SAMSTAG, 2. AUGUST 1952
Rechte des Schahs eingeschränkt
Empfänge nur mit Erlaubnis Mossadeqs
TEHERAN. Über Einschränkungen der Rechte des Schahs von Persien berichtete die der persischen Regierung nahestehende Zeitung „Bakhet-Em-Rooz“ am Donnerstagabend. So hätten sich der Schah und die Regierung darüber geeinigt, daß der Souverän ausländische Diplomaten künftig nur mit Zustimmung des Ministerpräsidenten empfängt. Auch die Überreichung von Beglaubigungsschreiben soll durch das Außenministerium in die Wege geleitet werden und in Gegenwart des Außenministers stattfinden.
Parlamentsabgeordnete und Politiker können nur noch auf Wunsch des Schahs in Audienz empfangen werden. Andere namhafte Persönlichkeiten bedürfen zum Empfang durch den Schah der Zustimmung des Ministerpräsidenten. Bisher wurden Begegnungen mit dem Souverän durch den Hofminister arrangiert. Der Schah soll sich ferner mit einer Forderung von Parlamentsabgeordneten einverstanden erklärt haben, daß der Hofminister, der bisher vom Schah selbst bestimmt wurde, vom Parlament gewählt wird.
Wie eine französische Nachrichtenagentur meldet, soll der persische Ministerpräsident Mossadeq die Absicht haben, sich in naher Zukunft nach den Vereinigten Staaten zu begeben. Er soll Vorkehrungen getroffen haben, um am 12. September mit dem Passagierdampfer „United States“ nach New York zu reisen.
Reform wenig gefragt
Bey von Tunis beruft „Volksparlament“
TUNIS. Der Bey von Tunis hat gestern eine „Generalversammlung“ von Vertretern aller Bevölkerungsschichten in seinem Sommerpalast in Carthago einberufen, um, wie er sagte, „die schwere Verantwortung der Stunde mit dem Volk zu teilen".
Die in der Geschichte Tunesiens beispiellose Einberufung eines „Volksparlaments" folgt der Weigerung des greisen Monarchen, die von Frankreich gewünschten Verwaltungsreformen zu billigen. Der Bey eröffnete die Konferenz der tunesischen Stämme mit der Erklärung, daß er ihnen die Reformpläne zur Prüfung vorlegen wolle und ihren Rat erwarte. Die Einberufung der Konferenz, an der Vertreter aller politischen und religiösen Richtungen, auch Juden und einheimische Wirtschaftler teilnehmen, entbindet den Bey praktisch von der Pflicht, die französischen Reformen gemeinsam mit dem ihm nicht genehmen Ministerpräsidenten Salah Eddine Bac- c o u c h e zu studieren.
In EuropapoWik einig
SPRINGFIELD. Auf seiner ersten Pressekonferenz nach seiner Nominierung sagte der Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Gouverneur Adlai Stevenson, in Spring- fleld, er stimme in allen Fragen *der amerikanischen Europapolitik im wesentlichen mit den Ansichten seines republikanischen Gegners Eisenh'ower überein. Stevenson kündigte an, daß er den Wahlkampf Anfang September mit aller Kraft aufnehmen werde. Im Wahlkampf soll nichts gesagt werden, was das Vertrauen der Alliierten Amerikas erschüttern und ihre Hingabe für die gemeinsame Sache verringern könne. Unter allen Umständen müsse der kommende Wahlkampf fair geführt werden.
Kab nett berätWirischaftsfragen
BONN. In der gestrigen Kabinettsitzung beschäftigte sich das Bundeskabinett unter Vorsitz von Vizekanzler Blücher vorwiegend mit wirtschaftlichen Fragen. Ausführlich wurde die Bevorratung und Einfuhr von Lebensmitteln beraten. Auch die Grundsätze eines Programms für gewerbliche Einfuhren wurden besprochen. Entscheidungen sind jedoch nicht gefällt worden.
Naguib tritt in den Hintergrund
Armee übergibt Ali Mäher „alle politischen Angelegenheiten“
KAIRO. Der Oberbefehlshaber der ägyptischen Armee, General Mohammed Naguib, gab bekannt, daß die Armee „die Kontrolle über die ägyptischen Angelegenheiten“ der Regierung Ali Mäher übergebe und die Politik künftig den Politikern überlasse. Allerdings werde die Armee darauf achten, daß innerhalb der Regierung, der Parteien und anderer Organisationen eine durchgreifende Säuberung erfolge. Die Parteien forderte Naguib auf, klare Programme bekanntzugeben, damit die Bevölkerung sich orientieren könne. Er selbst wolle politisch in den Hintergrund treten.
Die Wafd-Partei forderte gestern nach einer Sitzung ihres Exekutivrates, daß erstens die im vergangenen März aufgelöste Abgeordnetenkammer wieder einberufen wird, in der sie die Mehrheit hatte, zweitens daß Ägypten in keine Verhandlungen mit Großbritannien ein- tritt, drittens das Land sich nicht an dem von den Westmächten vorgeschlagenen Nahost-
Kommando beteiligt und viertens neue Steuern erhoben werden, um die militärische Macht Ägyptens zu vergrößern. In der Bekanntmachung wird hinzugefügt, daß diese Punkte von dem Generalsekretär der Partei bereits Ministerpräsident Ali Mäher unterbreitet worden seien.
Das ägyptische Oberkommando veröffentlichte gestern den Text des Ultimatums, mit dem Genera] Naguib am 26. Juli „im Namen der Streitkräfte und der Nation“ die Abdankung und Abreise König Faruks erzwang. In dem Ultimatum wurde Faruk vorgeworfen, er habe durch schlechte Führung der Staatsgeschäfte und Mißachtung der Verfassung die Leiden Ägyptens in dieser Generation verschuldet. Er sei dafür verantwortlich, daß die Ägypter ihr Leben und ihr Eigentum nicht als gesichert hätten ansehen können und ihm sei der schlechte Ruf zu verdanken, den Ägypten in der Welt genossen habe.
„Aus praktischen Gründen zugestimmt“
Arbeitsminister Hohlwegler erläutert Stuttgarter Haltung im Bundesrat Drahtbericht unserer Stuttgarter Redaktion
STUTTGART. Arbeitsminister Hohlwegler hat gestern vor der Presse gesagt, es seien „rein praktische Erwägungen“ für das Land Baden-Württemberg gewesen, die die Regierungsvertreter veranlaßt haben, im Bundesrat dem Betriebsverfassungsgesetz zuzustimmen. Auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses habe Baden-Württemberg verzichtet, da nur drei der 22 Abänderungsvorschläge des Sozialausschusses die notwendige Mehrheit gefunden haben, aber gerade diese drei Punkte hätten, selbst wenn der Vermittlungsausschuß in Anspruch genommen worden wäre, keine wesentliche Änderung des Gesetzes gebracht.
Eine Ablehnung des Gesetzes im ganzen sei ebenfalls nicht in Frage gekommen, denn dazu wäre eine Zweidrittel-Mehrheit erforderlich gewesen, die zu erreichen niemals gelungen wäre. Auch die Überlegung habe eine Rolle gespielt, daß das Bundesverfassungsgericht die Frage, ob es sich um ein Zustimmungsgesetz handle, voraussichtlich verneint
hätte, wenn das Bundesverfassungsgericht angerufen worden wäre.
Vorher sei es zu feiner Abstimmung im Kabinett über die Haltung des Landes gekommen. Von einer „Regierungskrise“ sei nichts zu spüren gewesen. Die Bundesratsdelegierten hätten den Auftrag gehabt, aus der Situation heraus im Bundesrat zu entscheiden; sie hätten also freie Hand gehabt. Die Entscheidungen hätten in „Sekundenschnelle“ getroffen werden müssen; da die Tagesordnung 52 Punkte aufgewiesen habe, habe man sich nicht lange an diesem Gesetz aufhalten können.
Hohlwegler gab zu, daß das Bundesgesetz im Betriebsrecht nicht so weit gehe wie die Länderregelungen in Württemberg-Baden und Südbaden. Für Südbaden bringe das Bundesgesetz sogar eine „eminente Verschlechterung". Die Länderregelung in Württemberg-Hohen- zollern und das Bundesgesetz hielten sich etwa die Waage.
Kleine Weltchronik
Deutsche Spioninnen verurteilt. Nürnberg. — Auf Grund eines freiwilligen Geständnisses hat ein amerikanisches Gericht zwei Nürnbergerinnen wegen Spionage zugunsten der Tschechoslowakei zu je einem Jahr Gefängnis verurteilt.
US-Stabsquartier nimmt Arbeit in Frankfurt auf. Frankfurt. — General Thomas Handy und sein Stab haben gestern die Arbeit im neuen Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte in Europa in Frankfurt aufgenommen.
Die neue Lufthansa. Bonn. — Die meisten ehemaligen Flugkapitäne der alten Lufthansa sind „noch völlig auf der Höhe“, erklärte der Bonner Diagnostiker Dr. Ruff, der vom Bundesverkehrsministerium mit der Untersuchung früherer Piloten der Zivilluftfahrt beauftragt wurde.
Kinderlähmung nimmt weiter zu. Düsseldorf.
— Die Zahl der Kinderlähmungsfälle in Nordrhein-Westfalen ist in der vergangenen Woche erneut um 301 auf 1300 seit Jahresbeginn angestiegen.
Kruppscher FamiHenbesitz freigegeben. Essen.
— Die Villa Hügel der Familie Krupp ist nach siebenjähriger Beschlagnahme von den Engländern geräumt und der Stadt Essen übergeben worden.
Treffen der Afrikakämpfer. Kassel. — Die Angehörigen des ehemaligen deutschen Afrikakorps aus dem Bundesgebiet werden sich heute und morgen zu einem großen Treffen in Homburg zusammenfinden. Neben der Witwe des Generalfeldmarschalls Rommel werden 15 ehemalige Generale erwartet.
Noch keine Berliner Rundfunkanstalt. Berlin.
— Die von den Westberliner städtischen Körper
schaften gewünschte Berliner Rundfunkanstalt wird vorerst noch nicht errichtet werden können.
Berliner Haushaltsplan verabschiedet. Berlin.
— Das Berliner Abgeordnetenhaus verabschiedete den Haushaltsplan 1952, der Einnahmen und Ausgaben mit 1,484 Milliarden DM abschließt.
Elf Tote bei Schiffsunglück. Boulogne. — Das größte französische Baggerschiff, die 1289 t große „Pas de Calais“ sank gestern morgen im Hafen von Boulogne nach einer heftigen Explosion, die die ganze Stadt erschütterte. Elf der 17 Besatzungsmitglieder wurden getötet.
Österreich erwartet höhere USA-Hilfe. Wien.
— Eine Erhöhung der für Österreich bestimmten USA-Auslandshilfe auf etwa 72 Millionen Dollar ist nach einer Information des amerikanischen Außenministeriums zu erwarten.
Österreichischer Appell an USA. Washington-
— Die Vereinigten Staaten haben als Mitglied der Vereinten Nationen ein Ersuchen der österreichischen Regierung erhalten, sich für die Beendigung der Viermächtebesetzung Österreichs einzusetzen.
Amerika baut Atomdampfer. Washington. — Die amerikanische Atomenergiekommission hat die Westinghouse Electric Corporation mit der Entwicklung einer Atomkraftanlage für „große Seeschiffe“, wie etwa Flugzeugträger, beauftragt.
Heiligsprechung Evita Perons? Buenos Aires.
— Die Gewerkschaft argentinischer Lebensmittelarbeiter, die über 160 000 Mitglieder zählt, hat in einem Telegramm .an Papst Pius XII. den Antrag gestellt, die Vorbereitungen für die Selig- und Heiligsprechung Eva Perons einzuleiten.
Ge„t“rän,k‘te Wochenschau
Da hätten wir also die Olympiade in Helsinki, Tagelang sind die ersten Seiten der Presse voli der besten Zeiten, Höhen, Weiten. „Tja — doi waren noch Zeiten“ — werden die Russen eins« Tages ausrufen, wenn sie sich erinnern, 1952 di* beste Turnernation der Welt gewesen zu sein. Ganz unter uns: Ist das ein Wunder? Lange genug trainieren sie ja schon; frisch, fromm, fröhlich, frei turnen sie seit Jahrzehnten den Andern auf der Nase herum. Auch im Ringen, Speerwerfen usw. ist der Ostblock führend. (Da haben wir’s: Die vormilitärische Ausbildung!) Hm!
Die deutschen Ringer aber rangen die Hände und nach Luft, als sie fertig (gemacht morden) waren. Matte Ringer auf der Ringermatte! Sei’i drum, wir sind mehr das Volk der Dichter und Denker, doch je dichter man sich um uns drängt, umso mehr fangen wir an zu denken.
Und die USA holte sich nur so die Goldmedaillen im Hoch-, Weit- und Kunstsprung. Traun fürwahr, es scheint für sie keine Kunst, große Sprünge zu machen — in fremden Ländern.
Deutschland wurde u. a. im Endlauf Dritter, nun, das scheint mir ein beredetes Zeichen: Sollte es einmal „wieder so weit sein“, dann laufen die Deutschen vielleicht — nach allen andern erst am Ende (weg).
Picassos Friedenstaube aber wurde in Helsinki überraschend nach Flügellängen von einer Deutschen geschlagen. Nach-barbarischer Pleite kam Barbara Pleyer flügellahm nach Stuttgart zurück. Es hat alles sein Gutes — vielleicht findet sich ein siegreicher Tauber für das friedliche Täubchen.
Das Florett-Fecht-Turnier. aber gewann Frankreich überlegen. Ohne überlegen sein zu wollen — im Fechten hat Frankreich was los. Es hätte bestimmt noch mehr heraus — und hereingeholt, wenn der Länderkampf nicht um Medaillen, sondern vielleicht um Land gegangen wäre. Hei, was hätten da seine Kommis von der Saar, seine „Kommissare“ neben den Pflicht noch für raffinierte (Will)Kürübungen gezeigt.
Vornehm wie immer befleißigten sich die Engländer gewohnter Zurückhaltung und überließe n anderen den Kampf. Noch vor kurzer Zeit sang man auf der grünen Insel beschwörend: „Oh Faruk ruck ruck an meine grüne Seite, sonit steht ganz Engelland vor einer Pleite!“ König Faruk aber zehrt inzwischen von seinen Erinnerungen, seinem Fett und Besitz und von seinen Spielfesten. Ob sich die Engländer nun festst) ie- len?l E. E. B.
Lutherischer Weltbund
Bischof Lilje zum Presidenten gewählt
HANNOVER. Der Landesbischof von Hannover, Dr. Hanns Lilje, wurde gestern nachmittag von der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes für fünf Jahre zum Präsidenten des Weltbundes gewählt. Er tritt da- -mit die Nachfolge des turnusmäßig aitssoheiden- den bisherigen Präsidenten, Bischof Professor Dr. N y g r e n , an.
Bessere Hilfe für Flüchtlinge
SPD: Berlin muß unterstützt werden
BONN. Der SPD-Pressechef Fritz Hein# forderte gestern eine wirksamere Hilfe für die Flüchtlinge aus der Sowjetzone und die Stadt Berlin. Er sagte, von der Bundesregierung seien noch zu wenig Maßnahmen getroffen worden, um die Eisen- und Kohlepreiserhöhungen abzuwenden, die die Berliner Wirtschaft bedrohen. Das Frachttarifproblem sei noch ungelöst und das Abkommen der Bundesbahn mit der Sowjetzonen-Eisenbahnver- waltung, wodurch Gütertransporte ab Zonengrenze nach Berlin praktisch nach den Prinzipien des Auslandsverkehrs behandelt würden, habe die Situation der Berliner Wirtschaft noch erschwert.
Das Anwachsen des Flüchtlingsstroms aus der Sowjetzone erfordere eine umfassende und sofortige materielle Hilfe und eine beschleunigte Klärung aller Vorbedingungen für di# endgültige Aufnahme der neuen Opfer des So- wjetzonentefrors. Auf weite Sicht werde e* darauf ankommen, den Flüchtlingen Arbeit und Brot zu geben. Weiter forderte Heine ein# beschleunigte Klärung des Status der etwa 125 000 in Westberlin lebenden sogenannten „illegalen“ Flüchtlinge.
(Urheberrechtschutz Hermann Berger, Wiesbaden) 8 . Fortsetzung Nachdruck verboten.
Man durchsuchte mein Gepäck und zog wieder ab. In der Nacht versuchte ich, mit der Krone zu flüchten, und zwar durch ein Fenster des Erdgeschosses. Ich wollte durch den Garten, mußte aber wieder zurück. Überall standen Wachen. Dann wurde es hell, und ich sah zu meinem größten Erstaunen: die Wachen waren nicht mehr da. Ich nahm den Koffer mit der Krone und verließ das Haus. Kaum war ich einige Schritte gegangen, als aus dem nächsten Tor Leute auf mich zustürzten und mich zurückjagten. Die Bewachung war nur abgelöst worden. Ja, mein Lieber, ich sitze in der Klemme, und es ist durchaus möglich, daß man mich verhaftet. Ich weiß auch nicht, wie du mir helfen sollst. Man hat dich zwar hereingelassen, aber ob du nun ungeschoren wieder herauskommst, das erscheint mir fraglich. Auf jeden Fall würde man dich durchsuchen und dabe> die Krone finden. Ein vollkommen übereilter Schritt! Was hältst du von der Sache? Herrlich, wie ruhig du bist; ich könnte aus der Haut fahren.“
Bert zuckte lächelnd die Achseln: „Zeig’ mir die Krone! Ich möchte sie wenigstens gesehen haben.“
„Der Diener hat sie, ich hole sie dir.“
Körding verschwand und kehrte mit einem kleinen, sorgfältig verschnürten Paket wieder zurück. Er wickelte es aus, und eine alte, bäuerlich bemalte Holzschachtel kam zum Vorschein. Dann, in Samt gebettet, lag die Krone.
Es war ein breiter, mit großen, roh bearbeiteten Saphiren und blassen Perlen besetzter Goldreif. An einer Stelle des Reifens hing eine Kette, die aus dünnen Goldplättchen bestand. Jedes der Plättchen war mit einem Netz granatbesetzten Zellenwerks übersponnen. Deutlich konnte man in diesem Zellenwerk einzelne krause Zeichen erkennen, die wie Buchstaben wirkten.
Kördings blaue Träumeraugen leuchteten auf: „Ist sie nicht wunderbar? Die Krone des Witiza! Westgotenkönig um siebenhundert. Bald darauf kamen die Mauren, und es war aus mit der germanischen Herrlichkeit in Spanien. Das da, mein lieber Junge, ist aber nicht nur ein herrliches Kunstwerk, nein, es ist viel mehr. Die Krone da ist die Verkörperung einer Idee. Einer großartigen Idee, obwohl sie sich als falsch erwies.“
Bert nahm das Anhängsel in die Hand.
„Merkwürdig, nicht wahr?“ fuhr Körding fort, „aber es hat seine Bedeutung. Das Zellenwerk bildet Buchstaben, es ist der Name des Witiza. Wenn einer der Könige starb, hing man die Krone in der Kathedrale von Toledo auf. Deshalb be- zeichnete man jede Krone mit dem Namen. Toledo war die germanische Residenz des großen Reiches, das man geworfen hatte. Bisher fand man zwölf dieser Kronen. Neun davon besitzt Frankreich, drei liegen in Madrid. Diese hier ist die dreizehnte."
„Kein sehr günstiges Omen, Peter."
„Unsinn — du bist doch nicht abergläubisch?“
„Bisweilen schon —“
„Die Krone darf nicht in die Hände dieser Leute fallen. Du mußt mir helfen, Bert, wir müssen einen Ausweg finden. Sie
schmelzen das Gold ein, verkaufen die Steine. Das darf nicht geschehen. Ich will die Krone einem deutschen Museum schenken, sie gehört den Germanen. Verstehst du jetzt, wofür ich kämpfe?“
In diesem Augenblick hörten sie Lärm unten auf der Diele. Gleich darauf polterten schwere Schritte die Treppe herauf. Körding packte das Holzkästchen mit der Krone und verbarg es in seinem Bett. Kaum war er damit fertig, als die Tür aufgerissen wurde. Einige derbe Gestalten mit umgehängtem Gewehr traten ein.
Wenige Minuten später war Bert allein.
Man hatte die beiden Freunde kurz verhört, dann Berts Handtasche durchsucht und schließlich Körding für verhaftet erklärt. Bert erhielt die Weisung, im Zimmer zu bleiben; sein Schicksal würde sich bald entscheiden. Selbstverständlich gehöre auch er zu den Verschwörern. Sein energisches Verlangen um Benachrichtigung des deutschen Konsuls wurde hohnlachend abgeschlagen.
Eine Wache blieb vor der Zimmertür.
Es war Abend geworden.
Bert wandert« ruhelos im Zimmer auf und ab.
Auf dem Schreibtisch brannte eine Lampe mit einem grünen Seidenschirm. Tagsüber waren verschiedene Male johlende Menschenmassen durch die schmale Gasse gezogen. Alles deutete darauf hin, daß die Aufstandsbewegung der Nationalisten mißglückt war . . .
Berts Gedanken waren bei Conchita. Hatte sie ihn nicht gewarnt? Wenn sie morgen nichts von ihm hörte, würde sie
nach Valencia fahren. Das durfte auf keinen Fall geschehen. Dann lief auch sie Gefahr, hier festgehalten zu werden. Sollte man es nicht mit der Flucht versuchen? Er warf einen raschen Bück auf das Bett. Dort, unter der Decke, lag noch immer die Westgotenkrone. Natürlich mußte er sie mitnehmen . . *
Die Flucht! Es blieb kein anderer Ausweg. Wie still es im Hause war! Der Posten vor der Tür rührte sich nicht. Vielleicht war er auf seinem ßtuhi eingeschlafen.
Vorsichtig öffnete Bert die' Tür. Richtig, dort saß der Mann und schlief. Die Flinte hatte er an die Wand gestellt. Bert schloß die Tür wieder und begann über seine Flucht nachzudenken. Abermals wanderte er im Zimmer auf und ab.
Plötzlich blieb er stehen. Er lauschte. Unten auf der Gasse klangen Stimmen auf. Rauhe Männerorgane, dann die helle Stimme einer Ffau . . .
Conchita! Sein Herz begann zu pochen. Ja, es war ihre Stimme! Sie hatte den Mittagzug genommen, sie war ihm gefolgt Rasch trat er ans offene Fenster und beugte sich hinaus.
Er hatte sich nicht getäuscht, sie war e* wirklich. Sie forderte Einlaß, verhandelte mit den Milizen. Sie liebte ihn, wollte ihn befreien. Dort stand sie mit den Leuten, im Lichtkreis der Laterne. Doch der Anführer der Milizien verweigerte ihr den Eintritt. Sie sprach auf ihn ein. Er schüttelte den Kopf. Er könne es nicht gestatten. Sie kämpfte weiter. Endlich erk'ärt* sich der Mann bereit, telefonisch das Einverständnis seines Vorgesetzten einzuholen. Sie müsse warten.
Fortsetzung folgt