SAMSTAG, 2 9. SEPTEMBER 1951

NUMMER 152

KünftigFragestunden im Bundestag

Die neue Geschäftsordnung / Untersuchung gegen das Auswärtige Amt

BONN. Nach monatelanger Beratung hat der Ausschuß für Geschäftsordnung und Im­munität die neue Geschäftsordnung des Bun­destags in ihrer endgültigen Form angenom­men. Sie wurde den Abgeordneten des Bun­destages zugestellt und soll vom Plenum An­fang Oktober verabschiedet werden. Als Neu­einführung sieht die neue Geschäftsordnung Fragestunden vor, in denen die Regierung Anfragen einzelner Abgeordneter beantworten muß. Bisher waren Anfragen nur in Form von Interpellationen möglich. Außerdem sind öf­fentliche Informationssitzungen der sonst nicht öffentlich tagenden Bundestagsaus- Schüsse geplant.

Die Besetzung der Ausschüsse dagegen soll künftig nicht mehr durch die Geschäftsord­nung geregelt werden, sondern den jeweiligen Beschlüssen des Plenums Vorbehalten bleiben, per Bundestag wird daher in Kürze über die Zahl, die Stärke und Fraktionsbeteiligung sei­ner einzelnen Ausschüsse beschließen müssen. Hauptsächlich wird entschieden werden müs­sen, ob als Fraktion wie bisher mindestens gehn Abgeordnete anzusprechen sind oder erst eine Gruppe von mindestens 15 Volksvertre­tern. Bei Einführung von Fraktionen mit min­destens 15 Abgeordneten würden die kleine­ren extremen Links- und Rechtsgruppen des deutschen Parteilebens automatisch von der Mitarbeit in den Ausschüssen ausgeschaltet Werden.

Oberlandesgerichtspräsident Dr. Sehet- ter hat am Donnerstag mit den Ermittlun-

Engliscber Staatsrat gebildet

Das Thronfolgerpaar reist am 7. Oktober

LONDON. König Georg VI. von England bat am Donnerstag von seinem Krankenlager kus einen Staatsrat aus Mitgliedern seiner Fa­milie ernannt, der ihn für die nächsten Mo­nate vertreten soll. Dem Rat gehören Königin Elizabeth, die Prinzessinnen Elizabeth Und Margarete, der Herzog von Glou- C e s t e r und die Schwester des Königs an.

Der Gesundheitszustand des Königs macht weiterhin gute Fortschritte. Im ärztlichen Bulletin heißt es,der König ist kräftigerund dein Appetit nimmt zu.

Die wegen der Krankheit des Königs ver­schobene Kanadareise des Thronfolgerpaares 5t auf 7. Oktober neu angesetzt worden. Prin­zessin Elizabeth und ihr Gemahl sollen noch *mmer darauf hoffen, Präsident Truman ei­nen Besuch abstatten zu können. Eine Mittei-

i ing hierüber kann jedoch erst erwartet wer- en, wenn alle Fragen mit dem Weißen Haus geklärt sind.

Commonweath-Anstrengungen

Mehr Rohstoffe und größere Produktion LONDON. Die britische Commonwealth- Konferenz über die Weltrohstofflage ist am Donnerstag beendet worden. Pläne zur Er­höhung der Erzeugung von Rohstoffen sowie die Beschaffung der Industrieausrüstung für die Produktionssteigerung standen zur De­batte.

Der britische Minister für Rohstoffversor­gung, Richard Stokes, gab in einer Presse­konferenz dazu bekannt, daß die britischen Kolonien mit der Aufrechterhaltung der Zinn- und Gummiproduktion trotz der schwierigen politischen Lage inMalaia eine große Leistung vollbracht hätten. Für die Verknappungen und das Anziehen der Preise auf dem Weltroh­stoffmarkt sei dierücksichtslose Aufkaufs­taktik verantwortlich, durch die ein großer Teil der Wirtschafts- und Verteidigungs­schwierigkeiten der westlichen Länder ver­ursacht worden seien. Als einzigen Ausweg schlug Stokes eine internationale Marktrege­lung vor.

gen begonnen, die Vorwürfe gegen einzelne Beamte und Angestellte des Auswärtigen Am­tes klären sollen. Anlaß zu dieser Überprü­fung, die Bundeskanzler Adenauer ange­ordnet hat, war eine Artikelserie derFrank­furter Rundschau, in der schwere Vorwürfe gegen die Personalpolitik im Auswärtigen Amt erhoben worden sind.

Nach den Finanzministern haben auch die Wirtschaftsminister der Bundesländer der Spesenverordnung der Bundesregierung zuge­stimmt. Wenn sich der Bundesrat am 5. Ok­tober mit ihr befaßt haben wird, kann die Verordnung in Kraft treten. Sie begrenzt die steuerlich zu berücksichtigenden Bewirtungs­

spesen auf 10 DM pro Gast und Tag, bei Aus­ländem auf 30 DM. o

Im zweiten Teil seiner Sitzung nahm der Bundestag am Donnerstag eine Reihe von Haushaltetats in zweiter Lesung an, so die des Bundespräsidenten, des Bundesrates und verschiedener Ministerien. Außerdem billigte das Haus eine Verordnung über Zolländerun­gen bei landwirtschaftlichen und einigen an­deren industriellen Erzeugnissen.

Das Aktienkapital der Vertriebenen-Bank AG ist nach Mitteilung des Bundesministeri­ums für Vertriebene durch eine Beteiligung des Hauptamtes für Soforthilfe in Höhe von 3 Millionen DM auf 6 Millionen DM erhöht worden. Gleichzeitig wird der Aufgabenbe­reich der Bank auf die im Soforthilfegesetz und in der Gesetzgebung für den Lastenaus­gleich begünstigten Kreise ausgedehnt.

Die Quoten der Auslandshilfe

Europa weit an der Spitze

WASHINGTON. Der Konferenzausschuß bei­der Häuser des amerikanischen Kongresses hat in seiner am Donnerstagabend fertigge­stellten Kompromißfassung der Auslands­hilfe-Vorlage Präsident T r u m a n s folgende Zuteilungen für 1951/52 vorgeschlagen: Europa an Militärhilfe 5 028 000 000, an Wirtschafts­hilfe 1 022 000 000; Naher Osten und Afrika 396 250 000 (160 000 000); Asien und Pazifik 535 250 000 (237 500 000); Latein-Amerika

38150 000 (21 250 000); Wiederaufbau Korea 45 000 000.

Das Gesamtprogramm ist gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag Präsident Trumans um rund eine Milliarde Dollar auf 7 483 400 000 Dollar (rund 31,4 Milliarden DM) gekürzt wor­den. Außerdem soll nach der Kompromißfas­sung die bisherige Verwaltung für wirtschaft­liche Zusammenarbeit (ECA) aufgelöst wer­den. Ihre Aufgaben sollen von einer neuen Behörde übernommen werden, deren Leiter der Präsident ernennt und die nicht mehr dem Außenministerium untersteht.

Adenauerreise verschoben

Erst nach den englischen Wahlen

BONN. Der für den 8. Oktober festgesetzte Besuch von Bundeskanzler Dr. Adenauer in London ist, wie das Auswärtige Amt ge­stern noch mitteilte, wegen der britischen Wahlen auf einen späteren Zeitpunkt verscho­ben worden.

Ein neuer Termin für den Besuch des Kanz­lers in London ist zwischen der Bundesregie­rung und der britischen Regierung noch nicht vereinbart worden. Es wird jedoch in Bonn angenommen daß die Gespräche des Bundes­kanzlers mit führenden britischen Regie­rungsmitgliedern und Parlamentariern unmit­telbar nach den britischen Wahlen vom 24. Ok­tober stattfinden werden.

Die kommunistische Version

Filmaufnahmen zum Berliner FDJ-Überfall

BERLIN. Mit FDJ-Angehörigen, die als Westberliner Polizisten verkleidet waren, hat die staatliche sowjetzonale Filmgesellschaft D e f a in der vergangenen Woche in Dresden die Zusammenstöße an den Sektorengrenzen für einenDokumentarfilm über die kommuni­stischen Weltjugendfestspiele gedreht. Schau­platz der Handlung war der Karl-Marx-Platz der sächsischen Landeshauptstadt, auf dem derfeige Überfall der Stummpolizei auf die friedliebende Jugend der Welt geprobt und gefilmt wurde. Die Defa will damit einen , Be­weis für die kommunistische Version der am 15. August durch den versuchten Einmarsch von 15000 FDJ-lern nach Westberlin provo­zierten Zusammenstöße liefern, bei denen eine große Anzahl von Jugendlichen und West­berliner Polizisten verletzt worden waren.

Ländervertreter für Karlsruhe |

Südweststaatverhandlung am 2. Oktober

KARLSRUHE. Wie die Geschäftsstelle des zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts mitteilt, sind für die Verhandlung der Klage Südbadens gegen das Gesetz zur Volksabstim­mung im südwestdeutschen Raum bis jetzt fol­gende Vertreter nominiert worden: Für Süd­baden Rechtsanwalt Dr. Kopf, Freiburg; Rechtsanwalt Gönner Karlsruhe; Innen­minister Dr. S c h ü 1 y , Freiburg, und als Be­rater Professor Dr. M a u n z . Freiburg; für Württemberg-Hohenzollem Staatspräsident Dr. Müller, Tübingen; Innenminister Ren­ner und Prof. Dr. Schneider, beide von Tübingen. Die Vertreter Württemberg-Badens sind in Karlsruhe noch nicht bekannt. Als Ver­treter für Kurt K i e si n g e r, den Abgesandten des Bundestages, wurde im Verhinderungsfall Dr. Arndt (SPD) bestimmt.

Die Verhandlung der südbadischen Klage beginnt am 2. Oktober vor dem zweiten Se­nat des Bundesverfassungsgerichtes unter Vor­sitz von Vizepräsident Dr. Katz.

Menschenherz unter dem Königsmantel

England bangt um seinen Souverän / Anteilnahme der ganzen Welt

LONDON. Mr. Clement Thomas, Eng­lands berühmter Lungenspezialist undreisen­der Chirurg, der an so vielen Prominenten dieser Welt seine große Kunst bewies, hat das Skalpell aus der Hand gelegt. Die Scheinwer­fer in dem behelfsmäßigen Operationssaal des Buckingham-Palastes sind verlöscht. Aber noch immer drängen sich die Menschen vor dem hohen schmiedeeisernen Gitter der Lon­doner Königsresidenz, lauschen dem Rund­funk und warten besorgt auf die neuesten ärztlichen Hof-Bulletins über den Gesundheits­zustand ihres Monarchen.

Man weiß um die einende Kraft, die von der Krone auf den Inselstaat und darüber hinaus auf die gesamte britische Völkerfamilie aus­strahlt. Doch nicht darin allein liegt der Grund für die Sorge der Engländer x um ihren kran­ken Souverän. Sie bangen um den König selbst, um den Familienvater und den Men­schen. Denn der Mann, dem ihre Anteilnahme gilt, für den als er unter den Händen der Ärzte lag in ganz England die Glocken läuteten und die Gläubigen in den Kirchen beteten, die niemals so voll waren, ist der po­pulärste König, den England je besaß.

Georg VI. ist ein Pflichtmensch.Die Ka­binette kommen und gehen doch der König ist immer im Amt, sagte er einmal. Und

Kleine Weltdironik

BONN. Die Bundesregierung plant neben dem Wiedergutmachungsgesetz für die jüdischen Op­fer des Nationalsozialismus auch ein Gesetz, das die Ansprüche der Opfer des 20. Juli 1944 be­friedigen soll.

BONN. Das Institut für Raumforschung hat dem Bundestagsausschuß für innergebietliche Neuordnung eine erste vorbereitende Stellung­nahme zur Länderreform übergeben. Das Insti­tut prüft in diesem Zusammenhand, ob die von der Öffentlichkeit erhofften Vorteile finanzieller Art auch auf anderem Wege, z. B. durch eine Verwaltungsreform, zu erreichen sind.

BONN. Eine Spende von 200 000 DM aus dem McCloy-Fonds wurde dem Verband deutscher Studenten übergeben. Das Geld soll dem deut­schen Studentenwerk für ein studentisches Ge­meinschaftsprogramm zur Verfügung gestellt werden.

BERLIN. Das Schwurgericht des Landgerichts Berlin verurteilte am Donnerstag den 55jährigen Hermann Seidel wegen schwerer Freiheitsberau­bung in fünf Fällen zu 4/j Jahren Gefängnis. Seidel hat im Juli 1945 eine Liste mit angeb­lichen ehemaligen NSDAP-Angehörigen einem sowjetischen Offizier übergeben.

STOCKHOLM. Die sozialdemokratische Regie­rung Erlander wird am kommenden Montag zu­rücktreten, um einer Koalitionsregierung mit der Bauernpartei Platz zu machen. Verhandlungen über das neue Regierungsprogramm verliefen er­folgreich. Es wird keine oder nur eine gering­fügige Änderung der schwedischen Außenpolitik erwartet.

selten hat dieses Amt so hohe Anforderun­gen an einen englischen Monarchen gestellt Heftige Krisen haben, seit er 1937 an Stelle seines abgedankten Bruders den Thron be­stieg, sein Reich erschüttert. Darüber ging die indische Kaiserkrone verloren, und dazwischen liegen der zweite Weltkrieg und die letzten Krisenjahre. Welche Belastung allein seine Repräsentationsaufgabe bedeutet, zeigt sich schon in zwei Zahlen: rund dreitausendmal erschien Georg VI. binnen drei Jahren in sei­ner Eigenschaft als Monarch in der Öffent­lichkeit; nicht weniger als 32 000 Menschen schüttelte er während des Krieges die Hand oder heftete ihnen Orden an.

Es sind die stillen Passionen, die auch einen König als Menschen ausweisen, und deshalb vielleicht nicht zuletzt empfinden die Englän­der für ihren Souverän soviel Sympathien. Schmunzelnd erzählt man sich, daß die Maje­stät abends so gerne ein paar Jazzplatten auf das Grammophon legt, sich mit krauser Stirn über Kreuzworträtsel beugt oder Magazine liest, während die Königin handarbeitet. Da­bei soll er zuweilen fluchen können wie ein Seemann zum gelinden Entsetzen seiner Gemahlin. Und wie die meisten seiner Zeit­genossen geht auch er lieber ins Kino als in die Oper.

STOCKHOLM. Der nach dem Kriege als Kriegsverbrecher verurteilte. und später amne­stierte ehemalige finnische Außenminister Tan- ner wurde zum Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses des finnischen Reichstages gewählt. Tanner ist eine der führenden Persönlichkeiten der finnischen Sozialdemokratie.

GENF. Die Konferenz der Mitgliedstaaten des allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens in Genf hat am Donnerstag alle Konzessionen, zu deren Gewährung im gegenseitigen Handelsver­kehr sich die USA und die Tschechoslowakei ver­pflichtet hatten, aufgehoben. Die Vereinigten Staaten machten geltend, daß sieh die Beziehun­gen zur CSR derart verschlechtert hätten, daß ein Handel zu gegenseitigem Nutzen nicht mehr möglich sei.

BELGRAD. Vom 16. Juli bis 9. September hät­ten rumänische Grenztruppen in 50 Fällen jugo­slawische Grenzposten und Bauern beschossen, stellte die jugoslawische Regierung in einer Pro­testnote an Rumänien fest.

BELGRAD. In Jugoslawien werden in allen Dörfern, in denen mehr als 15 Kinder deutscher Abstammung leben die deutschen Volksschulen wieder eröffnet.

TEL AVIV. DieUN-Versöhnungskommission für Palästina wurden israelische Entwürfe für Nicht­angriffspakte mit Ägypten, Syrien, Jordanien und dem Libanon zugestellt. Die Entwürfe drük- ken die Bereitschaft Iraels zu einer friedlichen Lösung der Differenzen mit seinen arabischen Nachbarn aus.

Ein heiterer Roman oon b ranz Goßt:

Nachsaison"

Copyright by Sciiwäb. Verlagsgesellschaft, Tübingen

Vor einem prachtvoll dastehenden Hof rupfte ein sauberes Mädchen, dem die hellbraunen Zöpfe wie eine schimmernde Krone das Haupt umflorten, Bohnen von den hohen Stangen.

Wohin denn, Martin? Auf Brautschau, rief es dem Wirtssohn an.

Brrr! brachte er den Wagen zum Halten, denn bei dem Geklapper konnte man sein eigenes Wort nicht verstehen und noch viel weniger ein fremdes.

Was sagst? rief er zurück.

Ob du auf Brautschau fährst, wiederholte gie die Frage.

Dann wär ich ja schon gleich am rechten Ort, war sein Trumpf. Brennende Röte schoß dem Mädchen ins Gesicht:Ach geh, mich kannst ja nicht meinen! Aber sag, was ist denn los, daß du mit der Kalesche herum­kutschierst?

Dem Vater seinen Amerikaner muß ich abholen. Weißts ja eh, daß einer kommt. Was der Briefträger Lols aufschnappt, ergibt mehr, als wenns im Wochenblatt stünd.

Jessas ja dein Vater hat ja am Sonn­tag schon darüber geredet wie ein Buch. Zwi­schenquell mit leichtem Spott äffte sie den Wirt nachwird ein Ort werden wie kein anderer Ort Die halbe Welt wird hier­herkommen, um Ruhe, Erholung..

... Schmalz und Eier zu finden, ergänzte der Briefträger Lois, der gerade zuwege kam.

Lachend wandte sich Martin um:Wenn du nicht überall deinen Senf dazugeben tä­test, könnt man die Würsteln nicht essen.

Wenn es aber gar ein Schwarzer ist, meinte das Mädchen fragend.

Dann muß ihn der Martin alle Tage in der Frühe wichsen, wußte der Briefträger auch hier einen Rat.

A bah, wär noch schöner. In Südamerika gibts keine Schwarze, gab der Martin Be­scheid.Servus Lisele, wenn der Vater wüßt, daß ich noch beim Oberhäuser bin, tät er sich die letzten Haare vor Kummer aus­rupfen.

Da hätt er ja nicht viel Arbeit, bemerkte der Lois trocken.

Hüh! Der Martin flitzte dazu mit der Peitsche über den Rücken des braven Gauls, der eiligst anzog, froh, einmal eine so leichte Last zu haben.

Zugleich mit demHirschen-Einspänner fuhr der Schnellzug in den Bahnhof des mitt­leren Marktfleckens ein. Neugierig äugte der Martin, neben seinem Wegen stehend, nach den tropfenweise aus d^r Sperre kommenden Leuten. Die meisten waren ihm bekannt und, von denen, deren Gesichter ihm fremd wa­ren, sah ihm keiner amerikanisch genug aus, daß er ihn ansprechen mochte. Ziemlich rasch verkrümmelte sich alles und zum Schluß stand nur mehr ein semmelblonder Herr mit einem großen und einem kleineren Handkoffer rat­los auf dem kleinen Bahnhofsvorplatz.

Das einzig Auffällige an ihm waren die Koffer, auf denen in allen Farben schillern­

de Zettel leuchteten. Da glänzten weiße Bauten an einem überblauen See in gleißender Sonne, dort waren ganz ähnliche Bauten von giftgrünen Palmen umrahmt, auf einem ande­ren Zettel leckten die Gletscherzungen bei- beinahe zu den Fenstern hinein und über je­des dieser bunten Papierchen zog sich eine Schrift, teils in stocksteifen Buchstaben, teils in Verzerrungen, als ob sich die braven Man­nen des Alphabets in Krämpfen wänden. Man sah es. der Herr war viel in der Welt herumgekommen. Und was das Schönste an dieser Farbenpracht war, die Zettel waren so funkelnagelneu, als wären sie erst vor einer Stunde aus der Druckerei gekommen. Der Mann verstand es entschieden, mit seinen Sa­chen schonend umzugehen.

Nun näherte sich der Weltreisende zögernd dem wartenden Martin:He, Sie da!

Dieser lüftete wohlerzogen seinen Hut um eine halbe Handbreite:Bitt schön?

Sind Sie frei?Ha?

Ob Sie frei sind, ob Sie mich fahren kön­nen, möchte ich wissen. Ich sollte nach Zwi­schenquell fahren.

So? Ich auch.

Das geht ja glänzend! Dann können Sie mich mitnehmen.

Das ist wieder was anderes.

Sie wollen also nicht?

Wer hat denn das gesagt? Aber ich muß warten.

Auf was denn, zum Kuckuck?

Auf so einen deppeten Amerikaner. Waaas? Auf einen Amerikaner? Sie meinen wohl, Sie stehen am Hamburger Ha­fen? fragte der Fremde.

Aber dann ging ihm plötzlich ein Licht auf: Sind Sie vielleicht gar vom Hirschenwirt ge­schickt?

Das haben Sie erraten.

Dann geht ja alles in schönster Ordnung. Ich bin Jack Myera.

Wenn man nun hätte meinen mögen, auf diese Eröffnung hin gebe es dem Martin einen freudigen Riß, dann wäre man gewaltig auf dem Holzweg gewesen. Der Bursch drehte sich nur ein wenig mehr dem Fremden zu und sagte:Sie sind das? Dabei wuchtete das Sie daher wie ein Holzknecht im Winter in die warme Stube. Eine Welle von Kälte ging von ihm aus.

Leicht beleidigt von der etwas ungewöhn­lichen Begrüßung bemerkte der Semmel­blonde:Paßt Ihnen vielleicht an mir etwas nicht?

Wohl, wohl, glättete der Martin die auf­kommenden Wogen der Verärgerung beim Gast seines Vaters.Ich hab Sie mir nur etwas anders vorgestellt.

Wie denn? Vielleicht mit einem Sombre­ro und einer blauen Jacke wie einen Zirkus­affen, fragte spitz der Mann.

Mmm das gerade nicht weiß selber nicht recht. Der Martin kratzte sich nach­denklich am Hinterkopf, wobei der Hut schief in die Stirne rutschte. Daraufhin gab er treu­herzig sein Urteil ab.Ja wissens ein bisserl amerikanisch halt.

In das bleiche Gesicht des Fremden stieg eine verdächtige Röte:Was versteht auch ein Hausknecht vom Aussehen eines Ameri­kaners! Fahren wir nun endlich oder nicht? (Fortsetzung folgt)

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