Ministerbesprechungen in Genf
TU. Genf, 12. Mai. Der heute beginnende» Tagung des vülkerbundsrates sicht man in unterrichteten Kreise» mit größtem Interesse entgegen, da außerhalb der Ratsverhandlungen einige private Besprechungen von größerer Tragweite -wischen den anwesenden Außenministern stattfinden werden. Auf deutscher Seite erwartet man eine private Zusammenkunft zwischen dem Deutschland zum ersten Male im Völkerbundsrat vertretenden Außenminister Dr. Cnrtius und dem französischen Außenminister Vriand, in der die grundsätzliche Seite der Saarfrage und das weitere Arbeitsprogramm der Pariser Saarverhandlungen zur Sprache kommen sollen. Ferner wird eine Zusammenkunft zwischen Curtius und dem polnischen Außenminister Zaleski erwartet, in der die zur Verhandlung stehenden oberschlesischen Minderheitenfragen sowie auch die Ratifizierung des deutsch-polnischen Handelsvertrages berührt werden sollen. Hierbei vertritt man auf deutscher Seite die Auffassung, daß die Ratifizierung des Handelsvertrages in Polen unbedingt durch die verfassungsmäßigen Organe, das Parlament, erfolgen müsse, um in Zukunft keine Schwierigkeiten entstehen zu lassen. Von größtem Interesse werden für Deutschland die Verhandlungen über die oberschlesische Minderheitenfrage sein, wobei besonders der Entscheidung des Dreierausschusses über die große Beschwerde der deutschen Minderheiten in Polen hinsichtlich der Durchführung der Agrargesetze in Polen größer« Bedeutung beigemessen wird. Zwischen Briand und Granbt (Italien) wird voraussichtlich die erste Fühlungnahme für die Besprechungen über die Flottenfrage ftattftnben.
Der Fusttzhaushalt angenommen
TU. Berlin, 13. Mat. Im Haushaltsausschuß des Reichstages wurde der Haushalt des Reichst» st izminifte- riums beraten. Gegenüber deutschnationalen Wünschen erklärte Justizminister Dr. Bredt, daß die Behandlung der Frage einer Amnestie Sache des Rechtsausschusses sei. Wenn der Wunsch bestehe, daß diese Frage dort behandelt werde, dann solle eS an ihm, dem Minister, nicht fehlen. Die Richter des Reichsgerichts nahm der Minister gegen sozialdemokratische Vorwürfe in Schutz. In der Aussprache wurde von den Sozialdemokraten eine Generalamnestie abgelehnt. Auch der Redner der Deutschen Volkspartet erklärte, daß gegen eine allgemeine Amnestie lebhafte Bedenken beständen. Für eine Amnestie trat jedoch der Redner der Wirtschaftspartei ein. Die Demokraten forderten Vorlegung eines Gesetzentwurfes über di« Eheschcidungsreform.
In der Abstimmung wurde eine demokratische Entschließung zur Reform des Familienrechtes angenommen, ebenso eine kommunistische Entschließung, wonach die Regierung ein Verzeichnis der Fälle vorlegen soll, in denen noch Freiheitsstrafen gegen Kriegsteilnehmer auf Grund von Urteilen der Militärgerichte vollstreckt werden, ebenso eine Statistik über alle noch schwebenden und neu ein- geleitcten Hochverratsverfahren. Der Haushalt des Justizministeriums wurde angenommen.
Die Haltung der Bayerischen Volkspartei
Ttl. Bamberg, 13. Mai. Auf der Frühjahrstagung beS Landesausschusses der Bayerischen Volkspartet in Bamberg erstattete der Vorsitzende der Reichstagsfraktion, Abg. Leicht, ein Referat über die Reichspolitik. Er erklärte u. a>, baß das Kabinett Brüning noch mitten in politischen Fährnissen stehe. Es sei durchaus möglich, daß es sehr rasch zu Reichstagswahlen komme. Die Bayerische Volkspartei habe sich dem Zentrum, nachdem ein Kanzler von der Quali
tät Dr. Brünings gewählt worden sei, brüderlich an die Seite gestellt.
Monopolmais für Geflügelhaltung
TU. Berlin» 12. Mai. Amtlich wird mitgeteilt:
1. Die Reichs maisstelle wird auf Beschluß des Verwal- tuugsrats zur Förderung der einheimischen Geflügelhaltung zunächst bis zu 50 000 Zentner Mais z u ermäßigtem Verkaufspreis zur Verfügung stellen. Die Berechtigung zum Bezüge des Maises wird an die genossenschaftliche Ablieferung von Eiern geknüpft werden. Die genossenschaftlich organisierten Geflügelhalter sollen Mais im Verhältnis von 15 Kilogramm Mais zu 100 Eiern erhalten, die vorher abgeliefert werden müssen. Die Neichsmaisstelle wird den Mais zum Einstandspreis, d. h. zu einem Betrag liefern, der nur den Einkaufspreis, den Zoll und einen geringen Zuschlag zur Deckung der Unkosten enthält. An der hierfür notwendigen Maiseinfuhr und an der Verteilung des Maises werden Genossenschaften und Händler beteiligt sein.
2. Der Verwaltungsrat hat einem Verordnungsentwurs des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft zugestimmt, nach dem die H ö ch st m e n ge für Mais, deren Verkehr monopolfrct ist jFreimcnge im Kleinverkehr) von 10 Doppelzentnern auf 2 Doppelzentner herabgesetzt wird. Die Bestimmung trat am 11. Mat 1980 in Kraft. Die an sich bedauerliche Aenderung der Freimenge- Vorschriften ist notwendig geworden, weil diese bei der Einfuhr von Mais in steigendem Matze mißbräuchlich angewendet worben sind und weil damit gerechnet werden mußte, daß in nächster Zukunft sogar eigens hierfür geschaffene Organisationen tätig sein würden.
Neue Verhandlungen im Fernen Osten
TU. Kowno, 12. Mai. Einer Meldung aus Moskau zufolge ist am Freitag die chinesische Abordnung zu den Verhandlungen mit der Sowjetregierung über die endgültige Beilegung des mandschurischen Eisenbahnkonflikts in Moskau eingetroffen. An der Spitze der Abordnung steht der bevollmächtigte Vertreter der Nankingregierung und Vorsitzende der Verwaltung der chinesischen Ostvahn Modegui.
Kleine politische Nachrichten
Hindenburg verlegt seine« Wohnsitz von Hannover nach Nendeck. Der Reichspräsident hat an den Magistrat der Stadt Hannover ein Schreiben gerichtet, in dem er mitteilt, daß die Arbeiten auf seinem Stammgut Neudeck in Ostpreußen so weit fortgeschritten seien, daß er seinen Wohnsitz dort zu nehmen gedenke.
Nechtsmehrheit i» Gotha. In Gotha fanden die Wahlen zum Stadtrat statt. Das Kennzeichen dieser Wahlen ist die Eroberung von 11 Sitzen durch die Nationalsozialisten, die bisher 3 Mandat« inne hatten. Die Dentschnationalen und die DVP., die bisher zusammen 14 Sitze besaßen, erhielten zusammen 8 Sitze. Die Demokraten erhielten wieder 1 und die Sozialdemokraten wieder 3 Mandate. Die Wirtschaftspartei verlor 1 Sitz.
Die luftakrobatischen Vorführungen könne» nicht verboten werden. Wie von zuständiger preußischer Stelle mitgeteilt wird, ist es nicht möglich, die Luftakrobatik völlig zu verbieten. Allerdings sind die Vorschriften sehr verschärft worden. Es ist grundsätzlich verboten, luftakrobatische Vorführungen vorzunehmen, falls das Publikum dabei gefährdet werden könnte. Der Grund, daß die luftakrobattschen Vorführungen nicht völlig verboten werden können, liegt in einer
Polizeiverordnung, nach der es niemand verboten werden kann, sich selbst in Gefahr zu bringen.
„Die Zukunft Italiens liegt aus dem Meere.« Mussolini besichtigte in Livorno die Militärakademie und die Werften. Er hielt anschließend vor dem faschistischen Verbände eine Rede, in der er sagte, nach acht Jahren faschistischer^Herrschaft wolle das italienische Volk nicht nur sein Wohlergehen, sondern auch seinen Platz in der Welt. Italien sei nicht begierig, Abenteuer zu begehen, aber wenn jemand auf die italienische Unabhängigkeit oder auf die Zukunft Italiens abzie- len sollte, dann würde sich jung und alt gegen jedermann schlagen. Mussolini erklärte den Einwohnern Livornos zum Schluß, daß ihre Zukunft auf dem Meere liege.
Fetex des Ivjährigen Bestehens der Tiroler Heimwehren. Am Sonntag fanden anläßlich des zehnjährigen Bestandes der Tiroler Heinrwehren in allen Orten Tirols zur selben Stunde Gottesdienste statt. Es folgten Kundgebungen, in denen eine Botschaft des Heünwehrführers Dr. Steinle verlesen wurde. An der Hauptfeier in Innsbruck nahmen fast alle Landesführer ans Oesterreich und zahlreiche Gäste aus Bayern, darunter Forstrat Escherich, teil.
Unregelmäßigkeiten beim Musterungsdienst in der Tschechoslowakei. In Prag wurde der Regimentsarzt Dr. Dvorak zum Divisionsgericht vorgeladen und unter dem Verdacht, daß er sich Unregelmäßigkeiten beim Musterungsdienst habe zuschulden kommen lassen, verhaftet. Dvorak, einer der bekanntesten tschechischen Dichter und Schriftsteller, soll Jahre hindurch von den Musterungspflichtigen oder von ihren Vätern Vestechungsgelder angenommen und die jungen Leute bet der Untersuchung für untauglich erklärt haben.
Ne«e Rationalisierung der Gebrauchsartikel i» Sowjet« rntzland. Der verhängnisvolle Mangel an Gebrauchsartikeln des täglichen Lebens, der sich mit jedem Tage mehr bemerkbar macht, hat nach Meldungen aus Moskau das Volkshandelskommissariat dazu veranlaßt, eine neue Rationierung dieser Artikel durchzuführen. Es ist eine neue Berkaufsord- nung festgelegt, die am 10. Mai in Kraft trat. Darnach werden alle Waren und Artikel des täglichen Gebrauchs In drei Gruppen eingeteilt. Zur ersten Gruppe gehören Woll-, Baum- woll- und Letnenwaren, Garne, Wirtschaftsfeife und anderes, zur zweiten fertige Kleider, Trikotagen, Gummischuhe und anderes und zur dritten alle übrigen Gebrauchsartikel. Das Bezugsrecht auf die Erzeugnisse der ersten Gruppe besitzen nur Arbeiter auf Grund der auch für die Lebensmittel bestehenden Bezugskarten.
Mandatsgebiet Südwestasrika unter englischer Flagge. Die gesetzgebende Versammlung von Südwestafrika hat ein« Entschließung angenommen, die sich für die Einführung des neuen Flaggengesetzes im Mandatsgebiet ausspricht. Die deutschen Mitglieder haben sich der Stimme enthalten. Auf Grund dieser Entschließung wird nunmehr in Windhuk und den anderen Orten des Gebiets der Union Jack die offizielle Flagge sein.
Eine Mädchenhändlerorganisation ermittelt
TU. Berlin, 13. Mai. Der Staatsanwaltschaft in Buenos Aires ist es nach einer Meldung des „Montag" gelungen, eine der größten Mäöchenhänblerorganifationen der Welt zu ermitteln. Die Person des Leiters, eines gewissen Samuel Korn, und die Namen der über 400 Mitglieder der Bande sind der Polizei bekannt. Gegen alle sind Haftbefehle erlassen worden. Die Mädchenhändler importierten ihre „Ware,, besonders aus Rußland und Polen. Es wurde festgestellt, baß die Bande ihr Gewerbe bereits seit 10 Jahren unter dem Decknamen eines Wohltätigkettsvereins betrieben hat. Während dieser Zeit sollen aus Osteuropa allein jährlich 200 Mädchen nach Argentinien gebracht worden sei«.
Der Slaatsanwall
Skizze von Emil Strodthoff.
vr. Heinz Wenner legt mit müden Bewegungen die Akten zusammen. „Gehen Sie nun, Fräulein Siecke", sagt er leise, „es ist spat geworden, und morgen wird es einen Großkampftag für uns geben".
Die Sekretärin erhebt sich zögernd von schwierigem Diktat, steht noch eine Weile wie unschlüssig am Tische, wendet sich dann achselzuckend und greift umständlich zu Hut und Mantel.
„Und drehen Sie bitte eben das große Licht aus, es stört mich."
„Guten Abend, Herr Staatsanwalt."
„Guten Abend, Fräulein Siecke."
Geräuschlos schließt sich die Tür. Der Staatsanwalt vr. Heinz Wenner sitzt allein mit sich und diesem seltsam erregenden Fall, der da in zwei graublauen Aktendeckeln gebündelt vor ihm auf dem Tische liegt.
Eine Weile sitzt er still, dann greift er zum Telephonhörer. Summend laufen die Zahlen auf der Scheibe ab. „Bitte den Strafanstaltsbirektor. Wie? ... ja, hier Staatsanwalt Wenner. N'abend, lieber Künnrig, hier Wenner. Bitte, lassen Sie mir doch gleich mal den Heinrich Czipuk vorsühren. Ich habe an den Mann noch einige Fragen. Was denn? Gefährlich? ..." Wenner muß lächeln, obwohl ihm nicht danach zu Mute ist. „Na, also schön, die Leute können sich dann vor der Tür Postieren, für nötig halte ich's aber nicht. Wie bitte? Ja, icy bin noch hier, zweiter Gang links, Zimmer 136." Er wirft den Hörer auf die Gabel zurück. »Mingling" macht es.
„Armer guter Czipuk", murmelt er, „an dieses Wieder- ehen hätten wir beide nicht gedacht. Das Leben ist ein selt- ames Katz- und Mausspiel."
Schritte Hallen dumpf im leeren Korridor, kommen näher, verhalten. Undeutliche, verwischte Stimmen vor der Tür.
Wenner knipst die kleine, grüne Schreibtischlampe an und schiebt sie ein wenig über den Tisch hinter eine Buchreihe zurück. So ist es gut, so bleibt er im Dunkele Nun mag jener kommen.
Ein Klopsen. „Herein!"
Wenner erhebt sich und geht den Wärtern entgegen, die grüßend ihre Hand an die Mützen legen.
„Melde gehorsamst", sagte der eine, dem ein dicker, roter Schnurrbart nach rechts und links unter der Nase wegspritzt, „der wegen Mordes angeklagte Heinrich Czipuk wird vorgeführt." Die Umrisse einer schmalen Gestalt heben sich Von der aekalkten Korridorwand ab. Die Schultern sind ein
wenig e,nge,unren. Halvrecyls yrnier oem rvtanne steyr ver zweite Beamte.
„Nehmen Sie sich in acht, Herr Staatsanwalt. Ein gefährlicher, unbedenklicher Bursche", flüstert der meldende Wärter in Wenners Ohr. „Und sollte sich etwas ereignen", er blinzelt böse und unter buschigen Brauen, „Sie sino doch nicht ohne Schußwaffe? Außerdem stehen wir hier draußen."
Wenner winkt ab. ^Schon gut, schon gut", lächelt er abwesend. „Treten Sie ein!" Und er wendet sich dem Gefesselten zu, der mit schweren, müden Schritten ins Zimmer tritt.
Die Tür fällt ins Schloß. Ein Druck, und die Leder- Polsterung schnurrt herab. Nun sind die zwei ungestört.
Das Licht verbreitet grünliche Dämmerung. Wie Nebel über Sümpfen. Wenner spielt mit seinem Bleistift. Seine Stimme ist ruhig, aber heiser und scheint aus weiter Ferne zu kommen, als er sagt: „Nehmen Sie Platz, Czipuk."
Wenners Gedanken gehen zurück, einen langen Weg, der in den Schlammwüsten Flanderns, in Angst und Grauen und tierischer Dumpfheit erstickt. Was sind Jahre, die zwischen den Wänden dieses Zimmers und den wüsten Trichterfeldern jener Einöde mit dem stumpfen, grauen Himmel darüber liegen. Ist es nicht gestern, daß die feindlichen Leuchtkugeln über der kleinen Patrouille Platzen, die sich jenseits des Kanals in scharfen, zähen Drahtverhauen vorarbeitet? Ist es wirklich so lange schon her, daß der Zugführer Vizefeld- Wedel Wenner plötzlich aufstöhnt und nicht weiter kann, weil das rechte Bein abknickt, schwer wird und nicht mehr laufen und springen will? Und kommt nicht heute, eben erst, vor Morgengrauen eine Flüsterstimme durch kalten Nebel und rote Fieberträume auf ihn zu?
„Feldwebel, Achtung", und die Stimme, die tief und besorgt ist, die Heimat, Schutz und Kameradschaft verheißt, wirft ihn unter sich. Plärrend spritzen die Kugeln. Es rauscht von Wasser und Wind, und nun liegt er geborgen im Graben. Ueber ihn beugt sich ein gutes Gesicht. Czipuk.
Der Staatsanwalt räuspert sich. Seine Lippen sind trocken. Er fühlt, wie sich in den Augen der Krampf zu Tränen löst. Er wehrt ihnen nicht. Nimmt nur den graublauen Aktendeckel und tut, als blättere er.
Ein Kamerad liegt jenseits des GrabenS, aber man darf ihm nicht helfen. Der Mord ist erwiesen und gestanden, im Gesetz gibt es keinen Paragraphen, der Czipuk retten könnte. Er hat einen Menschen erschlagen ... Ein blondes Weib ging durch sein Leben, mit süßen, wiegenden Hüften. Czipuk liebte die Frau. Und erschlug sie, aus Liebe, auS Haß, aus Rache, wer vermag das zu sagen!
Und nun ist dieses Leben verwirkt. Oder! Ist nicht Südne. was in Flandern war? Hat er nicht Leben aekckenkt.
oevor er Leven, ein scywacyes, yauwses, verräterisches Leven vernichtete?
Aber das sind Gefühle. Und das hier ist das Gesetz, die harte, mitleidlose Maschine der Vergeltung!
Noch immer sitzt Czipuk auf seinem Stuhle. Er stiert! in die Lampe hinein. Seine Augen sind demütig und verloren. So hat er draußen ausgesehen, wenn er Briefe in die Heimat schrieb.
„Czipuk, waren Sie Soldat?" Wenners Stimme ist! wie tot, als er diese Frage tut.
Czipuk nickt. Er atmet schwer und fällt tiefer vornüber.
Wenner steht auf, geht um den Tisch herum und legt dem Sträfling die Hand auf die Schulter. Der zuckt wie unter einem Schlage zusammen, blickt aber nicht auf.
„Heinrich", sagt Wenner leise und zart, und es ist, alS beruhige eine Mutter ihr Kind. „Heinrich Czipuk, erkennst Du mich?"
Und nun blickt Heinrich Czipuk auf und hebt sich zögernd wie zum letzten Schritt unters Beil. „Wenner", sagt er und starrt und schluchzt und fällt dem Freunde schreiend entgegen. Er weint, unaufhörlich kommen die Tränen. Es ist eine Ewigkeit. Dann wird er stiller und stiller, aber sein Gesicht ist erlöst, eS leuchtet in triumphierendem Glanze.
„Wir müssen Abschied nehmen, Hein."
Czipuk nickt.
„Du hast mir das Leben gerettet, als ich schwer wund vor der Linie lag", sagt Wenner tonlos. Czipuk macht eine Gebärde der Abwehr.
„Daß ich Dir nicht vergelten darf, was Du an mir latest", bittet die leise Stimme.
Wenner lehnt röchelnd an der Wand, er beißt die Zähne zusammen, um nicht heraus zu schreien. Sein Gesicht ist weiß, es leuchtet in der grünen Dämmerung wie Phosphor.
Da steht Heinrich Czipuk vor ihm. Seine Augen sind klar, fast haben sie ihren alten Glanz. Es scheint, als hätten die Männer ihre Rollen vertauscht. Er spricht, und die Worte springen wie Perlen von einer Schnur. „Wir müssen unsere Pflicht tun", sagt er, „wir dürfen uns nicht fürchten vor den seltsamen Gesetzen unseres Lebens. Es soll uns entschlossen finden zu harter und gütiger Tat, »nd um daS Wegende wollen wir nicht feilschen."
^Gute Nacht, Kamerad."
Weich rollt das Leder hoch, knarrend öffnet und schließt sich die Tür, dumpf Poltern die Schritte im Flur. Gansern irgendwo rammelt ein Schlüssel.
Der Staatsanwalt vr. Heinz Wenner tritt ans Fenster. Heber der scharfen Silhouette der Gefängnismaueru steht de» Miond wie eine blutige, schwärende Wund«.