DIENSTAG, 2 7. Mai 1952

Beginn einer neuen Epoche

Fortsetzung von Seite 1

Adenauer beschloß die Reihe. Die Zusatzab­kommen und Briefwechsel unterschrieben die Außenminister an ihren Plätzen an der Ta­fel, was bei jeweils vierfacher Ausfertigung geraume Zeit in Anspruch nahm.

Die Pressekonferenz der Außenminister, gleichfalls im Bundesratssaal, beschränkte sich auf die Abgabe von Erklärungen, in denen er­neut die eben Unterzeichneten Verträge als wichtige Stufe für die Erhaltung des Friedens in der Welt und der europäischen Einigungs­bestrebungen gefeiert wurde. Dr. Adenauer sprach erneut von einem Ereignis von histo­rischer Bedeutung, einem Schlußstrich unter den zweiten Weltkrieg, von dem neuen Eu­ropa, das entstehe, und bezeichnete die Ver­träge als den nach seiner Überzeugung ein­zig möglichen Weg, die deutsche Einheit wieder herzustellen. An die Presse richtete er den Apell, sich nicht zu sehr auf Einzelheiten einzulassen, sondern das Ganze zu sehen.

Acheson hieß die Bundesrepublik als neuen Partner willkommen, hob hervor, daß mit der Unterzeichnung der Verträge die Besatzungs­zeit für die Bundesrepublik zu-Ende gehe, und sprach von den Vorbehalten der Westmächte als Folge von Faktoren, die außerhalb der Bundesrepublik lägen. Die gesamtdeutsche Einheit sei eines der Hauptziele der USA. Schuman versicherte, daß ein Friedensvertrag für Gesamtdeutschland auch von Frankreich erstrebt werde, und forderte ein ehrliches Sich- bemühen um die Beseitigung noch vorhande­ner Hindernisse. Eden beendete die Pressekon­ferenz mit der Beteuerung, daß die Verträge für niemand eine Bedrohung bedeuteten. Die zu lösende Aufgabe hieße, den Krieg für im­mer aus der Welt zu schaffen.

Reit für europäische Behörde

STRASSBURG. Die beratende Versamm­lung des Europarates hat gestern zu Beginn ihrer vierten Tagung im Straßburger Europa­haus den Franzosen Francois de Menthon (Volksrepublikaner) zu ihrem neuen Präsiden­ten gewählt. Der bisherige Präsident Paul Henri Spaak war letzten Herbst zurückge­treten. De Menthon erhielt hauptsächlich die Stimmen der kontinentalen Delegierten. Seine beiden Konkurrenten waren der norwegische Sozialist Finn M o e und der britische Konser­vative B o o t h b y.

In einer Botschaft an die Versammlung stellt der Ministerausschuß der 14 Mitgliedstaaten fest, die Fortschritte auf dem Wege zum Zu­sammenschluß seien schon so weit gediehen, daß die Bildung einer übernationalen politi­schen Behörde zur Krönung der Arbeit in ab­sehbare Nähe gerückt sei.Es ist ein Stadium erreicht, in dem die Schaffung einer übernatio­nalen politischen Autorität ins Auge gefaßt werden kann. Der Ministerausschuß emp­fiehlt der Versammlung, die Annahme des Eden-Planes und unterstreicht, daß die sich entwickelnde Organisation defensiv und fried­lich sein werde.

Unruhiges Koje

KOJE. Auf der alliierten Kriegsgefangenen­insel Koje in Südkorea ist auch nach dem Eintreffen fronterfahrener Truppen die Lage so gespannt, daß mit weiteren Zusammenstö­ßen gerechnet werden muß. Wi? der Lager­kommandant, General B o a t n e r, zugab, herrschen in den einzelnen Lagerabteilungen die kommunistischen Lagerführer. Die alliier­ten Wachen seien machtlos. Das Lager müsse in kleinere Blöcke für 500 statt, wie jetzt, für 5000 Gefangene unterteilt werden.

Die Unruhen im Lager Koje halten, wie erst jetzt bekanntgegeben wird, schon seit dem vergangenen Herbst an. Damals konnten im Laufe schwerer Kämpfe unter den Gefange­nen kommunistische Agenten eine völlige poli­tische Kontrolle über ihre Mitgefangenen er­reichen.Volksgerichtshöfe innerhalb des La­gers verhängten über eine noch nicht festste­hende Zahl von Mitgefangenen Todesurteile und andere Strafen.

Heute in Paris: Europaarmee-Vertrag

Das Programm der Außenminister / Französisch-amerikanische Besprechungen

PARIS. Das offizielle Programm für den Pariser Aufenthalt der Außenminister der sechs Europaarmee-Staaten sieht für heute mittag ein Essen vor, das Außenminister Schuman seinen Kollegen gäbt. Um 17 Uhr soll dann die feierliche Unterzeichnung des Vertrages über die europäische Verteidigungs­gemeinschaft im historischen Uhrensaal des Quai dOrsey erfolgen.

Die Außenminister werden ihre Unterschrift unter folgende Verträge und Protokolle set­zen: 1. den eigentlichen Vertragsentwurf; 2. ein Militärprotokoll; 3. ein Finanzprotokoll; 4. ein Protokoll über Luxemburg; 5. ein Proto­koll über die Beziehungen zwischen der EVG und der Atlantikpaktorganisation; 6. ein Ab­kommen über das Handels- und Steuerregime der Gemeinschaft; 7. einen Vertrag zwischen Großbritannien und den sechs Mitgliedstaa­ten der Gemeinschaft; 8. ein Zusatzprotokoll über die Beistandsverpflichtungen der EVG- Staaten gegenüber den Nato-Ländern; 9. ein Zusatzprotokoll über die Beistandsverpflich­tungen der Nato-Länder gegenüber den EVG- Staaten.

Morgen finden wichtige französisch-ameri­

kanische Besprechungen über die Indochina- Hilfe, die französische Nordafrikapolitik und die amerikanischen Aufträge für die französi­sche Industrie statt. Die britische Regierung soll über diese Besprechungen auf dem lau­fenden gehalten werden. Acheson wird, wie aus Paris verlautet, seinem französischen Kol­legen Schuman nochmals den amerikanischen Standpunkt darlegen, daß sowohl von der amerikanischen Öffentlichkeit, als auch vom USA-Kongreß dringend Reformen in Tunesien gefordert werden.

Acheson, Eden und Schuman werden auch die letzte sowjetische Note an die Westmächte noch in Paris erörtern. Aus Bonn wird berich­tet, daß auch der Bundeskanzler zu diesen Besprechungen hinzugezogen werde, um den deutschen Standpunkt darlegen zu können.

Die Außenminister sowie Bundeskanzler Adenauer haben Bonn am gestrigen Nachmit­tag verlassen, um sich auf dem Luftwege nach Paris zu begeben. In der Begleitung des Kanz­lers befanden sich Staatssekretär H a li­ste i n , der Sicherheitsbeauftragte der Bun­desregierung, Theodor Blank, und Bundes­pressechef von E c k a r d t.

Ostzonale Gegenmaßnahmen

BERLIN. Der Informationschef der Sowjet­zonenregierung, Gerhart Eisler, gab ge­stern auf einer Kundgebung in Ostberlin be­kannt, daß der Ministerrat eine Verordnung beschlossen habe, in der die für die Unter­zeichnung des Deutschlandvertrages angekün­digtenGegenmaßnahmen festgelegt sind. Näher wollte sich Eisler nicht äußern. Seine Erklärungen über die angeblich durch den Vertrag auf westdeutscher Seite bewirkte Ver­wandlung der Zonengrenze in einebefestigte Staatsgrenze deuten aber darauf hin, daß die Sowjetzonenregierung ihrerseits die Demarka­tionslinie mit allen Folgen zur Staatsgrenze erklären wird.

Einheiten der ostzonalen Grenzpolizei haben gestern die durch das Gebiet der Braunschwei­

ger Braunkohlenbergwerke laufende Zonen­grenze besetzt und damit die einzige Stelle ab­geriegelt, an der bisher noch ein Austausch von Wirtschaftsgütern auf Gegenseitigkeit über die Zonengrenze bestand. Verschiedene Kontrollpunkte an der Zonengrenze, darunter Lauenburg und Helmstedt, teilten mit, daß der Lastkraftwagenverkehr nach Berlin durch die Ostzone fast still liegt. Es wird angenommen, daß die westdeutschen Kraftfahrzeugunter­nehmer mit Zwangsmaßnahmen der Ostzo­nenregierung rechnen, und deshalb ihren Be­trieb einstellten.

Die Einsatzkommandos der Westberliner Po­lizei stehen in höchster Einsatzbereitschaft, da nach einer ersten kleineren Demonstration, die gestern stattfand, entlang der ganzen Sekto­rengrenze kommunistische Demonstrationsver­suche erwartet werden.

Kleine Weltcbronik

Haußleiter spricht vonSchandvertrag. Reut­lingen. Der erste Bundesvorsitzende der Deut­schen Gemeinschaft, August Haußleiter, erklärte bei einer Kundgebung auf dem Reutlinger Markt­platz am Samstagabend zu den Verträgen der Bundesrepublik mit dem Westen:Integration Europas heißt für uns Ausverkauf der letzten deutschen Substanz. Darum reißen wir den Schandvertrag von Bonn in Fetzen, wenn wir erst wieder die Freiheit dazu besitzen.

Noch keine Änderung der Eisenbahndirektions­grenzen. Stuttgart. Die durch Ministerpräsi­dent Reinhold Maier an Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm gerichtete Bitte, zwischen den Ei­senbahndirektionen Stuttgart und Karlsruhe die alten Grenzen wieder herzustellen, wuytle vom Bundesverkehrsminister mit dem Bemerken ab­gelehnt, daß er es nicht für zweckmäßig halte, vor einer allgemeinen Neuordnung der Direk­tionsgrenzen im Südwesten eine Änderung zu treffen.

Justizminister Renner zur Kontroverse Schäf- fer-Küster. Stuttgart. Der Justizminister von Baden-Württemberg, Viktor Renner, nahm gegen­über der Deutschen Presseagentur zu der Kontro­verse zwischen Bundesfinanzminister Fritz Schäf- fer und dem zurückgetretenen stellvertretenden Leiter der Deutschen Delegation für die Wieder­gutmachungsverhandlungen mit Israel, Rechts­anwalt Otto Küster, Stellung. Daß der Bundes- flnanzminister nicht im Recht gewesen sei, be­weise die Tatsache, daß der Bundeskanzler das Steuer in der Frage der Wiedergutmachung nach dem Rücktritt Böhms und Küsters sehr stark herumgeworfen habe und nun eine ganz andere Haltung als bisher einnehme.

Auerbach bleibt ln Haft. München. Das Mün­chener Landgericht lehnte gestern im Auerbach­prozeß den Antrag der Verteidigung ab, den frü­heren Präsidenten des bayerischen Landesent­schädigungsamtes, Philipp Auerbach, aus der Haft zu entlassen.

Dr. Müller stellt sein Amt zur Verfügung. München. Der bayerische Justizminister Dr. Josef Müller stellte gestern in einem Schreiben an Ministerpräsident Dr. Ehard sein Amt zur Verfügung. In dem Schreiben stellt Dr. Müller fest, daß der Auerbach-Untersuchungsausschuß des Landtags seine Pflichten verletzt habe. Er stelle sein Amt zur Verfügung, nachdem der bayerische Ministerpräsident der Meinung sei, er sei für die Regierung nicht mehr tragbar. Mini­sterpräsident Ehard hatte Dr. Müller am Wochen­ende gebeten, sein Amt zur Verfügung zu stellen.

Totes Rennen bei Karlsruher Wahl. Karlsruhe.

Die Oberbürgermeisterwahl in Karlsruhe am Sonntag endete in einem. Toten. Rennen. Keiner der Kandidaten konnte die notwendige absolute Mehrheit erreichen. Die meisten Stimmen hatte Stadtrat Günter Klotz, der Kandidat der SPD. Der nordbadische CDU-Vorsitzende Dr. Franz Gurk lag an zweiter Stelle. Dann folgten die Kandidaten des BHE und der DVP/FDP.

Petersberg frei. Bonn. Das Hotel auf dem Petersberg, jahrelang der Sitz der alliierten Ho­hen Kommission ist mit sofortiger Wirkung von den Alliierten freigegeben worden.

Deutscher Auslandsschuldenvorschlag. London.

Die Bundesrepublik soll auf der Londoner Auslandsschuldenkonferenz vorgeschlagen haben, jährlich etwa 40 Millionen Dollar (168 Mill. DM) zur Tilgung der Auslandschulden aus der Vor­kriegszeit zu zahlen. Weiter verlautet aus Lon­don, daß die Bundesrepublik im Laufe der Jahre eine Steigerung auf etwa 62,5 Millionen Dollar jährlich beabsichtige.

Eucharistischer Weltkongreß. Barcelona. In Barcelona, der zweitgrößten Stadt Spaniens, wird heute in Anwesenheit zahlreicher kirchlicher Würdenträger, darunter der Kardinäle Tedeschini und Frings, und üner eine halbe Million Pilger aus allen Erdteilen der 34. eucharistische Welt­kongreß der katholischen Kirche eröffnet. Grund­thema des Kongresses istFriede.

Streik der Zeitungsarbeiter

Mittwoch und Donnerstag keine Zeitungen

DÜSSELDORF. Als Kampfmaßnahme gegen das Betriebsverfassungsgesetz hat der Deut­sche Gewerkschaftsbund am Montag alle Ar­beiter des Zeitungsgewerbes aufgefordert, vom 27. Mai, 12 Uhr, bis zum 29. Mai, 12 Uhr, die Arbeit an der Herstellung von Tageszeitungen zu unterlassen. Als Folge dieses Streikaufrufes werden am Mittwoch und Donnerstag im gesamten Bundesgebiet und in Westberlin keine Tageszeitungen erscheinen. Die Akzi­denz- und Werkdruckabteilungen der Zeitungs­druckereien werden von dieser Streikmaß­nahme nicht betroffen.

Nach Ansicht des Vereins Deutscher Zeitungs­verleger verstößt der Streik in den Zeitungs­druckereien gegen Artikel V der Verfassung, in dem das Grundrecht der freien Meinungsäuße­rung und ihrer Verbreitung verankert ist. Der VDZV erklärt, daß er in der Stillegung der Ta­gespresse als wesentlichem Träger der öffentli­chen Meinungsbildung den Anfang einer Ent­wicklung sehe, die den Bestand der jüngen deut­schen Demokratie aufs schwerste gefährden müsse. Der Streikbeschluß sei eine durch nicht« gerechtfertigte Schädigung der wirtschaftlichen Belange der Zeitungsdruckereien und Zeitungs- verlage und ihrer Belegschaften, und darüb« hinaus auch aller Bevölkerungskreise, die am re­gelmäßigen Erscheinen der Tagespresse direkt oder indirekt interessiert sind.

In Stuttgart betonte am Montagnachmittag der erste Vorsitzende der Industriegewerk­schaft Druck und Papier, Heinrich Hansen, daß der Streik sich ausschließlich gegen den Entwurf des Betriebsverfassungsgesetzes rieht« und nicht gegen den soeben Unterzeichneten Deutschlandvertrag.

Streik ohne Rechtsgrundlage

BONN. Die Bundesregierung erklärte am Montagabend, daß dem von der Industriege­werkschaft Druck und Papier ausgerufenen Streik in den Zeitungsdruckereien jede Rechts­grundlage fehlt. Das gehe aus der Begründung für die angekündigte Arbeitsniederlegung her­vor. Danach sei der Streik nicht ausgerufen worden, um Arbeitnehmerinteressen in dem Sinne durchzusetzen, wie sie immer al* Streikgrundlage verstanden worden sind.

Sicherheiten für Berlin

Westdeutsche und alliierte Erklärungen

BONN. Die Bundesregierung hat gestern in einer Zusatzerklärung zum Deutschlandver­trag Berlin die besondere Unterstützung durch die Bundesrepublik zugesagt. Damit soll die Stellung dieses Außenpostens der freien Welt auf allen Gebieten gefestigt und die wirtschaft­liche und finanzielle Lage der Stadt verbes­sert werden. Die Bundesrepublik wird die Aufrechterhaltung eines ausgeglichenen Haus­halts in Berlin gewährleisten und die Stadt bei der Zuteilung knapper Rohstoffe und Be­darfsgüter angemessen berücksichtigen. Die der Bundesrepublik zufließende ausländische Hilfe wird auch Berlin zugute kommen. Mit dieser Erklärung erhält_die bisher scho n laufend für Bemrr-#ßl3tÖte Hilfe der BuflflSSrepublik eine neue Grundlage.

Die drei alliierten Kommandanten haben eineDeklaration über Berlin veröffentlicht, die dem Senat auf bestimmten Gebieten grö­ßere Vollmachten einräumt, aber angesichts des Viermächtestatus Berlins den Zustand deralliierten Besetzung aufrechterhält. Die Deklaration soll mit dem Inkrafttreten des Deutschlandvertrages Geltung erhalten. Sie wird daskleine Besatzungsstatut für West­berlin aus dem Jahre 1949 ablösen. Die Kom­mandanten erklärten, daß sie mit der Absicht entworfen worden sei, der Berliner Regierung die größtmögliche Freiheit zu gewähren, die sich mit der besonderen Lage in Berlin ver­einbaren läßt.

Queen Mary 85 Jahre. London. Von allen öffentlichen Gebäuden Großbritanniens wehten gestern die Fahnen zum 85. Geburtstag der Kö­niginwitwe Mary. Im Hydepark wurden 41 und im Tower 62 Schuß Salut zu Ehren der Königin abgefeuert, die sich von ihrer jüngsten Erkäl­tung wieder völlig erholt hat.

ROMAN VON ANNA EUSASCT «BRAUCH

32. Fortsetzung Nachdruck verboten.

Donates Herz schlägt heftig. Sie muß die Augen schließen. Sie hat wohl gewußt, daß hier, irgendwo zwischen den dichten Wänden der Fichten und Lärchen seine Jagdhütte lie­gen muß .. und es ist Donate, sei ehrlich gegen dich selber! die heimliche Anzie­hungskraft dieser Hütte gewesen, die sie ihren Weg hat wählen lassen. Aber jetzt steht sie wie angewurzelt da und vermag keinen Schritt nach dieser offenen Tür zu tun...

Das sanfte Rauschen des Regens wird zu einem heftigen Prasseln, das Wasser sammelt sich in ihrem unbedeckten Haar und rieselt in kleinen Bächen über Nacken und Schlä­fen ... von ihrem triefenden Rock hinunter läuft es in die Schuhe, sie steht schon in klei­nen Pfützen, das durchweichte Zeug klebt an ihrem Körper, sie fängt an, vor Kälte zu zit­tern, sie fühlt ganz deutlich ihr heißes häm­merndes Herz in einer immer mehr erstar­renden Hülle...

Und dann schlägt der Hund im Haus drin­nen von neuem an und wieder tritt Henner Heysingk in die offene Tür . .

Forschend gehen seine Augen ringsum. Do­nate flüchtet ein paar Schritte tiefer in den Wald hinein. Äste bewegen sich und verraten sie dadurch.

Hailoh... ist da jemand? ruft Heysingk, und wenn sie jetzt nicht hervorkommt, wird er ihr den Hund auf die Spur setzen.

Sie tritt aus den Bäumen heraus auf die kleine Waldwiese, und sie fühlt, daß sie etwas sagen, ihr sonderbares Erscheinen erklären muß.

Ich bin in den Regen gekommen..sagt sie mit einem hilflosen Lächeln.

Das sieht man." Eine leise Gutmütigkeit klingt durch den Spott.Sie sind naß wie eine gebadete Katze und trotzdem kommen Sie nicht unter mein Dach?

Ich spiele nicht gern die Rolle des ungebe­tenen Gastes..."

Um seinen festgeschlossenen Mund zuckt ein ironisches Lächeln, ein kalter, harter Glanz ist in dem Blick, mit dem er sie mustert.Mir genügt die Rolle, die Sie spielen... sagt er vieldeutig.Und im übrigen sollten Sie mehr Rücksicht auf Ihre Stimme nehmen."

Mit einem leisen Erschrecken tastet Donate nach ihrer Kehl»... ihre Stimme ... wie lange hat sie nicht an ihre Stimme gedacht... sie wird sich sicherlich erkälten, wenn sie jetzt nicht bald an den warmen Herd geführt wird... uncj, doch möchte sie am liebsten trotzig wieder in den strömenden Regen hin­auslaufen, stundenlang beim Gewitter durch den Wald irren, vom Blitz erschlagen werden, eine Felswand hinunterstürzen ... ach, es Ist ja so gleichgültig, ob man zugrunde geht... wenn nur dieser herzlose Steinklotz von einem Mann nicht glaubt, daß sie dieses Gewitter dazu benutzt, sich in seine tiefe Einsamkeit zu schleichen .., Doch da führt er sie schon im strömenden Regen über die kleine Waldwiese ins Haus.Bitte, gehen Sie an den Herd. Er wird gleich richtig brennen ... Sie brauchen dann nur noch von Zeit zu Zeit Holz aufzu­legen ... anbekommen hätten Sie ihn wahr­scheinlich niemals allein Aber vielleicht kön­nen Sie wenigstens etwas kochen...

Ja! sagt Donate erfreut und tritt mit einem kleinen Lächeln näher.Haben Sie Vor­räte da-? Was soll ich denn kochen?"

Wa3 Sie wollen. Da in dem Schapp... in dem Kasten finden Sie allerhand, woraus man Holzfällerkost bereitet... wenn Sie Glück ha­ben, finden Sie vielleicht auch noch ein paar Büchsen, die mehr dem Geschmack verwöhn­ter Damen entsprechen."

Ach, ich sagt Donate,ich habe noch Schnitten im Rucksack.

Ich würde an Ihrer Stelle die Mühe nicht scheuen und mir ein warmes Essen kochen. Aber vorher würde tch mir einen heißen Grog machen und mich ins Bett legen..meint Heysingk.

Ins Bett? Donate sieht sich fragend um.

Nun ja... auf die Lagerstatt, wenn Sie es nicht mit dem EhrennamenBett bezeichnen wollen. Mir hats noch immer genügt. Und das

nasse Zeug ziehen Sie aus und hängen es an die Stange über den Herd zum Trocknen. Vielleicht kommen Sie dann noch ohne Schnupfen davon.

Er spricht mit ihr, ohne sie anzusehen, nur manchmal den Kopf über die Schulter wen­dend, während er in dem Raum hin- und her­geht, seinen Rucksack packt und ihn schließ­lich über die Schulter wirft. Er nimmt den verbeulten Filzhut von der Bank und den Lo- denumhang vom Haken ...

Wollen Sie noch hinaus ... bei diesem Wet­ter? fragt Donate mit stockendem Atem, die klammen Hände über die Herdplatte ge­spreizt.

Ich muß ja wohl." Er wirft ihr unter hoch­gezogenen Brauen einen kurzen Blick zu.Die Absicht hatte ich nicht. Aber ich hatte auch nicht auf Ihren freundlichen Besuch gerech­net.

Donate preßt die zitternden Lippen aufein­ander.Es geht natürlich nicht, daß ich Sie ver­treibe! sagt sie ruhig, aber sie fühlt, daß sie keinen Tropfen Blut mehr im Gesicht hat.Ich danke Ihnen sehr für IhreGastfreundschaft. Sie betont das Wort mit einem bitteren Klang.Aber ich habe Sie nun schon lange genug in Anspruch genommen ... vielleicht schon zu lange. Sie wirft einen Blick aus dem kleinen vorhanglosen Fenster in den strömen­den Regen.Es hat auch schon wieder nachge­lassen ...

Es denkt gar nicht daran, stellt Heysingk fest.

Dann werde ich eben durch den Regen lau­fen. Sie zuckt die Achseln.Wenn Sie nur so liebenswürdig sein wollten, mir den kür­zesten Weg zu sagen.

Den finden Sie nicht, sagt er ungerührt. Es hat gar keinen Zweck, mich mit langen Beschreibungen aufzuhalten. Ich werde Sie morgen früh abnolen lassen.

Morgen... früh ...?

Ja. Oder gegen Mittag Wenn es auf klärt. Sonst muß man Ihnen einen Regenmantel mitbringen. Stopfen Sie Heu in Ihre Schuhe ... das finden Sie de. nebenan. Sonst können Sie sie morgen nicht wieder anziehen.

Und ich soll die Nacht... hier... allein bleiben?

Er stößt ein kurzes Lachen aus.Glauben Sie, daß dieses Palais von Räubern überfal­len wird? Die Tür hat Schloß und Riegel und auch noch einen Balken Die Fensterläden können Sie auch schließen. Und vor Spuk und Geistern werden Sie ja wohl keine Angst ha­ben.

Ich weiß nicht... ich möchte lieber ... In ihrem ganzen Leben ist sie sich noch nie so hilflos und ungeschickt vorgekommen ... wie ein kleines, dummes, gescholtenes Mädchen steht sie da, und daß das Wasser aus ihren Haaren rinnt, und da« Kleid wie ein zer­drückter nasser Lappen um sie hängt, ist auch nicht dazu angetan, ihr Selbstbewußtsein zu heben.Können Sie mich nicht lieber auf den richtigen Weg bringen?

Ein paar Sekunden bleibt er schweigend vor ihr stehen, und sein Blick trifft voll in ihre flehend aufgeschlagenen Augen. Ein klein we­nig mehr Wärme ist in diesem Blick, der Schimmer eines Lächelns zuckt verhalten um den festen Mund.Da sagen Sie so etwas. Sie auf den richtigen Weg bringen! Das wäre eine nicht reizlose Aufgabe Aber es ist eine Le­bensaufgabe . und dazu habe ich weder Zeit noch Lust. Er dreht sich schroff um, greift endgültig nach dein Hut und geht zur Tür. Also... viel Vergnügen. Und vergessen Sie den Grog nicht...

Er pfeift dem Hund, der im Vorraum auf ihn wartet, und schlägt die Tür hinter sich zu. Aber Donate verriegelt sie nicht. Sie starrt aus dem Fenster, das sich durch die Wärme des Herdes mit einem Hauch überzieht, und an dem die Tropien draußen unablässig herab­laufen.

Wie ein weißlicher Vorhang stürzt das Was­ser vom Himmel .. die hohen Stämme schim­mern undeutlich wie durch einen Schleier ... und durch diesen stürzenden Regen geht die hohe gerade Gestalt eines Mannes ... entfernt sich unaufhaltsam.

Fortsetzung folgt