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FREITAG, 3 0. NOVEMBER 1951

Konferenz der Verkehrsminister ST" d b » aE

Straßenverkehrs-Sicherhe itsausschuß gebildet

FREUDENSTADT (Eig. Bericht.) Am Don­nerstag fand in i reudenstadt unter dem Vor­sitz des Bundesministers für Verkehr, Dr.- Ing. S e e b o h in, die 24. Verkehrsminister­konferenz statt, an der die für das Verkehrs­wesen zuständigen Minister der Länder und Senatoren der Hansestädte mit ihren nächsten Mitarbeitern sowie Staatssekretär im Bun­des Verkehrsministerium. Professor Dr.-Ing. F r o h n e, Präsident Dr.-Ing. Helberg von der Hauptverwaltung der Deutschen Bundes­bahn und Generaldirektor Bauer von der Betriebsvereinigung der südwestdeutschen Eisenbahnen teilnahmen.

sondere für die Ausgabe von Bezirksgenehmi­gungen, wird den Ländern vollste Zurückhal­tung empfohlen.

Als weitere Maßnahme zur Bekämpfung der Unfallgefahren wurde ein Straßenver­kehrs-Sicherheitsausschuß gebildet. Berichtet wurde über den Stand der Arbeiten an einem allgemeinen Abkommen über den internatio­nalen Straßen-, Personen- und Güterverkehr (ECE-Genfi, über die Sicherung schienenglei­cher Wegübergänge, über den Stand der ge­setzgeberischen Vorhaben auf dem Gebiet der Luftfahrt, über fUe Meldepflicht bei Betriebs­störungen, Unfällen und außergewöhnlichen

Das in Vorbereitung befindliche Gesetz über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr wurde eingehend besprochen, rieben anderen Fragen interessierte insbesondere die Frage der Bei­räte bei den Wasser-Schiffahrtdirektionen im Bereich der einzelnen Stromgebiete.

Bundesverkehrsminister S e e b o h m dankte Innenminister Renner, der auf einem Staats- emofang die Gäste im Namen der Regierung Württemberg-Hohenzollerns begrüßte, mit warmen Worten der Anerkennung für seine vorbildliche Leistung als Leiter der Sitzungen des Bundesverkehrsausschusses. Ihm sei es zuzuschreiben, daß am Anfang aufgetretene Snannungen bald hätten beseitigt werden können.

Nach dem Pressekommunique wurden fol­gende Fragen behandelt: Für die Ausgestal­tung der Dienstvorschriften der nichtbundes­eigenen Eisenbahnen wurde eine Arbeitsge­meinschaft gebildet, die aus acht Vertretern (der Länder Nordrhein-Westfalen, Bayern, Ba­den, des Landesbevollmächtigten für Bahn­aufsicht Hannover, der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn und des Verbandes deutscher riichtbundeseigener Eisenbahnen) besteht.

Das Kontingent der bundesbahn-eigenen Kraftfahrzeuge des Güterfernverkehrs soll zurzeit auf 3,5 °/o des bereits festgesetzten Ge­samtkontingents (zurzeit rund 15-000 Fahr­zeuge im Bundesgebiet) festgesetzt werden. Für die Neuausgabe von Konzessionen, insbe-

Slansky einTrotjkist

Krise in der tschechischen KP

PRAG. DieVerschwörertätigkeit des ver­hafteten tschechischen stellvertretenden Mini­sterpräsidenten Rudolf Slansky und an­derer seidas Gegenstück zu der eines Trotzki, Sinowjew und Bucharin, erklärte der tschechoslowakische Minister für Staatssicher­heit, K o p r i v a, auf einer , Kulturveranstal­tung in Prag. Er forderte, dieVorsicht und Wachsamkeit des Sowjetvolkes zum Vorbild für das tschechoslowakische Volk im Kampf gegen die amerikanischen Imperialisten zu machen, die durch Sabotage, Terror und Mord versuchten, den Aufbau in den Volksdemo­kratien zu stören.

Die Festnahme Slanskys sei charakteristisch für die sich ständig verschärfende Krise in der tschechoslowakischen kommunistischen Partei, erklärte Boyumil Lauschmann, der ehemalige tschechische Industrieminister und Vorsitzende der Sozialistischen Partei der CSR im Exil. Die Krise rühre nicht nur von der Ausbeutung des Landes durch die Sowjets her, sondern sei auch auf die wachsende Un­zufriedenheit der tschechischen Arbeiter zu- -ickzuführen, die unlängst bei einer Rede anskys in Pilsen durch Proteste der Arbel- .rschaft Ausdruck gefunden habe.

Voiscfa ag abgelehnt

Drei wichtigste Städte der Kanalzone geräumt

PARIS. Großbritannien hat am Mittwoch den ägyptischen Vorschlag, sämtliche Truppen und Beamte aus dem Sudan abzuziehen und dann die Bevölkerung in einer Volksabstim­mung über ihre Zukunft entscheiden zu las­sen, abgelehnt. V'ie der britische Staatsmini­ster und UN-Cufdelegierte,Selwyn Lloyd, bekanntgab, müsse im Sudan nach britischer Ansicht zunächst eine Repräsentativ-Regie- rung gebildet werden, bevor die Bevölkerung über die Zukunft entscheiden dürfe.

Wie aus Ismailia verlautet, haben sich die britischen Militärdienststellen und die ägyp­tischen Behörden darüber geeinigt, alle briti­schen Truppen aus den drei wichtigsten Städ­ten der Suezkanalzone, Ismailia, Port Said und Suez, zurückzuziehen. Die Ägypter haben als Gegenleistung für das britische Zugeständ­nis versprochen, bei der Bekämpfung der Ter­roristen in der Suezkanalzone mitzuwirken. Trotzdem kam es schon nach wenigen Stun­den zu neuen Zwischenfällen.

Hin 4 ert*enw»n abreißen

Schulze wieder frei

BONN. Der Bonner Journalist Alfred Schulze vom nolitiseh-oarlamentqrfschen Pres­sedienst wurde nach einer Mitteilung des Staatsanwalts am Mittwochabend aus der Un­tersuchungshaft entlassen, nachdem für ihn eine entsprechende Kaution gestellt worden war. Das Bundeqiu«tizmini«terium wandte sich gesen eine Erklärung d°s Vorsitzenden des deutschen Journalistenverbandes, Dr. Hel­mut Cron. die Anwendung d°s Paragraphen 353 C des Strafgesetzbuches (Verrat von Ge- hcimniccenl aus fiov TVTp.Zoit tm+erbiode prak­tisch jede vernünftige Pressearbeit. Es wurde festgestellt, es sei zwar das Recht jedes Jour­nalisten, sich zu informieren, doch könne d°r Staat unter keinen Umständen dulden, daß das Tnformation=b°dürfnis enes Journalisten mit kriminelen Mitteln gestillt werde.

Tm Zusammenhang mit d°m Fall Platow ist jetzt ein Angehöriger d°s Bundeswirtschafts­ministeriums. der Gheimsachen bearbeitete und verwaltete, f°stgenommen worden. Er gestand, Schulze während eines längeren Zeit- rams eohoime u"d vertrauliche Schriftstücke ge»en Bezahlung überlassen zu haben.

Der Justizminister von Nordrhein-Westfa­

len. Dr. Amelunxen, erklärte in Düssel­dorf, die Journalisten hätten en Recht auf Informationen. Ohne Auskunftsoflicht der Be­hörden hinge dieses jedoch imluftleeren Raum. In Kürze würden unter dem Motto Hintertreppen abreißen, Vordertüre sperr­angelweit öffnen, neue Richtlinien für die Justizoressestellen erlassen. Die Auskunfts­pflicht müsse auf Bundesebene gesetzlich ge­regelt werden.

Auswanderungsplan gebilligt

Umsiedlung von 115 000 Personen vorgesehen

BRÜSSEL. Die Vertreter von sieben Län­dern haben auf dem Brüsseler Auswande­rungskongreß den amerikanischen Plan zur Bildung einer internationalen Auswande­rungsbehörde und der Umsiedlung von 115 000 Personen, unter denen sich etwa 55 000 Deut­sche befinden sollen, nach überseeischen Auf­nahmeländern grundsätzlich gebilligt. Der deutsche Chefdelegierte Dr. v. Tritschler begrüßte die holländische Forderung, die Fa­milien als Einheiten zu behandeln, verwies auf die seit langem in Deutschland bestehen­den Auswanderungsbehörden und unterstrich die Notwendigkeit, Flüchtlinge aus Osteuropa in den Plan einzubeziehen.

Kleine Weltdironik

Schulen gedenken der Menschenrechtserklärung. Tübingen, Am 10. Dezember 1948 haben 48 Mitgliedstaaten der UN die Erklärung der Men­schenrechte unterzeichnet. Das Kultministerium von Württemberg-Hohenzollern hat alle Schulen ersucht, am 10. Dezember 1951 im Unterricht oder in einer besonderen Feierstunde in geeigneter Weise auf die Menschenrechte, ihre Geschichte und ihre Bedeutung für das Zusammenleben der Menschen und der Völker einzugehen.

Gehaltserhöhung in Nordwüritemberg-Baden. Stuttgart. Die Beamten des Landes Württem­berg-Baden erhalten rückwirkend vom 1. August an eine Zulage von 20 Prozent zu ihrem Grund­gehalt. Für die Zeit vom 1. April bis 81. Juli wird das Grundgehalt um 15 Prozent erhöht. Be­amte mit Gehältern unter 230 DM erhalten einen besonderen Zuschlag.

Landesbezirkspräsident Unser gestorben. Karls­ruhe. Der nordbadische Landesbezirkspräsi­dent Dr. Hans Unser (SPD) ist in der Nacht zum Mittwoch gestorben. Dr, Unser befand sich in seinem Personenwagen auf der Rückfahrt von einer Südweststaat-Kundgebung in Mannheim nachyKarlsruhe, als er einen Herzschlag erlitt. Der Verstorbene war 44 Jahre alt. Er hatte sich besonders in der letzten Zeit in Nordbaden für die Bildung des Südweststaates eingesetzt.

Türkischer Besuch. Bonn. Der türkische Wirtschaftsminister Prof. Muhlis Elte, der sich gegenwärtig auf einer Informationsreise durch Deutschland befindet, wurde gestern in Bonn von Bundespräsident Heuß empfangen. Er hatte ferner ein Gespräch mit Bundeswirtschaftsmini­ster Erhard.

Zentrum ohne Fraktionseigenschaft. Bonn. In dem neuesten Bundestagsverzeichnis werden als Fraktionslose aufgeführt der WAV-Vor- sitzende Alfred Loritz, der in die Sowjetzone verschleppte KPD-Abgeordnete Kurt Müller, die in die Spiegelaffäre verwickelten Bayernpartei- Abgeordneten Aumer und Donhauser, ferner Hedler, Dr. Doris und Dr. Richter. Das noch als Fraktion aufgeführte Zentrum hat durch, den Übertritt von Dr. Glasmeyer zur CDU inzwU

sehen ebenfalls die Fraktionseigenschaft ver­loren und kann daher keine ordentlichen Mit­glieder mehr in die Bundestagsausschüsse ent­senden.

Englischer Dampfer gesunken. Hamburg. Der 864 BRT große englische DampferTeeswood ist am Mittwochabend vor der Nordseeinsel Borkum gesunken. Zwei Mann der Besatzung sind wahr­scheinlich ertrunken. Der seit Mittwoch über der Nordsee, der Deutschen Bucht und dem Skager­rak wütende orkanartige Weststurm hat im Lau­fe des gestrigen Tages etwas nachgelassen. Ein nachfolgendes Tief aus Island läßt aber wieder Sturmgefahr erwarten.

Hilfe für deutsche Kinder. Bremen. 400 000 Garnituren Unterwäsche und 60 000 Garnituren Bettwäsche sollen während der Wintermonate innerhalb des vierten Hilfsprogrammes der UNICEF, des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen, in der Bundesrepublik angefertigt und an notleidende Kinder und Flüchtlingsfamilien im Bundesgebiet und in Westberlin verteilt wer­den. Die Wolle kommt aus Neuseeland.

Ti*o will Stepinac entlassen. Belgrad. Mar­schall Tito hat angekündigt, er werde denFall des zu 16 Jahren Gefängnis verurteilten Erz­bischofs Stepinac spätestens innerhalb von vier Wochen lösen. Tito erinnerte daran, daß er dem Vatikan vor sechs Wochen die Freilassung von Stepinac unter der Bedingung angeboten habe, daß dieser Jugoslawien verlasse. Der Vatikan habe darauf nicht geantwortet, offenbar, weil er den Erzbischof als Märtyrer hinstellen wolle.

Japanische Stadt vernichtet. Tokio. Die 56 km südwestlich von Tokio gelegene Fabrikstadt Oda- warra wurde am Mittwoch zum dritten Mal in diesem Jahrhundert fast völlig zerstört. Ein ge­waltiges Feuer vernichtete 250 Häuser und machte rund 3000 Menschen obdachlos.

Staatsstreich In Thailand. Singapur. Die Regierung von Thailand (Siam) ist nach einer Meldung des Senders Bangkok am Donnerstag gewaltsam gestürzt worden. Der Staatsstreich soll unblutig verlaufen sein. Das Königreich Thailand hat 17,2 Millionen Einwohner,

»Ft iedemtaq

cz Für kommenden Sonntag ist einFrauen- Friedenstag angekündigt. Tagungsort: Tü­bingen. Was Hegt näher als der Verdacht, daß es sich auch hier um eine von kommunisti­scher Seite aufgezogene Angelegenheit han­deln könnte, bei der nach bewährter Taktik nichtkommunistische Frauen, nicht genau da­rüber informiert, von wem die Aktion aus­geht, mit eingespannt werden. Eine ganze Reihe von Indizien weist darauf hin sieht man sich nur die Einladung genauer an. So billigen wir denn die vomVolksbund für Frieden und Freiheit ausgehende Warnung vor diesemFriedenstag weithin, oder wür­den eventuellen Teilnehmerinnen doch anra- ten festzustellen, wer der eigentliche Initiator dieser Veranstaltung ist. Gerade die Hinweise auf das Frauentreffen in Velbert (Rheinland) am 14. Oktober läßt Zweifel aufkommen. Doch das ist nur die eine Seite der Angelegenheit. Wie immer es sich auch verhält, auf die Frage, warum die nichtkommunistischen Frauenor­ganisationen nicht schon längst der östlichen Zweckpropaganda durch eigene Aktivität zu­vorkommen, haben wir damit noch keine Ant­wort bekommen. Früher sprach man vom un­teilbaren Frieden. Heute gibt es zumindest zwei. Ist derFrieden in Freiheit kein Frie­den, für den man öffentlich auftreten kann? Wir sollten endlich aus der Abwehrhaltung herauskommen und unsern Friedenswillen selbst kundtun. Dann brauchen wir uns um etwaige ferngelenkteFriedenstage so oft das zutrifft nicht zu kümmern.

Auslie erung von Verbrechern

Gegenseitigkeitsvertrag Paris Bonn

BONN. Ein Vertrag über die gegenseitig* Auslieferung von kriminellen Verbrechern ist zwischen Frankreich und der Bundesrepublik unterzeichnet worden, wie das Bundesjustiz­ministerium mitteilt. Der Vertrag erfaßt nur Straftaten, die nach dem 8. Mai 1945 begangen worden sind. Die Bundesrepublik und Frank­reich werden gegenseitig solche Personen aus­liefern, die wegen Verbrechens von einer be­stimmten Schwere verfolgt werden oder ver­urteilt worden sind. Nach den üblichen Grund­sätzen werden jedoch eigene Staatsangehörige nicht ausgeliefert. Nicht ausgeliefert werden ferner Personen, die wegen politischer Straf­taten oder wegen Verletzung militärischer Ver­pflichtungen gesucht werden. Das Bundesju­stizministerium ergänzt dazu, daß die Frage der Deserteure aus den Besatzungstruppen in diesem Vertrag nicht behandelt sei.

Erzbischof für a»te Länder

Dr. Wendelin Rauch über Südweststaat

KARLSRUHE. Der .Erzbischof der Diözese Freiburg, Dr. Wendelin Rauch, hat sich in der neuesten Nummer desSt.-Konrad-Blat- tes für die Wiederherstellung der alten Län­der Württemberg und Baden ausgesprochen. Es könne nicht übersehen werden, daß eins Neugliederung für die betroffenen Länder auch im religiösen Bereich weittragende Fol­gen haben würde. Im Artikel 29 des Grund­gesetzes sei eine Neugliederung des gesamten Bundesgebiets vorgesehen, während die auf 9. Dezember festgesetzte Abstimmung allein die Länder des südwestdeutschen Raums be­treffe, womit für dieses Gebiet eine Neurege­lung vorweggenommen werde. Diese sein* persönliche Stellungnahme habe er bereits vor einem Jahr bekanntgegeben.

Der Karlsruher Stadtrat lehnte einen An­trag seiner kommunistischen Mitglieder ab, die Bevölkerung für die Stimmabgabe zugun­sten des alten Landes Baden aufzurufen. Zu der Abstimmung seien die Bürger der Stadt aufgerufen, nicht aber die Stadtverwaltung.

Neunkirchen soll verlegt werden. Saarbrücken, Die saarländische Stadt Neunkirchen soll bis 1980 auf ein anderes Gelände verlegt werden. Unter der Stadt lagern 75 Millionen Tonnen Kohle, mit deren Abbau dann begonnen werden soll. Die Sadtverwaltung hat bereits einen Plan für die Verlegung fertiggestellt. Neunkirchen zählt zurzeit 46 000 Einwohner.

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in New Orleans

ROMAN VON PETER HILTEN

4] Copyright 1951 by Wllholtn Goldman Vorlag

Das Haus, unter dessen Tor Pietro Rücken­deckung gefunden hatte, war Madame Dolly Grandjeans bekanntes Drei-Dollar-Etablisse- ment, das bedeutendste seiner Art im ganzen Rote-Licht-Distrikt von New Orleans. Im Augenblick, als für Pietro die Lage kritisch wurde Mexikaner pflegen mit Messern zu werfen öffnete sich hinter ihm die Türe und Jan ten Brink, Kapitän der holländischen DreimastbarkEspiritu Santo wollte eben das gastliche Haus der Nacht verlassen und sich wieder an Bord seines Schiffes begeben.

Die vor Kampflust gierende Menge blickte einen Augenblick verblüfft auf den großen blonden und, als gäbe es einen großen Spaß, hellauf lachenden Mann. Kapitän ten Brink hatte die Lage blitzschnell erfaßt.

Er pflegte nie einen Revolver zu tragen. Er war nur angesichts persönlicher Bedrohung hart. Wer bedrohte ihn hier? Niemand. Man hatte ihn auch selten Fäuste machen sehen. Er hatte große starke Hände mit schwarzen Haaren auf dem Rücken. Wenn er zuschlagen mußte, so kämpfte er offenhändig und patschte Männer nieder, als sei er ein Bär. Seine blauen Augen blitzten unter tiefen, von strohfarbenen buschigen Brauen gekrönten Wülsten hervor. Er war eigentlich hübsch. Seine Handballen waren härter als die eines Segelmachers und waren für Messer unempfindlich. Es wurde erzählt, daß er vor einem Jahr in Roxys Mexico-Bar einen Mann glatt auf den Boden geschlagen habe. Sein Mut war nie bezweifelt worden. Seine Schnelligkeit war erstaunlich. Er hatte während seiner bisherigen Laufbahn als Seemann gelernt, daß er einen Mann

schneller niederschlagen konnte, als der schnellste Widersacher ein Schießeisen ziehen. Er hatte das schon öfters ausprobiert. Zuletzt, als ein aufgeregter und bekannt händelsüch­tiger Cowboy nach dem Eisen langte. Ten Brink holte aus. Der Cowboy fuhr nieder, und sein Kinn schlug eine Delle in die Theke, die nachher viel bewundert wurde.

Ein Mann nun, der zu dieser vormittäglichen Stunde von Madame Dolly Grandjean kam, besaß von vornherein die Neigung des Volkes. Sein breites Lachen brach für einen Augen­blick den Ernst der Lage. Trotzdem sahen seine Augen alles: die aufgeregte Menge, das schreiende und gestikulierende Mexikanerweib, die gezückten Messer und Steine, einen bluten­den Dingo, der sich nicht mehr vertraute und hinten hetzte, einen belagerten und bis zum letzten entschlossenen kleinen Italiener mit einem Dolch, einen verängstigten Affen und belfernde Hunde...

Auf der andern Seite der Straße, gegenüber von Madame Grandjeans interessantem Salon, hielt mit einem faulen Mulo in der Deichsel ein ramschakehger Einspänner, in dessen zer­rissenen Polstern ein nur mit Hemd und Hose bekleideter teilnahmsloser Negerkutscher mit den Beinen auf dem Bock und dem Strohhut im Gesicht schlief.

Ten Brink rief ihn an.Hey!

Die Menge hatte noch nie eine solche Stim­me gehört. Sie wich vor ten Brink, der über sechs Fuß maß, noch immer lachte und sich wie ein Ringkämpfer in den Hüften bewegte, etwas zurück. Pietro duckte sich unter ten Brinks Arm da erschien Dolly.

Dolly war von dem Krach vör ihrer Haus­tür geweckt worden und die Treppe hinunter­gefegt. Sie war in ihren roten Satinpantoffeln fast so groß wie ten Brink. Wenngleich sie 1885 noch nicht den Umfang ihrer späteren Jahre erreicht hatte, so war sie doch in jeder Beziehung eine große Dame. Sie blitzte vor Zorn, ze'gte majestätisch die Straße hinunter und schrie aus der Tiefe ihres Alts:

Macht, daß ihr zum Teufel kommt!

Dolly war im allgemeinen eine gutmütige Frau. Aber am hellichten Tag aus dem Schlaf gestört zu werden, betrachtete sie als einen Eingriff in ihre persönlichen Rechte und Frei­heiten, der sie sofort in hellrote Wut versetzte. - Vielleicht hätte Kapitän ten Brink ohne Dollys unerwartetes Auftreten doch noch mit der erregten Menge Schwierigkeiten gehabt, aber ein großes zorniges Weib in einem wo­genden knallroten Kimono war etwas anderes als ein Mann. Jemand lachte. Plötzlich brach die ganze Straße in schallendes Lachen aus. Dolly war doch noch eine! Hello, Dolly!

Während sich Dollys Gesicht sofort ent­spannte und zum Lächeln eines überlebens­großen Babys verzog, packte Kapitän ten Brink Pietro beim Rockkragen, ging mit ihm durch die noch vor einem Augenblick bedrohliche Menge und hob ihn mitsamt seinem Affen ln den Wagen, dessen schwarzer Kutscher erst jetzt erschrocken erwachte. Jan. ten Brink war nie der Mann gewesen, der lange mit einem Nigger verhandelt hätte. Er schwang sich auf den Bock, das Wägelchen ächzte, er gab dem Gaul den Stecken und fuhr mit einem Blick nach Dolly, die eben die Tür ihres Hauses zu­knallte, aber doch noch Jans Blick erhascht hatte, nach dem Hafen.

Ganz New Orleans lachte. Der Negerkut­scher war ruhig so sitzen oder vielmehr hegen geblieben, wie er geschlafen hatte, viel ließ sich gegen diesen Big Mister nicht ausrichten, Pietro saß, als sähe er die Straßen und die Menschen nicht, während der Affe als seltsam­stes Geschöpf von ganz New Orleans, von Pietro an einer Schnur gehalten, vor Angst im ganzen Wagen herumfuhrwerkte und schließ­lich dem Neger den Angstschweiß aus der dik- ken Haut trieb.

Kapitän Jan ten Brink war von da an, so­lange er mit seinem Schiff im Hafen lag, der volkstümlichste Seemann vor Louisiana. Er gewährte Pietro und seiner an

Bord seines SchiffesEspiriti rnr

Schutz und Bleibe für den Tag, sondern auch Nachtquartier und Essen. Die Besatzung der Bark hatte wie üblich bis auf den Jungen und den schweigsamen chinesischen Koch Huey ab­gemustert. Es gab dann noch einen kleinen Hund an Bord, ein belgisches Schiperke, das Tapagot gerufen wurde. Das war alles. Jan ten Brink wartete auf Ladung. Solange konnte Pietro einstweilen bleiben.

*

An den gleichen Dukdalben, an denen auf Anordnung des Hafenmeisters ten Brinks Drei­mastbark festgemacht hatte, wartete auf der anderen Seite die ebenfalls holländische Brigg Dei Gracias auf Ladung. Ihr Kapitän, Hen­drik Dekker, war ein Riese mit lederfarbenem dunklem Gesicht, schwarzem Haarschopf, gro­ßer Hakennase und einem selten rasierten brutalem Kinn, aus dem dichte rote Stoppeln stachen. Er hatte eine unangenehme Art den Mund schief zu ziehen, ein Auge zuzukneifen und haarscharf an allen Menschen vorbeizu­spucken. Sein Gesicht konnte je nach Laune, Gespräch und Umständen zwischen dem Aus­druck einer wütenden Katze oder eines Fauns wechseln. Er wurde von seinen jeweiligen Mannschaften gefürchtet und war schon knapp wegen Mißhandlungen am Gefängnis vorbei­gekommen.

Dekker war wegen seiner maßlosen und plötzlichen Wutausbrüche ebenso bekannt wie wegen seiner unerhört kühnen und schnellen Segelreisen, seiner unersättlichen Gier nach Dirnen und der Merkwürdigkeit, daß er es liebte, den Betrunkenen zu spielen, während er völlig nüchtern war und die Menschen um ihn nur belauerte. Man wußte, daß er ständig einen Revolver bei sich trug.

Dekker hatte ten Brink mit Pietro und dem Affen an Bord kommen sehen. Er unterdrückte gerade noch einen spöttischen Zuruf und tat, als habe er ten Brink gar nicht gesehen Er hörte, daß der Italiener mit dem Affen an Bord bleiben sollte.

Dekker spuckte aus. (Fortsetzung folgt)