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FREITAG, 21. SEPTEMBER 1951

Grotewohl lehntProbewahlen ah

Bundestag wird in der kommenden Woche Volkskammer-Appell beantworten

BERLIN. Der Ministerpräsident der Ostzone, Gr ote wohl, erklärte sich am Mittwoch be­reit, die Bedingung der paritätischen Vertre­tung Mittel- und Westdeutschlands fallen zu lassen, um das Zustandekommen einerge­samtdeutschen Beratung zu ermöglichen. Gleichzeitig lehnte er jedoch den Vorschlag des Berliner Senats, als Prüfstein für die Aufrich­tigkeit des sowjetzonalen Angebots zunächst einmal in ganz Berlin zu wählen, mit der Be­gründung ab, der Volkskammer-Appell be­zwecke keineswegsGemeindewahlen. Dar­über hinaus führte er aus, er werde sich mit demVolksverräter Adenauer nicht an einen Tisch setzen. Der Appell der sowjetzonalen Volkskammer seinicht an die Volksverräter in Bonn, also die Bundesregierung, sondern an die Volksvertreter im Bundestag gerichtet. Auf die von westlicher Seite geforderten Ga­rantien für wirkliche Freiheit in der Sowjet­zone vor, während und nach den Wahlen ging er nicht ein.

Die Feststellung des Bundeskanzlers, der Volkskammerappell sei nur ergangen, um eine Eingliederung der Bundesrepublik in das west­liche Verteidigungssystem zu verhindern, be­stätigte Grotewohl. Die politische Aktivität der Sowjetzonenregierung sei schon seit langem auf dieses Ziel ausgerichtet. Er habe von Adenauer eine Annahme seines Angebots gar nicht erwartet, da dessen Politik ganz auf die Interessen der USA ausgerichtet sei.

Grotewohl machte die Ausführungen in einer Rede, die er anläßlich des Anblasens des ersten Hochofens in dem neuerbauten Eisenhütten­kombinat Fürstenberg an der Odej hielt. Die Rede wurde von allen Rundfunksendern der Ostzone übertragen.

Ein Sprecher des Berliner Senats stellte fest, die Ablehnung des Westberliner Vorschlages lasse den Schluß zu, daß das Angebot der Sowjetzoneunehrlich sei. Das Berliner Ab-

Hessischer Streik geht zu Ende

Einigung über den Vermittlungsvorschlag

FRANKFURT. Am Mittwochabend hat der Vermittlungsausschuß für den Streik in der hessischen Metallindustrie einen Vorschlag fertiggestellt, der einstimmig von den Vertre­tern des Arbeitgeberverbandes und der Ge­werkschaft Metall angenommen wurde. Nach der Urabstimmung der Gewerkschaften und der Entscheidung der einzelnen Unternehmer wird dieser Vorschlag Rechtskraft erhalten, so daß mit der Beendigung des Streiks am Sams­tag zu rechnen ist.

Der Vermittlungsvorschlag rät den Sozial­partnern, die Tariflöhne der hessischen Metall­arbeiter um 2 bis 3 Pfennige, in Ausnahme­fällen um 4 Pfennig in der Stunde zu erhöhen. Außerdem sollen eine Sozialzulage von 1 Pfen­nig je Stundenlohn für den Hausstand und 2 Pfennig für jedes Kind, ferner eine einmalige Wirtschaftsbehilfe von 30 DM für verheiratete und 20 DM für ledige Metallarbeiter gewährt werden.

FDP-Bundesparl eitag

MÜNCHEN. Der FDP-Bundesparteitag, der bis Sonntag in München stattfindet, will an die Welt appellieren, um einenSchlußstrich un­ter die Vergangenheit zu ziehen. Vizekanzler Blücher erklärte dazu, daß Kriegsverbre­cher und diejenigen, die sich wirklich vergan­gen haben, unter objektive deutsche Gerichts­barkeit gestellt werden müßten.

Ehemals führende Mitglieder der LDP der Ostzone beschlossen auf dem Bundesparteitag der FDP in München, der FDP Arbeitsgremien zu empfehlen, in denenalle zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung Deutschlands erforder­lichen Maßnahmen, insbesondere wirtschaft­licher und sozialer Art, vorbereitet werden sollen.

geordnetenhaus wird morgen zu einer außer­ordentlichen Sitzung zusammentreten, in der Bürgermeister Reuter zu dem Grotewohl­vorschlag sprechen wird.

Der Bundestag wird voraussichtlich Ende kommender Woche zu dem Appell der ost­zonalen Volkskammer über gesamtdeutsche Wahlen Stellung nehmen, wie aus Bonner par­lamentarischen Kreisen verlautet. Gegenwär­tig beraten die einzelnen Fraktionen. Im Bun­destagsausschuß für gesamtdeutsche Fragen werden dann in den nächsten Tagen die Mei­nungen der einzelnen Parteien eingehend er­örtert. Soweit bisher bekannt, besteht in vielen

Punkten bei Regierung und Opposition eine Gemeinsamkeit der Auffassung.

Unter Vorsitz des Bundeskanzlers einigte sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in einer Sondersitzung auf eine ablehnende Haltung gegenüber dem Grotewohlvorschlag. Dabei wurde besonders auf Grotewohls ausfallende Bemerkungen über den Bundeskanzler und die glatte Absage auf den Vorschlag,Probewah- len in ganz Berlin durchzuführen, hingewie­sen. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundes­tagsfraktion, v. Brentano, sprach sich für gesamtdeutsche Wahlen aus, deren demokra­tischer und freiheitlicher Verlauf von allen vier Besatzungsmächten garantiert werde.

Die Ostzonen-CDU veröffentlichte zur Unter­stützung des Grotewohlvorschlags einen Auf­ruf, der sich an dieChristen in Westdeutsch­land richtete.

Bemerkungen zum Tage

Churchill contra Labour

hr. Noch immer zwar verfügte die Labour- Partei über eine Mehrheit von fünf Sitzen im Parlament. Doch auch diese schon gefährdet konnte stürzen über Nacht. Es drohten drei Nachwahlen. So haben Attlees Wahlstrategen es vorgezogen, die Partei zum Kampfe zu stel­len, solange sie noch in der Lage sind, den Zeitpunkt zu bestimmen. Ihre Aussichten sind freilich schlecht. Wenn man den verschiede­nen Instituten für Meinungsforschung glauben wollte, so wären die englischen Parlaments­wahlen am 24. Oktober nicht viel anderes als der Versuch der Regierungspartei, sich von einem sinkenden Schiff einen anständigen Ab­gang zu verschaffen. In der Tat bot die britische Entwicklung der letzten Jahre einen etwas außergewöhnlichen Anblick. Alle die Schwie­rigkeiten, in die sie führte, sind sonst typisch für die Nachkriegsjahre eines besiegten Vol­kes. England fand sich in ihnen als Siegerstaat: Indien machte sich selbständig. Das persische öl, Englands größter weltwirtschaftlicher Ak­tivposten, ging verloren. Im Nahen Osten fiel mit König Abdullah die letzte Stütze der bri- tsichen Arabienpolitik. Ägypten ist dem Stande der Bevormundung entwachsen. Und selbst die Dominien orientierten sich in Erkenntnis der wahren Kräfteverhältnisse ohne Rücksicht auf die Gefühle des Mutterlandes nach dem stär­keren Amerika. Im Innern hat die sozialistische Politik nicht nur zur Vollbeschäftigung, zu bil­ligen Prothesen und Gebessen, sondern auch zur Austerity geführt, und bringt es mit sich, daß England heute noch ein Kartensystem auf­rechterhalten muß.

Gewiß, es ist nicht leicht auch wenn man Sieger ist, die Folgen eines totalen Krieges zu liquidieren. Aber in England mehren sich die Stimmen, die behaupten, es wäre vieles anders und besser gelaufen, wenn die Re­gierung, statt doktrinären Vorstellungen ver­haftet zu sein, im Inneren wie im Äußeren eine phantasievollere Politik, kurz eine klas­sisch britische Politik betrieben hätte. Ein« Politik, wie sie so sehen es wenigstens Churchill und seine Freunde nur die Kon­servative Partei betreiben kann. Es hieß* jedoch das Fell des Bären verteilen, bevor man ihn hat, wollten wir hier schon auf die wirk­lichen konservativen Möglichkeiten eingehen, denn vorderhand sehen wir den Wahlaus­gang noch nicht als absolut sicher an. Auf viele Engländer üben Attlees Sozialreformen auch heute noch eine große Anziehungskraft aus. Es dünkte den Wählermassen schon im­mer reizvoller, sich für eine andere, ihnen gerechter erscheinende Verteilung des Sozial­produktes zu interessieren als sich anzuhören, wie man unter Schwierigkeiten das Sozial­produkt erhöhen könnte. Vom deutschen Standpunkt aus wäre ein Sieg Churchills in mancher Hinsicht zu begrüßen. Er war immer­hin einer der ersten, der den Gedanken des europäischen Zusammenschlusses ernsthaft und ohne Rücksicht auf damals noch besteherwfa Ressentiments vertrat. Auch mag es sein, daß einer konservativen englischen Regierung, di* nicht mehr an ein Wirtschaftssystem gebunden ist, das seinem Wesen nach den Abschluß von außen braucht, eine Annäherung an den Kon­tinent leichter fällt.

DAG-Tagung in Berlin

BERLIN. Auf dem vierten Gewerkschaftstag der Deutschen Angestelltengewerkschaft (DAG), der am Mittwoch in Westberlin in Anwesenheit des Bundesarbeitministers Storch und des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen, Kaiser, begann, erklärte der Vorsitzende der DAG, Rettig:Wir wollen den Frieden in Freiheit. Freiheit sei aber nur da, wo auch die soziale Frage in Freiheit gestaltet und ge­löst werde. Rettig forderte eine natürliche und gerechte Verteilung des Sozialprodukts, um der Bevölkerung einen anständigen Lebensstan­dard zu sichern. Die Produktionssteigerung sei bisher nur einer kleinen Schicht zugute gekom­men. Die DAG lege Wert auf eine Zusammen­arbeit mit dem DGB in allen großen Fragen.

Atlantikpakt erweitert seine Ziele

Italien soll besseren Frieden erhalten / Deutschland als 15. Mitglied

OTTAWA. Der Atlantibpaktrat hat gestern abend in Ottawa seine Konferenz mit der Her­ausgabe eines Abschlußkommuniques beendet. Zuvor wurde noch ein Beschluß über die Auf­nahme Griechenlands und der Türkei als neue Paktmitglieder gefaßt. Ferner bearbeiteten die Konferenzteilnehmer eine Resolution über die Ausdehnung der Arbeit des Rates auf die politische, wirtschaftliche und finanzielle Zu­sammenarbeit der Paktpartner. Weiter befür­wortete das Gremium einen Vorschlag zur Bil­dung eines kleinen Ministerausschusses, der sich mit der gerechten Lastenverteilung be­fassen soll.

Außerdem gab der Rat gestern eine die von Ministerpräsident de Gasperi beantragte Revision des italienischen Friedensvertrages unterstützende Erklärung heraus. Italien wird darin nicht namentlich genannt, doch empfiehlt die Erklärung die Beseitigung aller Hinder­nisse, die einer Angleichung des Status der 12 Atlantikpaktmächte im Wege stehen. De Ga­speri hatte schon am Mittwoch einen weiteren Gedankenaustausch über die Friedensvertrags­frage mit den Außenministern der drei West­mächte.

Die Aufnahme Griechenlands und der Tür­kei in den Atlantikpakt wurde mit der am

Kleine Weltdironik

KONSTANZ. Der zweite Senat des Bundes­verfassungsgerichts beendete am Mittwoch in Überlingen am Bodensee seine erste Arbeitsta­gung, auf der die Verhandlung über die von der badischen Regierung angefochtenen Gesetze zur Neuordnung der Ländergrenzen in Südwest­deutschland vorbereitet wurde. Der Senat sich­tete die eingereichten Klagen und Gutachten in dreitägigen Beratungen. Presse und Öffentlich­keit waren nicht zugelassen.

TRIER. Der erste Bundesverbandstag des Ver­bandes der Kriegsbeschädigten, Kriegshinter­bliebenen und Sozialrentner Deutschlands, Sitz Bonn, findet vom 12. bis 14. Oktober in Trier statt. Der Verband wurde 1948 in Stuttgart ge­gründet und hat heute über 1,2 Millionen Mit­glieder.

BONN. Die Frau des als Kriegsverbrecher ver­urteilten ehemaligen Generalfeldmarschalls Al­bert Kesselring hat in seiner Petition um ein neues Gerichtsverfahren gegen ihren Mann ge­beten, teilte der britische konservative Abgeord­nete Prof. Douglas Llojd Savory auf einer Pres­sekonferenz in Bonn mit. Kesselring verbüßt zurzeit seine Strafe im Zuchthaus Werl.

BONN. Ein Tarifvertrag für die bei den Be­satzungsmächten in Bonn beschäftigten deutschen Angestellten wurde am Mittwoch im Bundes­finanzministerium von Staatssekretär Hartmann und Vertretern der beteiligten Gewerkschaften unterzeichnet. Der Vertrag ist die erste Tarif­vereinbarung für die Besatzungsangestellten. Es sind ihm die Lohn- und Arbeitsbedingungen der freien Wirtschaft zugrunde gelegt.

RÜSSELSHEIM. Mit einer größeren Menge heißer Würstchen fuhren der kommunistische Bundestagsabgeordnete Oskar Müller und der frühere KPD-Abgeordnete des hessischen Land-

Mittwochabend von dem dänischen Außenmi­nister Kraft vor Pressevertretern verkünde­ten Zustimmung Dänemarks gesichert. Norwe­gen, das sich früher ebenfalls gegen den An­schluß gewandt hatte, hatte seine Haltung von dem Entschluß Dänemarks abhängig gemacht und mußte demnach ebenfalls zustimmen. Nach den Plänen des Militärausschusses sollen die griechischen Streitkräfte General Eisenhower unterstellt werden, während in der Türkei ein neues Mittel-Ost-Kommando unter einem von Eisenhower unabhängigen britischen Oberbe­fehlshaber errichtet wird. Ein türkischer Ge­neral soll das Kommando über die Landstreit­kräfte erhalten.

Verschiedene Delegierte der Atlantikpakt­konferenz äußerten in den letzten Tagen die Ansicht, daß die Bundesregierung, sobald sie sich in vertraglichen Abkommen mit den drei Westmächten zur Unterstützung der Verteidi­gungsanstrengungen der Atlantikpaktstreit­kräfte bereit erklärt hat, auch um die Auf­nahme in die Paktorganisation nachsuchen werde. Der holländische Außenminister Dr. Stikker machte eine Andeutung, die eben­falls in dieser Richtung ausgelegt wird, als er bemerkte, die Organisation werde sich viel­leicht bald auf 15 Nationen erstrecken.

tags, Ludwig Keil, vor den Toren der Opel- Werke in Rüsselsheim auf, um die Streikenden mit dieserSympathie-Verpflegung zu erquik- ken. Die Streikenden nahmen das Geschenk je­doch nicht an, sondern versuchten, den Wagen samt seiner dampfenden Fracht umzukippen. Nur mit Mühe konnten die KPD-Funktionäre den Rückzug antreten.

HANNOVER. Bei den großen alliierten Herbst­manövern in Niedersachsen haben sich nach Mit­teilung des niedersächsischen Innenministeriums bisher 37 Verkehrsunfälle ereignet. Insgesamt 21 private deutsche Kraftfahrer wurden schwer und 15 leicht verletzt. Zurückgeführt werden die Un­fälle größtenteils auf Nichtbeachtung von War­nungsschildern.

HANNOVER. Am Ende des Jahres werden über 2000 zivile britische Verwaltungsbeamte in Deutschland ihre Besatzungsvorrechte verlieren und in das deutsche Wirtschaftsleben eingeglie­dert werden.

AMMAN. Der jordanische Ministerpräsident Tewif Pascha Abulhuda gab vor beiden Häusern des jordanischen Parlaments eine Erklärung über die Politik der Regierung ab, in der er als be­merkenswertesten Punkt die völlige Zusammen­arbeit mit der Arabischen Liga versprach. Da­mit scheint sich Jordanien von seiner unter Ab­dullah traditionellen Politik der Anlehnung an England abzuwenden.

SYDNEY (Australien). Am 22. September wird sich das australische Volk in einem Volksent­scheid darüber zu äußern haben, ob die kom­munistische Partei in Australien verboten wird oder ob man sich Im Vertrauen auf die selbst­erhaltende Kraft der Demokratie mit ihrer zer­setzenden Existenz weiterhin abflnden soll.

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TERES vSpIEL

IM NECKARTAL

Ein fi öhilcher Roman von Else Jung

85] Copyright by Verltg Bcchthold

Imma warf ihm einen strafenden Blick zu.

Du bist ein gräßlicher Mensch! Es wird Zeit, daß du unter mein Regiment kommst.

Thilo zog sie an sich und küßte ihr eine vorwitzige Schneeflocke von der Nasenspitze.

Wenns nur schon so weit wäre! seufzte er.Glaubst du wirklich, daß Muschi bald ihre Einwilligung gibt?

Imma tippte mit dem Finger gegen seine Stirn.Ja, siehst du denn nicht, daß sie zur Schwiegermutter reif ist wie eine Tomate am Stock? Sie legt es doch förmlich darauf an, uns zu verkuppeln, aber sie soll sich doch noch ein bißchen plagen müssen, doppelt ge­näht hält besser!

Thilo lachte und zog ihren Arm durch den seinen. Sie mußten sich beeilen, hinunterzu­kommen. denn die Mittagspause war um.

Vier Tage hielt der Winter stand, dann zog er sich unter leise nieselndem Regen und grauen Nebeln in kältere Gefilde zurück.

Vier Tage brauchten Imma und Thilo, um sich unter den aufmerksamen Augen der Mut­ter langsam aneinander zu gewöhnen. Jetzt unterhielten 3ie sich bei Tisch schon recht lebhaft. Ja. Angelika glaubte sogar fest daran, daß sich das Herz des jungen Mannes unver­kennbar zu erwärmen beginne. Er schaute Imma zuweilen ganz hingegeben an.

Sehr gut nur weiter so!

Ich werde noch ein wenig nachhelfen, Kin­der

Für den nächsten Sonntag erhielt Thilo eine

zweite Einladung auf die Burg, und dieses Mal kam er.

Thilo war gar nicht mehr schüchtern. Er plauderte bei Tisch mit Großmama und Frau Angelika, er füllte Immas Glas mit Wein und trank auf ihr Wohl. Er reichte ihr den Arm und führte sie ins Nebenzimmer, als die Haus­frau die Tafel aufgehoben hatte, und Ange­lika sah ihnen wohlgefällig nach.

Ein hübsches Paar, sagte Großmama lä­chelnd. und die Tochter gab ihr recht.

Sie würden gut zueinander passen, leider bin ich mir über Immas Gefühle noch nicht klar. Was meinst du, Mama?

Frau von Losch hielt sie am Ärmel zurück.

Laß sie ruhig ein Weilchen allein, Ange­lika.

Glaubst du, daß sie dann ?

Ich glaube nicht nur ich weiß es.

Großmama näherte sich auf den Zehenspit­zen der halboffenen Tür, warf einen kurzen Blick in das Zimmer und winkte der Tochter zu.

Komm her, und sieh dir das an, gibt es da noch einen Zweifel? fragte sie leise.

Angelika folgte ihrer Aufforderung und traute kaum ihren Augen.

In der tiefen Fensternische stand Thilo Falck. Er hielt Imma im Arm und küßte sie, als müßte es so sein, als habe er nur auf die­sen Augenblick des Alleinseins gewartet.

Die beiden Taugenichtse sind sich nämlich schon lange einig, du hast es nur'nicht ge­wußt, flüsterte Großmama und legte der Tochter rasch die Hand auf den Mund.Pscht störe sie jetzt nicht. Sie haben es wahrhaf­tig nicht leicht gehabt, und jetzt wollen wir zwei mal darüber ein paar Wörtchen reden.

In Großmamas Erkerzimmer, entlegen ge­nug, um nicht gehört zu werden, erzählte die alte Frau ihrer Tochter die romantische Ge­schichte des Ritterg Thilo von Stolzeneck und des Fräuleins von Homeck Bei dieser Ge­legenheit erfuhr Angelika auch, daß Thilo es gewesen war, der Richard Schreyer erkannt

und dazu beigetragen hatte, seine schänd­lichen Absichten zu vereiteln.

Warum hat Imma mir das nicht alles sel­ber gesagt? fragte sie verletzt.Hat sie denn so wenig Vertrauen zu mir?

Frau von Losch schüttelte den Kopf.

Angelika stand auf.

Sie wußte nicht, ob sie sich ärgern oder ob sie ebenfalls lachen sollte. Endlich siegte ihr gesunder Sinn für Humor.

Angelika Lorentzen lachte und küßte die Mutter auf die Stirn.

So, sagte sie,und jetzt sollen die beiden etwas erleben! Nein, nein, sei ohne Sorge, ich verrate nichts. Aber zappeln werde ich sie lassen und ihnen zeigen, daß man mich nicht ungestraft an der Nase herumführt.

Großmama wurde unruhig.

Was willst du mit ihnen tun, Angelika?

Theaterspielen! Und dieses Mal bitte ich mir aus, daß du auf meiner Seite stehst, Mama, das bist du mir schuldig.

Frau von Losch machte ein klägliches Ge­sicht.

Ach Gott, seufzte sie,hätte ich doch den Mund gehalten!

*

Seit zwei Tagen lief Imma ganz verstört herum, sie kannte sich weder in Muschi noch in Großmama aus.

Alles hatte sich im schönsten Fahrwasser befunden, und nun ging es mit einem Male verquer. Thilos Besuch auf der Burg hatte mit einem Mißklang geendet. Zuerst war Muschi die Liebenswürdigkeit selber gewesen, und nach dem Essen hatte sie den Gast mit einer Kühle behandelt, daß Thilo aus sämtlichen rosaroten Wölkchen der an seinem Liebes- himmel aufsteigenden Hoffnungen gestürzt war. Und was noch peinlicher war: Muschi hatte davon gesprochen, daß ihre Tochter bald heiraten werde, und nach einer Weile war der NameSauermann gefallen.

Was hatte sie bloß damit gemeint?

Zu Immas Schrecken hatte Herr Sauermann am nächsten Tag wieder bei Tisch neben ihr gesessen, und für den Sonntag hatte er ein* Einladung auf die Burg erhalten.

Sauermann nicht Thilo!

Es war entsetzlich beunruhigend.

Hast du eine Ahnung, was mit Muschi lo* ist? fragte sie Thilo, der genau so verstört war wie sie.

Thilo hatte keine Ahnung, er konnte sich nur darüber beklagen, daß Muschi ihn auch im Betrieb kaum mehr beachte.

Es war sehr unbehaglich.

Es war, als stehe ein drohendes Gewitter über ihren Häuptern.

Siehst du, das kommt davon! knurrte Thilo.

Wovon?

Na, vom Theaterspielen! Wir hätten e* nicht tun dürfen, Imma.

Aber wie hätten wir es denn anders ma­chen sollen? fragte sie unglücklich.

Hingehen und offen mit deiner Mutter reden. Wir hatten es doch wirklich nicht nö­tig. uns vor ihr zu verstecken.

Thilo sprach es sehr heftig und redete sich immer weiter in einen grimmigen Zorn hinein.

Er habe sich von ihr mitreißen lassen, aber damit sei es jetzt Schluß! Er sei kein Hans­wurst, sondern ein Mann, der keine Lust ver­spüre, noch länger in einer unwürdigen Ko­mödie mitzuwirken.

Imma brach in Tränen aus.

Sie habe es wahrhaftig nicht wissen kön­nen. daß es so kommen werde, und es sei ab­scheulich von ihm, ihr jetzt mit einem Male Vorwürfe zu machen. Überhaupt, schuld habe nur die alte Tine, die ihr den Typ gegeben habe, und Sauermann.

Hör' bloß mit Sauermann auf! fuhr Thilo sie an.Es war das Dümmste, was du tun konntest. Ich fresse einen Besen, wenn Muschi nicht dadurch auf den Gedanken gekommen ist, dich mit Sauermann zu verheiraten. (Schluß folgt.)