Zur auswärtigen Lage.
Finanzausschuß i« Völkerbund.
Senf, 1 . April. Gestern trat im Völkerbundssekretariat «in Ausschuß von Finanzsachverständigen zusammen, um die Frage der Doppelbesteuerung und der Steuerflucht zu prüfen. In dem Ausschuß sind vertreten: Italien, dessen Delegierter den Vorfitz führt, Frankreich, England, di« Schweiz, Belgien, Holland und die Tschechoslowakei. Am 3. April wird eine Abordnung der internationalen Handelskammer eintrefsen, um vor dem Ausschuß ihre besonderen Wünsche zur Geltung zu bringen.
Deutschland.
Ei« Red« de» Reichskanzler«.
Hannover, 81. März. Zm vollbesetzten Kuppelsaale der Sladt- -alle fand gestern «in« Zentrumsverjammlnug statt,' die von Geheimrat Recken geleitet wurde, und in der der Reichskanzler in einer Red« u. a. folgnedes ausführt«: Das Wohl des deutschen Volke», die Aufrechterhaltung der Retchseinheit, di« Wiederaufrichtung und die Rettung des Vaterlandes, das müssen di« Gesichtspunkte für di« kommend« Reichstagswahl sein. Für Wahrheit, Recht und Freiheit haben wir dt« schwere politische Arbeit der letzten Jahre durchgeführt. Arbeit t» Dienste der Wahrheit ist di« Bemühung, da« deutsche Volk von de« Vorwurf der Kriegsschuld zu befreie«. Mit dieser Arbeit werden wir fortfahren und es wird der Augenblick kommen, wo alle Welt den Beweis in Händen hält, daß da» deutsche Volk frei ist von der Schuld am Krieg«. Unchristlich ist ein Vertrag, der unter Berufung auf die vermeintliche Kriegsschuld dem deutschen Volke harte und unerfüllbar« Diktate auferlegt, um dann di« Klage zu erheben, es fehle am ehrlichen Willen, den Verpflichtungen de» vertrage» nachzukommen. Echt christlich ist dagegen der Gedanke des Völkerbundes. Ein wahrer Völkerbund muß aber alle Völker, die guten Willens sind, als gleichberechtigt umfasten. Nur ein den anderen Staaten gleichberechtigtes Deutschland kann den Weg zum Völkerbund gehen. Der Reichskanzler nahm hierauf im Einzelnen zur Politik des Zentrum» nach innen und außen eingehend Stellung, wobei er sich besonders gegen ein« Uebertret» bung de» deutschvölkischen Gedankens wandte.
Revistousanrnf i« Zetguer-Prozeß.
Nach einer Meldung der „Neuen Leipziger Zeitung" hat der Verteidiger Dr. Zeigner» gegen da, am Samstag gegen Dr. Zetgner gefällte Urteil Revision angemeldet, weil e» nicht auf Freispruch lautet.
Fortsetzung de» Dockarbeiterstreik».
Hamburg. 31. März. Die Verhandlungen zur Beilegung des Streikes auf den Seeschiffswerfien, die auf Anregung und unter dem Vorsitz des Reichsarbeitsminister» Dr. Braun stattgefunden haben, find ergebnislos abgebrochen worden, nachdem eine Einigung zwischen den Parteien nicht zu erzielen war und diese auch nicht dazu bereit waren, sich dem Schiedsspruch eines Unparteiischen zu unterwerfen.
Das Landwehrbezirkskommando Calw.
Wer von Althengstett her mit der Bahn nach Ealw fährt, richtet unwillkürlich seinen Blick aus das aus rotem Buntsandstein massiv erbaut«, groß« Gebäude auf dem steil ins Nagoldtal abfallenden Bergvorsprung der Stadt. Es ist das frühere Bezirkskommando, das im Jahr 1878 aus Reichsmitteln erbaut wurde und an Stelle der alten Burg steht. Es machte einen imposanten Eindruck, da es frei gelegen und das größt« u. höchst« Gebäude der Gegend war. Nachdem aber die Neue Handelsschule auf einem noch höher gelegenen Platze erstellt worden war, verlor da» Gebäude an seiner beherrschenden Stellung und verlangte dringend die Erhöhung um ein weitere» Stockwerk. Immerhin macht das „Schloß" noch einen massigen Eindruck und überragt die ganze Stadt und das Nagoldtal. Es erinnert an die Zeit, in der eine mächtige Burg den Berg krönte und ein angesehenes Grafengeschlecht hier aus- und einzog. Während seines etwa 40jährigen Bestehens beherbergte das Bezirkskomamndo di« für den Landwehrbezirk Ealw nötige Mannschaft, eine kleine Garnison, die sich sowohl im Etraßenbild als auch bei patriotischen Festen bemerkbar machte. Den alten Glanz früherer Zeiten, da Ritter und vornehme Gäste aus allen Ländern die Burg belebten, konnte natürlich das Bezirkskommando dem Platze nicht mehr verleihen. Jedoch herrschte in dem Gebäude ein reger Verkehr aus dem hiesigen und den benachbarten Ober- Lmtern, da durch die Rekrutierungen und das ausgedehnte Meldewesen sehr viel« Heeresangehörige sich dort zu stellen hatten. Ritterspiel« und Turnier« fanden allerdings keine statt, aber manchmal übt« sich die Mannschaft im Gebrauch der Waffen und im Exerzieren. Das Gebäude enthielt auch die kriegsmäßige Ausrüstung für mehrere Hundert Mann. Früher stand auf dem Berge die Burg der Grafen von Ealw. Zm Jahre 1037 wird zum ersten Male die Burg Ealw als Name eines der angesehensten Erasen- geschlechter genannt. Wahrscheinlich ist aber schon einig« Jahrhunderte vorher eine Burg auf dem Schloßberg gestanden. Di« meisten Ealwer Grafen führten den Namen Adelbert. Sie gehörten zu den bedeutendsten und angesehensten Rittergeschlechtern des Landes, da sie mit den Päpsten und Kaiser« in naher verwandtschastlicher Be-
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Schloß noch gut erhalten, verfiel aber bald darauf, so daß im Jahre 1604 der Burgstall abgebrochen wurde. Ein neues Schloß sollt« den Berg zieren. Herzog Friedrich von Württemberg wollte nämlich an Stelle des alten Schlosses ein neues aufführen und beauftragte mit der Ausarbeitung von Plänen den damals berühmtesten Burgen- und Städtebaumeister Heinrich Echickhardt, der auch das im Oberamt Nagold befindliche Schloß des Freiherrn von Kechler-Schwandorf ausgeführt hat. Der beabsichtigte Bau kam aber leider nicht zustande, da der Herzog nach der Grundsteinlegung des großartig geplanten Baues starb. Ein Teil der Grundmauern war zwar erbaut, aber der Weiterbau mußte überhaupt unterbleiben. Die Reste dieser Bauten sind verschwunden und nur noch einige groß« Strebemauern, die von der Straße aus gut sichtbar und noch sehr gut erhalten sind wie die Mauer an dem Garten von dem verstorbenen Fabrikanten Schüle, erinnern jetzt noch an den Burgsitz der einst mächtigen Grafengeschlechter von Ealw. Das Schloßareal kam allmählich in Prioat- befitz und Stricker und Tuchmacher trockneten auf der wet- ten und lustigen Höhe ihre Erzeugnisse und Produkte. Auf dem ebenen Platz wurde später ein Haus erbaut, das zum Betrieb der Strickerei eingerichtet war, den Besitzer aber mehrfach wechselte. Die vom Schloßbau noch vorhandenen Bausteine wurden abgetragen und von Privat- leuten zum Bau von Häusern verwendet. Nachdem im ganzen Deutschen Reiche Bezirkskommandos eingerichtet wurden, kam die Militärverwaltung auf den Gedanken, das Schloßgut anzukaufen und auf dem Platze ein Dienstgebäude für das Bezirkskommando zu erstellen. Das alte Haus wurde abgebrochen, der Platz geebnet und das jetzige Gebäude neu aufgeführt. Der große Platz wurde nach Art der Kasernen mit einem Bretterzaun eingefriedigt und abgeschlossen. Ein Teil des Platzes fand Verwendung als Gemüsegarten, während der andere Teil als Uebungsplatz für die Mannschaft diente. Anfangs wohnte im Gebäude ein Feldwebel und die Mannschaft, während die zwei Offiziere, ein Bezirkskommandeur und dessen Adjutant, in der Stadt wohnten. Die Mannschaft verpflegte sich selbst, indem stets einer der Soldaten den Küchendienst versah. Das Verhältnis des Bezirkskommandos zur Einwohnerschaft war stets sehr gut. Nach dem verlorenen Krieg waren die Bezirkskommandos überflüssig geworden, so daß das neu errichtet« Versorgungsamt in den frei gewordenen Räumen Unterkunft fand. Das Versorgungsamt wurde aber Heuer aufgehoben, und dem Versorgungsamt Statt- gart überwiesen: die Räume des Hauses werden vom 1. April an frei, so daß das Gebäude für eine andere Besaitung verwendet werden kann. Vor der Erbauung des Bezirkskommandos beschäftigte die Gemeindekollegien ein anderer Plan zur Ausnützung des Schloßplatzes. Als es sich anfangs der 70er Jahre um die Erbauung eines Schul- lehrerseminars im Schwarzwald handelte, bemühte sich auch die Stadtgemeinde um dieses Seminar. Die Stadt Nagold ging aber als Siegerin ln dem Wettbewerb der Städte hervor und so unterblieb hier di« Erbauung eines Seminars; auch das Seminar Nagold wurde vollständig aus den Mitteln der Kriegsentschädigung aufgebaut. Zn den Jahren 1921 und 1922 trug sich di« Stadt mit dem Gedanken, das Gebäude gegen ein städtisches Gebäude einzutauschen und ein Schulhaus für die höheren Schulen daraus zu machen. Der Plan war sehr weit gediehen und sollte baldigst vollzogen werden, da trat die Stadt von dem Vertrag wieder zurück, weil sich unterdessen herausgestellt hatte, daß die Umbauten sich beinahe so hoch belaufen würden, wie ein vollständiger Neubau. Die Stadt entschloß sich deshalb zu einem Neubau, der bereits im Rohbau ausgeführt ist und eine zentralere Lage für ein Schulhaus hvt als der Schlotzplatz. Durch die Auflösung des Dsrsorgungs- amtes ist es nun möglich geworden, das Gebäude des Be- zirkskommandos einem anderen Zwecke zuzuführen. Was wird nun mit dem Gebäude geschehen und welche Beam- tung wird dasselbe künftig in Besitz nehmen. Es ist anzu- nehmen, daß über das Gebäude bald verfügt wird. In den Kreisen der hiesige« Geschäftsleute wird der lebhafte Wunsch ausgesprochen, es möchte da» Finanzamt Hirsau hieher verlegt werden. Der gleiche Wunsch wird wohl auch von den meisten Landgemeinden geteilt werden, da die Oberamtsstadt äußerst günstig gelegen ist und ohnedies de« Mittelpunkt des Verkehrs für die Landbewohner bildet. Die Entscheidung über di« zukünftige Bestimmung des Gebäudes steht bei der Reichsbehörde. _
Aus Stadt und Land.
Cal«, den 1. April 1924.
Radiolizrnz.
(STB.) Der Württemb. Radioklub. Stuttgart. Pfizer- strahe, ersucht uns um Mitteilung des Folgenden: Die Verordnung zum Schutz« des Funkverkehrs vom 8. März 1924 bedroht in § 2 alle, die eine Funkanlage ohne Genehmigung der Reichstelegraphenverwaltung errichtet haben und betreiben, mit Gefängnis. Wer jedoch für diese Anlagen bi» zum iS. April die Genebmia una der O ber-
poMreMo« nachholt, -leibt straflos. Alle Kunkfreund^ vor allem die Mitglieder der Radioklubs. werden daher aufgefordert, schleunigst diese Genehmigung bei der O. P. D. (Stuttgart, Karlsruhe, Konstanz) schriftlich zu beantragen unter kurzer Charakterisierung ihres Apparats (Detektor. Audion-Röhrenverstärkung, welche und wievielfach). Die O. P. D. wid die Antragsteller entweder als Rundfunkteilnehmer oder Detektor- oder als Audionlizenziaten behandeln. Die ersten Leiden Gruppen brauchen nichts weiter als monatlich 2 an ihren Briefträger zu bezahlen, für die dritte Gruppe wird nach den neuen Uebergangsbestim- mungen zunächst durchweg ein« Versuchslizenz gegen die gleiche Gebühr erteilt und erst im nächsten Jahr der Nach, weis des Lizenzexamens verlangt. Von Mitgliedern der Radioklubs wird erwartet, daß sie dieser Bestimmung schleunigst entsprechen.
Nationale Würdelosigkeit.
(SEB.) Stuttgart. 28. März. Die Abg. Frau Klotz (B.P.) hat folgend« Kleine Anfrage eingebracht: Von der Internationalen Frauenliga für Friede und Freihett werden ln Deutschland Sammlungen von Geld und Echmucksachen veranstaltet, die zum Aufbau der zerstörten Gebiete in Nordfrankreich dienen sollen. Das deutsche Volk in seiner Gesamtheit kann nicht verstehen, daß in der Zeit, in der das haßerfüllte Frankreich uns bewußt bis zum Weißbluten auspreßt, damit Hundert- tausende bei uns verhungern, unter staatlicher Erlaubnis deutsche Gelder und Schmucksachen als Liebesspenden in die Hände dieser unserer erbittertsten Feinde gesandt werden. Es ist nicht bekannt, welche Behörde des Reiches oder Landes die Erlaubnis zu dieser Sammlung erteilt hat. Wohl aber hat det ehemalige sozialdemokratische Reichs- finanzminister Hilferding ein« Verfügung herausgegeben, auf Grund derer die gesammelten Gelder von den deutschen Banken als „Dersöhnungsopfer des deutschen Volkes an das französische Volk", trotz des Kapitalfluchtgesetzes ohne jede Genehmigung des zuständigen Finanzamts nach Frankreich überwiesen werden konnten. In Württemberg erschienen in der Ludwigsburger pazifistischen Zeitschrift „Die Frau im Staat" Aufrufe für möglichst große Spenden. Eine Sammelstelle für Gaben befindet sich ebenfalls in Ludwigsburg. Hat das württemb. Staatsministerium hiervon Kenntnis? Welche Reichsstelle hat Erlaubnis zu dieser Sammlung gegeben? Hat das württemb. Staatsministerium dies« Erlaubnis und die zur Ausfuhr des Geldes ebenfalls gegeben? Ich begnüge mich mit einer schriftlichen Antwort.
Frauentag de» Evang. Volksbunde».
ep. Stuttgart, 31. März. Der Frauentag des Evang. Volksbunde», zu dem am 26. und 27. März in Stuttgart sich gegen 200 Vertreterinnen aus dem ganzen Land zusammenfanden, war der Besprechung von Mü Herausgaben im Nächstliegenden und weiteren Sinn gewidmet und nahm unter der Leitung von Frau A. Volz (Etz- lingen) einen fruchtbaren Verlauft Den Auftakt bildete am Mittwoch abend ein öffentlicher Vortrag der Leiterin des Karlsruher Jugendamtes Frl. Eroßwendt über die Jugendhilse als Aufgabe des Einzelnen und der Gemeinde, worin gezeigt wurde, wie die Reichsgesetze über Jugendwohlfahrt durchweg auf freiwillige Mitarbeit rechnen. Die Verhandlungen des zweiten Tags, eingeleitel durch ein Andachtswort von Prälat Dr. Hoffmann und durch eine Begrüßung von Staatsrat Dr. v. Mosthaf, galten den einzelnen Mütteraufgaben gegenüber der heutigen Not. Frau Faut (Stuttgart) rief die christlich geadelte Mütterlichkeit auf, Frau Dr. med. Fritz (Wildbad) gab wertvolle Winke für die Früherziehung des Kindes. Frau A. Volz (Eßlingen) und Stadtpfarrer Dölker (Stuttgart) sagten Beherzigenswertes über eine religiöse Erziehung. Während der Vormittag der Besprechung der Jugendnot gewidmet war, so kam am Nachmittag die Not der Erwachsenen zu ihrem Recht. Frau A. Schnapper (Heidenheim) sprach mit feiner Empfindung über Mütteraufgaben an den Alten, Frau M. Krockenberger (Heidenheim) warb um Verstand- nis für die Einsamen, namentlich für die unverheiratete berufstätige Frau. Frl. Heidi Denzel forderte für die Massennot der Gegenwart möglichst persönliche und zur Selbsttätigkeit anspornende Hilfe. Frl. M. Diestel sprach das treffende Schlußwort in all diesen von warmherzigem, praktischem Christentum getragenen Ausführungen, di« bet den Versammelten lebhaften Widerhall fanden und heilsame Entschlüsse wachriefen. Einstimmig wurde vom Frauentag des Evang. Volksbundes sodann zwei Entschließungen gefaßt. Zum Wahlkampf wurde die Erwartung ausgesprochen, daß wenigstens in Württemberg die politischen Parteien wegen Aussetzung der Wahlversammlungen in der Karwoche (vom 13. bis 21. April) sich vereinbaren. An das Staatsministerium wurde die Bitte gerichtet, bei der Neugestaltung der amtlichen Fürsorge der letzteren die beruflichen, sozialen Kräfte, vor allem di« Fürsorgerinnen, zu erhalten, der freien Fürsorge die Mit- beteiligung bet den Landes- u. Beziksverbänden zu sicher« und di« Zentralleitung für Wohltätiokeit anfrrcht- zuerhalte«.