HEIMATBLATT FÜR STADT UND LAND
CALWER ZEITUNG
MONTAG, 11. AUGUST 1952
ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG
8. JAHRGANG / NR. 143
Adenauer: Nur Saarbevölkerung kann über die Saar entscheiden
Aussichten „völlig offen“ / „Jetziger Landtag wird nicht anerkannt“
König Tala l von Jordanien, ältester Sohn des ermordeten Königs Abdullah, der — vermutlich wegen seines Nervenleidens — nach Berichten aus Beinit heute oder morgen auf seinen Thron verzichten wird Foto: ap
LUXEMBURG. Bundeskanzler Adenauer hat am Vorabend des Arbeitsbeginns der Montanunion erklärt, über die Zukunft der Saar könne nur die Saarbevölkerung selbst durch eine wirklich freie Volksvertretung das letzte Wort sprechen. Die Montanunion werde aber die Saarfrage wenigstens von der wirtschaftlichen Seite her entgiften. Gleichzeitig äußerte sich der französische Außenminister Robert S c h u m a n optimistisch, aber unverbindlich über die Lösung der Saarfrage. t
In Interviews, die beide Staatsmänner am Samstag dem- christlich-sozialen „Luxemburger Wort“ zum Zusammentritt der Hohen Behörde des Schumanplans gewährten, stellte vor allem Adenauer die Saar in den Vordergrund.
Nachdem der Kanzler hervorgehoben hatte, daß die provisorische Wahl Luxemburgs die Saarverhandlungen nicht erleichtere, da die Saarfrage „mit dem Schumanplan an sich nichts zu tun“ habe, bezeichnete er die Aussichten einer deutsch-französischen Saarlösung als „vorerst noch völlig offen“, forderte aber „Vertrauen“. Er hielt es für nützlich, wenn
beide Teile ihre Vorstellungen über die „Euro- päisierung“ der Saar schriftlich niederlegen würden.
„Dabei, das möchte ich unterstreichen, darf man nicht außer acht lassen, daß die letzte Entscheidung bei der Saarbevölkerung selber liegt. Es ist selbstverständlich, daß zuerst freie Wahlen an der Saar stattfinden müssen und daß keine Festlegung zwischen Frankreich und Deutschland erfolgen kann, bis die saarländischen Parteien ihre Zustimmung gegeben haben . . . Der jetzige Landtag wird nicht anerkannt als die freigewählte Vertretung des saarländischen Volkes.“
Der französische Außenminister Robert Schuman führte aus, daß die Organisation Europas sich „ohne ein völliges Einvernehmen zwischen Frankreich und Deutschland -lieht verwirklichen läßt“.
Zetter schlägt ttleier
Kluge Doppelsieger in Riem
Beim Rundstrechenrennen in München-Riem startete zum zweitenmal in diesem Jahr die Werksmannschaft von BMW in der 500-ccm-Klasse. Dabei siegte Walter Zeller ganz knapp vor Georg Meier. In der 250- und 850- ccm-KIasse gab es einen Doppelerfolg von Ewald Kluge auf DKW.
Heinz Müller auf dem 6. Platz
Bei der Deutschland-Radrundfahrt erspurtete sieh der Schwenninger Heinz Müller die 5. Etappe und kam damit auf den 6. Platz im Gesamtplacement.
Bayern vor Österreich
Bayerns Leichtathleten gewannen den Dreiländerkampf zwischen Österreich, Württemberg und Bayern in Augsburg. Zweiter wurde Österreich.
West-Süd-Toto: 122 110110112
Rettet das Landschaftsbild
„Kirdie kann nidit neutral sein“
Bischof Dibelius fordert Aufhebung aller Beschränkungen in der Sowjetzone
BERLIN. Eine christliche Kirche könne weder neutral noch objektiv sein, erklärte der evangelische Bischof von Berlin, D. Dr. Otto Dibelius, gestern in seiner Predigt in der überfüllten Marienkirche im Sowjetsektor von Berlin. Sie sei jedoch von Wahrheitsliebe be- •eelt und bemühe sich unablässig, den anderen zu verstehen. „Wir sind“, erklärte Dibelius, „als Christen nicht Zaungäste der Weltgeschichte, sondern wir müssen uns verpflichten, in die Kämpfe der Zeit hinauszugehen und mit der Macht der Ohnmächtigen das Wenige zu tun, was wir zu tun imstande sind.“
Vor der außerordentlichen Synode der evan-
TaSal dankt ab
Bekanntgabe wahrscheinlich heute
BEIRUT. König T a 1 a I von Jordanien wird ln den nächsten 48 Stunden abdanken, wird aus verläßlicher Quelle in Beirut berichtet. Diplomatische und Regierungskreise in der libanesischen Hauptstadt bestätigen die Nachricht. Die Abdankung wird wahrscheinlich heute nachmittag dem zu einer Geheimsitzung einberufenen jordanischen Parlament bekanntgegeben werden.
Der jordanische Thronrat hat sich in letzter Zeit mit der Frage beschäftigt, zu welchem Zeitpunkt Kronprinz Hussein volljährig wird und den Thron besteigen kann. Nach dem mosleminischen Kalender wird Hussein am 2. Mai 18 Jahre alt.
Die Abdankung Talais wird wahrscheinlich «ine Umbildung des Thronrates zu einem Regentschaftsrat zur Folge haben. Nach der jordanischen Verfassung müßte in diesem Fall dem Regentschaftsrat ein Mitglied des hasche- mitischen Hauses angehören.
Iranischer Senat bockt
Mossadeqs Ermächtigungsgesetz abgewiesen
TEHERAN. Zur allgemeinen Überraschung hat der persische Senat am Samstag dem Ministerpräsidenten Mossadeq die Stirn geboten und das Ermächtigungsgesetz nicht verabschiedet.
Statt dessen ernannte der Senat eine zehnköpfige Delegation, die bei dem Ministerpräsidenten „Aufklärung verschiedener zweifelhafter Punkte“ einholen soll, ehe über das Gesetz, das Mossadeq für sechs Monate diktatorische Vollmachten gibt, Beschluß gefaßt werden könne.
Auch zu den Gesetzesvorlagen über die Beschlagnahme des Vermögens des früheren Ministerpräsidenten G h a v a m und über die Freilassung des Mörders des früheren Ministerpräsidenten R a s m a r a faßte der Senat keinen Beschluß. Als schärfster Kritiker erklärte der Senator Lesani, die Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes würde einen Präzedenzfall schaffen dergestalt, daß „jemand absichtlich Krisen fabriziert, um sich dadurch außerordentliche Machtbefugnisse zu verschaffen“.
Nach letzten Meldungen hat sich die Stellung Mossadeqs gestern nachmittag weiter geschwächt. Nach dem überraschenden Widerstand des Senats verweigerte ihm auch seine eigene „Nationale Front“ in der Abgeordnetenkammer die. Gefolgschaft bei der geplanten Verlängerung des Ausnahmezustandes. Wenn Mossadeq auf der Gesetzesvorlage zur Verlängerung des im Juli abgelaufenen Ausnahmezustandes besteht und die Abgeordnetenkammer gegen sie stimmt, so wäre er rum Rücktritt gezwungen.
geloschen Kirche Berlin-Brandenburgs hatte der Bischof am Samstag die Aufhebung aller einschränkenden Maßnahmen gefordert, die geeignet sind, die kirchliche Arbeit im sowjetisch besetzten Gebiet zu behindern. Das Verhältnis zur östlichen Staatsgewalt, so erklärte der Bischof, sei von Anfang an Gegenstand besonderer Sorge gewesen, da sich der neue Oststaat auf die Weltanschauung des marxistischen Materialismus stütze, die zu der Glaubensanschauung des Christentums in einem unüberbrückbaren Gegensatz stehe.
„Wenn der Staat einen Zustand innerer Beruhigung im Leben des eigenen Volkes will", sagte Dibelius, „dann muß er der Kirche ihre Lebensnotwendigkeiten lassen und die Beschränkungen der persönlichen Bewegungsfreiheit da auflockern, wo lebenswichtige Interessen der Kirche in Frage stehen.“
Bischof Dibelius verlangte in diesem Zusammenhang vor allem die Aufhebung der Einschränkungen für den theologischen Nachwuchs zur ausreichenden Versorgung der Gemeinden in der Sowjetzone mit Pfarrern. Insbesondere werde die Kirche nicht aufhören, an der Jugend und mit der Jugend zu arbeiten, wo immer eine Möglichkeit dafür sichtbar werde. Die „junge Gemeinde“ sei keine Organisation, sondern einfach ein Teil der Kirche selbst.
Fühmngsanspruch des DGB
Fette zu „Gewerkschaften im Staat“ VREDEN/Westf. Die Gewerkschaften sind die einzige öffentliche Organisation, die mit Recht einen Führungsanspruch im Staat erheben kann, erklärte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Christian Fette, gestern in Vreden. Er begründete diesen Anspruch mit dem Hinweis auf die Konzeption der Gewerkschaften, die Zahl der hinter ihr stehendem Menschen und auf den Wert der von ihr für das Allgemeinwohl geleisteten Arbeit.
Fette, der auf der Elfhundertjahrfeier der in der Nähe der holländischen Grenze gelegenen Stadt Vreden über das Thema „Gewerkschaften im Staat“ sprach, bezeichnete die „unmittelbare Beeinflussung des Parlaments und die Beeinflussung der öffentlichen Meinung“ als gewerkschaftliche Methode der politischen Praxis.
kw. Der Fremdenverkehr hat in den letzten Jahren eine grundlegende Umschichtung erfahren. Wurde er früher wesentlich durch den Dauergast in den Kur- und Erholungsorten und allenfalls durch den Wanderer bestimmt, so gibt ihm heute das Massenreisen mit Sonderzug, Autobus, Kraftwagen, Motorrad und Rad von Ort zu Ort das Gepräge. Der Einzelreisende tritt hinter dem Gesellschaftsreisenden, immer mehr zurück, an Stelle des Dauergastes, der geruhsam seine Ferien an einem Ort verbringen will, tritt immer mehr der motorisierte Tourist, der danach trachtet, möglichst viel zu sehen.
Unsere schönsten Fremdenverkehrsgebiete, wie etwa der Bodensee und der Schwarzwald, werden in immer stärkerem Maße von einem Massenverkehr überflutet, der solange er sich in geordneten Bahnen vollzieht, für diese Gebiete an sich durchaus nicht unerwünscht ist, der aber, so wie er sich jetzt entwickelt, geradezu die Gefahr heraufbeschwört, daß sie ihren Charakter als wirkliche Erholungsgebiete verlieren. Wer heute etwa das Gebiet der Schwarzwaldhochstraße, einer der am meisten besuchten deutschen Autotouristenstraßen besucht, findet hier, mitten im Naturschutzgebiet des Schliffkopfs, eine die Natur verschandelnde Unordnung, die durch das wilde Lagern und Zelten verursacht wird. An den Straßen haben sich fliegende Händler etabliert und in einem wirren Durcheinander findet man anstatt die Möglichkeit zu wirklicher Erholung ein unruhiges, lautes Lärmen und Treiben, das sich an manchen Stellen kaum mehr von Rummelplätzen unterscheidet. Wer etwa an einem Hochbetriebssonntag sich hier in der Natur erholen will, findet an Stelle der Waldeinsamkeit einen Lagerbetrieb mit dem aus der Großstadt herverpflanzten Lärm von Radiomusik und allerhand sonstigen Unterhaltungen.
Damit wir nicht mißverstanden werden: Der Protest richtet sich nicht gegen den Massenverkehr an sich. Denn dieser ist nicht zu beseitigen. Gerade der heutige Mensch braucht Ausspannung vom Alltag und es ist gut, daß er durch die Motorisierung die Möglichkeit hat, seine freie Zeit außerhalb der Städte draußen in der Natur zu verbringen. Worum es aber geht, ist, daß Ordnung in das Chaos gebracht wird. Es bestehen zwar Vorschriften über den Aufenthalt im Walde, über Lagern und Zelten. Aber wer hält sich schon daran? Weder der Arm des Staates noch der der Naturschutzbehörden oder der der Fremdenverkehrsorganisationen reicht, so wie die Dinge liegen, in diese Bezirke einer grundlegenden Umschichtung unseres Reiseverkehrs.
Daß das eigentliche Problem, Ordnung in die Dinge zu bringen, auch vielfach erkannt ist, das zeigt zum Beispiel die Schaffung von Zeltplätzen, die teilweise, wie etwa der vom ADAC bei Altensteig angelegte, mustergültige Einrichtungen sind. Was aber noch fehlt, ist die systematische allgemeine Regelung. Staat, Fremdenverkehrsorganisationen, Wandervereine, Autotouristenvereine und Naturschutzbehörden müssen Zusammenwirken, um der Gefahr zu begegnen, daß unsere schönsten Fremdenverkehrsgebiete zu Rummelplätzen werden. Unsere Landschaft ist leider schon übergenug verschandelt; der Ruf „Rettet unser schönes Landschaftsbild“ ist nur zu berechtigt. Der Katastrophe, die von der Umschichtung unseres Reiseverkehrs immer mehr droht, muß frühzeitig begegnet werden, damit die Menschen in unseren schönen Fremden- verkehrsgebieten wirkliche Erholung finden können.
10000 Donauschwaben
Machtvolle Kundgebung in Reutlingen
REUTLINGEN. (Eig. Bericht.) Das Bundestreffen der Donauschwaben über das Wochenende in Reutlingen wurde zu einer machtvollen Kundgebung des Zusammenhalts der aus Südosteuropa vertriebenen Deutschen unter sich und mit ihrer Urheimat, dem schwäbisch-alemannischen Raum'. Bundesminister Lukaschek, der zur Eröffnung einer Donauschwäbischen Heimatausstellung gekommen war, gedachte der Kulturleistung der Donauschwaben und stellte ihre Selbstverwal- waltung und Selbsthilfe als Beispiel für alle Volksgruppen heraus.
Zur Hauptkundgebung am Sonntagnachmittag waren über 10 000 Donausehwabeff aus dem ganzen Bundesgebiet erschienen. Der baden- württembergische Minister für Vertriebene und Kriegsbeschädigte, Fiedler, brachte ihnen den Willkommgruß der Stuttgarter Regierung.
Innerhalb des Südweststaats haben sich die donauschwäbischen Landsmannschaften auf diesem Treffen zu einem Bund zusammengeschlossen, dessen Vorsitzender Ludwig Schumacher, Stuttgart, wurde. (Ausführlicher Bericht im Innern des Blattes.)
100 Jahre' Germanisches Museum
Bundespräsident Heuß in Nürnberg > 750 000-DM-Spende der Industrie
NÜRNBERG. Der Begriff „Nürnberg“ müsse wieder gereinigt und sein geistiger und künstlerischer Glanz neu zur Darstellung gebracht werden, erklärte Bundespräsident Heuß in einer Ansprache in Nürnberg. Der Bundespräsident verbrachte das Wochenende in der alten Reichsstadt, in der die Hundertjahrfeier des Germanischen Nationalmuseums und die Weihe des Hauptchores der wiederaufge- bauten St. Lorenzkirche festlich begangen wurden.
Im Rahmen eines Festaktes würdigte Heuß die Bedeutung des Germanischen Nationalmuseums für das deutsche Volk. Er gab bekannt, daß in die neue Gestaltung des Museums eine umfangreiche Sammlung der Kulturdokumente jener deutschen Landschaften und Stämme eingefügt werden solle, „die heute ihre Heimat in der Gewalt fremder Beherrschung wissen". In vielen Fällen hätten die Vertriebenen die Zeugnisse, die ihrer Hei
matgeschichte teuer gewesen seien, mit nach dem Westsen gebracht. „Diesen Zeugnissen wollen wir hier in den neu erstehenden Räumen Herberge und Heimat geben. Das Germanische Nationalmuseum rückt damit in einen neuen Geschichtsauftrag: Fiuchtburg der deutschen Seele zu sein.“
Am Samstag beschloß der Verwaltungsrat des Germanischen Nationalmuseums, dessen Vorsitzender der Bundespräsident ist, eine Satzungsänderung, nach der künftig Ehrenmitglieder in den Verwaltungsrat aufgenommen werden können. Die erste Ehrenmitgliedschaft wurde dem anwesenden Kronprinzen Rupprecht von Bayern verliehen Die deutsche Industrie überreichte durch den ebenfalls als Ehrenmitglied in den Verwaltungsrat berufenen Industriellen Dr. Heinrich Thielen. Vorstandsmitglied der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN), eine Spende von 750 000 DM
Der Bundesminister für Vertriebene. Dr. Hans Lukaschek. trägt sich in Reutlingen in da« Ehrenbuch der Stadt ein. Hinter ihm der Reut- linger Oberbürgermeister Oskar Kalbfell. Lukaschek sprach auf dem Heimatt-reifen der vertriebenen Donanschrrahen
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