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Hr. 30
cZegrünäet 1826
TageSsPiegel
Der ehemalige österreichische Bundeskanzler Dr. Seipel hatte mit Reichsminister Stresemayn^und später mit dem Reichskanzler längere Besprechungen. Mittags fand bei dem österreichischen Gesandten Dr. Frank ein Essen statt, zu dem mehrere Minister und Parlamentarier, sowie Nuntius Pacelli^uüd der Weihbischof von Berlin Dr Deik- mar
nkius Pacelli-uüd der r gelatzemwaren.
Räch einem sozialrstis
sozialistischen Antrag soll den Frauen in rankreich das volle Wahlrecht in Gemeinde, Bezirk und rlsmenk gewährt werden.
Die englische Dergarbeitergewerkschaft ist für eine friedliche Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeberverband, wenn die Regierung am 30. April die llnterstühungsbeträge für die Kohlen! ndusirie einstellen sollte.
Das bulgarische Abgeordnetenhaus (Sobcanse) hak eine Gefehesvorlage angenommen, durch die etwa 7000 politische «Verbrechen sät 1922 begnadigt werden.
Nach einer Meldung aus Washington will die amerikanische Regierung darauf dringen, daß die Abrüstungs- «orkoafeee«; am 6. Mai beginne.
Das Abgeordnetenhaus der Südafrikanischen Union hat ein Gesetz zum Schuh der weißen Arbeiter in den Bergwerken angenommen. Die Zahl der farbigen Arbeiter sott beschränkt werde«.
Politische Wochenschau.
In der Rächt zum I. Februar schlug wieder einmal eine Ecksicksalsstunde für das deutsche Volk, wo es sich eins wußte von der Mosel bis zur Memel, von der Etsch bis an den Belt — denn auch die unglücklichen Südtiroler und die treuen Memelländer haben im Herzen den Augenblick mit «ns gefeiert, wo die fremden Truppen das nördliche Rheinland verließen — freilich nur um die südlichen Gebiete mit «n so stärkeren Besatzungen zu belegen — und die mächtige »Deutsche Glocke am Rhein" vom Kölner Dom die wiedergewonnene Freiheit in den nächtlichen Himmel und in die deutschen Lande hinausrief. — Am 5. Dezember 1918 Bind, ron Westen her kommend, die englische Reiterei als Vorhut vor den Toren Kölns, während die letzten deutschen Truppen noch durch die rheimvärts gelegenen Straßen und Wer die Brücken abmarschierten. Mit Siegerwillen und Herrschsucht kamen die fremden Heere ins Land, das sie in offenem Kampf nicht hatten bezwingen können. Eben darum sollte es aber fetzt nach dem unglückseligen Waffenstillstand die Faust des „Siegers" zu fühlen bekommen- Und darin waren sie alle gleich; die Amerikaner, die Engländer, die Franzosen und Becksicr konnte man höchstens nach ihren Uniformen unterscheiden. Am ersten haben sich dieAmeri - kan er unter dem Quäker General Allen in ihrem Bs- setzungsgebiet Koblenz daraus besonnen, daß der Krieg eigentlich zu Ende sei. Es trat hier verhältnismäßig bald ein leidliches Verhältnis ein, das andauerte, bis die Amerikaner in ihre Heimat zurückkehrten und nicht wenige deutsche Frauen Mitnahmen.
Auch die Engländer in Köln und dessen näherer Umgebung haben sich, nachdem sich ihre Siegerrohheit ausgetobt hatte — die Stadt Köln hat ein langes Register von Leiden und Qualen darüber veröffentlicht — bemüht, gerecht zu sein, soweit es nicht ihren Interessen widersprach, and schonend zu verfahren, soweit es ohne Einschränkung des sehr anspruchsvollen eigenen Behagens möglich war. Aber auch im englischen Besetzungsgebiet lastete wie eine düstere bleierne Wolke der Gedanke, daß in unserer Heimat Fremde gebieten, daß Deutsche vor fremde Gerichte geladen werden. Das Verhältnis der Bevölkerung zu den Engländern ist kühl geblieben bis zum letzten Tag. Man hat es den Engländern nie vergessen können, daß ihr Erst- minister Baldwin im Januar 1923 Poincare zu seinem ^evlen Ruhreinbruch beglückwünschte, während die Amerikaner bei Beginn des Ruhrkampfes angeekelt aus der Reihe der Besetzungsmächte ausschieden. Auch die Engländer wollte Poincare hinausekeln und das ist ihm gelungen bis auf die Stadt Köln selbst: hier blieben die Engländer fest — sie hatten ihre guten Handelsgründe dafür. Das hatte aber die Folge, daß der Ruhrkampf bis zu dem Zeitpunkt in die Länge gezogen wurde, wo es weder Sieger noch Besiegte, sondern nur noch Unterlegene gab, die beide das Aussichtslose des Kampfes einsahen. Belgien hatte mit Hilfe des linken Niederrheins, mit Asten förmlicher Einverleibung man in Belgien bestimmt gerechnet hatte, Holland zu umklammern und mi seine Seite zu zwingen gedacht. Frankreich wollte beide Fliegen mit einer Klappe treffen und Een mit Hilfe dieses linken Mederrheins Belgien und AEand zugleich in die politisch-militärische Zange nehmen. Erkenntnis ging den Belgiern durch die von Frank geleitete Bewegung des SonLerbündlergesindels aus ""d sie wirkte so ernüchternd, daß im belgischen Besetzungs- gelnet, in dem der Sonderbündleraufstand zuerst ausgcbro- diesem Machwerk auch zuerst fallengelaffen wurde. Franzosen und Belgier haben ihre Landraubpläne mn Rrederrhcin nicht durchführen können, obgleich die wehr- «He Bevölkerung von beiden bis aufs Mut geschunden . 7 ^ was die Engländer kühl mitansahen. Sie sind nun «Me miteinander abgezogen. Aber zum Frieden ist der Weg noch weit und das Ziel noch fern. Nichts bewies das tref- 'Eler als der Verlauf des letzten Jahrs, in dem der Kampf um s,e Räumimki der Kölner Zone zu Ende aina. Länaer
Samstag den 6. Februar
Fernsprecher Nr. 2S
100. Fahrgang
Dr. Seipel über den Anschluß
Deutschland bestSttgt bis jetzt als einziger Staat de« Loearuovertrag.
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Berlin, 5. Febr. Einem Vertreter der „Germania" erklärte Dr. S e i p e l. er sei gegen die Absicht der Gründung einer internationalen Vereinigung der katholischen Parteien aller Länder. Die Politik und die politischen Parteien könne man sich nicht vom Staat getrennt denken. Bezüglich des Anschlusses Oesterreichs an Deutschland sollte man möglichst wenig Aufsehen machen, wenn etwas geschehe, das der innerlichen Annäherung förderlich sei. Er sei verwundert, daß man seiner Reise nach Berlin die Deutung einer Kundgebung für den Anschluß gegeben habe.
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Die abMkühlte Locarno-Begeisterung London. 5. Febr. Die „Daily News" schreiben, es sei eine entmutigende Tatsache, daß Deutschland bis jetzt der einzige Staat sei, der den Vertrag von Locarno ordnungsmäßig bestätigt habe. England warte, bis Frankreich ihn angenommen habe, und Frankreich will es nicht vor England tun. In Italien haben die Verträge zwar der Kammer Vorgelegen, aber der Senat zögere- Deutschland könnte mit Recht verlangen, daß die Staaten den Vertrag bestätigen, ehe es seinen Antrag um Aufnahme in den Bc-tkerounü tlsUe. Der geringe Eifer der Staaten
als ein Jahr über die vertragsmäßige Frist hinaus blieb das Gebiet besetzt. Und als man sich nach weiteren schweren Opfern Deutschlands endlich zur Räumung anschickte, wurde die Besatzung der zweiten und dritten Zone verstärkt; was man am Mederrhein verlor, wollte man in den südlichen Rheingebieten mit doppelter Kraft festhalten. Natürlich mußte wieder die „u n e rft'ü lkte Abrüstun g" herhalten. Aber sicherlich hat kein einziger Franzose, als uns der Versailler Schandvertrag aufgezwungen wurde, es für möglich gehalten, daß Deutschland bis 10. Januar 1925 abgerüstet habe, und daß mithin der Zwang der Abrüstung, gemäß dem Versailler Diktat, auch an die andern hcrantreten würde. Das Unerwartete ist aber dock) Ereignis geworden, und nun mußte nach immer neuen Vorwänden gesucht werden, um sich der nie ernst gemeinten Verpflichtung entziehen zu können. Wenn etwas uns vor törichter Vertrauensseligkeit den Verbündeten gegenüber bewahren kann, § ist es Sie ungeschwächte Erinnerung an dieses tückische Doppe<spiel mit dem Versailler Diktat.
Wozu überhaupt noch eine Besatzung? Treffend schreibt der englische „Manchester Guardian", unter nichtigen Borwanden sei die Räumung ein Jahr verzögert worden. Wie nichtig sie waren, gehe daraus hervor, Saß man auf einmal in Locarno die Beschleunigung vsriprvchen, obgleich nach der Behauptung der Verbündeten Deutschland „noch nicht abgerüstet" habe. England habe keinen Gruird, sich zu rühmen, daß es selbst den Vertrag erfüllt habe. Jede weitere Besetzung fei mit dem neuen Europa unvereinbar, sei geradezu gefährlich und habe vollends nach dem Vertrag von Locarno, wenn dieser über- haupt ehrlich gemeint sei, keinen Sinn mehr. Die völlige Zurückziehung der Truppen würde den Friedensgeist weit mehr fördern als der Vertrag von Locarno und DeutschlandsBeitrittzumVölkerbund. Ganz ähnlich «pricht sich die Londoner Wochenschrift „Obserocr"
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Aber Frankreich weist Räumung, Fristoerkürzung >nd vollends Abrüstung weit von sich. Mit Chamberlai n hat sich Briand Ende voriger Woche über diese Dinge in Paris unterhalten, und Sir Austin Chamberlain mußt« in der Hauptsache dem Friedensengel Briand recht geben; Deutschland habe gar keinen Anspruch, sich gegen die Besatzungsstärke von 75-—80 000 Mann auszulehnen, „da die drei Verbündeten es nun einmal unter sich so ausgemacht haben." Wenn man allenfalls ein paar tausend Mann abstreiche, so sei das ein überfriedensmäßiges Wohlwollen un- müsse von Deutschland dankbarlichst anerkannt werden. — In Locarno war von etwa 42—-45 000 Mann, d. h- der früheren deutschen Garnisonsstärke, die Rede gewesen. Im übrigen verschwur sich Chamberlain, er sei fest überzeugt, daß der „Geist von Locarno" fortdauern werde, wenn aus beiden Seiten Geduld, recht viel Geduld vorhanden sei. Darauf schiffte sich Chamberlaien schleunigst nach London «in.
Mit der Räumung ist es also nichts. Es ist aber auch nichts mit der Abrüstung. Am 15. Februar sollte in Genf eine Dorkonferenz des Völkerbunds für Vorbereitungen zu einer Abrüstungskonferenz stattfinden. Aber selbst dies« harmlose Veranstaltung war den Franzosen schon zu viel. Im Verein mit Italien und einigen kleineren Trabanten, di« man schandenhalber vor den Wagen spannen mußte, wurde die B e r s ch i e b u n g der Konferenz durch- gesetzt. Der Völkerbundsrat setzte .zwar eine äußerste Frist bis 15. Mai, aber die kcmdigen Thebaner werden sich dann schon Ral wissen. Hauptsache ist, daß die Abrüstungsgefahr einmal auf 3)4 Monate abgewendet ist, worüber man in Paris sehr glücklich ist. In London hat man natürlich die Verschiebung sehr „bedauert", obgleich Pariser Blätter behaupten, Frankreich habe mit der Verschiebung England den größten Gefallen getan; es komme so darum herum, der Dorkonfrenz und der Abrüstung selbst Steine in den Weg legen zu müssen. Allen Ernstes wird auch versichert, die englisch« Regierung habe dem bankrotten Polen mit der höchsten Unanade und mit Ablehnung des heißerlebnten
stehe in einem auffallenden Gegensatz zu de» echten oder gemachten Ausbruch der Begeisterung in Locarno und bei der Unterzeichnung in London.
Raubüberfali aus zwei Sowjeikuriere Riga. 5. Febr. Zwei diplomatische Kuriere der Sowjetregierung sind heute im Moskauer Schnellzug zwischen Ueksküll und Salaspils die Opfer eines Raudüber- falles worden. Der eine wurde getötet und der andere schwer verwundet. Die Räuber, zwei junge Leute, hatte» vorher im Nebenabtetl einem Reisenden Geld abgefordert- Sie fanden jedoch seitens der Kuriere Widerstand. In» Kampfe mit ihnen wurden beide Räuber erschossen. Die Untersuchung ist im Gang.
Zur Regelung der Roggenpreisc Berlin, 5. Febr. Führende Kreise der Landwirtschaft haben sich mit nahestehenden Industrien vereinigt, um eine peivutwirtjchaftliryc Orgamsation auszubauen. Diese soll vornehmlich der Regelung der Roggenpreise dienen und dadurch die Kaufkraft auch der aus leichten Boden angewiesenen Landwirte stärken und die Bolksernährung aus eigener Erzeugung zu tragbaren Preisen sicherstellen.
Völkerbundsratssitzes gedroht, wenn es, wie beabsichtigt, seine Kriegsrüstung auf die Hälfte verringere, und zwar Rußland wegen. Wenn aber Frankreich nicht mehr imstande ist, die polnische Rüstung gegen Deutschland zu bezahle», dann wird eben England schließlich die polnische Rüstung gegen Rußland bezahlen. Wie viel den Engländern die Einkreisung der Moskowiter wert ist, hat man ja doch erst aus den englisch-italienischen Kriegsschuldenoerhandlungen ersehen, in denen England den Beistand Italiens gegen Rußland und die Türkei, gegebenenfalls auch gegen Persien und Afghanistan, durch den großmütiger» Nachlaß von 100 und etlichen Millionen Eoldmark erkaufte. Mit 100 Millionen wäre Polen auch für einige Zeit geholfen. Nur ob es trotzdem für England seinen Buckel für russische Hiebe zur Verfügung stellte, will einigermaße« zweifelhaft erscheinen. Als ob noch niemals von einer Abrüstung die Rede gewesen wäre, betreibt das Italic» Mussolinis Rüstungen, die teilweise sogar diejenigen der Vereinigten Staaten übertreffen; Mussolini prophezeit für das Jahr 1926 Eroberungszüge, wie sic Napoleon einst gemacht, er nennt das Jahr geradezu ein Napoleonsjahr — wahrscheinlich meint er Napoleon es hat aber auch einen Napoleon lll. gegeben. Trotz seines „Bedauerns" findet England kein Wort dagegen, zieht vielmehr Italien als Bundesgenossen an sich. Und der Völkerbund betreibt mit dem einen Gesicht seine Abrüstungskonferenz, mit dem anderen sieht er wohlgefällig den italienischen Vorbereitungen zum „Napoleonsjahr" und der Unterdrückung der deutschen Südtiroler zu. Ei freilich, denn das maßgebende Frankreich arbeitet doch seit 1918 unablässig an einein Napoleonsjahr.
Wenn nun aber die Abrüstungsfrage für kürzere oder längere Zeit in den Hintergrund tritt, so wird das um so weniger ausfallen, als bereits für ausreichenden Ersatz in der potitftchen Erörterung gesorgt ist. Die Anmeldung Deutschlands zum Völkerbund ist ein Stoff, der sich außerordentlich gut dafür eignet, das allgmeine Atter- ej>e von gewissen anderen Dingen abzulenten, wenn nur erst einmal Deutschland seine förnuiche Anmeldung beim Bölker- bundssekretariat in Gens vollzogen hat. Dem steht aber nichts mehr im Wege und die Reichsregierung ist dazu willens, nachdem am 3. Februar der Reichslagsausjchuß für Auswärtiges mit 18 gegen 8 Stimmen der Regierung die Ermächtigung zur bedingungslosen Anmeldung gegeben hat. Diese Ermächtigung ist neben dem Gesetz vom Rovember o. I. immerhin eine gewisse Rückendeckung für die Regierung in dieser io oerantwormngsjchweren Frage, denn die Regierung befindet sich bekanmtich in der eigentümlichen Lage, daß im Reichstag fast genau ein Drittel für sie, ein Drittel gegen sie und ein weiteres Drittel neutral ist. Am 6. Februar werden der Form wegen, weil es so Brauch geworden ist, die Ministerpräsidenten der Einzel- ftaaten in einer Zusammenkunft in Berlin, soweit möglich, in den Gang der Dinge eingeweiht werden, Bayern wird seine Meinung über den Unwert des Völkerbunds wiederholen und dann wird das Reichskabinett unter dem Vorsitz des Reichspräsidenten von Hindenburg, der damit an der Verantwortung teilnimmt, den Ausnahme-Antrag absassen. Die Abfindung ist wohl anfangs nächster Woche zu erwarten. Der Völkerbundsrat wird scchann über Empfehlung oder Ablehnung des Aufnahmeanlrags befinden und die Vötkerbundsverjammlung wird zu einer noch nicht genau bestimmten Zeit die Abstimmung darüber vornehmen. Vorerst wurde Deutschland für den Fall seiner Aufnahme mit der Aussicht auf drei Stellen im Völker- bundssekretariat von untergeordneter Bedeutung, aber guter Bezahlung adgespeist. Schon im November o. I- war bekanntlich von Berlin aus ein Wettrennen um dies« Stellen — man hatte allerdings deren mehr erwartet, denn die Engländer besitzen 12, die Franzosen 9 und die Italiener 8 wichtige Stellen — in Gang gebracht worden.
Bei uns ist ein schwererer Streit innerhalb der Reichsbahn entbrannt. Die Reichsbahngesellfchast will den Schiedsspruch (Erhöhung des Stundenlohns der Eisen-