NUMMER 111
FREITAG, 20. JULI 1951
Vorbelasteter Haushaltsplan 1951/52
Etat von Württemberg-Baden weist Fehlbetrag von rund 79 Millionen DM auf th. STUTTGART. Im Landtag von Würt
temberg-Baden hat die Beratung des Staatshaushaltplans 1951/52 begonnen. Der Etat schließt im Ordentlichen Haushalt bei 816,2 Millionen DM Einnahmen und 895,2 Millionen DM Ausgaben mit einem Fehlbetrag von 78,9 Millionen DM ab. Der Außerordentliche Haushalt ist bei gleich hohen Einnahmen und Ausgaben von 88,4 Millionen DM ausgeglichen.
In seiner Etatrede bezeichnete Finanzminister Dr. Frank die Finanzsituation des Landes als ernst. In seinen Ausführungen kam die Besorgnis zum Ausdruck, daß der vorgelegte Entwurf des Staatshaushaltplans wegen der unsicheren wirtschaftlichen Lage und der Ungewißheit über wichtige finanzpolitische Entscheidungen des Bundes gefährdet sei und fieshalb mit größten Vorbehalten beurteilt werden müsse. Der Finanzminister werde die Aufgaben eines Arztes zu erfüllen haben, dem ein Patient anvertraut sei, dessen Krankheitserscheinungen noch nicht genau übersehbar sind.
Der neue Haushaltplan sei erheblich vorbelastet durch den ungewöhnlich hohen Fehlbetrag von 91,6 Millionen DM im Etat des alten Rechnungsjahres; 25 Millionen Mark dieses Defizits seien in den neuen Haushaltplan eingesetzt worden. In den Außerordentlichen Haushalt seien nur solche Ausgaben aufgenommen worden, die durch Anleihe gedeckt sind. Für Investitionen seien 197 Millionen DM vorgesehen. Das Personal der Staatsver-
Hodiwasser und kein Ende
Jetzt im Mississippi-Stromtal
ST. LOUIS. Die Metropole des Mississippitales, die Industriestadt St. Louis, bereitete sich gestern auf den Ansturm des über seine Ufer getretenen Stromes vor. Die Überschwemmungen des Missouri, Oklahoma und Mississippi haben zur größten Flutkatastrophe Amerikas in der amerikanischen Geschichte geführt.
Inzwischen haben die Hochwasser auch die Hauptstadt des Staates Missouri, Jefferson City erreicht und schon 20 Häuserblocks überflutet. Der Schaden, den St. Louis bisher hatte, beträgt über 750 000 Dollar (3,15 Millionen DM). Riesige Sandsackdeiche umziehen den Stadtkern. Am Mississippi sind die Erd- und Steindeiche verstärkt worden. Evakuierungsvorbereitungen sind für den schlimmsten Fall eingeleitet.
Ausweitung des Atlantikpakts
Aufnahme Griechenlands und der Türkei?
LONDON. Der britische Außenminister Morrison erklärte im Unterhaus. Großbritannien sei zu dem Entschluß gekommen, daß die Türkei und Griechenland Mitglieder des Atlantikpakts werden sollen. Bei der Türkei habe die Hauptschwierigkeit in der Notwendigkeit gelegen, den türkischen Wunsch auf Aufnahme in den Atlantikpakt mit der Stellung der Türkei in der allgemeinen Verteidigung des Mittleren Ostens in Einklang zu bringen.
Großbritannien hat sich damit dem Wunsch der USA auf Hereinnahme Griechenlands und der Türkei in den Atlantikpakt gefügt. Die britische Zustimmung zur Einbeziehung Griechenlands und der Türkei ist in Frankreich und Holland kühl aufgenommen worden. Ein Sprecher des französischen Außenministeriums betonte, es sei unwahrscheinlich, daß die erforderliche Einstimmigkeit für die Aufnahme der beiden Länder in den Atlantikpakt erzielt werde. Von einer Einigung der Westmächte über den britischen Vorschlag könne keine Rede sein. Die Verhandlungen seien noch im Gange. _
TÜBINGEN. Bundeskanzler Dr. Adenauer unterbrach seine Urlaubsreise in die Schweiz am Dienstag bei der Daimler-Benz-AG in Sindelfin- gen, um während eines halbstündigen Aufenthalts seinen neuen Dienstwagen vom Typ 300 zu besichtigen. Anschließend besuchte er seinen Schwiegervater in Tübingen.
waltung habe sich trotz der vielbesprochenen Verwaltungsreform gegenüber dem Stellenplan des Vorjahres um vier Prozent auf 51 400 vermehrt.
Dr. Frank setzte sich eingehend mit den Forderungen für den vertikalen und horizontalen Finanzausgleich auseinander und sagte, das Land Württemberg-Baden sei außerstande, sie zu erfüllen. „Die Bereitschaft, dem Bund zu geben, was er braucht, darf nicht zu dem Ergebnis führen, daß die Länder praktisch lahmgelegt werden.“'
Als neuralgischen Punkt des inneren Staatslebens bezeichnete der Finanzminister die Erschwerungen, die sich aus der Vorschrift ergeben, für die beiden Landesbezirke Nordwürttemberg und Nordbaden getrennte Haus
halte zu führen. Der Haushalt des Landesbezirks Nordwürttemberg weise einen Überschuß von 27,1 Millionen DM auf, der des Landesbezirks Baden schließe dagegen mit einem Defizit von 106.1 Millionen DM ab. Die großzügige Behandlung Nordbadens sei nur durch die finanzielle Leistungsfähigkeit des Landesbezirks Württemberg möglich gewesen.
In der Aussprache über die Etatrede verzichteten die Fraktionen darauf, sich mit dem Haushaltplan im einzelnen auseinanderzusetzen. Der ehemalige Finanzminister Dr. Mattes griff die Regierung scharf an; die Verwaltungsreform sei nicht durchgeführt worden. Viele Einsparungsmöglichkeiten hätten keine Beachtung gefunden. Die Haushaltmittel für Geschäftsbedürfnisse seien zu groß. Auch von einer „Entpolitisierung“ des Beamtentums sei Abstand genommen worden. Der Finanzminister hätte mehr Wagemut zeigen müssen. Auch der Finanzminister müsse wie der Kaufmann „etwas riskieren“.
Löhne und Produktionssteigerung
Feststellungen des Gewerkschaftsbundes / Gewinnbeteiligung der Arbeiter
DÜSSELDORF. Der Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes stellte am Mittwoch in einer Erklärung fest, daß die Arbeitnehmer im Bundesgebiet in den letzten Jahren nicht im zukommenden Maße an der steigenden Produktion beteiligt worden seien. Der Gewinn sei ziemlich einseitig den Arbeitgebern zugeflossen.
Der DGB begründet seine Feststellung damit, daß seit der Währungsreform bis Ende
1950 in der Bundesrepublik nicht weniger als 50 Milliarden DM im Wege der Selbstfinanzierung investiert worden seien. Die Leistungsund Lohnentwicklung gehe immer deutlicher auseinander. Während 1928 noch 56 Prozent des Volkseinkommens Lohn und Gehalt gewesen seien, sei dieser Prozentsatz bis zum März
1951 auf 46,8 Prozent abgesunken. In der Industrie sei die Lohnquote sogar bis auf 39 Prozent gefallen. Demgegenüber sei das Produktionsergebnis je Arbeiterstunde von 90,9 im Jahresdurchschnitt 1950 auf 100,5 im April 1951 gestiegen. Der DGB stellt abschließend fest, daß es nicht nur eine soziale, sondern auch eine wirtschaftliche Fehlentwicklung sei, wenn
Kleine Weltchronik
TÜBINGEN. Im Beisein von Innenminister Viktor Renner wurde die erste Hundertschaft der im Lande Württemberg-Hohenzollern aufzustellenden Bereitschaftspolizei in ihrer Unterkunft bei Blberach vereidigt. Landespolizeidirektor Dr. Schäfer nahm die Vereidigung vor.
STUTTGART. Der ehemalige württemberg-badische Finanzminister Dr. Edmund Kaufmann (CDU) gab am Mittwoch bekannt, daß er bei einer Besprechung in Bonn zu erwägen gegeben habe, den ehemaligen Reichskanzler Dr. Brüning an das Bundesverfassungsgericht zu berufen.
FRANKFURT. Beamte der amerikanischen Hohen Kommission wiesen entgegen anderslautenden Pressemeldungen darauf hin, daß der Plan für die amerikanischen Truppenverstärkungen in Deutschland festliege und keine Rede davon sein könne, nach Beendigung der Kampfhandlungen in Korea dortige amerikanische Truppenverbände nach Europa und Westdeutschland zu verlegen. Die jetzt in Korea kämpfenden Soldaten würden vielmehr alle entlassen werden.
BONN. Der stellvertretende Leiter der Gesundheitsabteilung im Bundesinnenministerium, Dr. Friedrich Koch, berichtete am Mittwoch in Bonn über den Aufbau des kommenden Bundesgesundheitsamtes und des Bundesgesundheitsrates. Das Bundesgesundheitsamt wird sich vor allem mit der Vorbereituneg von Gesetzen zur Seuchenbekämpfung und mit der Lebensmittelhygiene beschäftigen. Das Berliner Robert- Koch-Institut soll ihm angegliedert werden. Dem Bundesgesundheitsrat wird die Pflege des Kontaktes zwischen Bevölkerung und Verwaltung obliegen. Er wird voraussichtlich 80 Mitglieder aus allen Kreisen der Bevölkerung umfassen.
BONN. Die Gehaltszulage der Bundesbeamten kann vorerst nicht von 15 auf 20 Prozent erhöht werden, da der Haushaltsausschuß des Bundes
die deutschen Arbeiter und Angestellten nicht in genügendem Maße an der durch sie gesteigerten Produktion beteiligt würden, denn die Kaufkraft beeinflußte den Absatz.
Der Betriebsrat der Vereinigten Siemenswerke im Bundesgebiet und in Westberlin hat in einer Jahresversammlung in Mainz einstimmig eine Vereinbarung zwischen der Betriebsleitung und dem Betriebsratsvorstand über die Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer gebilligt. Die Gewinnbeteiligung soll nach einem festgesetzten Schlüssel erfolgen, dem vier Dienstjahr- gruppen, bis zu 3, 5, 7 und 10 Jahren, und die an die Aktionäre auszuschüttenden Dividenden zugrunde liegen. Danach wird beispielsweise ein Arbeitnehmer mit 10 Dienstjahren bei einer fünfprozentigen Dividende in Höhe eines Monatseinkommens am Jahresreingewinn der Werke beteiligt werden. Außerdem wurde mit der Betriebsleitung vereinbart, daß zu einem späteren Zeitpunkt ein Teil des betriebseigenen Aktienpakets in Aktien aufgespalten und an die Arbeitnehmer zum Erwerb freigegeben werden solle
tags einen Antrag des Bundesfinanzministers auf Vorwegbewilligung der Gelder abgelehnt hat. Die Bundesregierung muß jetzt das Ende der Parlamentsferien abwarten, da der Haushaltsausschuß erst dann den Antrag erneut behandeln will.
BONN. Meldungen, wonach sich im Ural noch etwa 150 Schweige- und Straflager befinden sollen, in, denen jeweils 1000 deutsche Gefangene mit russischen Schwerverbrechern untergebracht seien, entsprechen, nach Angaben des Bundesministeriums für Vertriebene,- nicht den Tatsachen. Solche Meldungen seien nur dazu angetan. Hoffnungen einzufiößen, die sich kaum erfüllen dürften.
BONN. Das Bundesgebiet hatte nach Mitteilungen des Statistischen Bundesamtes am 31. März 1951 47 892 300 Einwohner.
BERLIN. Die amerikanische Fordstiftung hat der Freien Universität Berlin „in Anerkennung ihres unter großen Schwierigkeiten geleisteten Beitrages zu demokratischer Erziehung“ eine Zuwendung in Höhe von 5 499 000 DM gegeben, gab Rektor Hans Freiherr v. Kreß bekannt. Die Nachricht kam in Form eines Telegramms von Paul E. Hoffman, dem früheren ECA-Admi- nistrator und jetzigen Direktor der Fordstiftung, der vor wenigen Wochen mit Henry Ford jung, die Freie Universitäät besichtigt hatte.
BERLIN. Etwa 150 Gleeisarbeiter der sowjetisch kontrollierten Reichsbahndirektion Berlin versuchten wiederholt auf der Strecke Steglitz—Zehlendorf im amerikanischen Sektor eines der beiden Fernbahngleise zu demontieren, wurden jedoch von der Polizei daran gehindert.
BEIRUT. Der am Montag von syrischen Nationalisten in der jordanischen Hauptstadt Amman ermordete frühere libanesische Ministerpräsident Riad el Solh wurde am Mittwoch unter größter Anteilnahme der Bevölkerung beigesetzt.
Der verschlossene MUND
Roman von Doris Eicke ^ Alle Hedile Vtrlagth&ut Reuilinftn
War es möglich, daß Niels aufgehört hatte, sie zu lieben, und auch unfähig, ihr diese bittere Wahrheit zu sagen, wie ihr eine Zärtlichkeit vorzuheucheln, die er nicht mehr empfand, unsicher und ratlos stets das Falsche tat? Sie selbst hatte nur einen einzigen Wunsch, an sein Herz zurückzukehren, nur mußte es eine tatsächliche und vorbehaltlose Rückkehr sein. Was aber würde sie tun, wenn Niels ihr jetzt eröffnete, daß eine solche Rückkehr aus irgendeinem Grunde unmöglich war und bleiben würde? Sie konnte sich einen Fortgang ihres Lebens ohne Niels einfach nicht vorstellen. Wenn er heute mit seiner Maschine abstürzte, würde ihre Verzweiflung unausdenkbar sein, aber doch ohne den vergifteten Stachel des Wissens, daß er irgendwo weiterlebte, in freiwilliger Trennung von ihr.
Von ihrem Platz aus sah Andrea die kleinen Gäste des Kinderheims je zu zweien geordnet zum Strand abmarschieren und erkannte Detlev in seinen roten Lufthöschen. Zärtlich schaute sie ihm nach und genoß in bewußtem Mutterstolz das hübsche Spiel seiner kräftigen Glieder. Der Kleine entdeckte alsbald ihr gelbes, leuchtendes Kleid und machte Miene, aus der wohlgeordneten Reihe zu brechen. Eine Kinderschwester hielt ihn zurück, worauf er sich damit begnügte, tüchtig zu winken, indem’ er seine kleine Badehose schwenkte. Während sie ihm zusah, erwuchs ihr aus seinem Am bl ick unvermittelt ein tiefer Trost. Detlev war ja noch da! Wenn Niels sich je von ihr trennen sollte, verlor er auch ihn, und eine solche plötzliche Leere würde er nie überwinden, er nie. Zusammen
bedeuteten sie nicht wenig, der Junge und sie.
Dieser kleine schützende Schimmer von Zuversicht gab ihr endlich den Mut, den Brief aufzureißen. Zu ihrer Erleichterung kam nur ein Zettel zum Vorschein, aus seinem Notizbuch herausgerissen und mit Bleistift bekritzelt, sichtlich in Eile oder im Bann einer drängenden Eingebung hingeworfen.
„Andry, laß diese Mißverständnisse um Himmels willen nicht wuchern zwischen uns. Es gibt auf der Welt nichts Sinnloseres, als wenn zwei Menschen sich wehtun, die sich lieben. Es wäre falsch, wenn wir jetzt in langen Briefen versuchten, unsere Gefühle zu erklären, wir wollen lieber schweigen, aneinander glauben und uns bereithalten für den nahen Tag, an dem alle Rätsel ihre Erklärung finden, an dem mein kleines Mädchen wieder lachen lernt, und ihr Niels wieder sein darf, der er ist.“
„Die sich lieben“, murmelte Andrea, und ein Leuchten lag auf ihrem blassen Gesicht. Wenn sie das nur wußte, mehr brauchte sie nicht.
Über die Düne kam ein Mann. Von der Sonne, die jetzt im Zenit stand, geblendet, konnte sie seine Züge nicht erkennen, aber sie erkannte ihn am Gang, der etwas Geschmeidiges, Rhythmisches an sich hatte. Mit immer größer werdender Ruhe und Sicherheit schaute sie ihm entgegen, und als er ihr die Hand reichte, zog sie ihn freundschaftlich neben sich in den Sand.
„Detlev hat mir Dein Versteck verraten“, sagte er ein wenig gekränkt. „Ich habe in der Halle lange umsonst auf Dich gewartet.“
„Verzeih —.“ Ihre Stimme klang freundlich, fast heiter, und sie legte sogar begütigend die Hand auf den Ärmel seiner weißen Leinenjacke. „Ich mußte allein sein — mit Niels.“
Er antwortete nicht gleich, sondern betrachtete sie staunend. Er kannte Andrea in vielerlei Wandlungen: abweisend, verwirrt, angstvoll, glühend, diese sichere, kameradschaftlich- freundliche Andrea war ihm neu. Er warf
einen unwillkürlichen Blick auf den Brief in ihrem Schoß, und als sie ihn aufflng, nickte sie mit einem ernsten Lächeln, als wollte sie seine Vermutung bestätigen.
„Er hat Dich also gerufen?“ fragte er gepreßt.
Mit einer schönen Gebärde des Vertrauens reichte sie ihm den Zettel hinüber: „Lies!“
Er überflog die wenigen Worte und reichte ihn zurück.
„Wir haben uns also geirrt“, sagte er ehrlich.
„Ja. Ich habe Niels Bild vielleicht die ganze Zeit verzerrt gesehen, weil meine Nerven in einer unerträglichen Spannung waren. Ohne daß ich es merkte, hatte sich nur alles auf eine falsche Ebene geschoben. Ich bin zur Untreue nicht geschaffen, Rainer, und mein vermeintliches Recht verwandelt sich mir unter den Händen in Unrecht. Ich mache Dir keinen Vorwurf aus dem Geschehenen, Rainer nur mußt Du verstehen, daß ich mit der Ernüchterung auch das freie Verfügungsrecht über mich zurückgewann —.“
„Du bereust es also —.“
„Nein", war ihre überraschende Antwort, „ich bereue es nicht. Es geschah so zwangsläufig, daß es vielleicht sein mußte. Daß gerade Du der Partner warst, war vielleicht — verzeih mir meine Offenheit — zufälliger, als wir denken, aber glaube mir, ich bin sehr dankbar dafür, daß mir die Vorsehung Dich — gerade Dich in jenen Stunden des Verstörtseins in den Weg geschickt. Ich habe Dich gern und wenn es sein könnte, so möchte ich, daß wir Freunde werden und es bleiben.“
„Ich brauche kein Almosen, ich bin Manns genug, mit den Dingen fertig zu werden!“ stieß er abwehrend hervor.
„Denkst Du so gering von der Freundschaft?“ fragte sie sanft.
„Wenigstens ist es ein schlechter Ersatz für — Liebe.“
„Die Trennung wird Dir helfen“, sagte sie fest.
Der „geknetete Fingerzeig “
SV. Wir haben uns in unserer Ausgabe vom 18. Juli ds. Js. gegen einen Leitartikel des „Schwarzwälder Boten" gewandt, der darauf hinauslief, daß der Rundfunk „praktisch die einzige publizistische Institution in Deutschland ist, die es sich ohne materielle Gefährdung leisten kann, die volle Wahrheit zu sagen“, wobei in dem Artikel das Wort „volle“ vom Verfasser „wp“ selbst gesperrt worden war.
Gegen diese Behauptung haben die maßgebenden Redakteure einer großen bürgerlichen Zeitung in Württemberg-Hohenzollern schärfste Verwahrung eingelegt und wir selbst hielten es ebenfalls für unsere journalistische Pflicht, die beanstandeten Äußerungen des Herrn „wp“ ausdrücklich auch für unsere Zeitung zurückzuweisen.
Diesen klaren Tatbestand benützt der „Schwarzwälder Bote“ zu einem siebzig Zeilen langen Geschimpfe gegen uns und unsere Schwäbische Verlagsgesellschaft, die er als „augenblicklich übelgelaunte Konkurrenz“ bezeichnet. Warum sollen wir übler Laune sein? Vielleicht weil der „Schwarzwälder Bote“ sich selbst ohrfeigt? Oder weil unser, wie der „Schwarzwälder Bote“ schreibt, „Kleinzei- tungskonzem“ nach der letzten IVW-Liste jetzt schon 11182 Abonnenten mehr hat als der „seit 116 Jahren von Generation zu Generation weitergereichte, gutschwäbische wandernde Bote“?
Dieser hin und her wandernde Bote aus Oberndorf sagt als Quintessenz von unserer Stellungnahme, wir hätten „aus einem verantwortungsbewußten Fingerzeig eine Erklärung geknetet“.
So fragwürdig wie dieses Deutsch, so inhaltslos sind die Vorhaltungen der Oberndorfer Redakteure, denn eine tatsächliche Widerlegung unserer Feststellungen ist dem „Schwarzwälder Boten“ trotz vielem Drehen und Kneten nicht möglich.
Breite Mehrheit oder Neuwahlen
Ollenhauer kritisiert Bundesregierung MÜNCHEN. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD,Ollenhauer, kritisierte am Mittwoch in einer Ansprache im Rahmen der Sendereihe „Politik aus erster Hand“ des Bayerischen Rundfunks das Vorgehen der Bundesregierung bei der Behandlung eines deutschen Verteidigungsbeitrags, des Schu- manplans und der Saarfrage. Wenn es der Regierung nicht gelinge, für die Lösung der entscheidenden lebenswichtigen nationalen Probleme eine breite Mehrheit im Bundestag zu finden, dann müsse sie die Bahnen freimachen für Neuwahlen. Jedermann wisse, daß die SPD unter den heute gegebenen Bedingungen einen deutschen Verteidigungsbeitrag ablehne. Gegenwärtig werde ein sogenannter „Petersberg-Plan“ mit dem Pleven-Plan in Zusammenhang gebracht. Ollenhauer fragte, ob man auf diese Weise ohne Information des Parlaments die deutsche Öffentlichkeit darauf vorbereiten wolle, daß die Regierung nun doch, entgegen ihrer früheren ablehnenden Stellungnahme zum Pleven-Plan, diesen zu akzeptieren bereit sei. Auch in der Frage des Schumanplans und der Saarfrage versuche der Bundeskanzler das Parlament zu überspielen.
Besucht Attlee Truman?
Noch keine endgültige Entscheidung LONDON. Der britische Ministerpräsident Clemens Attlee wird sich, wie von unterrichteter Seite in London verlautete, Ende August zu einer zweiten Besprechung mit Präsident Truman und anderen amerikanischen Regierungs Vertretern in die Vereinigten Staaten begeben. Bei diesen Besprechungen sollen die wesentlichen weltpolitischen Probleme und das gesamte Gebiet der anglo-amerikani- schen Beziehungen erörtert werden, wobei dis kritische Finanzlage Großbritanniens einen hervorragenden Platz einnehmen wird. Eins endgültige Entscheidung über die Reise Att- lees sei noch nicht getroffen.
„Du willst also fort?“
„Einer von uns beiden wird reisen, heut« oder morgen —.“
Er stützte seinen Kopf in die Hand und schaute sie lange und unverwandt an.
„Ich“, sagte er endlich leise. „Aber schenk mir noch diesen Tag, diesen Abend, Andrea!“
„Von Herzen gerne. Ich danke Dir für alles, Rainer, aber am meisten für Deine Ritterlichkeit.“ Sie beugte sich zu ihm hinüber und berührte mit ihren frischen roten Lippen einen Augenblick leicht seinen betrübten Mund. „Ich bleibe Dir gut und dagegen kann auch Niels nichts haben. Du wirst uns in Bremen besuchen und ihn kennen lernen. Willst Du?“
„Ich weiß nicht recht — ganz so einfach ist das nicht. Es hängt weitgehend davon ab, was Du Niete sagen wirst.“
„Alles“, sagte sie schlicht.
„Dann wird es also nicht gehen.“
„Doch“.
„Eine solche Eröffnung verträgt kein Mann.“
„Rainer, Du vergißt, daß Niels die Dinge anders wertet. Alles Körperliche ist für ihn sekundär, darum ist er zur Eifersucht absolut unfähig. So kühl aber sein Blut ist, so warm und großzügig ist sein Herz. Er wird meine Erwartung nie beschämen, nichts ist so stark in ihm, wie seine tiefe Menschlichkeit. Und auf sie dürfen wir beide bauen.“
XIII.
Heute morgen hatte der Direktor der Verkehrsfliegerschule Niels Merck erklärt, daß er ein weiteres Schulen als reinen Zeitverlust ansah. Sein fliegerisches Können sei hieb- und stichfest in jeder Beziehung, und er sei hier höchstens als Lehrer, nicht aber als Schüler am Platze.
Der erste Gedanke, der Merck bei dieser Eröffnung überfiel, war der an Andrys gest- rige Rückkehr nach Bremen. Nichts hinderte ihn, noch heute zurückzukehren und sie zu überraschen. ISchluß folgt)