MONTAG, 8. OKTOBER 1951
MONTAG, 8. OKTOBER 1951
Wir haben’s weit gebracht
kw. Die Auseinandersetzung über die Südweststaatfrage gehört, auch wenn ihr keine so große Bedeutung zukommt wie anderen dringend zu lösenden, lebenswichtigen Problemen unseres Volkes, ohne Zweifel zu den betrüblichsten Kapiteln der Innenpolitik der Nachkriegszeit.
Es sei eine Argumentation der südbadischen Regierung als ein besonders sinnfälliges Beispiel dafür herangezogen, wie weit wir es im häuslichen Streit von Nachbarn gebracht haben, die, hätte man die Juristen nicht zu Rate gezogen, sondern das Volk wirklich selbst sprechen lassen, sicher längst unter einem Dach zusammen wären, unter dem sie sich durchaus wohlfühlten. Man kann nur mit tiefem Bedauern feststelleh: Folgte man der altbadi- ßchen Argumentation, mit der von dieser Seite gegen das vom Bundestag beschlossene Neugliederungsgesetz operiert wird, so sind wir Schwaben für unsere Badener Nachbarn Ausländer, genau wie die Italiener, Schweden oder Amerikaner. Denn der Antrag der badischen Regierung, das Bundesverfassungsgericht möge feststellen, das Land Baden sei nicht verpflichtet, das zweite Neugliederungsgesetz, das eine Abstimmung in drei Zonen vorsieht, durchzuführen, wird mit dem Hinweis auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker begründet! Der Verzicht auf die Existenz eines Landes kpnne nur von seiner eigenen Bevölkerung ausgesprochen werden. Die Überstimmung durch Angehörige eines anderen Landes — in diesem Fall also Südwürttembergs und Nordwürttembergs — widerspreche dem völkerrechtlichen Grundsatz über das Selbstbestimmungsrecht der Völker.
Der von juristischen Spitzfindigkeiten Unbelastete kann diese Begründung nur mit Kopfschütteln entgegennehmen. Er war bisher nämlich, ohne allerdings Staats- und Völkerrecht studiert zu haben, der Meinung und ist es heute noch, daß wir, ob Badener Württember- ger und trotz willkürlicher innerstaatlicher Grenzen ein Volk in einem Bundesstaat sind, dessen Beziehungen sich, das ist auch einem des Staatsrechts und Völkerrechts Unkundigen verständlich, nach Verfassung®rechtlichen und nicht Völker rechtlichen Normen regeln.
Und der einfache Mann hat, indem er so denkt, eine durchaus richtige Vorstellung, auch vom rein formalrechtlichen Gesichtspunkt aus gesehen. Wir wollen ganz davon absehen, daß das in den Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Staaten in den letzten Jahren so oft ' zitierte und strapazierte Selbstbestimmungsrecht der Völker bis heute mehr eine internationale Forderung als eine anerkannte positive Regel des Völkerrechts ist: um sich auf völkerrechtliche Normen berufen zu können, wäre es immerhin Voraussetzung, daß der Staat, der dies tut, ein vollständig souveräner Staat ist. Das war Baden früher einmal, wie es Württemberg und alle die andern deutschen Länder zurzeit des Deutschen Bundes gewesen sind. Aber schon das Bismarckreich war ein Bundesstaat, die Weimarer Republik ebenso Aber das Recht-der Länder ist im Bundesstaat immerhin delegiertes Recht und — von der Konstruktion des Dritten Reiches, das die Länder vollständig beseitigte, abgesehen — ist auch die Westdeutsche Bundesrepublik ein Bundesstaat, in dem zwar die Selbständigkeit der Länder wieder wesentlich gestärkt wurde, aber vollständig autonome und souveräne Staaten stellen sie deshalb nicht dar. Daher gibt es auch kein badisches Volk und kein württembergisches Volk, sondern ein deutsches Volk, allenfalls eine badische und württembergische Bevölkerung.
Die Freiburger Argumentation ist ein geradezu lehrreiches Beispiel für die Akrobatik einer Kleinstaatspolitik, die freilich auf tönernen Rechtsgrundlagen fußt. Schlimmer und bedauerlicher allerdings als die juristische Spitzfindigkeit ist der Geist, der aus ihr spricht, schlimm besonders in einer Zeit, da es geradezu eine lebensnotwendige Aufgabe ist, nicht nur die Grenzpfähle zwischen nicht lebensfähigen Ländern niederzureißen, sondern sie auch zwischen den Staaten Europas zu beseitigen
Sdiah billigt Verstaatlichung
Neue Fühlungnahme London-Washington / Mossadeq zu Truman eingeladen
TEHERAN. Der Schah von Persien hat in einer Rede zur Eröffnung der zweiten Sitzungsperiode des persischen Senats am Sonntag zum ersten Male die Verstaatlichung der anglo-iranischen Ölgesellschaft durch die Regierung öffentlich befürwortet. Im Gegensatz zu Ministerpräsident Mossadeq jedoch, der den Vereinten Nationen jede Rechtsprechung im britisch-persischen Ölkonflikt aberkannte, erklärte der Schah, „die Außenpolitik meiner Regierung basiert auf der Stärkung der Organisation der Vereinten Nationen und der Aufrechterhaltung freundschaftlicher Beziehungen mit allen Ländern der Welt“.
Wenige Stunden vor der feierlichen Eröffnung des Senats, an der auch die diplomatischen Vertreter des Auslandes teilnahmen, war Ministerpräsident Mossadeq abgeflogen, um sein Land in der Debatte in dem britischpersischen Ölkonflikt vor dem Weltsicherheitsrat zu vertreten. Mossadeqs Maschine landete gestern nachmittag kurz in München.
Der stellvertretende persische Ministerpräsident, Dr. F a t e m i, zeigte sich in der Tür der Kabine und erklärte den Pressevertretern, daß Persien eine gute Erinnerung an Deutschland habe, vor allem an die arbeitsamen und kor
rekten deutschen Arbeiter. Er hoffe, daß in dem Augenblick, in dem Persien wieder einen Wirtschaftsvertrag und einen Diplomatenaustausch mit Deutschland habe, die alten freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern wiedergefunden und verbessert werden. Für einen Augenblick wurde auch Mossadeq sichtbar. Zahlreiche Mitglieder der persischen Kolonie in München winkten ihm vom Balkon des Flugplatzgebäudes aus zu.
Zwischen London und Washington wird über neue Schritte im Persienkonflikt verhandelt, wie am Samstag an unterrichteter Stelle bestätigt wird. Besprechungen fänden in erster Linie in New York statt. Im Foreign Office wird erklärt, im Augenblick könne nichts über den neuen Schritt gesagt werden, der sich vorbereite.
Mossadeq ist am Vorabend seiner Abreise nach den Vereinigten Staaten zu einem Besuch Präsident Trumans in Washington eingeladen worden. Die Einladung wurde ihm von dem amerikanischen Botschafter Loy H*ender- s o n übergeben. Da die Debatte des Sicherheitsrates über den Ölkonflikt erst für Donnerstag angesetzt ist, bleibt Mossadeq genügend Zeit zu anderen Besprechungen.
Das Parteiprogramm des BHE.
FRANKFURT. Der Gesamtvorstand des Bundes der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) hat sein Parteiprogramm verabschiedet, das auf dem Landesparteitag Niedersachsen in zwei Wochen in Helmstedt verkündet werden soll. Der schleswig-holsteinische Finanzminister und BHE-Vor sitzende, Waldemar Kraft, gab einige Einzelheiten des Programms bekannt, in dessen Präambel festgestellt wird, daß „die alten politischen Kräfte es nicht vermochten, aus dem Zusammenbruch des Vaterlandes eine gerechte Neuordnung zu formen“. Der Bedrohung durch fremde Ideologien stehe noch immer „kein mitreißendes eigenes Gedankengut zur Erneuerung Europas gegenüber“. In der Außenpolitik fordert das Programm einen wahren Frieden bei Abkehr von den in Jalta und Potsdam gefaßten Beschlüssen. Innenpolitisch sei der BHE weder
•ine Sozialisten- noch eine Kapitalistenpartel. Der übersteigerte Föderalismus werde zugunsten einer starken Zentralgewalt abgelehnt.
Bürgersdiaftswählen in Bremen
BREMEN. Die Bürgerschaftswahlen in Bremen wurden am Sonntagabend ohne Zwischenfälle beendet. Die Wahlbeteiligung betrug etwa 75 Prozent. (Ein Gesamtergebnis lag bei Redaktionsschluß noch nicht vor.)
Bei der letzten Bürgerschaftswahl im Oktober 1947 betrug die Wahlbeteiligung 76,8 Prozent, bei der Bundestagswahl im August 1949 81,9 Prozent. Zu wählen waren 100 Abgeordnete, davon 80 in der Stadt Bremen und 20 in Bremerhaven. Der bisherige Senat setzte sich aus 46 Vertretern der SPD, 24 der CDU, 15 der Bremer Demokratischen Volkspartei (BDV), 10 der KPD, 3 der DP und zwei der FDP zusammen.
Kfeine Weltchronik
LINDAU. Maßgebende Stellen der Stadt- und Landkreisverwaltung wiesen darauf hin, daß die alte bayerische Stadt am Bodensee nach der endgültigen Gebietsordnung im Südwesten wieder zu Bayern zurückzukehren wünsche. Zwischen Lindau und den Landesregierungen von Würt- temberg-Hohenzollern und Bayern seien vorsorglich Maßnahmen zur Beendigung des seit 1945 bestehenden Provisoriums abgesprochen worden.
DÜSSELDORF. Bundesfinanzminister Schaffer erklärte, die Bundesrepublik werde wahrscheinlich innerhalb des nächsten halben Jahres dem Weltwährungsfonds und der Weltbank beitreten. Dadurch erhalte die deutsche Währung eine internationale Garantie.
EINDHOVEN. Im Alter von 77 Jahren starb gestern der Leiter des Philips-Glühlampenkonzems, Dr. Anton Philips. Der Vater von Anton Philips gründete die Firma im Jahre 1891. 1894 übernahm sie Anton Philips und führte die bekannte Radiofabrik zu ihrer heutigen Größe und Bedeutung.
HAMBURG. Den Rüdetritt des ehemaligem Generalobersten Frießner als Vorsitzenden de* Verbandes deutscher Soldaten forderte der Landesverband Hamburg der FDP, weil Frießner mit „naiver und oberflächlicher Begründung die allgemeine Wehrpflicht“ gefordert habe. Der General selbst sagte auf einer Veranstaltung in München, Toleranz sei unter den Deutschen und unter den ehemaligen Soldaten oberstes Gebot.
BERLIN. Die Sowjetzonenbehörden haben mit der täglichen Ausfertigung von Warenbegleitscheinen für Lieferungen im Bundesgebiet entsprechend den Vereinbarungen im Interzonenhandelsabkommen begonnen.
LONDON. Vergangene Nacht ist die englische Thronfolgerin, Prinzessin Elisabeth, mit ihrem Gemahl zum Staatsbesuch nach Kanada und den Vereinigten Staaten abgeflogen.
PARIS. Der Sonderberater von Präsident Truman, Averell Harriman, traf gestern in Paris ein. Er wird Besprechungen mit den Vertretern des in Ottawa neu gebildeten wirtschaftspolitischen Exekutivausschusses der Staaten des Atlantikpakts führen. Es wird mit einem Aufenthalt Harrimans von zwei Monaten gerechnet.
BELGRAD. Der jugoslawische Staatschef Marschall Tito hat am Samstag eine Umorganisation seiner wirtschaftlichen Fachministerien vorgenommen, um die Ausgaben zu senken und die Führung der Wirtschaft zu straffen. Die Ministerien für Außenhandel, Bauindustrie, für die verarbeitende Industrie und Maschinenindustrie wurden aufgelöst.
ISTANBUL. Der ehemalige deutsche Botschafter in Ankara, von Papen, hält sich gegenwärtig in der Türkei auf Auf Befragen teilte er mit, er wolle zu Besuchen vorausichtlich bis Ende des Monats im Lande bleiben
JERUSALEM. Ministerpräsident Ben Gurion hat dem israelitischen Parlament gestern seine neue Regierung vorgestellt. Der neuen Koalitionsregierung gehören neun Mitglieder der sozialdemokratischen Mapai-Partei des Ministerpräsidenten und vier Minister des religiösen Blocks an.
WASHINGTON. Der Minister für die USA- Kriegsflotte, Dan Kimball, flog am Samstag nach Europa ab, wo er mit hohen Offizieren der Seestreitkräfte der Atlantikpaktstaaten Verhandlungen führen wird. Kimball wird auch der Deutschen Bundesrepublik einen Besuch abstatten.
Churchill: Weltkrieg vermeidbar
ölstreit Thema eins im Wahlkampf
LONDON. Der britisch-persische Ölkonflikt ist zum beherrschenden Thema im britischen Wahlkampf geworden. Sowohl die Konservativen als auch Labour haben mit der Gepflogenheit gebrochen, daß der Parteienstreit vor der Außenpolitik haltmacht. Die Labour- politiker wiederholen ihr altes Argument, Großbritannien habe durch die besonnene Behandlung des Ölkonflikts den Weltfrieden bewahrt. „Die Zeiten der Kanonenboot-Diplomatie sind vorbei“, sagte Handelsminister Shawcross.
Anthony Eden, der Anwärter auf den Außenministerposten im Falle eines konservativen Wahlsiegs, erklärte dagegen, die persische Ölkrise sei ein Beispiel für die verworrene und zaudernde Außenpolitik der Labour- regierung. Winston Churchill formulierte es noch schärfer: Er könne sich an keine große politische Auseinandersetzung erinnern, die derart verpfuscht worden sei. Nur durch die schwächliche Haltung der Labourregierung sei die Lage in Persien überhaupt gefährlich geworden. England hätte sich schon früher an den Sicherheitsrat wenden müssen. Als Begleiterscheinung der „beklagenswerten Geschichte“ bezeichnete es Churchill, daß sich ein Rückgang des englischen Einflusses in den USA gezeigt habe. Über das Ost-West-Pro- blem äußerte der Kriegspremier, „ich glaube nicht, daß ein dritter Weltkrieg unvermeidlich ist. Die Gefahr ist jetzt eher geringer als vor der großen Aufrüstung der USA“.
Britischer Gouverneur ermordet
SINGAPUR. Britische Truppen und Polizeiverbände haben die Großfahndung nach den Mördern des britischen Hohen Kommissars für Malaya, Sir Henry Gurney, auf genommen, der am Samstag auf einer Höhenstraße im Bergland von Pahang in einen Hinterhalt kommunistischer Banden geraten ist. Sir Gurney befand sich mit seiner Gattin auf der Fahrt von Kula Lumpur nach einem Wochenendheim in den Bergen. _
OEEC soll Kohlenexportquote festsetzen
FRANKFURT. — Die deutsche Kohlenexportquote soll in Zukunft von der Organisation für die wirtschaftliche Zusammenarbeit Europas (OEEC) festgesetzt und anschließend nur noch von der Internationalen Ruhrbehörde bestätigt werden, verlautete von ausländischer Seite. Erste Verhandlungen darüber haben bereits in diesen Tagen zwischen den zuständigen Stellen der Bundesregierung und der Hohen Kommission stattgefunden. Bei Verwirklichung dieses Planes werde die Bundesregierung außerdem weiterhin bemüht bleiben, die bisherige Kohlenexportquote in Höhe von 6,2 Millionen t für das laufende Quartal zu senken.
Aufträge statt Marshall-Hilfe
HAMBURG. — Falls die Marshall-Hilfe für die Bundesrepublik im kommenden Jahr wesentlich gekürzt werden sollte, -ist nach Ansicht von Vizekanzler und ERP-Minister Franz Blücher als Gegengewicht mit einer erheblichen Zunahme der Aufträge für die deutsche Industrie aus den Vereinigten Staaten zu rechnen.
Niklas eröffnete die „ANUGA“
KÖLN. — Bundesernährungsminister Prof. N i- k 1 a s eröffnete am Samstag in Köln die Allgemeine Nahrungs- und Genußmittel-Ausstellung (ANUGA) 1951. Die Ausstellung, auf der über 1200 Firmen vertreten sind, zeigt den Fortschritt der Bundesrepublik in den letzten beiden Jahren auf dem Gebiet der Sicherung der Ernährung. Der Bundesernährungsminister kündigt* in seiner Eröffnungsansprache die Verabschiedung eines Handelsklassengesetzes noch für diesen Monat an. Das neue Gesetz, das vor allem einer Verbesserung der Qualitäten und des Absatzes dienen soll, enthält Vorschriften über die Standardisierung bestimmter Erzeugnisse und soll Mindestanforderungen festlegen, die an die Beschaffenheit bestimmter Nahrungsmittel gestellt werden.
Ein heiterer Roman oon t ranz Goßt;
„Nachsaison"
Copyright by Schwäb. Verlagsgesellschaft, Tübingen
•1
„Muß wohl, muß wohl, wenn man im Winter nicht erfrieren will“, gab er zurück.
„Dann darf man Sie wohl nicht stören?“ erkundigte sich Herr Myera vorsichtig.
„Sie stören durchaus nicht. Die Scheiter laufen mir nicht davon. Und klieben tut sie mir auch leider niemand anderer.“
„Ich hätte mir nur gerne einen so schönen Hof, wie Sie ihn besitzen, einmal näher angesehen.
Das tat dem Obermoser wohl, aber er lehnte bescheiden ab: „Ja, ja, man kann schon grad leben drauf. Ihnen wird’s freilich recht minder Vorkommen, wo Sie doch vielstöckige Häuser gewohnt sind.“
„Sagen Sie das nicht, Herr Obermoser, in der Gediegenheit liegen die Wurzeln der Kraft.“ — Schön hatte er das gesagt, er zollte sich selbst alle Achtung für diesen schlichten, aber Innerlich so gehaltvollen Ausspruch,
Er zögerte aber doch noch: .Halte ich Sie gewiß nicht auf? Sonst komme ich lieber ein andermal. Ich habe ja Zeit genug.“
„Aber machen Sie keine Geschichten und kommen S e ruhig herein. Mir tut ein bisserl rasten auch gut.“ — Und zum Zeichen, daß es ihm mit seiner Einladung vollkommen ernst war, schlug er die Hacke mit solcher Wucht in den Stock, daß man sich den Ander ganz gut als mittelalterlichen Henker beim Geschäft des Köpfens vorstellen konnte. Dann wischte er sich mit dem Hemdsärmel über das Ges'cht und war somit bereit, den Amerikaner ins Haus zu führen.
Das erste, was Herr Myera erblickte, war eine einigermaßen breit geratene Frauensper
son, die das Alter der Jugendtorheiten schon lange hinter sich gebracht haben mußte. Ohne den Unbekannten irgendwie zu beachten fragte sie: „Schon fertig mit dem Holz, Ander?“
„Nicht ganz, Trine, wenn du nichts dagegen hast.“
JUnd wenn ich was dagegen hätt, tät’s dich den Teufel drum kümmern“, entgegnete sie nicht übermäßig freundlich.
„Das könntest erraten haben“, blieb der Obermoser auf dem gleichen Geleis, so daß ein Uneingeweihter den Eindruck bekommen mußte, im nächsten Augenblick gebe es einen Zusammenstoß.
Es geschah aber nichts dergleichen, sondern der Obermoser bat nur: „Geh, Trine, sag der Lisi, sie soll einen Enzian bringen und ein bißl Speck.“
Etwas Unverständliches brummend entfernte sich das Weibsb’ld.
„Wohl Ihre Frau?“ vermutete Herr Myera auf Grund des ungezwungenen Tones, der zwischen den beiden herrschte.
„Wär sie gern geworden“, kicherte boshaft der Obermoser, während er die Türe zur Stube aufmachte, der man es auf den ersten Blick ansah, daß hier behagliche Wohlhabenheit die Einrichtung bestimmte. Herr Myera wußte das richtig einzuschätzen und sparte nicht mit anerkennenden Worten. Mit dem Eintritt in die Stube schien aber auch seine Wißbgierde bereits erschöpft zu sein, denn er äußerte keinesfalls den Wunsch, auch die.anderen Räume zu besichtigen. Der Obermoser fuhr inzwischen mit seiner Familiengeschichte fort: „Ich bin schon lang Witwer und die Trine hat halt gemeint, Bäuerin zu sein wär netter als Häuserin. Ich bin anderer Meinung gewesen und seitdem kepelt sie gern ein bissei. Die ist sauer geworden wie das Kraut gegen den Sommer h'naus. Ist aber sonst ein riegelsames Mensch, das auf die Sach schaut. Dafür darf sie schon borstig sein.“
Die Augen gingen dann Herrn Myera abeT erst auf wie eine heimatliche Kaktusblüte, als
die Lisi erschien. Herrgott, war das ein sauberes Mädchen!
„Das ist meine Tochter, die Lisi“, stellte der Obermoser vor.
„Sehr erfreut“, versicherte Herr Myera. Er hängte auch gleich eine Schmeichelei an: „Na, so ein strammer Vater muß auch eine fesche Tochter haben.“
Die Lisi wurde ein wenig rot und stellte Schnaps und Speck auf den Tisch. Zögernd legte sie die Hand in die Myeras, die schleunigst vorgeschossen kam. Sie hielt sich aber nicht weiters in der Stube auf und alles, was der Semmelblonde noch anbringen konnte, war ein schmachtender Blick auf die Kehrseite des Mädchens, als es die Stube verließ. Der Amerikaner stand,'wie es sich eben für einen Amerikaner gehörte, so fest im Leben, daß er Entschwundenem nicht lange nachtrauerte und wandte sich daher dem Gegenwärtigen zu Das war der Obermoser.
„Sagen Sie mal, Herr Obermoser, warum plagen Sie sich denn so und lassen nicht das Holz von einem Taglöhner aufarbeiten?“
„Weil das Geld kostet.“
„Sie sind aber doch nicht so arm, daß Sie sich das nicht leisten könnten.“
„Sparen muß man bei der Mehltruhe beim Deckel und nicht am Boden, sonst ist’s zu spät, hat meine Mutter immer gesagt“, widerstand der Bauer der Verführung zum Leichtsinn.
„Aber Ihr Geld muß bei guter Anlage doch ganz nett abwerfen“, hetzte der Amerikaner.
„Die paar Zinsen von der Raiffeisenkasse geben nichts aus, die sind grad ums Kennen besser als nichts“, jammerte der Bauer, „und dann muß ich auch was zusammenkratzen. Wenn die Lisi einmal heiratet, soll sie was mitbringen, daß man auch etwas verlangen kann."
„Raiffeisenkasse, hahaha!“ lachte Herr Myera verächtlich. „Das heißen Sie eine Geldanlage? Sie Unschuldslamm!“
„Wissen vielleicht Sie etwas Besseres?“ Das
kam etwas angreiferisch, denn auslachen läßt sich niemand gern.
Herr Myera dämmte seine Heiterkeit ein und redete nun eindringlich dem Obermoser zu: „Arbeiten müssen Sie das Geld lassen! . • . Arbeiten . . . arbeiten! Dann wohl geht was herein.
Dem Obermoser ging das nicht recht ein:
„Das kapier ich nicht. Wie kann denn das Geld arbeiten, Arbeiten kann doch nur, was Händ und Füß hat.“
, Das Geld bringt es zuweg, daß andere Menschen Hände und Füße für einen regen. Und so vermehrt’ sich’s, bringt wieder Hunderte von neuen Arbeitern in Schwung und so weiter. Wie zum Beispiel in meinen Minen.“
Das war dem Obermoser in dieser Form neu. Schon regten sich raffgierige Gefühle: „Und wieviel Prozent trägt das im Jahr?“
„Vierzig ist das wenigste. Es gibt aber auch ganz leicht sechzig, siebzig, und hundert sind keine Seltenheiten.“
„Hund...“ — Das Wort blieb dem Obermoser in der Kehle stecken, so überwältigte ihn dieser Zahlenrausch.
„Wie, bitte?“ fuhr Herr Myera auf.
„Hundert Prozent?“ wiederholte der Obermoser und staunte den Amerikaner an wie das Kind den Weihnachtsbaum.
„Das gibt’s nicht!“ wehrte er sich dann gegen diese Ziffer, denn sein gesunder Menschenverstand sträubte sich, so etwas für möglich zu halten. — „Warum denn nicht?“ — Ganz leicht und selbstverständlich kam da« von den Lippen des in Geld schwimmenden Fremden. Daß dem so war, das hatte er neulich im „Hirschen“ bewiesen.
„Sehen sie mich an! Mache ich vielleicht einen E’ndruck wie einer, der sich Blasen an die Hände arbeitet? Und hab ich nicht Geld?
Etwas Unbestimmtes warnte den Obermoser ganz leise und aus dieser Unsicherheit heraus fragte er spitzfindig: „Warum müssen Sie sich dann erholen?“ (Fortsetzung folgt)