führten den Zusammenbruch rasch herbei. Auch der Gedanke von Venizelos, seine Heimatinsel Kreta wieder aus dem Staatsgefüge der griechischen Politik herauszunehmen, war gescheitert. Auf Kreta selbst existierte kein nennenswerter Widerstand gegen die Regierung, als Venizelos und seine Mitverschwörer auf dem Kreuzer „Aweroff" aus dem Hafen von Kanoia flüchtete. Der Verlauf des Putsches und seine Niederschlagung ähnelt den jüdamerikanischen Revolutionen, deren Eigentümlichkeit darin besteht, dag sie meist einen Kampf der Generale darstellen, an denen das Volk nicht beteiligt ist. So kommt es, daß Venizelos heute genau
so leidenschaftlich verdammt wird, wie man ihn vor Fahren in den Himmel erhoben hat. Wie wankelmütig die Volksgunst ist, hat sich bei den wechselvollen Geschicken König Konstantins genügend gezeigt. Nunmehr erfährt er selbst, was es heißt, Besiegter zu fein. Ob die innerpolitische Entwicklung in Griechenland, bei der auch noch monarchische Strömungen unterlaufen, zur Beruhigung zurückkehrt, bleibt abzuwarten. Die Ausschreibung von Wahlen zu einer Nationalversammlung und die geplante Abschaffung des Senats lassen vielleicht noch allerlei Stürme erwarten.
Dörfliche Kriegerehrung '
Die Dankeskerzen von Miillenbach
NSK. Den tiefsten Dank für unsere Gefallenen tragen wir im Herzen. Und wir können ihn nicht schöner beweisen als dadurch, daß wir im Sinne unserer toten Brüder leben und in ihrem Geiste fortschaffen.
Als mahnendes Zeichen für diesen inneren, größten und wertvollsten Dank errichteten wir Denkmäler und Ehrenzeichen, die in der Unrast des Tages geweihte Stätten sein sollen und Zeugnis geben wollen von dem Gefühl der Dankbarkeit, das die Heimat der Toten beseelt.
Aus vieler Liebe sind diese Male geschaffen worden; aber nicht immer mehr spiegeln sie diese Liebe, und oft schon wird der Zweck des inahnenden Zeichens vergessen. Pfleglos steht dann das Denkmal an staubiger Straße, die Jn- schrlften reden nicht mehr, der Stein verfällt, der Rost frrßt rm Erz.
Wenn wir den Grund dafür suchen, dann finden wir Nicht etwa Undankbarkeit, nicht etwa vergessene Liebe zu den Söhnen der Heimat. Es ist etwas anderes: Das Denkmal ist nicht heimatverwachsen, es steht als etwas Fremdes im Dorf oder Städtchen, es ist in seiner Art nicht verbunden mit denen, die den gefallenen Helden nachtrauern. Es ist nur das Abbild eines Males von irgendwo und zeigt nichts Typisches, nichts was hineinpaßt in seine Umgebung und innerlich zugehört den Menschen, die herum wohnen. Man erfühlt es nicht als das Heiligtum, das es sein soll, man hat nichts Verbundenes mit dem kalten Stein und seiner Inschrift, weil dgs Mal nicht aus dem Heimatboden wuchs, sondern hergetragen wurde aus irgend einem Werk, das nach einer Form alles schuf und nicht die Mühe aufwandte, es so zu schaffen, wie es für diesen Ort nur paßt.
Kriegerehrenmale sollen keine Prunkdenkmäler sein. Sie sollen und können den Dank nicht ersetzen, sondern sie sollen mahnen, dankbar zu sein.
Darum verbindet sich mit dem Begriff des Kriegerehrenmales überhaupt nicht der Begriff des Denkmals im landläufigen Sinne. Es kommt allein nur darauf an, daß diese Male volksverbunden sind, daß sie Dank aufrlltteln; wo sie stehen, aus welchem Stoff sie sind und welche Form sie haben, ist dann gleichgültig. Es kann ein Denkmal, das hunderttausend Mark kostete, weniger zum Herzen sagen, als manch schlichtes Marterl am Wege.
Im Oberbergischen, im Kölner Bezirk, liegt ein kleines Dörfchen, M ü l l e n b a ch, kaum vierhundert Seelen zählt es, und gab im Weltkrieg ein Blutopfer von 86 Männern.
Uralt ist das Kirchlein der Gemeinde, fast neun Jahrhunderte sah es vorüberziehen. Als die Glocken in den Krieg gingen, um Kanonen zu werden, da holte man auch das Geläut dieses Kirchleins herunter und hing einen Eisenbahnpuffer oben auf, der mit blechernem Klang dis Gemeinde zusammenrief, wenn sie beten sollte für ihre Söhne da draußen. In Ehren ist er aufbewahrt.
Wie nun der Krieg aus war und 86 Männer des Dorfes nicht mehr wiederkamen von den Schlachtfeldern, da wollte man auch hier eine Kriegerehrung errichten, denn die Gemeinde trug schwer an dem Leid, und es war wohl kein Haus, das nicht einen Toten betrauerte.
Es war damals in Miillenbach ein alter Pfarrer, ein rechter Seelenhirte, der vierzig Jahre lang Gottes Wort von der Kanzel des Dorfes gepredigt hatte und alle aufwachssn sah, die nun nicht wiedergekommen waren, weil sie ihre Treue zu Heimat und Vaterland mit dem Tode besiegelten. Dieser Pfarrer kannte die Seelenstimmung seiner kleinen Gemeinde bis zum letzten. Er fühlte, daß ein steinernes Mal nicht hineinpaßte in sein Dörfchen und auch nicht sprechen könne zu allen so, daß es bis ins Herz kam. Darum schlug er etwas anderes vor, etwas ganz besonders Feinsinniges für die Ehrung der Kriegstoten seiner Gemeinde — und wen heute einmal der Wanderweg ins ober- bergische Miillenbach führt und er geht des Sonntags hinein in die uralte Kirche, wenn sie dort zu Gott beten, der wird ergriffen von der Ehrung, die der Pfarrer mit seiner Gemeinde den toten Helden erdachte.
Ein mächtiger Kronleuchter hängt vom Deckengewölbe herab. Drei schwere Ringe trägt er, die in langer Reihe geschmückt sind mit dem Kreuz des Glaubens und dem Kreuz der Tapferkeit. Auf jedem der Ringe stehen Kerzen, 86 an der Zahl, sechsundachtzig, so viele, wie Männer von dort im Kriege blieben. Und zu jedem Gottesdienst brennen ein oder zwei oder noch mehr dieser Kerzen, jede für einen, dessen Todestag sich in dieser Woche führte. Auf einer Gedenktafel stehen sie alle verzeichnet, ihre Namen, ihre Geburtstage und der Tag, an dem sie dem Vaterlande ihr Leben opferten; und von jedem dieser Schildchen führt die Lichtleitung zu einer der Kerzen, so daß jeder weiß, wem sie brennt.
Wenn dann die Predigt vorbei ist, dann läuten die neuen Glocken, die nichts vom Kriege mehr wissen, die Orgel spielt leise das Lied vom guten Kameraden, und betend spricht der Geistliche die schlichten Worte:
„Wir gedenken der im Weltkriege gefallenen Gemeindsmitglieder. deren Kerzen heute brennen.
Gott bewahre ihre Seelen zum ewigen Leben! Er setze
sie zum bleibenden Vorbild für uns und tröste alle, dir
um sie trauern."
Gibt es wohl ein innigeres Gedenken als dieses? Fernab vom lauten Tag wird hier aller Kriegstoten gedacht und immer wieder des einzelnen, in dessen Erinnerung die Angehörigen in dieser Woche besonders beten. Hier wird eine Saat gesät, die nicht unfruchtbar bleiben kann, eine Saat im Geiste der Toten.
An einem Tage aber brennen alle Lichter des Dankes, am Heldengedenktage. Dann strahlen sie aus im Dank der Gemeinde und in der heiligen Mahnung, den einen nicht zu vergessen vor dem andern, denn alle trugen dasselbe Ehrenkleid des feldgrauen Soldaten.
Die Dankeskerzen von MUllenbach, so schlicht und einfach sie sind, sie greifen mehr ans Herz als mancher große Denkmalsbau. Denn sie sind nicht erkünstelt, nicht fremd dort, wo sie leuchten, jeder weiß von jeder einzelnen, was sie erzählt, und es wird sich die Geschichte jedes einzelnen dieser Helden übererben von Generation zu Generation, wenn Namen, in Stein gehauen, längst verloschen sein würden. Lebendig bleiben die Toten der Gemeinde, denn Sonntag für Sonntag gilt ihrem Gedenken.
So ist die Kriegerehrung dieses kleinen oberbergischen Dörfleins, die inzwischen auch in manch anderem Dorfe eingeführt wurde, ein Beispiel der Eemütstiefe und des wahren innigen Dankempfindens unseres Volkes.
Zum Heldengedenktag am 17. Marz
Das Vermächtnis -er Gefallenen
Von Dr. HansHillebrand.
Wieder stehen wir Deutschen geeint in ehrfurchtsvollem Gedenken vor den Gräbern unserer gefallenen Helden. Zwei Millionen deutsche Männer gaben ihr Herzblut auf den Schlachtfeldern des Weltkrieges, damit die Heimat leben konnte. Sie starben nicht umsonst. Ihr Opfertod grub unauslöschlich in die Herzen und Hirne der Ueberleben- den ein heiliges Vermächtnis: den sieghaften Glauben an das ewige Deutschland.
Dieser Glaube aber war es, der vielfach gerade der Heimat unter den Entbehrungen harter Kriegs- und Nachkriegsjahre bitterer mangelte als Brot und Rohstoff. Erinnern wir uns.
Vier Jahre lang stand draußen im unerhörten Schlachtgetümmel aller Fronten die feldgraue Mauer aus Blut und Eisen und trotzte allen Anstürmen einer Welt von Feinden, während im Innern der Heimat Hunger, Not und Zwietracht immer drohender ihre Häupter erhoben, um endlich den Kampfeswillen des ganzen Volkes von Grund auf zu zerstören. Der Zusammenbruch traf dann ein Volk, das trotz glänzender Siege seiner Soldaten mut- und führerlos geworden war. Und es erhob sich die Lange, verzweifelte Frage, ob nicht alle die vor dem Feind gefallenen Soldaten unseres Volkes doch umsonst gefallen seien.
Und fast schien es damals so, als wären auch die unversehrt gebliebenen Kameraden der toten Helden an ihrer Sendung irre geworden. Sie fühlten sich von der Heimat großenteils mißverstanden — und schwiegen. Sie sprachen ungern von dem furchtbaren Geschehen, das sie mit den Toten verband. Wer nie selbst waidwund und fiebrig in Gräben, Scheunen oder auf strohbedeckten Kirchenfliesen die Augen guter Kameraden brechen sah, wer sie nie allein in -dunkler, sternenloser Nacht auf Sappenposten stand, wenn jäh die Schlacht aufbrüllte, Leuchtkugeln fahl und geisterhaft gen Himmel zischten und weit und breit die Erde barst und bebte vom unaufhörlichen Einschlag unzähliger Geschosse, konnte und kann noch heute nicht des Krieges Antlitz enträtseln.
Doch tief in der deutschen Volksseele glomm noch ein Funken Verantwortlichkeit gegenüber den Gefallenen. Er wuchs und wuchs unaufhörlich, bis endlich die Helle Lohe einer wirklichen Heldenverehrung aus dem dürren Reisighaufen deutscher Notjahre schlug. Des Volkes Wille ward zum obersten Gesetz und schuf sich einen schlichten, würdigen Feiertag. Und aus dem Volkstrauertag wurde endlich der Heldengedenktag des Deutschen Reiches.
An uns allen ist es, der Weihe dieses Gedenktages den Inhalt einer echten Volksgemeinschaftsfeier zu verleihen. Auf der Opferbereitschaft des einzelnen beruht die Stärke eines ganzen Volkes. Symbolisch bekundet uns in diesem Sinne der Heldengedenktag die innere Einheit der ganzen Nation im Geiste ihrer Gefallenen.
Sie kommen zu uns. Endlos die Reihen ihrer Marschkolonnen.
Von den Kämmen der Karpathen schreiten sie hernieder zu Tal. Aus den zerfallenen Kasematten und Minengängen von Vaux und Douaumont, aus den lehmigen Trichterfeldern und Unterständen Flanderns steigen sie bataillonsweise herauf, den „Tod von Ppern" im ungebeugten Nacken. Am Suez bleichen ihre Kreuze und hinter den Dardanellen.
Und wieviele schlummern nicht friedlich bei den Falklandsinseln, der Doggerbank und beim Skagerrak auf dem kühlen Meeresgründe? Nicht zu vergessen jene Adlergleichen, denen hoch im Aether der Schnitter Tod die Steuerung entriß, und die bis zum letzten Atemzuge für ihr Vaterland kämpfend zur Erde stürzten, von der sie sich kühn und im Siegesrausch gelöst hatten.
So marschieren sie alle an unserem geistigen Auge vorüber, die guten Kameraden, und zeugen durch ihre stille Anwesenheit von ihrer heißen Liebe zu Volk und Heimat, die stärker war als Tod und Schrecken aller Schlachten des Weltkrieges. Wie diese Liebe einst auf den Lippen junger Kriegsfreiwilliger von Langemarck zum erschütternden Bekenntnis wurde, so verpflichtet sie auch uns zur gleichen Stärke und Gläubigkeit. So wird uns der Heldengedenktag zur ernsten Mahnung, im Geiste unserer gefallenen Soldaten das Vermächtnis unserer Väter zu wahren: den unerschütterlichen Glauben an das ewige Deutschland.
Heldengedenklag!
Von Werner Freytag Nur ein Holzkreuz
An einem sonnigen Frühlingstage war's. Da senkten einige deutsche Soldaten ihre Gefallenen in flandrische Erde. Wenige Kilometer hinter der dumpfrollenden Front. Behutsam trat der Führer, ein junger Offizier, an den Rand des Grabes, nahm langsam einen verbeulten Stahlhelm vom Kopfe und wandte sich mit einer hilflosen Gebäroe seinen Leuten zu. „Kameraden — ", murmelte er. Wollte viel, unendlich viel sagen. Aber der Anblick der aschgrauen Gesichter rings um ihn herum kniff ihm die Lippen zusammen. Er bückle sich, griff in die lockere Erde und warf dann eine Handvoll schwarzbrauner feuchter Schollenkrumen auf die Toten. Und in dieser schlichten Gebärde lag mehr Liebe und Kameradschaft, als Worte es im Augenblick hätten kundtun können. Mann für Mann traten da- I
nach die Soldaten an das Grab. Erdklumpen polterten. Schaufel und Spaten versahen den letzten Liebesdienst. Ein mäßiger Hügel deckte bald die Ruhestätte, und ein hölzernes Kreuz nannte Regimentszahl und Todestag der stillen Männer, die hier beerdigt worden waren.
Jahre des Friedens kamen ins blutgetränkte Land. Schnee und Regen verwischten die letzten Spuren von der Inschrift eines schmucklosen deutschen Erabkreuzes. Das Kreuz selbst aber trotzte allen Unbilden des Wetters. Auf heiligem Boden stand es segnend und schirmend über den Gebeinen namenloser Soldaten, die hier eines höheren Friedens teilhaftig geworden waren, als menschliche Einsicht je zu gewähren vermag. Nur ein Holzkreuz! Aber wie viel starkes, pflichtgetreues Kämpfen und Leiden für die deutsche Heimat sprach daraus...
Die schwarze Tafel
Schräg fallen die Strahlen der Morgensonne durch eines der hohen gotischen Fenster des alten llniversitätsgebäu- des auf eine schwarze Tafel, die an einer Wandseite im Vorraum der Alma Mater hängt. „Den Tod fürs Vaterland starben unsere Kommilitonen..." Eine schier endlose Reihe von Namen einst blühender junger Menschen, die mit dem Schutzwall ihrer Leiber die Heimat vor dem Einfall feindlicher Heere bewahrten. Langemarck! Da sank unsere steggläubige Jugend mit dem Deutschlandlied auf den Lippen, sank, regimenterweise vom Schnitter Tod gefällt. Eine unvergeßliche Jugend, die noch nichts von der erbärmlichen Zersetzungsarbeit der letzten Kriegsjahre wußte, sondern im Rauch des winkenden Sieges opferfreudig in den Tod hineinstürmte. Daß sie so jung ins Jenseits hinüberwechseln mußten, diese Jungen! Wie sagte doch einer der ihren, den längst der grüne Rasen deckt? „Schwerttod nimmt immer die Vesten." Furchtbar mäbte unter ihnen die knöcherne Faust des Sensenmannes. Aufblitzen die Hellen Lettern von den Namen der Gefallenen wie flüssiges Gold, wenn die ersten Sonnenstrahlen verstohlen darüber gleiten, als wollten sie streicheln, lindern. Andächtig sei unsere Trauer um diese herrliche, frühvollendete Jugend! „Dulce et decorum est pro patria mori." Sie glaubte felsenfest daran. Die schwarze Tafel gibt stumm Zeugnis davon.
Sein Bild
Es steht vergrößert und eingerahmt auf dem Schreibtisch. Im Wohnzimmer eines in Ehren ergrauten Kleinrentner-Ehepaares. Ein Jmmortellenkranz friedigt es ein, der, von zitternden Händen manchmal berührt, ein wenig raschelt und knistert, als wolle er erzählen... Die Geschichte ihres Einzigen! Wie oft haben zwei alternde Menschen mit ihrem Schicksal gehadert, das ihnen alles nahm, woran sie zwanzig glückliche Jahre gehangen, ihren Sohn, um den sie gebangt und gelitten, bis sie die Kunde erreichte: „Gefallen auf dem Felde der Ehre." Allmorgendlich beim Staubwischen führt eine Mutter dies Bild ihres Einzigen dicht an die altersschwachen Augen. Aus ihrem Jungen lächelt sein sorgloses, glückhafies Dasein. Frisch und fröhlich. Und manchmal überrascht sie den Alten, wie er, in Gedanken versunken, das Bild dessen betrachtet, der seinen Namen weitertragen sollte und dessen Lebensfaden so plötzlich zerriß. „Sein" Bild ist ihre Welt, in der sie leben. Rein und klar wie ein verborgener Waldsee, in dem sich die Gestirne spiegeln, strahlt diese Elternliebe. Es liegt ^ nichts Abgöttisches noch Kulthaftes in ihr, aber viel Herzblut und seelische Stärke. „Mutter, heute ist Heldengedenktag", mahnt des Alten Stimme. Versonnen blicken zwei Menschen auf das Bild ihres Sohnes. Irgendwo deckt ihn die fremde Erde. Das Grab, das ihm geschaufelt wurde, kennen sie nicht. Sein Bild aber lebt.
„Ich hatt' einen Kameraden"
Der Pförtner hat das Fabriktor geschlossen und humpelt zurück in seine kleine Dienstwohnung, wo Frau und Kinder ihn zum Vesper erwarten. Schweigsam verläuft das einfache Mahl. Der Mann liebt keine Unterhaltung bei Tische, und die Seinen tun ihm den Gefallen, sie reden nicht. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold! Unzählige Male hat es der Pförtner erfahren. Während die Frau das Geschirr abräumt und die Kinder ihre Alltagserlebnisse austauschen, zieht sich der Mann in die Sofaecke zurück, entzündet umständlich seine kurze Stummelpfeife und blickt nachdenklich auf den glühenden Kanonenofen. Feierabend und morgen Heldengedenktag! Im Bunker war's auch ganz schön warm gewesen, wenn man steifgesroren vom Sappenposten kam und die Sperrfeuer-Leuchtkugeln einem nachts heim zum schmalen Lichtschlitz des Unterstandes leuchteten, 'ne tolle Nacht damals. Ein Wintergewitter und Trommelfeuer zugleich. Im Halbschlummer dösten sie so vor sich hin, er und der Karl. Bei jedem Einschlag erzitterte der schwere Bunker in seinen Fugen. Kalk bröckelte ab. Ein paar Mann kloppten Skat. Dann Stimmengewirr, polternde Schritte im Graben „Alles raus! Tommy kommt! Eaaas!" Koppel, Knarre, Handgranaten. Gasmasken auf. Sie taumelten vorwärts. Um sie barst eine Hölle von Stahl, Feuer und Erde, war das Grauen der Materialschlacht. Sie wühlten sich in die naßkalte Erde der Grabenbriistung. Zielten und schossen. Karl stand neben ihm. Wie lange noch? Dann kam das Gräßliche, der Volltreffer in die Gruppe. Wie eine feurige Rakete fuhr Karl ohne Leben gen Himmel. Dem anderen riß es den rechten Oberschenkel vom Rumpf. Als er wieder zu sich kam, war der Angriff abgeschlagen. Fünf Tote lagen um ihn herum. Von Karl aber fehlte jegliche Spur. Seit dieser Stunde schwatzt der Pförtner Wendler nicht mehr von Krieg. Seine Gedanken aber sind oft Lei Karl, der in einer stürmischen Winternacht verlöschte. „Ich hatt' einen Kameraden, einen besseren find'st Du nicht." Karl war einer, und morgen ist Heldengedenktag!