SAMSTAG. 27. SEPTEMBER 1952

Nicht anti-arabisch

Israel Wiedergutmachung eine andere Sache Drahtbericht unserer Bonner Redaktion BONN. Nachdem ein Vertreter Syriens vor Unterzeichnung des deutschen Wiedergutma­chungsabkommens mit Israel gegen diese Ver­träge protestiert hatte, betonte das regierungs­amtlicheBulletin am Freitag, daß die Bun­desrepublik natürlich in keiner Weise wün­sche, mit diesen Verträgenetwa Politik ge­gen mit ihr befreundeten arabischen Ländern zu betreiben. Die Wiedergutmachung der Bundesrepublik an Israel sei eine Sache, und die Politik der guten Beziehungen Deutsch­lands zu den arabischen Ländern sei eine an­dere Sache. In diplomatischen Kreisen wird dieser Äußerung mit Hinblick auf den bevor­stehenden Besuch einer arabischen Delegation in Bonn Bedeutung beigemessen. Der Delega­tion. die die deutsch-arabischen Beziehungen mit der Bundesrepublik erörtern will, wird neben einem Vertreter Syriens und dem künf­tigen ägyptischen Botschafter in Bonn auch ein Vertreter des Irak angehören.

Mahdi fordert Selbständigkeit

Sudan-Frage wieder aktuell LONDON. Die Sudan-Frage, dasheiße Eisen in den britis.ch-ägyptischen Beziehun­gen, ist mit dem Besuch des 67jährigen gei­stigen Führers der sudanesischen Unabhängig­keitsbewegung, Abdel Rahmanel-Mahdi Pascha, in London wieder in den Vorder­grund des politischen Interesses getreten. Ver­handlungen mit Außenminister Anthony Eden über die Zukunft des Sudans sind, wie der Mahdi vor der Presse bekanntgeben ließ, Hauptzweck seines Besuches. Mahdi fordert, daß der Sudan bis Ende des Jahres selbstän­dig ist.

Eine Reihe bedeutsamer Maßnahmen wur­den in den Morgenstunden des Freitag vom ägyptischen Kabinett in Kairo beschlossen. Alle Häfen und Flughäfen des Landes wur­den zu Sperrgebieten erklärt. Ein oberster Ausschuß zur Durchführung der Bodenreform, dessen Einsetzung beschlossen wurde, hat über die Enteignung von etwa 400 000 Hektar Land zu wachen. Außerdem wurden 453 Offiziere von Armee, Luftwaffe und Marine, fünf ägyp­tische Botschafter und Gesandte sowie zahl­reiche hohe Ministerialbeamte in den Ruhe­stand versetzt. Nach einem weiteren Beschluß der Regierung wird die Zahl der. offiziellen ägyptischen Feiertage auf die Hälfte reduziert.

Stevenson wird angegriffen

Wahlkampfmethoden in den USA NEW YORK. Im amerikanischen Wahlkampf haben die Republikaner, deren Vizepräsident­schaftskandidat Nixon von den Demokraten der Korruption verdächtigt worden war, zum Gegenschlag ausgeholt und den demokrati­schen Präsidentschaftskandidaten Adlai Ste­venson gleichfalls der Entgegennahme von privaten Geldern bezichtet.

General Eisenhower, der republikani­sche Präsidentschaftskandidat, hat sich am Donnerstag in einer Wahlrede für einreali­stisches Rüstungsprogramm ausgesprochen, das den taktischen Bedürfnissen und den wirt­schaftlichen Gegebenheiten Rechnung tragen müsse.

Debatte über Aktionsprogramm Zur^ 1 " 886 "

Sozialplan mit Gesundheitsfürsorge für jeden und Wohnungen für alle

ROMAN VON H. R LARSEN

DORTMUND. Dem Dortmunder Parteitag der SPD wurde gestern das Aktionsprogramm der Partei, das die sozialdemokratischen Ziele und Grundsätze für das kommende Wahljahr umreißt, offiziell vorgelegt. Der Bundestags­abgeordnete Willi E i c h 1 e r erklärte in einem längeren Bericht über das Programm, es um­fasse die Ziele, die in absehbarer Zeit von der Sozialdemokratischen Partei in die Tat umgesetzt werden sollten.

Schwergewicht des Aktionsprogramms liegt auf den Thesen zur Innenpolitik. Außenpoli­tisch wird als das oberste Ziel der SPD die Sicherung des Weltfriedens bezeichnet. Für eine Neugestaltung Europas als Gemeinschaft gleichberechtigter Völker wünscht die SPD denfortschreitenden Aufbau der national­staatlichen Souveränität. Innerhalb dieser Vorstellung wird die friedliche Wiederherstel­lung der deutschen Einheit und Freiheit als vordringlichste Aufgabe bezeichnet.

Zum Mitbestimmungrecht in der Wirtschaft verlangt die SPD die paritätische Besetzung der Aufsichtsorgane. Vollbeschäftigung, Aus­bau der Grundstoffindustrien, Lenkung des Anlagekapitals vor allem für den Wohnungs­bau und Abbau der Handelsschranken sind u. a. allgemeine wirtschaftliche Thesen. Die Bodenreform soll als Bundesgesetz vereinheit­licht werden. Für das Handwerk legt das Pro­gramm einen gesetzlich gesicherten Befähi­gungsnachweis fest. Nach einer kritischen Aus­einandersetzung mit der gegenwärtigen Form der Sozialversicherung fordert die SPD u. a. einen Sozialplan mit vorbeugender Gesund­heitsfürsorge, ausreichende Renten und wirt­schaftliche Sicherung während der Gesamt­dauer einer Krankheit.

Für das Zielgesunde Wohnungen für alle soll eine vom öffentlichen Haushalt unabhän­gige Einnahmequelle für den sozialen Woh­nungsbau geschaffen werden.

Kleine Weltchronik

Copyright by Dr. Paul Herzog, Tübingen durch Verlag v. Graberg & Görg, Wiesbaden

(2. Fortsetzung)

Herbert bleibt stehen, dreht sie zu sich her­um. Ganz dicht stehen ihre Gesichter vorein­ander, und ihre Augen suchen in sich das Licht, das ln ihren Herzen blüht.

Langsam legt sie ihre Arme um seinen Hals und zieht sein Gesicht noch näher an das ihre, so daß sich ihre Wangen berühren. Ihre Lippen finden sich. Dieser abendliche Kuß ist ihr Glück.

Er währt sehr lange. Dann bringt Schell- mann das Mädchen nach Hause. Susannes Vater, der Kriminalinspektor Berndt, ist ein strenger Mann. Seine Töchter müssen um 8 Uhr abends spätestens zu Hause sein. Der Sittenkodex, der ungeschriebene, der kleinen Stadt will es so. Wenn der Herr Bräutigam dann noch etwas will, darf er ins Haus kom­men und mit am wohlanständigen Familien­tisch sitzen, bis 10 Uhr spätestens. Es waren noch andere Zeiten.

Als Susanne heute nach Hause kommt, ist es eine Viertelstunde später. Der Vater sitzt am Tisch und liest die Zeitung. Er runzelt die Stirn, als sie eintritt, die jüngere Schwe­ster, mit einer Näharbeit beschäftigt, lächelt verstecht, die Mutter wagt nicht aufzusehen.

Es ist viertel neun, sagt der Vater betont.

Ja, Susanne spricht mit leiser, atemloser Stimme,Herbert hatte sich etwas verspätet. Sie haben in der Apotheke den Giftschrank­schlüssel verlegt. Ste konnten ihn nicht mehr finden, er ist verschwunden.

Was so alles passiert", sagt der Vater. Man kann aus den paar Worten nicht her­aushören, ob er die Ausrede glaubt oder sie eben für eine Ausrede hält.

Morgen früh wird die Mutter die interes­sante Geschichte von dem verschwundenen Giftschrankschlüssel ihrer Nachbarin erzählen.

Volkskammer-Delegationsempfang hoffnungs­vollstes Ereignis. Freiburg. Den Empfang der Volkskammer-Delegation in Bonn bezeich- nete Kirchenpräsident Martin Niemöller in Frei­burg alsdas Hoffnungsvollste, was in diesem Jahr passiert ist. Niemöller sagte, man sollte sich bemühen, die Gespräche fortzusetzen.

Lkw rast in Zug hinein. Rotenburg. Ein schwerer Zusammenstoß zwischen einem Last­kraftwagen und einem Personenzug in Roten­burg bei Bremen forderte am Freitagmorgen zwei Todesopfer. Der Lastkraftwagenfahrer hatte das rote Warnlicht an dem unbeschrankten Übergang nicht beachtet und war in voller Fahrt gegen die Lokomotive des Zuges gefahren.

Europäische Verfassung. Koblenz. Die Ver­sammlung derEuropäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl hat dem Wunsch der Außen­minister der sechs Schumanplanstaaten entspro­chen und begonnen, bis zum 10. März 1953 den Entwurf zu einer europäischen Verfassung aus­zuarbeiten. Im 'Rheinischen Merkur versucht Staatsminister a. D. Süsterhenn ein entspre­chendes Statut zu skizzieren.

Adenauer eröffnet Gemeindewahlkampf. Bonn. Bundeskanzler Dr. Adenauer wird am 2. Ok­tober den Wahlkampf der CDU für die bevor­stehenden Gemeindewahlen in Nordrhein-West­falen, in Niedersachsen und Schleswig-Holstein, in Bonn eröffnen.

Dr. Oppler Gesandter in Island. Bonn. Die Regierung der Republik Island hat für den Ge­sandten der Bundesrepublik Deutschland in Reykjavik, Dr. Kurt Oppler, das Agreement er­teilt. Dr. Oppler wird seine Ausreise in Kürze antreten.

Schüler-Flaggenparade mit Waffen. Berlin. In der Ostberliner Kant-Oberschule in Karls­horst wurde der Unterricht zu Beginn dieser Woche mit einer Flaggen-Parade eröffnet, bei der zwei Mädel und zwei Jungen der kommu­nistischen FDJ mit Karabinern bewaffnet die Fahne flankierten. Wie verlautet, soll die Flag­genparade in dieser Form jeden Montag ver­anstaltet lind künftig auch an den änderen Ost­berliner Schulen eingeführt werden.

Volkskammer einberufen. Berlin. Die Volks­kammer der Sowjetzone ist für Mittwoch und Donnerstag kommender Woche zu ihren nächsten

Lotte, Susannes Schwester, wird sie im Ge­schäft berichten. Sie ist Verkäuferin im Wa­renhaus. Der Vater wird sie am Morgen ver­gessen haben.

Aber trotzdem: langsam sichert die Ge­schichte von dem verschwundenen Gift- schrankschlüssel durch die kleine Stadt, die hungrig ist nach jeder Neuigkeit.

*

Die Villa des Dr. Otmar Burgdorf liegt am Rande der kleinen Stadt, an einem Hügel, von Bäumen umstanden, in einem etwas ver­wilderten Park, Ein graues, viereckiges, gro­ßes Gebäude mit flachem Dach. Hier bewohnt derberühmte Schriftsteller, wie er in der Stadt genannt wird, das untere Stockwerk ganz allein. Eine alte Frau hält die Zimmer in Ordnung, von denen wohl einige gar nicht benutzt werden. Die Leute haben sich schon den Kopf zerbrochen, was der Mann allein in den vielen Zimmern macht. Vielleicht will er heiraten? Freilich, was man über seinen Le­benswandel sich zuflüstert und an den Fa­milien- und an den Stammtischen darüber tuschelt, ist nicht geeignet, diese Vermutung wahrscheinlich zu machen. Zweifellos ist Dr. Burgdorf ein Liebling der Frauen. Sie schwärmen von ihm. Ein seltsamer, locken­der Nimbus umgibt seine etwas geheimnis­volle Gestalt.

An diesem Abend ist spät in seinem Ar­beitszimmer noch Licht. Man sieht es von außen durch einen schmalen Spalt schimmern, den die Vorhänge vor dem breiten Fenster offen gelassen haben. Im Zimmer ist eine wohlige Wärme.

Dr. Burgdorf sitzt in einem tiefen Leder­sessel und betrachtet nachdenklich die junge Dame, die ihm an dem runden Tisch in der Kaminecke gegenübersitzt. Er ist ein großer, stattlicher Mann von vielleicht fünfzig Jahren. Sein kühnes Gesicht mit der schmalen, ge­bogenen Nase und den dünnen Lippen wird belebt durch zwei große, dunkle Augen, die feurig und jung sind und in einem seltsamen Kontrast stehen zu seinem Haar: das dichte, seidenweiche, lockere Haar des Dr. Burgdorf ist schneeweiß. In seinem Gesicht aber ist

Sitzungen einberufen worden. Sie wird einen Be­richt ihrer nach Bonn entsandten Delegation ent-

f egennehmen und darüber eine Aussprache Uhren.

Berliner Morgenpost wieder da. Berlin. DieBerliner Mörgenpost, einst die Zeitung mit der höchsten Auflage Deutschlands, ist gestern im Ullstein-Verlag erstmalig wieder erschienen. Bürgermeister Emst Reuter begrüßte sie als ein Zeichen dafür,daß Berlin wieder kommt.

Kränze über Seemannsgrab. Toulon. Frank­reich trauert um die 48 Matrosen des verloren­gegangenen U-BootesSibylle". Flugzeuge der Marineluftwaffe warfen über der vermutlichen Unglücksstelle Kränze als letzten Gruß für-ihre Kameraden ab.

De Gasperi in Rom. Rom. Der italienische Ministerpräsident de Gasperi traf am Donnerstag­abend mit seinem Gefolge von dem viertägigen Staatsbesuch der Bundesrepublik auf dem römi­schen Hauptbahnhof ein. wo ihm ein herzlicher Empfang bereitet wurde.

Trygve Lie will zurücktreten. New York. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Trygve Lie, hat sich entschlossen, nach Ablauf seiner Amtsperiode am 1. Februar 1954 nach Norwegen zurückzukehren. Sein Nachfolger soll im kommenden Jahr auf der Vollversammlung gewählt werden.

Weltfriedenskonferenz in Peking. New York. In der Hauptstadt des kommunistischen China wird heute in Anwesenheit von Delegierten aus 30 Staaten die erste große kommunistischeFrie­denskonferenz dieses Jahres eröffnet.

Vulkan schluckt Schiff. Tokio. Wie die ja­panischen Behörden gestern mitteilten, ist das 210 Tonnen große japanische Beobachtungsschiff Kayo Maru mit 31 Personen an Bord dem Strudel eines unterseeischen Vulkans zum Opfer gefallen.

Entschädigung für Fischereigewässer

Stuttgart. Ein Beauftragter des amerikani­schen Hauptquartiers in Heidelberg übergab am Freitag 62 000 DM dem badisch-württembergi- schen Landwirtschaftsminister Friedrich Her­mann zur Aufstockung der geschädigten Fische­reigewässer.

Straßburger Plan angenommen

STRASSBURG. Die Beratende Versamm­lung des Europarates billigte am Freitag nach der Debatte über sozialpolitische Fragen die Bildung einesSozialausschusses, der die So­zialfürsorgegesetze Europas weitgehend koor­dinieren und die Benachteiligung von Auslän­dern im Arbeitsprozeß ausschalten soll. Fer­ner billigte die Versammlung die künftige Zusammenarbeit des Europarates mit dem In­ternationalen Arbeitsamt (ILO) in sozialen Angelegenheiten.

Mit überwältigender Mehrheit wurde der Straßburger Plan, der die Erschließung al­ler Rohstoffquellen in den überseeischen Ge­bieten, die Schaffung einer europäischen Bank zur Finanzierung dieses Vorhabens und die 'Einführung von Vorzugzöllen zwischen dem britischen Commonwealth und Europa vorsieht, angenommen. Auch Staaten, die kei­nen Kolonialbesitz haben, sollen in Übersee­gebieten Unternehmungen gründen können.

Waffenstillstand möglich?

Mexikos Koreaplan

MEXIKO CITY. Nach einem Plan des mexi­kanischen Präsidenten A 1 e m a n für eine Be­schleunigung der Waffenstillstandsverhand­lungen in Korea soll die hartnäckig um­kämpfte Frage der freiwilligen oder zwangs­weisen Repatriierung der chinesischen und nordkoreanischen Kriegsgefangenen dadurch gelöst werden, daß die nichtrückkehrwilligen Gefangenen in den Ländern der Vereinten Nationen Aufnahme finden.

Der französische Staatssekretär des Äuße­ren, Maurice Schumann, der zu Bespre­chungen mit Frankreichs latein-amerikani­schen Diplomaten in der mexikanischen Haupt­stadt eingetroffen ist, teilte gestern mit, daß Frankreich den Plan gutheiße undnach- drücklichst unterstützen werde.

Amerikanische Superfestungen und mittel­schwere Bomber der UN-Luftstreitkräfte grif­fen gestern vor Sonnenaufgang in Nordkorea wichtige Ziele an.

Auf einer republikanischen Wahlversamm­lung in Washington gab der republikanische Senator J e n n e r bekannt, das amerikanische Außenministerium bemühe sich gegenwärtig intensiv um den Abschluß eines Waffenstil- standes noch vor dem 15. Oktober.

Eindrucksvolle Leistungen

OperationGroßrahe abgeschlossen

OSLO. Nach dem Abschluß des zwölftägigen ManöversGroßrahe im skandinavischen Kü­stengebiet hat gestern die dreitägige Kritik und Auswertung dieser gewaltigen Übung von 200 Kriegsschiffen, fast 1000 Flugzeugen und 80 000 Mann von acht Nato-Nationen begon­nen. An der heutigen Lagebesprechung wird auch General R i d g w a y teilnehmen.

Nato-Oberfehlshaber im Nordatlantik, Ad­miral McCormick, sprach gestern von wirklich eindrucksvollen Leistungen der Übung, deren Zweck die Erprobung des Kom­mandoapparates gewesen sei. Dieser habe nach Ansicht des Nato-Oberbefehlshaber in Nordeuropa, Admiral Sir Patrick B r i n d, ein­wandfrei funktioniert.

kaum eine Falte. Er sieht faszinierend gut aus. Die Eleganz seines dunklen Anzuges er­höht den Reiz, der zweifellos von seiner star­ken Persönlichkeit ausgeht.

Es ist spät geworden, Luzie", sagt er leise zu der jungen Dame, die in sich versunken vor sich hinstarrt.

Jetzt schreckt sie auf. Ihr Gesicht wendet sich ihm zu. Es ist ein schönes, ein leiden­schaftliches Gesicht.

Du denkst an meinen Mann, Otmar. Du sollst nicht an meinen Mann denken! Du sollst nur an mich denken. Mein Mann ist tot für mich . . .

Dr. Burgdorf hebt beschwichtigend die Hand.

Ich meine es nur gut mit dir, Luzie. Es ist besser, eine Sache ins reine zu bringen, alles klarzumachen, ehe man handelt.

Ist nicht alles klar?

Doch . . ."

Also. Dann ist es an dir, zu handeln. Aber du zögerst und zögerst. Du brauchst es mir doch nur zu sagen, wenn du mich nicht mehr liebst! Er lächelt vor sich hin, über seine großen Augen fallen halb die schweren Lider.

Sie sieht plötzlich auf und, sich an ihn schmiegend, legt sie beide Arme um seinen Hals.

Und du wirst mich nicht im Stich lassen. Otmar . . .?

Aber Luzie ..."

Er hebt die Hand und streicht ihr beruhi­gend über die dunklen, glänzenden Haare. Sein Gesicht ist verschlossen. Sie betrachtet es aufmerksam. Nie weiß man, denkt sie, was er wirklich meint und empfindet. Sie weiß, sie hat alles auf eine Karte gesetzt* Sie liebt diesen Mann. Sie glaubt es wenigstens.

Otmar, sie spricht fast in sein Ohr, durch dich habe ich ja erst begriffen, wie jammervoll eng und sinnlos mein Leben bis­her in dieser Stadt war. Ich bin doch jung! Ich will doch etwas haben von meinem Le­ben! Ich will doch einmal hinaus in die große Welt! Ich bin ja hier so hungrig geworden nach Glück und Liebe. Begreifst du das nicht? Du hast es mir versprochen, daß du mich auf deine nächste Reise mitnimmst. Aber

wenn ich dich frage: Wann reist du? Wann fahren wir? Dann hast du Ausflüchte, Ver­tröstungen. Ich will keine Ausflüchte mehr!

Und Burgdorf fühlt, wie ihr ganzer Körper in einem leidenschaftlichen Aufruhr zittert.

Otmar, wenn du nicht Wort hältst, wenn du . . . nein, ich wül es nicht ausdenken, ich wüßte nicht, was dann geschähe . . . stößt Luzie heftig hervor.

Wieder fährt die Hand des Mannes be­ruhigend über ihre Haare. Langsam tastet sie sich zur Wange herunter, die glüht.

Du mußt noch ein paar Tage Geduld haben, Luzie. Ich erwarte hier noch einen Besuch. Dann werden wir weiter sehen.

Hängt davon so viel ab?

Vielleicht . . .

Sie sieht ihm in die Augen. Er bemüht sich, ihren forschenden Blick zu ertragen.

Wenn ich in dein Herz sehen könnte, Otmar.

Er lächelt. Aber wie er sich ihrem Blick entzieht, hat er einen schrecklichen Gedanken. In ihren Augen steht wirklich ein Feuer, ein kaltes, grelles Feuer. Ist das Liebe? denkt er. Oder ist das . . . der Tod?

Behutsam macht er sich von ihr frei, ihn fröstelt plötzlich. Er beugt sich zum Kamin herunter und legt noch zwei Scheite Holz auf die rote Glut. Ein paar bläuliche Flammen zucken auf.

Geh jetzt, Luzie, sagt er leise, behutsam. Und um es ihr leichter zu machen, nimmt er ihren Kopf in seine beiden starken Hände und küßt sie.

Jeder Tag, den ich noch so leben muß, ist für mich eine namenlose Qual, sagt sie.Das scheinst du nicht zu begreifen.

Sie macht sich schnell frei und geht zur Tür. Er folgt ihr. Sein Gesicht verrät nichts von seinen wahren Gefühlen.

Im Korridor hilft er ihr in den Pelz. Sie setzt ihren kleinen Hut auf und ordnet vor dem Spiegel ihre Haare.

Ich rufe dich morgen an . . . Sie reicht ihm die Hand.

Ich werde dich noch ein Stück begleiten.. (Fortsetzung folgt)

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