NUMMER 190

DGB stellt Ausschuß-Mitarbeit ein

öundeskabinett bedauert / Gewerkschaften kritisieren Bundeswirtschaftspolitik

BONN. Die Bundesregierung werde trotz des Schrittes des Deutschen Gewerkschaftsbundes nicht von ihrem Bestreben ablassen, den so­zialen Frieden zu erhalten, erklärte ein Re­gierungssprecher am Dienstag nach der Kabi­nettsitzung. Das Kabinett habe in einer ein­gehenden Aussprache unter Vorsitz von Vize­kanzler Blücherbedauert, daß während der Abwesenheit des Bundeskanzlers der Bundes­ausschuß des DGB den DGB-Vorstand beauf­tragte, seine Mitarbeit in den wirtschaftspoli­tischen Ausschüsen der Bundesregierung ein­zustellen.

Der Bundesausschuß des DGB beschloß am Montag in Düsseldorf, die Mitarbeit der Ge­werkschaften in den wirtschaftspolitischen Ausschüssen der Bundesregierung einzustel­len. Somit werden die Gewerkschaftsvertreter aus dem Investitionsausschuß, dem Ausschuß für Lohn und Preis und dem für Export und Import ausscheiden. Der Beschluß Ist auf Grund einer Empfehlung des DGB-Bundes- auschusses getroffen worden und als gewerk­schaftlicher Protest gegen die Wirtschaftspoli­tik der Bundesregierung gedacht.

In der Begründung heißt es, die gewerk­schaftlichen Vorschläge zur Wirtschaftspolitik se*ien nicht berücksichtigt, vielmehr sei der ^hstandete Kurs verstärkt fortgesetzt wor­den. Nicht betroffen werde die Mitarbeit der Gewerkschaften in der Ruhrbehörde und im Beirat der deutschen Kohlebergbauleitung. Der Beschluß bedeute auch nicht, daß nun kein Gewerkschaftler mehr mit einem Vertreter der Bundesregierung verhandeln werde, teilte die Pressestellte des DGB mit. Er schaffe nur in eindeutiger Form Klarheit darüber, wer die Verantwortung für die wirtschaftliche und so­ziale Entwicklung in der Bundesrepublik trage. Nicht zuletzt sei er dazu angetan, die starken sozialen Kräfte im Parlament, die den gewerkschaftlichen Forderungen nabestünden, zu unterstützen.

Die Verhandlungen mit dem Bundeskanzler hättennicht zu einem tragbaren Ergebnis geführt. Die Pressemeldungen über die letz­ten Besprechungen seienviel zu optimistisch" gewesen. In der Praxis habe die FDP den ent­scheidenden Einfluß auf die Wirtschaftspolitik. Der verantwortliche Bundeswirtschaftsmini­ster könne heute in erster Linie als ein Ex­ponent der FDP und der hinter ihr stehenden

Alliierter Pr otest gegenSeebohm

Rede auf DP-Parteitag beanstandet

BONN. Die drei Hohen Kommissare haben am Dienstag einen gemeinsamen Protest ge­gen dienationalistische Rede des Bundes­verkehrsministers Seebohm auf dem Par­teitag der Deutschen Partei (DP) in Kassel an die Bundesregierung gerichtet. Von französi­scher Seite wurde besonders auf die Feststel­lung, die Alliierten hätten in dem Potsdamer Abkommen einesoziale Atombombe ge­schaffen, von amerikanischer Seite auf die Be­merkung, die Grenzen von 1937 könnten als Folge des Versailler Vertrages nicht anerkannt werden, Bezug genommen.

Die SPD-Fraktion erklärte, sie halte eine Entlassung Seebohms für notwendig, da der Minister auf dem Parteitag erklärt habe, er neige sich vor jedem Symbol, unter dem Deut­sche ihr Leben gelassen hätten. Diese Äuße­rung sei nicht der Ausdruck einer Ehrfurcht, die man jedem Gefallenen schuldig sei, son­dern ein Bekenntnis zum Hakenkreuz.

Die Bundestagsfraktion der Deutschen Partei hat am Dienstag einen Zuwachs von fünf Ab­geordneten, die bisher zur Gruppe der baye­rischen WAV gehörten, bekommen. Damit Ist die DP-Fraktion von 16 auf 21 Abgeordnete gestiegen. Über den Kurs der Fraktion er­klärte der Fraktionsvorsitzende Dr. Müh- 1 e n £ e 1 d, die DP werde, künftigeine ge­wisse oppositionelle Rolle innerhalb der Koa­lition einnehmen.

industriellen Kreise angesehen werden. Es sei nicht die Schuld der Gewerkschaften, wenn die Gespräche mit der Bundesregierung in den vergangenen Monaten in wesentlichen Fragen fruchtlos geblieben seien. Der DGB könne sich nicht dazu mißbrauchen lassen, etwa ein Koalitionspartner im politischen Sinne, sowenig wie Teil der politischen Oppo­sition zu sein. Für ihn gelte der Grundsatz der parteipolitischen Neutralität.

Die Bundesregie-rtii- - j n ^er

Begründung des DGB-Bundesausschusses auf­geführt, wenig Bereitschaft, die Forderungen der Gewerkschaften zu berücksichtigen. Außer wesentlichen Preiserhöhungen habe sich auch auf sozialpolitischem Gebiet eine für die Ar­beitnehmer nachteilige Entwicklung ergeben, besonders bei der Wiederherstellung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung, bei dem Gesetzentwurf über die Errichtung

einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, bei der Renten­versicherung, der Regelung von Kinderbei­hilfen und der Bezüge der Beamten und der im öffentlichen Dienst Stenenden.

Die CDÜ/CSU-Fraktion stellt zu der Ent­scheidung der Gewerkschaften fest, der DGB hätte bedenken müssen, daß nicht nur die Ar­beitnehmerschaft Forderungen und Wünsche habe. Die Millionen Arbeitnehmer, die sich in der CDUyCSU aus echter politischer Verant­wortlichkeit zusammengefunden hätten, wür­den für die Entscheidung des Gewerkschafts­bundes kein Verständnis aufbringen können.

Von SPD-Seite wird dagegen erklärt,auch dieser scharfe Schuß sei noch nicht die letzte der möglichen Konsequenzen. Die Gewerk­schaften hätten sich jetzt die Hände freige­kämpft, nachdem die Zuspitzung der sozialen Situation in Deutschland allein durch die rück­sichtslose privatkapitalistische Restauration unvermeidlich geworden wäre. Die Gewerk­schaften seien indes entschlossen, der drohen­den Radikalisierung in ihren eigenen Reihen nicht Vorschub zu leisten.

Lehr:Gefahr von links größer

Finanzierung durch illegalen Interzonenhandel / Selbstkontrolle der Presse

HAMBURG. Bundesinnenminister Dr. Ro­bert Lehr bezeichnete am Montagabend vor dem Übersee-Club in Hamburg den illegalen Interzonenhandel als Hauptfinanzquelle für die kommunistische Wühlarbeit. Die KPD ver­füge, obwohl sie eine der kleinsten Parteien in der Bundesrepublik sei, über den größten und kostspieligsten Apparat, der jährlich etwa 11 Millionen DM verschlinge.

DieGefahr von links sei weit größer als die von rechts, die besonders in der Presse und namentlich in der Auslandspresse stark übertrieben worden sei. Die KPD habe sich seit langem auf ein Verbot eingerichtet und verfüge über etwa 70 Tarnorganisationen.

Eine eindringliche Warnung richtete Lehr an dieRückversicherer, die sich unter Um­ständen der Mittäterschaft oder der Begün­stigung schuldig machten. Die KPD besolde bei einer Mitgliederzahl von 170 000 mehrere

tausend Parteifunktionäre. Allein beim KPD- Vorstand in Düsseldorf gebe es 220 Partei­angestellte. Die Kreisorganisationen, Landes­verbände und der Parteivorstand kosteten ohne Propagandaaufwand 3,2 Millionen DM im Jahr, die kommunistische Presse im Bun­desgebiet habe ein jährliches Defizit von 2,4 Millionen. Legale Einnahmen seien praktisch keine vorhanden. Als Beispiele für den ille­galen Interzonenhandel nannte der Minister den Verkauf von 7000 t Zeitungspapier und von Sportgewehren aus der Sowjetzone, sowie den Schmuggel von Kaffee und Zigaretten.

Lehr kündigte an, daß das neue Pressege­setz eine Selbstkontrolle für die Presse brin­gen werde. In den von der Presse selbst zu bil­denden Ausschüssen würden Vertreter des Staates oder des öffentlichen Lebens nicht be­teiligt sein. Das Pressegesetz werde die Ver­antwortungsbereiche klar abgrenzen.

Kleine Weltchronik

SPD gewinnt Bundestagsnachwahl. München. Bei der Bundestagsnachwahl im Wahlkreis Nürn- berg-West-Fürth wurde der Kandidat der SPD, Johann Segitz mit 52,9 Prozent aller Stimmen gewählt. Die Nachwahl war durch den Tod des SPD-Bundestagsabgeordneten Willy Fischer er­forderlich geworden.

Falken gegen Kriegsspielzeug. Kassel. Die sozialistische Jugendorganisation dieFalken bereiten im Bundesgebiet und Westberlin eine Propagandaaktion gegen den Verkauf von Kriegsspielzeug vor, die noch vor Weihnachten in allen größeren Städten arbeiten soll.

Schumanplan erst nach Weihnachten. Bonn. Die Fraktionsvorsitzenden der drei Regierungs­parteien haben Staatssekretär Prof. Hallstein am Dienstag mitgeteilt, daß eine Verabschiedung des Schumanplans im Bundestag noch vor den Weih­nachtsferien nicht möglich sein werde, da die meisten Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses erst Mitte des Monats aus Straßburg zurückkeh­ren würden.

Verfahren gegen SRP und KPD erst nächstes Jahr. Bonn. Das Bundesverfassungsgericht wird nach Angaben eines Regierungssprechers das Verfahren zur Klärung der verfassungsrecht­lichen Stellung der KPD und der SRP vermut­lich erst zu Beginn des kommenden Jahres auf­nehmen. Ein Termin sei noch nicht festgesetzt.

Warnung vorostzonalem Bauerntag. Bonn. Das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen und das Bundesemährungsministerium warnten am Dienstag die deutsche Bauernschaft vor der Teil­nahme an dem für 8. und 9. Dezember vorge­sehenen sogenanntenDritten deutschen Bau­erntag" ln Leipzig. An ihm teilzunehmen, be­deute, dem Kommunismus Vorschub zu leisten.

Sturmgefahr in der Nordsee. Cuxhaven. Die Schiffahrt tn der Nordsee wurde am Montag­abend von den deutschen Küstenfunkstationen erneut vor Sturmgefahr gewarnt. Im Katte-

gatt vor Ostjütland sind die beiden Hamburger wurden.

MotorschiffeAdler undHeinie auf Grund gelaufen.

Zwischenfall im Europarat. Straßburg. Ge­stern kam es während einer Plenarsitzung der Beratenden Versammlung des Europarats in Straßburg zu einem Tumult, der eine längere Unterbrechung notwendig machte. Von der Ga­lerie herab wurde plötzlich durch einen jugend­lichen Demonstranten die grüne Europafahne entrollt und eine Proklamation verlesen, die die Delegierten auffordert, eine Verfassunggebende Versammlung von Europa zu -bilden. Sobald der Demonstrant entfernt war, setzte an einem an­deren Ende der Galerie ein anderer die Ver­lesung der Proklamation fort. Es handelte sich um französische und deutsche Studenten.

Aachen auseinandergebrochen. Oslo. Der frühere deutsche FrachtdampferAachen (10 000 Tonnen), der jetzt einer norwegischen Reederei gehört er war während des Krieges im Hafen von Narvik versenkt und erst vor kurzem ge­hoben worden, ist im Schneesturm an der nor­wegischen Westküste auf einen Felsen gelaufen und in der Mitte auseinandergebrochen.

Syrische Regierungskrise. Damaskus. Der neue Staatschef Syriens, Oberst Adib Schischakly, beauftragte am Montag den Verteidigungsmini­ster der früheren Regierung, Oberst Fawzi Silo, mit der Bildung einer neuen Regierung unter gleichzeitiger Ernennung zum Ministerpräsiden­ten.

Vulkanausbruch. Manila. Ein Ausbruch des Vulkans Hibokhibok auf der Philippineninsel Camiguin hat am Dienstag früh bereits 100 To­desopfer gefordert, die durch den glühenden Aschenregen entstanden. Die 45 000 Bewohner der Insel sollen evakuiert werden. Hunderte von Personen werden noch vermißt. Glühende Lava­ströme wälzen sich die Abhänge des 1452 m hohen Vulkans herab und bedrohen die Ortschaften, die von ihren Bewohnern fluchtartig verlassen

MITTWOCH, 5, DEZEMBER io 81

Worüber wird abgestimmt?

TÜBINGEN. Der im Lande Württemberg-Ho­henzollern geltende Stimmzettel über die Neu­gliederung in den Ländern Baden, Württemberg- Baden und Württemberg-Hohenzollern hat fol­genden Wortlaut:

1. Ich wünsche die Vereinigung der drei Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg- Hohenzollern zu einem Bundesland (Siidwest- staat).

2. Ich wünsche die Wiederherstellung des alten Landes Württemberg einschließlich Hohenzollerf

Der im Land Württemberg-Hohenzollern gel­tende Stimmzettel über das Gesetz zur Ände­rung der Verfassung enthält folgende Frage:

Der Wahlzeitraum des ersten Landtags endet an dem Tage, an welchem das Land mit den Ländern Baden und Württemberg-Baden ver­einigt oder das alte Land Württemberg wieder hergestellt wird. Stimmen Sie für dieses Gesetz?

iiMiiiiitiniMimmiiiimiHiiiHMiifMiiMiiHimiiiiiintiiimtmiiMinimimimMiiiiiiimtiiiiiitiui'

Zum Landen gezwungen

Schicksal eines US-Flugzeuges aufgeklärt

LONDON. Nach einer Meldung der sowjet- amtlichen Nachrichtenagentur Tass haben so­wjetische Flugzeuge vor etwa zwei Wochen eine Transportmaschine der amerikanischen Luftstreitkräfte zur Landung gezwungen. Nach Angaben amerikanischer Militärdienststellen handelt es sich dabei um die C 47, die am 19. November vom Flugplatz Erding nach Bel­grad startete und über Jugoslawien ver­schwunden war. In der Tass-Meldung heißt es, die Maschine habe in BelgradSpionage und Saboteure holen und sie dann über ost­europäischen Ländern, darunter auch der So­wjetunion, absetzen sollen. Die Tatsache, daß in dem Flugzeug militärische. Karten osteuro­päischer Länder, ein zum Abwurf bestimmte* tragbares Radiogerät, sechs Fallschirme, die nicht der Besatzung gehörten und ein Packen Wolldecken sich befunden hätten, zeuge für die genannten Absichten. Die vier Besatzungs­mitglieder seien den ungarischen Behörden übergeben worden.

Ein Sprecher der amerikanischen Luftstreit­kräfte in Frankfurt bestritt energisch die so­wjetischen Beschuldigungen, wobei er darauf hinwies, daß die Maschine wegen des damal» dichten Nebels Belgrad nicht habe anfliegen können und versuchte, Kurs auf Venedig zu nehmen, wobei der Pilot sich verflogen haben müsse. Die amerikanische Regierung will un­verzüglich Schritte zur Befreiung der vier amerkanischen Flieger unternehmen.

Noch immer ohne Ergebnis

Auf der Suche nach den Sprengstoffattentätern

HAMBURG. Immer noch ist die Polizei auf der Suche nach den Urhebern der Sprengstoff­attentate. Wenn auch noch keine festen An­haltspunkte gefunden wurden, so verfolgt die Sonderkommission S nach den zahlreichen Hinweisen des Publikums noch einige Spuren. Mehrere Kriminalbeamte durchsuchen zurzeit in Bremen und Hamburg die Karteien mit Bil­dern der Sprengstoffattentäter. Außerdem wer­den alle Verkaufs- und Verwendungsstellen des Sprengstoffs überprüft.

Die Mitteilungen an die öffentlithkeit über das Vorgehen der Polizei fließen immer spär­licher. Das Bundeskriminalamt hat alle Ju­stizbehörden der Länder und die amtlichen Pressestellen angewiesen, der Presse bis auf weiteres keine Auskunft mehr zu erteilen.

Bundesverdienstkreuz verliehen

An Beyerle, Keil und Wurm

STUTTGART. Bundespräsident Dr. Heuß hat am Montag auf Vorschlag des württem­berg-badischen Ministerpräsidenten Dr. Maier dem württembergischen Altlandesbischof Dr. Wurm, Landtagspräsident Keil und dem früheren württemberg-badischen Justizmini­ster Dr. Beyerle das große Verdienstkreux mit Stern des Verdienstordens der Bundes­republik verliehen. In der Verleihungsurkunda heißt es, daß die Orden in Anerkennungihre* jahrzehntelange geistigen und politischen Wir­kens und der außerordentlichen Verdienste um den friedlichen Wiederaufbau unseres Vater­landes verliehen wurden.

in New Orleans

ROMAN VON PETER HILTEN

7] Copyright 1951 by Wllholm Goldman Verlag

Das Show Boat war ein zum Theater umge­bauter Mississippidampfer. Ein flachgehender Dampfer mit Antrieb durch Heckpaddelräder mit Paddeln in der Größe von Kathedralen­toren, einer fast offen liegenden gaudihaft be­malten Dampfmaschine, deren Balanziers in den Himmel zu fuchteln schienen, Balanziers, groß wie Kranbalken, mit zwei nebeneinan­derliegenden überhohen Schornsteinen mit je einer zerpflücktenArtischoke gekrönt, ein Schiff, das Theater war und durch seine be­tonte bunte Altmodischkeit inthe good old days, der guten alten Zeit, selbst Theater machte, das mit leuchtenden Farben, Gold und Spiegeln wie ein Volksfest schrie, ein Schiff, das sich wie ein leutseliger Schauspieler am Gagentag benahm es war vor allem ein Schiff mit einer Calliope.

Die Calliope ist die Faunsflöte des Missis­sippi, ein Harmonium aus Dampfpfeifen. Eine Calliope sieht man nicht, man hört sie. Man hört sie meilenweit, lange bevor das rasche Patsch-patsch-patsch der Paddelwalze das Kommen des Show Boats ankündigt und die Nigger an den Ufern und die Städte von St. Paul bis New Orleans bis zu den Fixkötern elektrisiert.

Die Luft über dem Strom trägt weit. Die Welt atmet den Geruch des Mississippi, das Land leuchtet, da ...

Woher dieser Ton?

Ein Pfiff, noch ein Pfiff, etwas höher, noch höher, eine rasende Tonleiter, einmal hinauf, einmal hinunter. Stille. Ein Spiel.

Dann pfeift der liebe Gott mit Dampfpfei­

fen, die einen Hochdruckkessel erschöpfen kön­nen, einen unverschämten Gassenhauer über das Land. Die Luft zittert und flirrt nicht mehr vom Sonnenglast, sie schwirrt und schwingt in Synkopen von Tonkaskaden, die das Ohr narren, die wie im Sturzflug in der Magen­gegend reißen und jedes einzelne Organ mit­flirren lassen, die in der Gegend des Solarple­xus Blitze in die Nervenbahnen kitzeln und atemloses Glücksgefühl auslösen, Glücksgefühl wie nach* eben überstandener Lebensgefahr, närrisch, übermütig und jauchzend. Die Töne fallen vom Himmel über das Land, und der Wind trägt sie fort, fort, weit über die Ufer. Die Mulos vor den hochbeladenen Baumwolle­wagen werden wild, der hoch oben thronende Nigger, der eben noch geschlafen hat, kreischt: Show a boat! Kühe rennen im Kreise, der Fluß zittert, die Fische frieren... Mais und Baumwolle werden vergessen Show Boat!

Das war eine Calliope.

Patsch-patsch-patsch ... das Show Boat zieht um eine weite Biegung des Stromes, eine toll­gewordene schwimmende Badeanstalt mit Dampfbetrieb, Spiegeln, Farben und Gold, eine Wasserrutschbahn, eine Achterbahn, die schwimmt, mit einem Steuerhaus ganz oben, einem Steuerhaus, groß wie ein lackierter Teepavillon oder der Pavillon einer Kurgar­tenmusikkapelle, und darinnen ein Steuerrad von zwei Mann Durchmesser ...

An Bord eines solchen Show-Boats waren Dixon Young und Donoga, ganz einfach Do- noga, das Mädchen auf Dixon Youngs Bildern, beide in grenzenloser Liebe ineinander ver­sunken, nach New Orleans gekommen.

Donoga tanzte und sang. Sie tanzte Tänze von Hilo, die Tänze vom Strande von Waikiki, Tänze, bei denen die offenen Hände, in Schul­terhöhe gehalten, den Gegenrhythmus zu den Hüften anzeigen, Tänze mit einem geschmei­digen, bronzefarbenen, jungen, melodiegelö­sten Mädchenleib, sie sang tanzend mit blit­zenden Zähnen und einem Gesicht, das das

Glück der Menschen und Blüten auf den para­diesischen Inseln auf den Mississippi zauberte, und doch lachte sie nicht, wenn sie tanzte und sang. Das war kein Lachen, kein Lächeln, es war der Ausdruck tiefster Versunkenheit weltverlorener Palmeneilande, Inseln, die heute im Börsenfleber schütteln, die nach ran­ziger Kopra stinken, und in deren Wellblech­bauten englische Ölmotoren puffen...

Donoga tanzte Religion, sie tanzte Opfer für Kamehameha, sie tanzte Liebe ... Sie tanzte mit nackten schlanken Beinen. Sie trug um die Hüften einen bunten Seidenfetzen. Ihre Brüste nahmen den Zuschauerp den Atem, sie lugten unter einer Last bunter Halsketten hervor, ihr blauschwarzes Haar war wild, als habe der Sturm auf der Luvseite der Inseln daran gezerrt, aber jede ihrer Bewegungen war ru­hig und ausgeglichen, ja fast schwebend wie zu manchen Zeiten, wenn sich die Ausläufer des Frühjahrsmonsuns anzeigten, die Dünung auf Oahu.

Nach ihren Tänzen flüchtete sie sich zu Di­xon. Er wartete auf sie. Er wartete den gan­zen Tag auf nichts anderes als auf die Abend­stunden, auf Donogas Flucht von der Bühne, und war glücklich, über alle Maßen glücklich, wenn im Dunkel die Kabinentüre ging, Do­noga hereinschlich und sich wie ein scheues Tier mit pochendem Herzen und fliegendem Atem in die Winkel seiner Schultern schmiegte. Sie sprachen nichts. Donoga lachte ein ganz klein wenig und ließ sich von Dixons schma­len weißen Händen Sünden von der dunkel­seidigen Haut streicheln, die ihr während des Tanzens aus den Augen weißer Männer unaus­weichlich entgegengeflogen waren.

So schliefen sie, während an Bord das Fest weiterging, die Gibson-Girls tanzten und über­schlanke Burschen in altmexikanischen, ro­mantischen Trachten Gitarren spielten und dazu mit klingenden Baritonstimmen ameri­kanisierte Hidalgolieder sangen.

Show Boat a coming!

Mississippisongs, Niggersong»

On the Mississippi, on the Mississippi!

Where the boats go puffin along,

on the Mississippi

Darkies all go dippy

where they hear a little bit of melody.

It seems I hear them singing, see them buk and swinging to the banjos ringing.

Oh, my heart is clinging to the Mississippi, thats where I am born, oh.. .1 There I must go o, on the Mississippi,

on the Mississippi... plunk ta-ta plunk,

ping bang,

Daddadong, daddading... daddadong, Oooooh? [daddading

Ein Schlag, ein Pfiff.

Aus.

Auf dem Mississippi, auf dem Mississippi!

Wo die Boote ziehen, auf dem Mississippi, wenn Neger eine Weise hören, sind sie alle zu betören.

Und es scheint, ich hör sie singen, seh sie tanzen, seh sie schwingen und die Banjos ryhthmisch klingen und mein Herz wird schwer davon

Ich muß zurück zum Mississippi, wo ich geboren bin.

Auf den Mississippi, auf den Mississippi muß ich wieder hin, auf den Mississippi,

auf den Mississippi... plunk ta-ta plunk»

pink bang.--

Daddadong, daddading ... daddadong, Oooooh? [daddading

(Fortsetzung folgt)