Nr. 166

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

98. Jahrgang.

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Donnerstag, den 17. ^zun 19^4. I ^ Goldpt*nnig ohne Bestellgeld. Schluß d« Ln^lgenannahme > Uhr vornrtttag».

Eröffnung der Londoner Konferenz.

Die Hauptvertreter der Londoner Konferenz.

England: Maedonald und Snowden,

Ber. Staaten: Kcllog und Oberst Lozan.

Frankreich: Herriot, Elemente! und Een. Rollet, Italien: de Stefani, de Nava und della Torrett«. Japan: Hayashj und JshU- Belgien: Theunis und Hymans,

Portugal: Norton de Mattos,

> Südslawien: Cavrilovitsch,

Rumänien: Tortulesen, i Griechenland: Caclamanos.

Die erste Sitzung.

London, 16. Juli. (WTB.) Die interalliierte Kon­iferen; ist heute vormittag im Auswärtigen Amt zusammen­getreten. Macdonald hielt eine Ansprache, worin er die Delegierten willkommen hieß.

Die Platzanordnung der Konferenz ist folgender- mahen geregelt: Die Hauptdelegierten sitzen an einem langen, hufeisenförmigen Tisch, der Präsident in der Mitte, rechts von ihm die französischen, italienischen, belgischen und portugisischen, links die britischen, ameri­kanischen, japanischen, griechischen, südslawischen und rumänischen Delegierten. Hinter den Delegierten sitzen an kleinen Tischen die Sekretäre der Sachverständigen.

London, 16. Juli. Bei der Eröffnungssitzung der inter­alliierten Reparationskonferenz gab Macdonald in seiner Begrüßungsansprache den Delegierten eine Uebersicht über die infolge des Dawesberichts entstanden« Lage. Die Konferenz habe die Aufgabe, Bedingungen zu schaffen, unter denen der Dawesplan durchgesührt werden solle. Zwei der festgesetzter, Bedingungen seien absolut wesentlich, die wirtschaftliche und fiskalische Einheit Deutschlands und eine angemessene Sicher­heit für die Kapitalsanleger, die Deutschland Geld leihen wol­len. Eines der großen Verdienste des Dawesausschusses sei es gewesen, daß er an das Reparationsproblem im kaufmännischen Geiste herangetreten sei und die Politik ausgeschaltet habe. Er Haffe, daß die Konferenz das Problem in demselben Geiste in Angriff nehmen werde. Der Dawes-Bericht werde die Lösung des Reparationsproblems und den Wiederaufbau Europas noch nicht endgültig regeln. Es sei vielmehr notwendig, ihn zuerst in Anwendung zu bringen und den Weg freizumachen, um dann andere Probleme in Angriff zu nehmen. Er wiederhole, daß die Konferenz sich ausschließlich mit dem Sachverständigen-Bericht, nicht mit der Sicherheitsfrage oder der Frage der interalliier­ten Schulden zu befassen habe. Der Bericht weise neue Wege. Er habe etwas sehr Nützliches geleistet, da er die Mittel aus­findig macht, um zugleich Deutschland wieder aufzubauen und deutsche Zahlungen an die Alliierten zu ermöglichen. Mac­donald begrüßte besonders die amerikanischen Delegierten und hob hervor, daß sie nicht voll an der Konferenz teilnehmen ^ren, daß er jedoch in ihrer Anwesenheit Zeichen ihres Wohlwollens und ihres Wunsches nach Zusammenarbeit sehe. Nach Macdonald sprach

Herrtot,

der dem englischen Ministerpräsidenten für seine edlen Worte dankte und weiter erklärte, die Konferenz habe eine schwierige Aufgabe vor sich. Es sei nötig, die Interessen der verschiede­nen beteiligten Völker zu vereinigen und Schritte zu unterneh­men. die für die Wiederherstellung des Friedens notwendig feien; denn alle hegten die gleiche Liebe für Vaterland und Frieden. Herriot kam hierauf in seiner sehr kurzen Rede auf die eigentliche Aufgabe der Konferenz zu sprechen und schlug ,vor, Macdonald den Vorsitz der Konferenz zu übertragen.

Der amerikanische Botschafter Kellogg, der Macdonald für die an ihn gerichtete Begrüßung dankte, sagte, die ameri­kanischen Delegierten seien nicht in derselben Eigenschaft und mit denselben Befugnissen wie die anderen Konserenzstaaten anwesend. Amerika sei nicht Teilhaber am Versailler Ver­trage, die amerikanischen Delegierten seien jedoch in demsel­ben Geiste der Hilfsbereitschaft gekommen. Kellogg sprach dem Dawes-Ausschuß die wärmste Anerkennung aus.

Die amerikanische Regierung und das amerikanische Volk

glaubten, daß dj« Annahme des Dawesberichtes de» erste große Schritt zur Stabilisierung Europas sei« werde.

de Stefanii, der hieraus das Wort ergriff, unterstützte ebenfalls den Vorschlag Herriots, Macdonald den Vorsitz der Konferenz zu übertragen, und betonte, daß Italien am Werke des Wiederaufbaues Europas Mitarbeiten werde. In gleichem Sinne sprach der japanische Botschafter. Der belgische Pre­mierminister Theunis unterstützte den Antrag Herriots und brachte die vertrauensvolle Hoffnung der belgischen Regierung und des belgischen Volkes zum Ausdruck, daß die Konferenz das Werk der Gerechtigkeit und des Friedens aussühren werde. Macvonald nahm hieraus den Vorsitz an und wiederholte seine Hoffnung auf eine erfolgreiche Arbeit der Konferenz.

In tnr Eröffnungsrede betonte Macdonald noch die

Wichtigkeit der Durchführung des Dawesplanes als Ganzes ohne Aenderung.

Der heutige Nachmittag wird der Erörterung organisatorischer Fragen gewidmet sein. Zum Generalsekretär der Konferenz wurde Sir Maurice Hankey gewählt. Dann folgten noch Erör­terungen über die Frage, wieviel Sachverständige jeder einzelne Teilnehmerstaat haben solle. Sodann wurden drei Ausschüsse gebildet. Heute abend )H7 Uhr wird ein amtliches Communi- quö über die heutigen Verhandlungen ausgegeben.

Die Eröffnungsrede Macdonalds.

London, 17. Juli. (WTB.) In der Eröffnungsrede Mac- donalds auf der gestrigen interalliierten Reparationskonferenz heißt es, dem gestern Abend 8 Uhr ausgegebenen Communiquö zufolge:

Meine ersten Worte und Gedanken sind die des Willkom­mens im Namen sowohl meines Landes als auch der Regierung an die Vertreter der Nationen, die, während der Krieg wütete, an unserer Seite kämpften und die jetzt die Verantwortung teilen, Europa Frieden und Sicherheit zu bringen. Die Nach­kriegsprobleme sind zahlreich und verwickelt. Es lag in der Natur der Dinge, daß wir bezüglich ihrer nicht immer gleicher Ansicht sein konnten. Aber jedes Mal, wenn wir verschiedener Meinung waren, haben wir einen neuen Beweis von der ge­bieterischen Notwendigkeit der Einigkeit erhalten, wenn unser Sieg wirklich Europa sowohl für die großen Mächte, als auch für die kleinen Nationalitäten sicher machen soll. Nichts hat uns mehr gehindert als die wirtschaftlichen Probleme, die aus dem Krieg entstanden sind. Unter diesen sind die Reparationen eines der schwierigsten gewesen. Zu Beginn des letzten Jahres entstanden ernste Meinungsverschiedenheiten unter uns über diese Frage, die, wenn nicht Mrker guter Wille in unseren Herzen gewesen wäre, zu üblen Folgen hätten führen können. Schließlich beschloß die Repko mit Zustimmung der Regierun­gen, einen Ausschuß von Sachverständigen zu ernennen, um das ganze Problem zu erforschen und uns bei der Lösung zu leiten. Der April lieferte uns denAusschußbericht, der nicht nur durch seine Fähigkeit, sondern auch durch seine Einstimmigkeit allen von uns die gebieterische Verpflichtung auferlegte, ihn unver­züglich zur Durchführung zu bringen. Wir haben bisher eine Politik verfolgt, die nicht nur verfehlt hat die erwarteten Re­parationen einzubringen, sondern die als Folge zur Unbe­ständigkeit der Gemüter bei den in Betracht kommenden Völ­kern geführt hat zum Anwachsen des agressiven Militarismus und zur Verstärkung der Furcht, die jedes Sicherheitsgefühl ausfchaltete. Die Nationen haben nicht die Hoffnung vom An­brechen des friedlichen Tages erblickt, sondern haben in di« graue Aussicht drohender Gefahr geschaut. Es ist unsere Pflicht, dies zu beenden und zu versuchen, eine neue Gelegenheit zu ergreifen, um glücklichere Aussichten zu schaffen. Ich unter­schätze keineswegs die Schwierigkeiten unserer Aufgabe. An­dererseits hoffe ich jedoch, daß Sie nicht die Aufrichtigkeit un­seres Wunsches, sie zu überwinden, unterschätzen. In einigen seiner Vorschläge ist der Bericht vielleicht anfechtbar, aber wir find von den Sachverständigen gewarnt worden, daß er als ganzes angenommen werden mutz. Und wer ihn immer sorgfäl­tig untersucht hat, wird zu demselben Schluß kommen. Wir dürfen nicht versuchen, seine Einzelheiten abzuändern, den» sonst fallen wir wieder in Meinungsverschiedenheiten in denen wir uns früher so oft befunden haben. Versuche, Vereinbarun­gen über kleine Dinge von geringfügiger Bedeutung -u finde».

werden stets fehlschlageu. Der Bericht fordert nicht nur Ver­pflichtungen von Deutschland, sondern auch von uns. Wir müssen ihm Chance geben. Wir müssen unsere Maßnahmen so anwenden, daß wir Bedingungen schassen, unter denen de: Plan, wie uns gesagt worden ist, arbeiten wird. Von diesen Bedingungen sind zwei unbedingt wesentlich:

1. daß die wirtschaftliche und fiskalische Einheit Deutsch­lands wiederhergestellt wird,

2. daß eine angemessene Sicherheit den Gläubigern gegeben werden kann, die ersucht werden sollen, die sehr große An­leihe vorzustrecken, welche die Grundlage vcs Planes ist. Der Mechanismus, durch den dies getan werden soll» bietet einige Sicherheit.

Ich bin überzeugt, daß Schwierigkeiten überwunden werden können und daß wir als Schlußwort unter unsere heutigen Beratungen das Wort schreiben können, das unseren Beschlüssen so lange fehlte, nämlich das WortErfolg". Die Methode, durch die di« Sachverständigen ihre Arbeit geleistet haben, kann von uns selbst geprüft werden. Der Dcrwesausschuß hat einen scharfen Unterschied zwischen wirtschaftlichen und politischen Er­wägungen gemacht und sich auf die ersteren konzentriert. Der erste Satz, der Schlüssel des Berichts selbst, gibt den Schlüssel zur Lage. Die Sachverständigen sagen:Wir siiü) an unsere Aufgabe als Kaufleute herangetreten, bestrebt, wirkliche Er­gebnisse zu erzielen." Mein« Herren! Können wir etwas bes­seres tun, als die Anwendung dieses Berichtes in demselben Geiste, in dem er abgefaßt worden ist, zu fördern? Wir müs­sen damit rechnen, daß wir alle anderen Fragen als die reine, einfache Anwendung des Berichts beiseite stellen. Wir dürfen die Fragen nicht verwickelt gestalten dadurch, daß wir sie mit fremden Fragen verbinden. Die verhängnisvolle Gewohnheit, eine Frage mit einer anderen zu verbinden, ist zum großen Teil verantwortlich gewesen für den Mißerfolg, irgend etwas in der Vergangenheit zu lösen. Wir müssen Schritt für Schritt gehen, indem wir jede Frage soweit wie möglich isolieren und sie lösen, bevor wir zur nächsten Frage übergehen. Der Dawes- bericht ist nicht an sich eine endgültige Lösung aller unserer Fragenproblein«, aber lassen Sie uns erst den Boden frei­machen, in dem wir den Dawesbericht zur Durchführung brin­gen. Demnach bin ich bereit,, mit Ihnen für die anderen Fra­gen eine Lösung zu suchen.

Die Gerechtigkeit des Dawesplanes, seine Unparteilichkeit

»nd sein Gleichgewicht haben allgemeine Anerkennug gefunden.

Er ist ein praktisches wissenschaftliches Werk, das aufrichtig im Licht der Tatsachen aufgeführt wurde. Was sein Ziel betrifft, so kann ich nichts Besseres tun als den ausgezeichneten Auszug anführen, der aus Bequemlichkeitsgründen vorangesetzt wurde. Dieser Auszug erklärt folgendes:

Das Ziel »es Planes ist:

1. die Maschinerie zu errichten, nm die größte« Jahreszah­lungen seitens Deutschlands zu erlange«.

2. größtmögliche Transfers an die Gläubiger Deutschlands zu ermöglichen,

3. die Frage, ob Deutschland zahlen kann, aus dem Gebiet praktischer Anregungen herauszuuehmen,

4. endgültige und umfass«^ Vereinbarungen über alle Re« parationsprobleme und die damit zusammenhängenden Fra- c»^> zu erleichtern, sobald ^«e Umstände dies möglich machen.

Die Sachverständigen machten sich daran, Mittel zu ersin­nen für den Wiederaufbau Deutschlands, Seite an Seite mit dci Bezahlung von wesentlichen Reparationen an die Alliierten Und soweit sie dies erreicht haben, haben sie doppelt für den Wiederaufbau Deutschlands beigesteuert. Daraus geht klar her vor und dies ist der Punkt, auf den die Sachverständige' selbst Wett legten, daß es im eigenen Interesse Deutschland!, ist, diesen Plan dnrchzuführen.

Der Dawesplan sei nicht nur ein Plan, um Zahlungen von Deutschland zu erhalten, er versucht auch die Stabilisierung der deutschen Währung und die Balanzierung des deutschen Bud­gets sicherzustellen. Er bietet tatsächlich die einzige Ho^unc für Deutschland, aus dem finanziellen Sumpf herauszukommcn. Nach einem Hinweis auf die wichtigen Transfers-Bestimmun­gen, die vielleicht den wertvollsten Punkt des Berichtes darstell­ten, erklärte Macvonald die Konferenz für eröffnet und gab dem französischen Ministerpräsidenten das W«O.