nicht anders zu erwarten war, wird sich die Kleine Entente al­ler Voraussicht nach für den Versuch einer Fortsetzung der Kon­ferenz einsetzen.

M Verständigung mit Rnnkreich

Unterredung des Reichsaustenministers mit einem Pariser Pressevertreter

Berlin, 29. Mai. Frhr. v. Neurath hat oem Sonderberichter­statter desPetit Parisien" eine Unterredung gewährt, in der er eine Reihe der wichtigsten Deutschland und Frankreich ange­hende Fragen erörterte:

Herr o. Neurath sprach zunächst vom Abriistungsproblem und wies besonders darauf bin, dah Deutschland einen Anspruch auf Gleichberechtigung habe. Nach den vergeblichen Verhandlungen hierüber sei Deutschland jedoch zu der Auffassung gelangt, dah die einzige Möglichkeit einer Lösung in einem direkten Mei­nungsaustausch mit Frankreich bestehe. Bereits im Sommer 1932 habe er nach der Konferenz von Lausanne ein entsprechendes Angebot gemacht, jedoch eine kategorische Ablehnung erfahren. Ende 1933 habe er erneut einen Versuch in dieser Richtung un­ternommen.

Als Reichskanzler Hitler ans Ruder kam, enthielt seine erste Reichslagsrede die Versicherung: Wir wollen uns mit Frankreich verständigen. Man bar ihm nicht geantwortet. Wei­tere Bemühungen sind ergebnislos verlaufen.

Die Tragik der Lage beider Länder liegt darin, dah sie genö­tigt sind, sich zu verständigen, aber nicht zu einer Aussprache kommen.

Zu den alten geschichtlichen Schwierigkeiten kommen, so fuhr der Reichsauhenminister fort, heute noch sozialvsychologische Gründe hinzu. Gewisse französische Minister glauben, daß man mit dem Nationalsozialismus nicht sprechen darf, was einem Richtmehrsprechen mit Deutschland gleichkommt. Wenn ein Kanzler des alten Deutschen Reiches, ein Bismarck, von Frank­reich ebenso gesprochen Härte, wie Adolf Hitler im Reichstage, dann hätte man das in Frankreich gls einen Triumph für Frank­reich angesehen und als eine der schönsten Friedensaussichten, dis jemals von der Geschichte Europas geboten wurden.

Frankreich aber scheint die Feindseligkeit zwischen beiden Län­dern der Versöhnung demjenigen, den man driiben Diktator nennt, vorzuziehen.

Der Reichsauhenminister erinnerte alsdann an dis nach Edens Berliner Besuch vom Februar dieses Jahres abgege­bene deutsche Erklärung, die im englischen Weihbuch veröffent­licht worden ist und an die kategorische Weigerung Frankreichs, das erklärt habe: Wir werden nicht die Aufrüstung Deutsch­lands sanktionieren.

Der Berichterstatter hielt Herrn v. Neurath entgegen, dah Frankreich von der Rüstungstätigkeit Deutschlands überzeugt sei. In der europäischen Presse würden überall Beweise für die Waffenherstellung und Manöver zitiert. Wäre es deshalb nicht würdiger für Deutschland, offiziell zuzugeben, was für nie­manden mehr ein Geheimnis sei?

Die Antwort des Reichsauhenminsters lautete: So weit sind wird noch nicht. Wir erhoffen immer noch eine Konvention, die die Rüstungen regeln wird. Aber dieses Warten kann nicht ewig dauern. Wenn man zu keinem Abkommen gelangt, was dann? Der Augenblick wird eintreten, an dem auch wir an gröbere Sicherheit denken müssen. Auch wir werden dazu ge­zwungen sein, um uns zu verteidigen. Aber keineswegs aus ei­nem Angriffsgeist heraus.

Der Beweis dafür, dah wir keine Angriffsabsichten hegen, ist unser Abkommen mit Polen. Es war wegen der Grens- frase besonders schwer zu bewerkstelligen. Mit Frankreich aber haben wir keine Erenzfrage mehr. Wie haben endgültig auf Elsah-Lothringen verzichtet und für das Saargebiet eine Lösung vorgeschlagen, die das Prestige beider Nationen gewahrt hätte. Man mub schon eine offenkundige Wahrheit nicht eingesteben wollen, wenn man leugnet, dah das Saargebiet von Grund auf deutsch ist. Wir haben erklärt: laßt uns ein politisches und wirtschaftliches Abkommen treffen und es einer Volksabstimmung der Saarländer unterbreiten. Mit anderen Worten, statt eine Abstimmung über eineFeindseligkeit" abzu- halten hätten wir eine solche über eineVersöhnung" veran­staltet. Wäre das nicht vernünftig?

Aber keiu französisches Blatt hat diese« in allen Einzelheiten

Ko/e/ncrne, Ko/e/»cr//e

Roman von Käthe Mehner Lop^rißttt bzi Martin keuctttvmnger, Halle (8aale)

13 NaKdru« »»rbotrn.

Nun war sie ganz allein!

Wie gestern drehten sich um sie die feuchten Herbstnebel und formten gespenstische Figuren. Aber heute floh sie vor ihnen nicht. Wohltuend empfand sie den schweren grauen Dunst, der sie vor den Blicken Neugieriger schützte.

Müde irrte sie umher. Wohin? Wohin? Der Tod war die einzige Erlösung. Aber sie war jung und trotz des fal­schen Scheines schuldlos, wenn auch nur vor sich selbst und vor Gott.

Fort, nur fort aus der Stadt, in der sie alle lebten die von ihrer Schuld überzeugt waren und in der Wolf­gang Wangenheim lebte, der den Glauben an sie verloren hatte.

Rosemarie wußte kaum, daß sie ihre Schritte zum Bahn­hof lenkte. Mit stockender Stimme löste sie eine Karte nach Berlin. Berlin! Sie hatte nur unbestimmte Vorstellungen von dieser mächtigen Stadt; aber dort kannte sie keiner. Und wo Millionen lebten, würde auch sie irgendwo eine kleine Verdienstmöglichkeit finden. Mit ihren sechzig Mark war sie ja für die allernächste Zeit vor der bittersten Not geschützt

Als der Zug in die Nacht brauste, ahnte Rosemarie nicht Laß in entgegengesetzter Richtung vor wenig Stunden Wolfgang Wangenheim davongefahren war, und daß auch sein Herz Angst und quälende Ungewißheit erfüllt hatten.

Kein einziger Mitreisender stieg in ihr Abteil. Da fühlte sie sich so trostlos einsam wie me zuvor in ihrem Leben, und sie überlieh sich einem haltlosen Schluchzen.

entwickelten Vorschlag dem französtschen Volk zur Kenntnis ge­bracht. während ganz Deutschland davon sprach.

Ich kenne viele Franzosen und unterhalte ausgezeichnete Be­ziehungen zu ihnen. Einen jeden bitte ich doch zu begreifen, dah die deutsche Vaterlandsliebe, unsere nationale Energie, die ohne Hitler verloren gewesen wäre, von diesem wieder geweckt worden ist. Das-ist ein lebenswichtiges, soziologisches Phäno­men. Man sollte sich mit ihm in Frankreich beschäftigen, und nicht den gleichen Fehler begehen, wie mit Lenin und Mussolini, denen man einen schnellen Zusammenbruch voraussagte.

Neurath wies dann auf den wesentlichen Unterschied zwischen dem Faschismus und dem Nationalsozialismus hin. aber auch auf das Versanden des französtschen Parlamentarismus. Er gab zu, daß gewisse Uebertreibungen vorkämen und auch Angriffe gegen das Christentum. Dieses sei aber, wie Hitler immer wieder betone, die Grundlage des Staates. In allen Parteien säßen Extremisten. Im übrigen sei er ein überzeugter Anhänger der deutsch-französischen Annäherung.

Der Nationalsozialismus würde es für einen seiner schönsten Triumphe halten, wenn ihm das gelänge, was kein anderer habe schaffen können den europäischen Frieden.

Zum Schluß kam der Berichterstatter aus die Frage der an­geblichen deutschen Rüstungen zurück, mit dem Hin­weis, daß er gerade zur Nachprüfung dieser Frage nach Deutsch­land gekommen sei. Die Antwort des Reichsaußenministers lautete: Daß wir Fabriken besitzen, die aui die Waffemabrika- tion umgestellt werden können, ist eine in Europa bekannte Tal­sache. Aber gerade hier sind wir weit entfernt von der Gleich­heit mit den übrigen Nationen. Wenn man einen Entscheidungs­tag organisiert, so kann man das Geistige wohl schnell be­werkstelligen, aber auf materiellem Gebiete geht das nicht so rasch. Dazu braucht man Jahre.Ich hoffe", so schließ! das vomParis Soir" wiedergegebene Interview des Reichsaußenministers,daß wir vorher die europäische Ver­ständigung verwirklicht haben werden. Ich bin allerdings etwas entmutig!, denn ich glaubte, daß wir schon so weit gekommen wären".

Eröffnung der Aei-Mhrstmds-

Anssteönng in Erfurt

Erfurt, 29. Mai/ Am Dienstag mittag wurde auf dem am Erfurter Flughafen gelegenen Gelände die erste Reichsnähr­standsausstellung feierlich eröffnet. Sie umfaßt alles, was der deutsche Nährstand an Spitzenleistungen auf dem Gebiete der Tierzucht der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und des landwirt­schaftlichen Maschinenbaues aufzuweisen hat. Trugen die frühe­ren Ausstellungen im wesentlichen einen mehr flachen Charakter, so steht die Erfurter Ausstellung erstmalig im Zeichen der Volks­verbundenheit zwischen Stadt und Land. Die Schau soll nicht nur dem Fachmann Anregungen und Förderung geben, sondern soll auch Brücken schlagen zwischen dem Nährstand als dem Trä­ger der Volksversorgung und dem Städter.

Gegen Mittag versammelten sich die Ehrengäste mit den Aus­stellern und den bereits am ersten Tage zahlreich von überall her erschienenen Land- und Stadtbewohnern zu einer schlichten Eröffnungsfeier im großen Ring. Die Begrüßungsansprache hielt der Erfurter Oberbürgermeister Pichler. Stabshauptabteilungs- leiter Motz-Berlin betonte, daß diese Ausstellung die größte Schau des Reichsnährstandes sei.

Darres Eröffnungsrede

Erfurt, 29. Mai. Reichsbauernführer und Reichsernährungs­minister R. Walter Darre führte zur Eröffnung der Ersten Reichsnährstandsschau in Erfurt in seiner Rede u. a. folgen­des aus:

Wenn der Reichsnährstand heute seine erste Ausstellung ver­anstaltet, so will er damit Rechenschaft ablegen vor sich selbst und vor dem ganzen Volk über seine Leistung und sein Können, und zwar nicht im wirtschaftlichen Sinne nach Ertragsrücksichten, sondern in höherem, man kann vielleicht sagen, im politischen und sittlichen Sinne. Der Bauer will hier seine Stellung als unterster und breitester Träger der Gesamtwirtschaft als Diener am Volk veranschaulichen. Damit kehren wir in gewissem Sinne wieder zu dem Grundgedanken zurück, aus dem heraus Max Eyth ursprünglich diese Ausstellung geschaffen hatte, bevor sie dann schnell entartete und dem Geschäftsgeist Einzelner dienst­bar gemacht wurde. Die Ausstellung soll veranschaulichen, wie sich der neue Gemeinschaftsgeist im deutschen Bauerntum auf den verschiedensten Gebieten auswirkt; sie soll nicht nur die wirtschaftspolitische Stellung des Bauern im Rahmen der Ge­

samtheit veranschaulichen, sondern vor allem auch seine gesell­schaftliche und in tiefem Sinne sittliche Stellung im Volk. Wir benutzen das alte Mittel einer Messe, einer Warenschau, um unter entsprechender Umstellung gegen die liberalistische Wirt­schaft und liberalistische Weltanschauung Propaganda zu treiben.

So sehen Sie zunächst auf wirtschaftlichem Gebiet, wie dem heillosen Wirrwarr durch den rücksichtslosen Geschäftsgeist und Wettbewerb Einzelner heute eine Ordnung gefolgt ist, die sich zwar erst im allmählichen Aufbau befindet aber für die zehn Monate, die wir wirklich nationalsozialistische Agrarpolitik trei­ben können, schon einige Leistungen gerade zu dieser Ausstellung aufweisen kann. Nicht nur der Markt, vor allem auch die Aufzucht von Pflanzen und Vieh stand völlig unter dem Einfluß der liberalistischen Zersetzung und mußte allmählich ge­ordnet und höheren volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten unter­geordnet werden. So werden wir vor allem nach der Verordnung über Saatgut in kürzester Frist zu klaren und übersichtlichen Ver­hältnissen auf dem Saatgutmarkt gelangt sein. Das äußere Zei­chen dieser Bereinigung ist das Haus der Pflanzenzucht, in dem zum ersten Male eine Gemeinschaftsausstellung der deutschen Pflanzenzucht aufgeführt ist, in der nicht die häufig widerstre­benden Sonderinteressen der Einzelzllchter zu Worte kommen, sondern die Pflanzenzucht in ihrer Gesamtheit als Voraus­setzung und Grundlage unseres Ackerbaues. Auch die Tierzucht mußte in diesen neuen Grundgedanken eingebaut werden, gerade im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen Landestierzucht und Hochzucht. Es kommt also auch hier nicht so sehr darauf an, Leistungsrekorde Einzelner aufzustellen, sondern die Grundlage für die gesamte Züchtungsarbeit muß wieder die eigene Futter­erzeugung abgeben. Der Reichsnährstand wird also auf dem Gebiete der Schauen und des Preiswettbewerbs alterprobte Wege zwar nicht verlassen, wohl aber wird er im EegKisatz zu früher Tiere, die nichts mehr gemein haben mit der Scholle, auf der sie leben, trotz aller aufgelegten Formenschönheit von der Preiszuerkennung zurückweisen.

Sie sehen auf dieser Ausstellung aber nicht nur den Reichs- nährstand als Erzeuger als Lieferanten, sondern auch als Kunden der übrigen Wirtschaft, vor allem der Industrie. Die bemerkenswerte Neuordnung der deutschen Industrie konnte sich aber noch nicht soweit auswirken, daß die Industrie als Aus­steller in ihren einzelnen Fachgruppen mit ähnlicher Geschlossen­heit auftritt wie der Reichsnährstand. Während sich die Ver­hältnisse bei der Industrie überall noch im Aufbau befinden, hat sich der Handel, soweit er die landwirtschaftlichen Er­zeugnisse betrifft, dem neuen, vom Reichsnährstand ausgehenden Geist der Ordnung und Gemeinschaft angeschlossen. Es war von Anfang an unsere feste Absicht, nicht mehr, wie im Liberalismus, die harte Jahresarbeit der Bauern zum Spielball wüster Börsen­spekulation werden zu lassen. Schon die zehn Monate national­sozialistischer Agrarpolitik haben gezeigt, daß innerhalb des Reichsnährstandes durch eine vernünftige und zielbewußte Marktregelung Wandel geschaffen werden kann. Bei einer sinnvollen Marktordnung darf kein Zweifel bestehen, daß Anbau und Erzeugung der Landwirtschaft so geleitet werden, wie es die Lebensbedürfnisse des gesamten Volkes verlangen. Diese Marktregelung, deren Aufbau und Auswirkungen wir auf dieser Ausstellung zeigen mag gewiß als eine umwälzende Maßnahme angesehen und auch angegriffen werden, setzt sie doch den Hebel an die empfindlichste Stelle des Liberalismus. Aber im Grunde genommen stellt sie nichts anderes dar als die folge­richtige Durchführung des Gedankens von Max Eyth vom Wissen und Können.

Hier in Erfurt kommt es nun darauf an, dem Bauern für seine. Bedürfnisse ein eindringliches Bild seiner Ge­schichte. seines Brauchtums, seiner Sitte und Gesittung zu zeigen. Vor allen Dingen wollten wir ein einwandfreies Bild von der stolzen Höhe unserer germanisch-nordischen Bauernkultur vorführen. Diesen weltanschaulich-kultur­politischen Teil enthält das Reichsnähr-standshaus. Man wird hier erkennen, wie unsere ganze nationalsozialistische Agrar­gesetzgebung bewußt auf der Freibauernverfassung unserer ger­manischen Vorfahren aufgebaut ist. Das Reichserbhofgesetz und das Reichsnährstandsgesetz beruhen auf der alten germanischen Einstellung zu Grund und Boden.

Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet gewinnt auch unsere Geschichte ein anderes Aussehen, und auch das haben wir ver­sucht, zur Darstellung zu bringen. Wir sehen immer wieder den Kampf um das alte Recht und die alte Ordnung, das den Frei­bauern von römischem Recht, römischer Kirche, landfremden Für­sten und jüdischem Geschäftsgeist mit Feuer. Schwert und Para­graphen streitig gemacht wird; und nach all den Kämpfen und blutigen Unterdrückungen der Bauern, nach den Zersetzungs­erscheinungen der liberalistischen Zwischenzeit erblicken wir in

Drittes Kapitel.

Berlin, im Dezember.

Du liebe, gute, einzige Seele, die an mich glaubt und an die ich noch glauben kann. Niemals im Leben kann ich die Nacht wieder gut machen, in der ich mich nicht in Deine schützenden Arme flüchtete, sondern mit meinen letzten sechzig Mark hierher nach Berlin fuhr, Ach, liebe gute Tante Berta, Du kannst mir nur verzeihen, wenn Du mir nachfühlen kannst, wie es in meiner Seele aus- fah. Es gab nur zwei Wege für mich: untertauchen und durch mühsame Arbeit vergessen lernen im großen Ber­lin oder den Tod. Warum ich den ersten Weg wählte weiß ich heute selbst nicht mehr. Ich glaube aber, es war das Bewußtsein meiner Schuldlosigkeit und der unver­siegbare Glaube an eine große, ausgleichende, göttliche Gerechtigkeit. Ich habe manche Nacht ohne Schlaf unter fremdem Dach gelegen und geweint, daß am Morgen; mein Kissen naß war, so eine unbändige Sehnsucht nach l unserem lieben stillen Heim und Deinem guten, guten Gesicht war in mir . . . und, Du mußt mich verstehen ! nach Wangenheim, den ich lieben werde, solange noch ein Tropfen Blut in mir ist.

Aber ich danke Dir, Tantchen, daß Du seine Briefe mit dem VermerkAdressat unbekannt verzogen!" zu­rückgehen liehest. Er hat mich verraten in der schwersten Stunde meines Lebens. Ich verstehe, -er konnte nicht an­ders handeln. Sein Ruf, seine Stellung wären ja hin ge­wesen, wenn er sich schützend vor eineDiebin" gestellt hätte. Er konnte an jenem Abend nicht zu mir kommen nachdem ich ihn so schwer enttäuscht hatte. So lieb hatte er mich wohl doch nicht, daß er Mir bedingungslos hätte glauben können. Zu sehr sprach alles gegen mich.

Du fragst, wann ich wiederkomme, Du Gute. Ich muß Dir sagen, daß ich erst etwas erreicht haben muß, ehe ich zurückkomme und es muß erst Gras über die furcht­bare Schande gewachsen sein, die mir anhängen wird bis an das Ende meines Lebens, und an der ich heute noch

so schwer trage wie an jenem Tage als ich Dich verließ.

Es ist gut, Daß Du allen Bekannten gesagt hast, daß -ich hier eine Stellung angenommen hätte. Es war die beste Lösung. Die Herren von Bachstedt u. Co. haben ja Wenigstens insofern meinen Namen geschont, als sie die Sache nicht -der Polizei übergeben haben. Wörtlich stand in dem Briese, der bei meinen Sachen lag:Wir haben . uns entschlossen, die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen. Wir nehmen an, daß Ihre Jugend Sie zu diesem Fehltritt getrieben hat und daß Sie von selbst versuchen werden, Ihre Schuld durch einen in Zukunft einwand­freien Lebenswandel zu büßen. Ein Schaden ist us ja glücklicherweise durch das schnelle Handeln von H-errn Bachmann nicht entstanden."

Viele Ta-ge später hatte ich erst den Mu-t, diesen Brief zu öffnen, aber dann hat es mich noch einmal ge­packt, dah ich nicht wußte, was mit mir werden würde Jetzt bin ich ruhiger, Tantchen; in harter Arbeit versuche ich zu vergessen. Viel verdiene ich ja noch nicht, aber für -eine Person reichts schon. Und dann ich trage den Namen meiner Mutter. Rosemarie Neuß muß ausgelöscht sein. So bin ich für alle hier die Rosemarie Bergmann.

Aber jetzt will ich schließen. Acht Seiten sind schon voll. Morgen ist Heiligabend, da soll der Brief bei Dir sein und Dir von Deiner Rosemari-e sagen, daß sie »an Wieder tapfer ihren Weg geht. Behalte mich lieb, Du Beste. Wenn die Glocken das Fest e-i-nläuten, wollen wir aneinander denken und wenigstens lim Geiste zusammen -das hohe Fest der Liebe feiern.

Leb wohl, liebste Tante, und habe wie ich den starken -Glauben an den Sieg des Guten über das Böse.

Innige Grüße und Küsse

Deine Rosemari-e

Rosemabie faltete den Brief und mußte acht geben, daß nicht die schweren Tränen, die ihr über die Wangen liefen, auf das Papier rollten und zum Verräter wurden.

(Fortsetzung folgt.)