Sägmühlen. In der eine» der beiden wurde später die Baeulaindustrie betriebe», die mit von dem Besitzer erfundenen patentierten «Webmaschinen Stabgewebe herstellte, das an Stelle der sogenannten Gipscrrohre in der ganzen Welt, aber auch im Krieg im Schützengraben Verwendung fand. 1926 brannte das^Werk ab, das heute jedoch in vergrößertem Umfang im Aufbau begriffen ist. Ein drittes, einer Essener Holzgroßhandlung gehörendes Sägewerk steht an der Effringer Straße. An sonstigen gewerblichen Unternehmen sind 8 größere und kleinere Schreinerwerkstätlen, 2 Küfer, 1 Kübler, 1 Dreher und 6 Zimmer- lente zu nennen. Die Landwirtschaft ist ea. 800 Hektar groß; es hat weniger große Bauer», dafür aber Arbeiter, die nebenher Landwirtschaft betreiben. Um die Landwirtschaft zu heben, erwarb die Stadt 1871 Teile des Klostergutes n. verpachtete sie weiter an hiesige Bauern; heute sind auch die übrigen Klosteräcker an die Einwohnerschaft
verpachtet. Die Farrenhallnng, die früher in Privathand lag, gehört heute der Genieinde- verwaltung. Der Schafzucht wird hier besonderes Interesse entgegengebracht, was damit zusammenhängt, daß seit 1723 Wildberg das Recht hat, einen Schäferlaus, der ein Zunfttag der Schäfer und ein Markttag ist, abzuhalten. Die Landwirtschaft, die auf ziemlich hoher Stufe steht, konnte ihr Getreide in 3 Mühlen verarbeiten lassen. Die eine hiervon, die Klostermühle, wurde 1898 zu einer landwirtschaftlichen Maschinenfabrik umgebaut. Der Landwirtschaft dienen seit alten Zeilen 2 Schmiede und 2 Wagner, für die Nahrung sorgen 7 Bäcker und 5 Metzger. Der Darlehenskassenverein, der 1893 mit 75 Mitgliedern gegründet wurde, halte im ersten Geschäftsjahr einen Umsatz von 80000 Mark, im Jahre 1925 mit 300 Mitgliedern einen solchen von 1,5 Millionen Mark. Im Laufe des vergangenen Jahrhunderts versuchte man immer wieder, eine Industrie heimisch zu machen, besonders die Webindustrie. Für die Calwer Zeughandels-Lompagnie wurde eifrig gewoben und heute noch hat der Rahmenberg, der Südhang der Stadt, seinen Namen aus jener Zeit. Mit der Tuchmacherci steht die Gründung einer Webschule (1856), die bis 1865 Bestand hatte, im Zusammenhang. In der Hausindustrie wurden von den Insaßen vom „Haus der Barmherzigkeit" bis zu Beginn des Weltkriegs Selbandschuhe und sogenannte Tapphandschuhe gefertigt. Eine Zeitlang war auch die Zigarrcuiudustrie hier heimisch. Eine Calwer Zigarrensabrik hatte eine Filiale, die 20 Arbeitern und Arbeiterinnen Verdienst gab, eröffnet. Das Anwesen ging später, nachdem inzwischen eine Schuhfabrik und Strickwarenfabrik darin war, in städtischen Besitz über. In der Inflationszeit gab eine kleine Bijouteriefabrik einer größeren Zahl Mädchen Verdienst. Auch eine Walkerei und Spulerei versuchte festen Fuß zu fassen. 1901 wurde die Wasserkraft am Betlen- berg durch die Errichtung^ eines Elektrizitätswerkes durch Herrn Klingler, dem Erbauer des Nagolder Werkes, äusgenutzt, dessen Erben das Werk weiterausgebaut und modernisiert haben. In einer hiesigen mechanischen Werkstätte werden Waldsamendarrcn besonders guter Konstruktion hergestellt. Einst hatte die Gerberei auch hier einige Bedeutung, doch erst in diesem Jahr hat ein hiesiger Gerber seinen Betrieb wieder aufgcgeben und ist ansgewandert. Ebenfalls aufgehörtzu bestehen haben die Bierbrauereien; solche waren bei der „Traube", „Hirsch", „Adler", „Löwen" und „Schwarzwald": heute ist nur noch eine Niederlage, die von dem letzten hiesigen Bierbrauer geführt wird, vorhanden. Das Baugewerbe ist ebenfalls gut vertreten und Arbeit gab es immer, da es in den letzten 100 Jahren viele größere und kleinere Fenersbrünste gab. In den letzten Jahren zwang auch die wachsende Wohnungsnot, Neubauten zu erstellen. Das Material zum Bauen liefern verschiedene Steinbrüche, das Tal den roten Sandstein und das Sulzer Eck den Muschelkalk. Im Baugewerbe arbeiten 3 Steinhauer und Maurer (früher mehr) 4 Gipser und Maler, 8 Schreiner, 2 Schmiede, 1 Flaschner, 1 Schlosser, 1 Mechaniker, 1 Glaser und 1 Tapezierer. Seit Eröffnung der Nagoldbahn (1874) haben sich Handel und Verkehr stark vergrößert; Wildberg ist der Mittelpunkt für die umliegenden Orte geworden, was u. a. den Bau eines besonderen Postgebäudes 1906 bedingte; in den 90 er Jahren wurden die Straßen nach Effringen und Gllttlingen gebaut. 1859 fuhr die erste Post von Calw nach Nagold, als die Talstraße gebaut war. 1865/66 errichtete mau die Telcgrafenanstalt. Das Jahr 1926 brachte die Autolinie Wildberg—Gärtringeu. Um Handel und Verkehr zu heben, erhielt die Stadt die Marktberechtigung, die jährlich 5 Märkte gestattet. So wie ein Gewerbeverein sich zur Förderung von Handel und Gewerbe gegründet hat, bietet seit 1807 eine gewerbliche Fortbildungsschule dem jungen Nachwuchs gute Ausbildungsgelegenheit, wie man hier in Wildberg überhaupt für das Schulwesen stets offene Hände hatte. 1786 wurde das Schulhaus gebaut, in dem die Volksschule und die Lateinschule, welch letztere 1913 in eine Realschule umgewaudelt wurde, beherbergt sind. Für die Mädchen ist mit dem Jahr 1913 die Sonntagsschnle in eine Fortbildungsschule und seit jüngster Zeit in eine Haushaltungsschule umgewandelt worden. Das „Haus der Barmherzigkeit" ist in der Mitte des vorigen Jahrhunderts eine Webschule gewesen und wurde s. Zt. mit Hilfe der königlichen Zentralstelle für Handel und Gewerbe zur Beschäftigung armer Ortsansässiger gebaut. 1838 wurde in diesem Gebäude eine Privatschnle für schwachsinnige Kinder errichtet, die später nach Maria-Berg kam; auch ein Prioatsdiiillchrerseminar existierte eine Zeitlang. Das Schloß von dem das Grundbuch sagt: „auf einem Felsen südöstlich von der Stadt stund früher ein festes Schloß" wurde 1618 ein Raub der Flammen. Auf den Ruinen wurde 1688 ein neues schönes Gebäude erstellt, in welchem vormals die Vögte und Oberamtleute wohnten und seit 1819 das Foistamt seinen Sitz hat. 1895 wurde es frei und wurde zunächst verpachtet, bis ein Architekt eine Bauschule dort cinrichlete. 1907 wurde es von einem Kunstmaler, der Wildberg seiner Schönheit wegen ausgesucht hatte, zum Aufenthalt erworben. 1924 kaufte die Stadt das Schloß, um es in ein Schulhaus umzubauen, doch an den hohen Kosten scheiterte dieser Plan; dagegen wurde das Ber- messungsamt darin untergebracht. In jüngster Zeit scheint cs nun wiederum einer neuen Bestimmung eutgegeuzugehen und zwar anläßlich des Erwerbs durch einen Stuttgarter Arzt, der es z. Zt. in ein Sanatorium umbauen. läßt. Damit hofft mau, einen Betrieb hiehcr- zubekoinmeu, der Wildbergs wirtschaftliche Entwicklung wesentlich fördern wird, besonders wenn man in Betracht zieht, daß Wildbergs romantische Lage die Vorbedingung für einen Luftkurort geschaffen hat. Zwei Ferienheime wurden bisher hier eingerichtet, an der Nagold im ehemaligen Badhaus, das in alter Zeit ein jüdisches Ritnalbad enthielt, ist das Heim der württ. Kinderhilfe; drunten am Waldeck, ob dem alten Nagoldbett liegt das Haus Saron und links droben schaut das Haus Zion ins Tal hinab. Beide Häuser wurden 1924/25 erbaut und stehen in Verbindung mit der Süddeutschen Bereinigung für Evangelisation und Gemeinschaftspflege. Durch die Errichtung der Wasserleitung, Luft-, Licht- und Flußbäder, die gute ozonreiche Luft, Arzt und Apotheke sind weiterhin gewiß mit die Borbedingungen für eine evtl, gute Weiterentwicklung Wildbergs als Kurort gegeben.
Hl
Stuttgart, 19. November 1926.
Oer Zeitung „Oer Gesellschafter" in Nagolä zu seinem 100jährigen Jubiläum!
Sehr geehrter Herr Zaiser!
Cs ist in den Kreisen der württembergischen Zeitungsverleger bekannt geworden, daß Ihre Zeitung „Oer Gesellschafter" auf ein hundertjähriges Bestehen zurückblicken kann. Ein Jahrhundert!-ein leicht ausgesprochenes
Wort mit dem denkbar schwerwiegendsten Inhalt, wie sich Welt und Völker, Landkarte und Kultur, Technik und Wirtschaft, Litte und Eigenart der Menschen im Laufe des letzten Jahrhunderts verändert haben, ist jedem Zeitungsleser bekannt. Oie wenigsten aber können sich eine Vorstellung darüber machen, was es in Wirklichkeit bedeutet, eine Zeitung durch das Auf und Meder und die Fährnisse eines ganzen Jahrhunderts zu führen, wenn wir uns in die Zeit vor hundert Jahren zurückversetzen und einen Blick in den ersten sauber gedruckten Band des „Intelligenzblattes für die Oberamtsbezirke Nagold und Freudenstadt" werfen, so will es schier unbegreiflich erscheinen, dasz man damals in einem so abgelegenen Bezirk überhaupt schon an die Herausgabe einer Zeitung denken konnte und dasz in der Bevölkerung für ein Zeitungsblatt Verständnis und Bedürfnis bestand. Ununterbrochen ist das Blatt erschienen, bis es dann 1846 zum erstenmal als „Oer Gesellschafter" herauskam, der nun also auch schon auf eine 80 jährige Vergangenheit zurückblickt.
In dieser Vergangenheit aber hat die Zaiser'sche Verlegerfamilie eine sowohl für den ganzen Bezirk wie für die Zeitung selbst höchst bedeutsame und ehrenvolle Kolle gespielt.
Oie Bevölkerung stellt meistens keine Betrachtungen darüber an, in welchem Verhältnis der oder die Zeitungsverleger zu einem bestimmten Gebiet stehen, weshalb bei dieser Gelegenheit darauf einmal hingewiesen werden soll. Bus meinen Erfahrungen, die ich vor Jahren als damaliger Verleger einer mittleren Zeitung sammeln konnte, weiß ich, wie unendlich schwer besonders die Aufgabe der Herausgeber der mittleren und kleineren Presse ist. wie es zutrifft, daß sich im engen Kaume die Vinge stoffen, so platzen auch Auffassung, Meinung und Beurteilung der Menschen in einem ziemlich eng umgrenzten Kreise öfter und härter aufeinander als in der groffen weite, wo man, um eine bekannte bildliche Darstellung zu gebrauchen, sich gegenseitig nicht so leicht in den Kochtopf zu sehen vermag und sich persönlich weniger nahe kommt, sodaff die Verschiedenheiten der Anschauung mehr und mehr den intimeren psychologischen Beigeschmack verlieren. Oer Verleger eines Bezirksblattes steht inmitten der Brandung aller Auseinandersetzungen, mögen sie sich auf hochpolitischem, kommunalem, wirtschaftlichem, sozialem oder kulturellem Boden abspielen oder mag es sich auch nur um sog. Wirtshausgespräche handeln, die aus der Fama hervorgehen und woraus sich dann oft die öffentliche Meinung einer Gemeinde bildet. Oer Bezirksverleger ist so eine Art ruhender Pol in der Erscheinungen Flucht, von ihm verlangt man, datz er im Widerstreit der Meinungen möglichst allen gerecht wird und wenn er gar seine eigene Ansicht zur Zache in seiner Zeitung bekundet, so läht man zumeist kein gutes Haar an ihm, wenn diese Ansicht nicht auch die eigene ist. wie oft wird insgeheim oder in liebenswürdigen Zuschriften die Orohung ausgesprochen, ihn durch Entzug des Abonnements oder der Anzeigen wirtschaftlich mehr oder weniger unmöglich zu machen und besonders Mutige kultivieren gleich den Gedanken, eine neue Zeitung zu gründen. Gewöhnlich verraucht dann bald der erste Zorn, die abbestellte Zeitung wird auf ein gutes Wort der einfachen Erägersfrau hin ruhig weitergehalten und man sieht auch ein, datz man das Vezirksblatt als Lebenselement benötigt, auch um neben dem übrigen schätzenswerten Zeitungsinhalt immer zu wissen, was in der engsten Heimat vorgeht, wer geboren und gestorben ist, was die Aemter bekanntzugeben und die Geschäftsleute wie Private anzuzeigen haben. In der Eat wird der Vezirksverleger immer über den Dingen zu stehen versuchen und sein ganzes Leben wird dem Bemühen nach Ausgleich gewidmet sein. Ein solches Bestreben liegt auch in der ganzen Natur der Bezirkszeitung, die sich immer wieder gewissermaffen an die gleiche Oeffentlichkeit wendet und mit der gleichen Bevölkerung Zusammenleben muh. welche Fülle von verantwortungsbewufftsein in der 5eele des Verlegers eines Bezirksblattes wohnen muff, welche inneren Kämpfe er dauernd mit sich selbst auszufechten hat, wie er alle Vorgänge im Verbreitungsgebiet seiner Zeitung sorgsam beobachtet, wie er vermittelnd zwischen behördlichen oder sonstigen körperschaftlichen Maßnahmen und der Bevölkerung stehen muff und wie er letzten Endes oft die Oaktik des Zchweigens anzuwenden genötigt ist, wo er laut und vernehmlich sprechen und schreiben möchte, davon können sich die Außenstehenden nur eine schwache Vorstellung machen. 5o wenig er aber auch in den Vordergrund treten mag, so ist doch der Bezirksverleger eine der wichtigsten und wertvollsten Persönlichkeiten seines Heimatgebietes, dem die Bevölkerung Achtung und Dank schuldet, weil sein Herz und sein ganzes wirken dieser heiligen Heimat gehören.
5o wird es auch durch ein Jahrhundert hindurch bei dem Bezirksblatt in Nagold und seit vielen Jahrzehnten bei der Verlegerfamilie Zaiser gewesen sein, deren Zeniorchef, wie ich höre, das Glück hat, im hohen Alter von 83 Jahren das Jubelfest der von ihm durch viele Jahre stolzer Entwicklung geführten Bezirkszeitung „Oer Gesellschafter" mit zu erleben. Oie aufrichtigsten und herzlichsten Glückwünsche der engeren, im Verein württembergischer Jeitungsverleger vereinigten Berufsgenossen richten sich am Ehrentage Ihrer Zeitung in das schöne Nagoldtal, an 5ie selbst, verehrtester Herr Zaiser, der 5ie immer ein treuer und verläßlicher Anhänger unserer gemeinsamen verlegerischen Ideale gewesen sind, an ihre ganze Familie und an alle diejenigen, die am „Gesellschafter" Mitwirken. Ihr Blatt hat glückhaft die Ztürme der Vergangenheit überwunden, möge ihm auch die Gunst einer schönen Zukunft beschieden sein!
Mit hochachtungsvoller Begrüßung
Earl E ff e r, Vorsitzender des Vereins württ. Zeitungsverleger E. v.
Hailerbach
(1611 Einwohner, 1578 cv., 9 liath., 24 and. Bekenn!».)
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts machte unser Städtchen trotz der fürchterlichen Feuersbrnnst im Herbst 1807, die 65 Gebäude einäscherle und die Nenanlage eines ganzen Stadtteils zur Folge hatte, noch einen kläglichen Eindruck. Die Häuser waren meist einstöckig, immer noch ganze Komplexe zusammengcbant und durch enge, schmntzige Gäßchen voneinander getrennt, lind wenn die Bauern (denn Handwerker gab cs noch nicht viele) an den Sonntag-Abenden zusammensaßen, redeten sie zwar selten mehr von den Hnngerjahren 1771 72, aber trotzdem wären bei allen zusammen im Frühjahr keine 100 Gulden zu finden gewesen. Es war darum immer eine harte Sache, wenn wieder einmal ein Mißjahr eintrat oder ein Unwetter die Feldfrüchte vernichtete, wie es vom