Ob es sich um die europäische Verteidi­gungsgemeinschaft handelt, um die Stahlerzeu­gung oder um die Außenpolitik des Kontinents, die Deutschen glauben, daß die größte Verant­wortung ihnen zufällt. Es handelt sich nicht mehr um gleichberechtigte Zusammenarbeit, sondern um den Willen, die beherrschende Rolle zu er­ringen und zu behalten.Der Saar-Auseinan­

dersetzung kommt demnach eine Bedeutung zu. die über die Saargrenzen und unsere eigenen Grenzen hinausreicht. Sie geht die Zukunft ganz Europas einschließlich Großbritanniens an."

Beifall auch für Auriol

Eine außenpolitische Rede des Staatspräsi­denten Auriol bei der Einweihung der Donzkre-Mondragon-Talsperre, in der sich der Präsident mit deutlicher Bezugnahme auf das Verhältnis zioischen Washington und fionn über die angebliche Zurücksetzung Frankreichs beklagte, wird von der französi­schen Presse mit Beifall quittiert. Die de Gaulle nahestehende ZeitungL Aur o r e schreibt:

Der Präsident hat die richtigen Worte gefun­den, um die Einstellung der Franzosen zu kenn­zeichnen. die gegenwärtig nicht frei .von Bitter­keit ist. Wir haben tatsächlich zur Genüge gehört, daß bestimmte Verbündete ständig das Loblied Deutschlands singen. Wir haben zur Genüge ge­sehen, daß sie die europäische Entwicklung auf ein Wiedererstehen Deutschlands ausrichten. als zählten wir gar nicht mehr mit. Uns verletzt es zutiefst, daß sobald nach Ende des Krieges ein Land, das uns ein weiteres Mal angegriffen hat, so stark gefördert und ermuntert wird.

Verlagerung des Schwerpunkts

Einbruch in UN-Hauptverteidigungslinie SEOUL. An der koreanischen Front verla­gerten die Kommunisten in der Nacht zum Montag plötzlich den Schwerpunkt ihrer An­griffstätigkeit von dem gebirgigen Mittelab­schnitt in das westkoreanische Tiefland. Sie brachen in die Hauptverteidigungslinie der UNO-Streitkräfte ein und besetzten drei Vor­posten, die den Zusammenfluß von Samichon und Imjin und die historische Einfallstraße nach Seoul und Südkorea beherrschen.

Die le^te Woche

Endspurt im amerikanischen Wahlkampf

NEW YORK. Der demokratische Präsident­schaftskandidat Gouverneur Stevenson und sein republikanischer Rivale General Eisenhower gehen nun in die letzte Woche ihres Wahlkampfes. Eisenhower wird zunächst eine Reise durch Pennsylvanien un­ternehmen und anschließend Chicago besu­chen. Möglicherweise wird er auch noch einen zweiten Abstecher nach Kalifornien machen. Stevenson will inzwischen Massachusets, Rhode Island und Connecticut bereisen, während Präsident T r u m a n in mehreren Städten des mittleren Westens, darunter Cincinnati, De­troit, Chicago und St. Louis sprechen wird.

Kampfabstimmuns bei der UN

Jugoslawien in den Wirtschaftsrat NEW YORK. Die Vollversammlung der Vereinten Nationen hat gestern in einer Kampfabstimmung Jugoslawien mit 40 gegen 18 Stimmen als neues Mitglied in den Wirt­schafts- und Sozialrat gewählt. Jugoslawien hatte die Unterstützung der Westmächte, während der Sowjetblock die Tschechoslowa­kei aufgestellt hatte. Jugoslawien siegte im 13. Wahlgang.

BERLIN. Die Aufgabe der Sowjetzonen­CDU besteht ganz eindeutig darin, unter Be­rufung auf das Christentum jene Bevölke­rungskreise der Zone für die kommunistischen Ziele und das offizielle staatliche Programm desAufbaus des Sozialismus zu gewinnen, die sonst keinesfalls dafür zu haben gewesen wären. Als 1945 unter der Förderung der sich damals zunächst noch politisch sehr großzügig demokratisch, tolerant und keineswegs stur kommunistisch gebärdenden sowjetischen Mi­litärregierung in der Sowjetzone die CDU ins Leben gerufen wurde, sammelten sich in ihr (und der LDP) jene politisch interessierten Kreise, die antifaschistisch, aber auch anti­kommunistisch eingestellt waren. Seitdem hat die anfängliche politische Toleranz, die nur Maske und geschickte Taktik war, in der So­wjetzone längst aufgehört und ist der sowje­tischen Diktatur der SED gewichen. Die an­deren Parteien wurden mehr und mehr gleichgeschaltet und ihre Führer müssen die­selben sowjetischen Vokabeln und Phrasen nachplappern, die ihnen die SED alsStaats­partei vorschreibt.

Die Masse der östlichen CDU-Mitglieder kann man auch heute noch als eine geschlos­sene Widerstandsbewegung gegen den Kom­munismus bezeichnen; in engstem vertrautem Kreise ist man sich darüber einig, doch nach außen hin darf man das niemals laut sagen, weil dies unter dem Terror der östlichen Dik­tatur buchstäblich lebensgefährlich wäre. Die Führer der Sowjetzonen-CDU, wie derStellv. Ministerpräsident Otto Nuschke und derAu­ßenminister Dertinger, sind in ihrem Selbst­erhaltungstrieb den Sowjets derart hörig geworden, daß sie sich alsQuislinge die Verachtung ihrer eigenen Parteifreunde zuge­zogen haben, aber es wäre unklug und auch

Gegen Beschränkung von Geschenksendungen nach dem Osten. Wiesbaden. Der Vorstand des Hilfswerk Bruderhilfe Ost hat den Bundes­präsidenten, den Bundeskanzler und den Bundes­tagspräsidenten gebeten, die Weltöffentlichkeit zu einem Protest gegen die von der Sowjetzonen- Regierung angeordnete Beschränkung für Ge­schenksendungen in die Sowjetzone aufzurufen.

Wird auch von Manstein frei? Kiel. Der we­gen Kriegsverbrechen zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilte ehemalige Feldmarschall Erich v. Man­stein hat sich in einer Kieler Augenklinik einer Staroperation unterzogen, für die er im August drei MonateUrlaub auf Ehrenwort erhalten hatte. In Kiel hofft man fest darauf, daß auch v. Manstein, ebenso wie Kesselring, nicht mehr in die Strafanstalt Werl zurückkehren muß.

Ungarischer Ministerpräsident in Osterberlin. Berlin. Auf dem Berliner Ostbahnhof wurde der ungarische Ministerpräsident Matyas Rakosi vom Ministerpräsidenten der Sowjetzonenrepu­blik, Otto Grotewohl, empfangen, der den Besuch Rakosisals historisches Ereignis für die beiden Völker bezeichnete.

Europäisches Jugendparlament im Haag. Den Haag. Prinz Bernhard von Holland eröffnete gestern im Haag die erste Sitzung des euro­päischen Jugendparlaments, das politische und wirtschaftliche Probleme Europas diskutieren wird. Aus der Bundesrepublik sind 18 Teilnehmer er­schienen.

Pinay nach den USA? Paris. Der französi­sche Ministerpräsident Pinay will zu Beginn des nächsten Jahres nach den USA reisen, um mit dem neuen amerikanischen Präsidenten Bespre­chungen über die amerikanische Außenpolitik zu führen, die in den letzten Wochen Gegenstand heftiger französischer Kritik war.

Wieder Überschwemmungen in Oberitalien. Brescia. Tausende von Hektar Land stehen in Oberitalien unter Wasser und Hunderte von Menschen mußten ihre Häuser räumen, als am Wochenende mehrere oberitalienische Flüsse

kaum durchführbar, sie durch andere Partei­führer zu ersetzen, zumal diese keine andere Haltung zeigen dürften.

Bis zu welchem Grade nach dem Willen der sowjetischen Machthaber das Christentum po­litisch mißbraucht und für die östliche Politik eingespannt wird, zeigte überdeutlich der fast gleichzeitig mit der westdeutschen CDU in Berlin abgehaltene Parteitag der Sowjetzonen­CDU. Otto Nuschke erklärte voller Überheb­lichkeit:Die CDU (d. h. die Ost-CDU) ist heute die führende Kraft der fortschrittlichen Christen in aller Welt. Er hatte die Stirn, den Unterschied zwischen der Ost- und West­CDU u. a. mit folgenden Worten zu charak­terisieren:

Nichts verdeutlicht stärker den Unterschied beider Parteien, als die Tatsache, daß bei uns in freier Beratung die inneren und äußeren Probleme erörtert werden, während die 'CDU des Westens einen Parteitag ohne Diskussion veranstaltet. Dadurch wird vor aller Welt deutlich, daß man drüben die deutschen Pro­bleme nicht erörtern, sondern nur uniformierte Meinungen zum Zwecke der großen Verne­belung starten will.

Die Gleichschaltung seiner CDU mit den Zielen der SED suchte Nuschke seinen Par­teifreunden plausibel zu machen mit den Worten:

, Wir Christen bejahen aus innerster Über­zeugung den Kampf für ein besseres Leben... Wir sprechen vom Segen der Arbeit und be­rühren uns in den Ergebnissen mit den Mar­xisten. die aus einer anderen Weltanschauung heraus die gleichen Ziele und Erkenntnisse bekunden... Wir sind eine einschränkungs­los sozialistische Partei... Wir sind für den Sozialismus, weil wir in ihm eine tatchrist­liche Ordnung sehen ... die eine tatkräftige Wirksamkeit der Nächstenliebe ermöglicht.

durch anhaltende Regenfälle stark anschwollen und teilweise über ihre Ufer traten. Verletzte oder Tote hat es bisher offenbar nicht gegeben.

Ex-König Faruk Nachbar des Papstes. Rom. Exkönig Faruk von Ägypten hat in der kleinen Stadt Castel Gandolfo eine Villa mit 40 Zim­mern gemietet. Castel Gandolfo liegt in den Al­baner Bergen, etwa 35 Kilometer südlich von Rom und ist der traditionelle Sommersitz des Papstes.

Amerikanischer Grubenstreik beendet. Wa­shington. Der Präsident der Grubenarbeiter­gewerkschaft der USA, John L. Lewis, hat die Belegschaften der Kohlengruben gestern aufge­fordert, ihren seit einer Woche andauernden Streik zu beenden. Lewis traf diese Entscheidung nach einer vertraulichen Unterredung mit Präsi­dent Truman.

Amerikaner in Indochina. Saigon. Zu fünf­tägigen Lagebesprechungen mit dem französischen Oberbefehlshaber in Indochina traf heute der Oberkommandierende der amerikanischen Pazi­fikflotte, Admiral Radford, in Saigon ein. Rad­ford will sich über die Lage unterrichten, die bei einem möglichen Eingreifen amerikanischer See- und Luftstreitkräfte in Indochina entsteht.

SPD führt in Lindau. Lindau. Die SPD liegt bei den Gemeindewahlen der Stadt Lindau am Sonntag nach Zählung der unverändert abgege­benen Stimmen mit 34,3 Prozent an der Spitze, gefolgt von der CSU und der Bürgergruppe. Ein endgültiges Ergebnis unter Berücksichtigung der veränderten Stimmzettel liegt noch nicht vor.

Kesselring übernimmt Präsidentenamt beim Stahlhelm. Köln. Generalfeldmarschall a. D. Albert Kesselring hat Vertretern des Bundesvor­standes desStahlhelm mitgeteilt, daß er das ihm übertragene Amt des Präsidenten desStahl­helm ausüben werde, sobald er dazu gesund­heitlich in der Lage sei.

Ibanez Präsident von Chile. Santiago. Der chilenische Kongreß wählte den 75jährigen Ge­neral Carlos Ibanez zum neuen Präsidenten von Chile für die Zeit von 1952 bis 1958.

Die Lohnsteuer-Pauschbeträge

Vereinfachtes Verfahren in einigen Ländern

BONN. Die Finanzbehörden mehrerer Bundes­länder wollen, um das Verfahren bei der Lohn­steuer zu vereinfachen, bestimmte steuerfreie Pauschbeträge schon vor der Aushändigung der Lohnsteuerkarte 1953 auf Grund der bei den Finanzämtern vorhandenen vorjährigen Unter­lagen eintragen. So werden z. B. Vertriebene, Totalgeschädigte und Körpergeschädigte in diesen Ländern auf ihrer neuen Lohnsteuerkarte bereits den für sie in Betracht kommenden steuerfreien Pauschbetrag eingetragen vorfinden. Ein beson­derer Antrag beim Finanzamt entfällt dann. Durch dieses Verfahren soll das in den letzten Jahren um die Jahreswende beobachtete Schlan­genstehen vor den Lohnsteuerstellen und Fi­nanzämtern vermieden werden. In den Bundes­ländern, in denen dieses vereinfachte Verfahren aus organisatorischen Gründen noch nicht möglich ist, muß die Eintragung zwar nach wie vor beim Finanzamt beantragt werden, doch soll ein per­sönliches Erscheinen nicht mehr erforderlich sein. Der Antrag kann auf einem Formblatt schriftlich gestellt werden, bei größeren Betrieben können die Anträge gesammelt eingereicht werden. Die Formblätter sind bei den Finanzämtern erhältlich.

Angriff auf die Getränkesteuer

Die unsozialste aller Steuern

BERLIN. Anläßlich der Eröffnung der dritten Bundesfachschau für das Hotel- und Gaststätten­gewerbe, die zurzeit in Berlin stattfindet, setzte sich Innungsobermeister Zellermayer für eine baldige Aufhebung der 20prozentigen Ge­tränkesteuer ein, die erdie unsozialste aller Steuern nannte. Auf der Ausstellung, die zum ersten Male nach dem Kriege wieder in Ber­lin veranstaltet wird, zeigen 151 Firmen au» Westberlin, 104 aus dem Bundesgebiet sowie 3 aus dem Ausland Artikel, Geräte und Zubehör des Hotel- und Gaststättengewerbes. Das Bun­desernährungsministerium ist mit einer Sonder­schau vertreten, die deutsche Weinwerbung hat einen Weinbrunnen aufgestellt.

Weiterhin steigende Kohlenförderung

Tagesdurchschnitt 412 698 t

ESSEN. In.der Woche zum 26. Oktober wurden in der Bundesrepublik 2 476 190 Tonnen Stein­kohlen gefördert (Vorwoche 2 471 171). Die durch­schnittliche Tagesförderung stieg von 411 862 auf 412 698 Tonnen.

Günstige Entwicklung der Volksbanken

Wachsende Spareinlagen und Kredite

STUTTGART. Die Spareinlagen bei den würt- tembergischen Volksbanken haben sich von 'Ja­nuar bis September 1952 um 18 Mill. DM auf 98 Mill. DM erhöht, womit der Gesamtzuwachs des Jahres 1951, der 11 Mill. DM betragen hatte, be­reits namhaft überschritten ist. In der gleichen Zeit ist das Kreditvolumen um 52 Mill. DM auf 280 Mill. DM angestiegen. Dies verdient nach Feststellung des württembergischen Genossen­schaftsverbandes um so mehr Beachtung, als die Milliardenbeträge der öffentlichen Hand nach wie vor fast ausschließlich bei den öffentlich- rechtlichen Kreditinstituten ständen und ein er­heblicher Teil der Betriebsmittel in den Aus-_ gleichsforderungen festliege. ~

Das Handwerk ist unzufrieden

Betriebsmittelkredite blieben aus

STUTTGART. Nach Mitteilung des württem­berg-badischen Handwerkstags, Stuttgart, ist di« Unzufriedenheit im Handwerk über die hoh« steuerliche Belastung einerseits und über da* Ausbleiben von verbilligten und langfristigen Betriebsmittelkrediten andererseits sehr groß Die Kreditnot wirke sich um so schärfer aus, als die Außenstände des Handwerks sich immer mehr vergrößerten und so das Handwerk zum Bankier seiner Kundschaft werde.

Für die Errichtung einer Unternehmeraka­demie als Aus- und Fortbildungsstätte für den Unternehmernachwuchs und zur Vertiefung des un­ternehmerischen Gedankens hat sich der Vorstand der Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer, Bonn, ausgesprochen.

Der Postanweisungsdienst des Bundes­gebietes mit den britischen Uberseegebieten (Kolo­nien) Protektoraten, Mandatsgebieten, und Schutz­staaten wird ab 1. November wieder aufgenommen.

Kleine Weltchronik

w/p:

ROMAN VON H. R LARSE N

Copyright by Dr. Paul Herzog, Tübingen durch Verlag v. Graberg & Görg, Wiesbaden

(28. Fortsetzung)

Als Susanne schließlich, nach einem Ab­schied, wie er so schnell zwischen ihnen bei­nahe überhaupt noch nicht vorgekommen ist, daheim ist, und der Vater bald kommt, geht es doch wahrhaftig mit diesem Gift­schrankschlüssel schon wieder los.

Du, sagt der Vater, der sonst nie in seiner Familie von dienstlichen Dingen spricht, du hast doch da neulich abends von einem verloren gegangenen Giftschrankschlüssel in der Apotheke von Gonterberg erzählt, erinnere dich mal, wie war denn das?

Gott, sagt Susanne ärgerlich,,sie hatten wohl den Schlüssel eine Weile verlegt, aber am nächsten Tage war er schon wieder da. Warum fragst du denn?

Ach, nur so, sagt der Vater,es fiel mir gerade ein.

Ich weiß natürlich genau, warum du fragst, denkt Susanne, und sie sagt es dem Vater auch.

Herbert hat heute abend auch dauernd von dem Giftschrankschlüssel phantasiert, erzählt sie.Er denkt, daß es ganz bestimmt eine Frau gewesen ist, die Dr. Burgdorf ver­giftet hat.

So, denkt er das... Vater Berndt hat gar keine Lust, das Gespräch fortzusetzen. Mehr als die Tatsache von dem vorübergehend verschwunden gewesenen Schlüssel weiß das Mädchen ja doch nicht. Er wird morgen früh zu dem Apotheker Gonterberg gehen und ihm mal sehr genau auf den Zahn fühlen, was es eigentlich mit diesem Schlüssel für eine Be­wandtnis hat. Vielleicht kommt er schneller zu einem Ergebnis, als der Kriminalrat Hopfner ahnt. Das wäre!

Und Herr Berndt träumt die kurze Zeit, die er noch aufbleibt, von einem aufsehenerregen­

den kriminalistischen Erfolg. Die kleine Stadt biete ja nie eine Gelegenheit, sich in einer be­sonderen Weise hervorzutun. Vielleicht gelingt es hier, und man wird wegen Tüchtigkeit ver­setzt ... in die Hauptstadt!

Und mit diesem Traum schläft er eine Stunde später ein.

*

Schon vor 8 Uhr morgens -hat Kriminalrat Hopfner am nächsten Tage in der Villa Burg­dorf angeläutet und auf diese Weise schon am Fernsprecher die Bekanntschaft mit dem As­sessor Hans Burgdorf gemacht. Der Kriminal­rat scheint erfreut, einen Helfer aus dem Kreise der Familie gefunden zu haben, und dem Wunsche des angehenden Staatsanwaltes, in der Aufklärung mitarbeiten zu dürfen, stimmt er ehrlich zu. Hopfner kennt keine Berufseifersucht. Ihm geht es nur um die Sache.

Aber der Zweck seines Anrufes war ein an­derer:Ich wollte eigentlich bitten, sagt er, daß jemand zu Dr. Aiwa hinaufgeht und ihn bittet, im Hause zu bleiben, bis die Polizei eingetroffen ist. Wenn es Ihnen angenehm ist, fügt er hinzu,schicke ich einen Beamten, ich möchte aber auf keinen Fall, daß mir der Herr heute wieder durch die Lappen geht.

Dann kommen Sie doch bitte zuerst zu mir, ich habe da noch eine Neuigkeit für Sie, Herr Kriminalrat. Ja, sicher, sehr interessant. Nein, lassen Sie nur, ich werde ihn selbst benach­richtigen.

Und Hans Burgdorf geht hinauf zu Dr. Aiwa. Der Chemiker ist schon vollständig angezogen, wie zum Ausgang bereit. Als Burgdorf den Auftrag der Polizei überbracht hat, macht er ein ärgerliches Gesicht.

Das trifft sich ungünstig, sagt Dr. Aiwa, ich wollte eben in einer dringenden Sache Weggehen. Aber nun werde ich natürlich war­ten.

Eine knappe Stunde später sind die Beamten wieder in der Villa und betreten zunächst die Wohnung Burgdorfs.

Wir hatten gestern abend noch Besuch, berichtet Hans Burgdorf.Dr. Aiwa war hier und bezahlte eine Schuld von zehntausend

Mark, die er an meinen Vater hatte. Er wollte einen Schuldschein zurückhaben, aber...

. den habe ich! lacht Hopfner grimmig.

Ist ja sehr interessant. Sieh mal an. Wollen Sie mit raufgehen, Doktor?

Gern.

Dann kommen Sie.

Die drei Herren steigen schweigend die Trep­pen hoch, Hopfner klingelt, lang und kräftig. Die Tür öffnet sich sofort.

Kriminalpolizei, sagt Hopfner förmlich und weist seine Marke vor.Wir möchten Sie einen Augenblick sprechen.

Bitte.

Dr. Aiwa scheint heute die Ruhe selbst. Der Besuch kommt ihm ja nicht überraschend. Er geht den Herren voran in sein Arbeitszimmer. Hopfner blickt verwundert um sich. Das sieht hier alles sehr sauber und ordentlich aus. Der Schreibtisch ist geräumt, offenbar ist hier in der Zwischenzeit von einer fürsorglichen Hand gründlich aufgeräumt worden. Nun, das ist leider nicht mehr zu ändern.

Es handelt sich, beginnt Hopfner freund­lich, ohne freilich den Chemiker auch nur einen Augenblick aus den Augen zu lassen,nur um ein paar Auskünfte, die wir von Ihnen erbitten müssen. Sie waren mit D~ Burgdorf befreun­det?

Befreundet wäre zuviel gesagt. Wir waren bekannt."

Nun, wir wollen die Worte nicht auf die Goldwaage legen. Jedenfalls hat er Ihnen zehn­tausend Mark geliehen. Darüber sprechen wir noch. Wie lange wohnen Sie hier?

Es werden jetzt sieben oder acht Monate werden.

Und wo waren Sie vorher?

Ich lebte in X in Württemberg.

Ein weiter Weg bis hierher. Sie sind aus bestimmten Gründen hierher umgesiedelt? Ich wollte hier in Ruhe meinen Forschungen nachgehen.

Die rechte Hand Dr. Alwas liegt auf dem Tisch, an dem die Herren sitzen. Sie hat sich fest zur Faust zusammengekrampft.

Sie wohnen über Dr. Burgdorf, fährt Hopfner fort.Sie sind auch viel zu Hause ... immer fast? Umso besser. Dann können Sie

uns auch sicherlich sagen, ob Dr. Burgdorf viel Besuch hatte, ob nachts Betrieb bei ihm war, vielleicht auch, wer zu ihm kam, wissen Sie darüber etwas?

Ich habe ja nicht den ganzen Tag und abends und nachts am Fenster gesessen. Außerdem habe ich mich grundsätzlich nicht um diese Dinge gekümmert. Ebensowenig, wie ich wünschte, daß mich jemand kontrolliert oder beobachtet, tat ich das gegenüber einem anderen.

Mein Gott, sagt Hopfner in seinem jovial­sten Ton,ich will Sie ja zu keinen Denunzia­tionen verleiten, ich will einen Mord aufklären, verehrter Herr, und dazu brauche ich Ihre Hilfe, ist Ihnen das klar? Also, Sie werden doch wohl mal jemanden gesehen oder was gehört haben, das ist doch, wenn man so dicht beieinander wohnt, selbstverständlich . . .

Dr. Alwas rechte Hand öffnet und schließt sich wieder, daß das Weiße der Fingerknöchel erscheint.

Hin und wieder war noch spät abends unten Musik ... ich nahm an, daß Dr. Burgdorf mit Freunden musiziert. .

Oder mit Freundinnen, wie?

Hopfner wirft einen um Entschuldigung bit­tenden Blick auf Hans Burgdorf, der ihn aber gar nicht sieht, weil ihn der Anblick Dr. Alwas ganz in Anspruch nimmt. Dessen Gesicht mit den vorspringenden Backenknochen ist ganz lauernde Wachsamkeit. Diesen Mann, denkt Hans Burgdorf, wird man nicht leicht fangen.

Jetzt sagt er, wie gleichgültig, die Achseln zuckend:Nicht daß ich wüßte..

So, jetzt schnaubt Hopfner, was bei ihm ein schlimmes Zeichen ist,Sie wollen also sagen, daß Sie nie eine Frau die Wohnung Dr. Burgdorfs betreten sahen ..?

Nie.

Das ist eisern gesagt, mit eiserner Stirn ge­logen, denkt Hopfner. Warum lügt der Kerl bei dieser Frage so hartnäckig, die ihm doch wahrhaftig selbst nicht das geringste schaden kann?

Hopfner wechselt das Thema. Sein Ton ist allmählich schärfer geworden und nimmt jetzt eine fast aggressive Form an.

(Fortsetzung folgt) ,