front sei die Gemeinde, Die Reichslletriebsgemeinschaft würde > von der NSBO. bezw, NS.-Hago geführt. Daneben baue die Arbeitsfront im Augenblick Berufsgruppen auf, die ihren Mitgliedern die größtmögliche Fortentwicklung in ihrem Beruf sichern sollen. Der Deutsche müsse der beste Facharbeiter fein, wenn er seine Weltgeltung in wirtschaftlicher Hinsicht erobern wolle. Die Arbeitsfront werde ihre neue Organisationsform bis spätestens 1. Oktober restlos durch-gefuhrt haben. Dann gehöre jeder Deutsche in die Partei oder in die Arbeitsfront, irgendwo in Deutschland zu einem Block, in dem festgestellt werden könne, ob er anständig oder unanständig denke und handle. Außerdem könne sich keiner mehr dem Anschluß der Gemeinschaft entziehen. Für alle Zeiten sei ein Auseinanderstreben von Arbeiter und Unternehmer untersagt. Die Arbeitsfront sei Mittel zum Zweck, um der lebensbejahenden Idee des Nationalsozialismus in dem Ausdruck „Kraft durch Freude" zum Siege zu verhelfen. Tausende von Stellen für Volkstum und Heimat seien in den Fabriken tätig. Im Aachener Gebiet sei eine Siedlung von 5000 Häusern begonnen. Die alten, überlieferten Gesellschaftsformen seien abgetan. Das gesamte deutsche Volk befinde sich im gleichen Rhythmus der nationalsozialistischen Weltanschauung. Wer sich entgegenstelle der werde zertreten und vernichtet werden, es lebe das ewige Deutschland! Es lebe der Führer!
Die Schlußworte Dr. Leys wurden mit Heilrnfen auf Deutschland und auf den Führer aufgenommen. Dann betrat der Führer, nachdem er sich zuvor an Dr. Ley mit Händedruck gewandt hatte, das Rednerpult.
Die etwa anderthalbstündige Rede des Führers wurde von der Versammlung mit fast lautloser Aufmerksamkeit angehört, die aber von Beifall und Händeklatschen häufig unterbrochen wurde. Auch di« Vertreter der ausländischen Missionen — in einer Loge hatten Vertreter fast sämtlicher in Berlin akkreditierten Mächte Platz genommen — lauschten ganz offensichtlich mir steigender Spannung den Ausführungen des deutschen Reichskanzlers. Der Eindruck der Rede war gewaltig. Ilm Schluß sprangen alle Teilnehmer spontan von ihren Plätzen hoch und brache» in Heil- ruse aus.
Parteigenosse Schmeer schloß den zweiten deutschen Arbeitskongreß mit einem dreifachen Sieg-Heil auf den Führer. Der Gesang des Horst-Wessel-Liedes bildete den Schluß der Veranstaltung. Die Kundgebungen für den Führer setzten sich auf der Straße fort.
Rebe des Mhrers
vor der Deutschen Arbeitsfront
Berlin, 16, Mai In seiner Rede vor dem zweiten Arbeitskongreß der Deutschen Arbeitsfront ging der Führer aus von den großen organisatorischen Leistungen des heutigen Deutschlands, von denen eine der größten sicherlich die Erfassung der im wirtschaftlichen Leben stehenden Menschen sei. Sie sei innerhalb der kurzen Zeit eines Jahres gar nicht denkbar in ihrem bisherigen Erfolg, wenn nicht von vornherein ganz bestimmte Hoffnungen vorhanden gewesen wären, die ihre Erfüllung geradezu erforderten. Im deutschen Volke habe sich unbewußt eine große und tiefe innere Sehnsucht nach einer Erlösung aus den früheren Formen unseres organisatorischen Lebens geltend gemacht, um so mehr als Theorie und Wirklichkeit bereits weit auseinandergefallen waren. Der Theorie des marxistischen So- stand d'e hnrt- Wirklichkeit gegenüber, die überall da-.'' genaue Gegenteil zeigte. Der Sozialismus im Sinne der Sozialisierung selbst sei praktisch durch eine vollkommene Aussöhnung mit dem übelsten Kapitalismus akgelöst worden. An die Stelle des Klassenkamofes als ein Mittel der Herbeiführung dieser marxistischen Zukunftswelt sei vielfach eine Unzahl von ! Querverbindungen getreten, die die extremsten Erscheinungen gerade unseres wirtschaftlichen Lebens miteinander verbanden. Der Wirtschaftskampf aber fei abgelöst worden durch Streikrechte, ja sogar das gesamte Koalitionsrecht gänzlich illusorisch machte. Was hatte im Jahre 1932 — so führte der Kanzler aus — derStreik überhaupt noch für einen Sinn, in einem Augenblick, da sich schon über 6 Millionen Menschen außer jeder Arbeit befanden. Was hatte der Klassenkampf noch für einen Sinn angesichts eines Zustandes, der nur noch gehalten wurde durch Koalition von Vertretern des' extremsten Kapitalismus auf der einen und des radikalsten Sozialismus auf der anderen Seite, und die öffentliche Meinung beherrscht wurde durch eine Presse, die, eng aneinandergekittet, den linken Flügel unseres bürgerlichen Kapitalismus verband? Auf allen Gebieten sei die marxistische Theorie durch die marxistische Praxis widerlegt worden. Das habe das Volk auch empfunden. Die großen Massen des deutschen Arbeitertums feien nicht etwa aus Beaeisieruna in den Gewerkschaften aeblieben. sondern mehr aus '
Ko/emcr^/e, Ko/emane
Roman von Käthe Mehner
Lop^rigüt stlarlin UeueUt^anger. Halle (Saale)
ü Nachdruck verdaten.
Das junge Mädchen mußte zum Lebensunterhalt beitragen, und war glücklich, als es eine Stellung im Büro erhielt, in der es seine ausgezeichneten Sprachkenntnisse vervollkommnen konnte. Vielleicht konnte sie doch später einmal Korrespondentin werden? Sie war ja fleißig und strebsam und schien manchmal gewaltsam aus den engen Verhältnissen hinaus zu wollen.
Roseamarie lächelte. Warum antwortete Tante Bert- chen nicht auf ihre Frage. Wahrscheinlich hatte sie schon wieder ihre Arbeit im Kopfe und berechnete, was sie diese Woche noch liefern mußte.
Frau Bergmann fühlte die fragenden Augen des Mädchens und machte sich gewaltsam von den Gedanken frei, die sie soeben gefangen genommen hatten. Wieder einmal war ihre Ueberzeugung stärker geworden, daß Rosemarie von dem Schicksal ihrer Eltern nichts erfahren sollte, damit sie mutig und tapfer ihren eigenen Weg gehen konnte.
„Du wirst wirklich einmal als Kind sehr lebhaft geträumt haben", antwortete sie mit Rosemaries eigenen Worten. „Du hast vielleicht irgendwo einmal einen schönen Eindruck gehabt, und weil du ein sehr aufnahmefähiges Kind warst, ist er in deiner Seele haften geblieben."
Schwer wurden der lieben, gütigen -Frau diese Worte, aber Rosemarie merkte es nicht. Sie gab sich zufrieden.
Sie tauschten auch heute, wie allabendlich, ihre Tageserlebnisse aus; aber zum Schrecken der Tante erzählte Rosemarie auch heute wieder, wie schon öfter in den letzten Wochen, daß ihr die Arbeit bei Bachstedt u. Co. gar keine rechte Freude mehr mache. .
„Du glaubst nicht, Tantchen, was für gräßliche Menschen die Kollegen dort sind! Glaubst du, manchmal denke ich. daß
dem Gefühl" heraus, nicht das opfern zu können, was sie selbst in all diesen Jahren an Opfer bereits gebracht hatten.
Millionen waren innerlich schon der Ueberzeugung daß der bestehend« Zustand unerträglich geworden war. Aber dieser Wandel der Ueberzeugung fand keinen Ausdruck infolge des Beharrungsvermögens der Menschen durch die Unfähigkeit, sich selbst umzustellen, durch den mangelnden Mut, den ersten Schritt zu tun und durch das Unvermögen der Führer der breiten Masse, sich eine klare Vorstellung von dem zu machen, was hätte werden sollen.
Man könne dem deutschen Arbeiter keinen Vorwurf daraus machen, daß er nicht den Weg zum Volk, zur Volksgemeinschaft oder gar zum Nationalsozialismus gesunden habe, wenn doch auf der anderen Seite Millionen sogenannter Bürger den Weg ebenfalls nicht sahen, von denen man doch hätte annehmen dürfen. daß ihnen ihre höhere Bildung und ihre größere Einsicht das Finden dieses Weges hätte erleichtern müssen! Nein! Die Unvernunft sei überall dieselbe gewesen, in der Arbeiterschaft genau jo wie m unserem Bürgertum, in unserem Unternehmertum. Innerlich aber glaubten alle diese Menschen an di« Richtigkeit des bestehenden Zustandes schon längst nicht mehr. Weder das Bürgertum, noch das Proletariat in seinem überwiegenden Teil waren bereit für ihre Ueberzeugung Opfer zu bringen oder gar zu sterben. In sarkastischen Worten geißelte der Führer unter tosendem Beifall die engstirnigen, kleingeistigen und ichsüchtigen Gesichtspunkte, di« als „weltanschauliche Probleme" damals die Seelen dieser Männer eines vergangenen Regimes quälten und drückten. Wir hätten nicht in wenigen Monaten diese Welt überrennen und nicht die Gewerkschaften beseitigen können, so erklärte der Führer wenn nicht Glaube an die Nichtigkeit der eigenen Idee noch vorhanden gewesen wäre. Wir standen damals vor einem sehr schweren Entschluß. Es gab einzelne Menschen, die meinten, wir dürften unter keinen Umständen diese Organisationen angreifen. Ich war der gegenteiligen Ueberzeugung und mit mir die wesentlichsten Führer der Partei. Wir haben mit einem Schlag Tatsachen geschaffen und die Entwicklung hat uns bestätigt, daß der überwältigende Teil der deutschen Arbeiter innerlich nicht mehr am Marxismus hing.
Aber es genügt natürlich nicht, Organisationen zu zerschlagen und neue aufzubauen, sondern es sei notwendig, daß Las ganze deutsche Volk aus der Entwicklung innerlich lernen und daß cs die neu gewonnenen Erkenntnisse vernünftig und richtig anwendet. Alle Organisationen auf dieser Welt können nur ein Mittel zum Zweck sein. Der Mensch lebe nicht, um zu organisieren oder umorganisiert zu werden. Alles Organisieren, vom Staat angefangen bis hinunter zur kleinsten Zelle, Hab« nur den einen Sinn und Zweck wenn die Lebenserhaltung damit in einem höheren Sinne und in einem weiteren Umfange gewährleistet werde.
H«MlMte»«krsn Schulze
vsr dem SunLergericht
Berlin, 16. Mai. Am Mittwoch besann r>a,. NfxNn-r Sondergerichr der Prozeß gegen den 31jährigen Kommunisten Erwin Schulze, der beschuldigt wird, am 21. März Unter den Linden aus einem Dachraum eine Handgranate auf die Straße geworfen zu haben. Zu der Verhandlung sind vier Sachverständige und 79 Zeugen geladen. Gleich zu Beginn der Verhandlung fragte der Vorsitzende den Angeklagten, ob er die Handgranate geworfen habe. Der Angeklagte antwortete mit „Ja" und „Jawohl". Der Angeklagte erklärte, die volle Wahrheit sagen zu wollen und begann anschließend m't der Schilderung seines Lebenslaufes. Er habe zuerst Mechaniker oder Motorenschlosser werden wollen, aber die Lehrstellen hätten ihm nicht behagt. In Konstanz sei er in eine Minenwerferkompagnie der Reichswehr eingetreten. Er habe anderthalb Jahre gedient, will aber niemals Uebungen mit scharfen Handgranaten mitgemacht haben. Bei einer Kraftfahrabteilung in Jüterbog, zu der er sich hat versetzen lassen, sei er unerheblich dreimal mit Mittelarrest bestraft worden. Im Juni 1923 fei er von der Strafkammer in Potsdam wegen Ungehorsams, tätlichen Angriffs auf einen Vorgesetzten und unerlaubter Entfernung vom Heers zu anderthalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst habe er geheiratet. Er habe zwei Kinder. Zufällig habe er eine ArbeU.als Waler bekommen. Auf
der Arbeitsstelle habe er ein Mitglied des Rotfrontkämpferbundes kennengelernt. Uebungen und Aufmärsche habe er sich einigemale angesehen, ohne sich jedoch aktiv daran zu beteiligen.
Vorsitzender: Wann sind Sie aber der KPD. bei getreten? Haben Sie sich dort besonders betätigt? Angeklagter: Ich habe für die KPD. Zettel ausgetragen, Plakate gemalt und geklebt. Häufig habe ich Versammlungen besucht. Auf eine Frage des Vorsitzenden ob er je gesagt habe: „Wir wollen ein SA.-Lokal stürmen", will sich der Angeklagte daran nicht erinnern. Im Jahre 1932 sei er aus der Partei ausgetreten wegen Unterschlagungen, die dort vorgekommen sind. Er habe sich oann für eine „national-kommunistische Bewegung" interessiert. Ueber den Umschwung in Deutschland habe er sich keine Gedanken gemacht.
Schulze erklärt, daß er für seine Firma Renovierungsarbeiten im Hause Unter den Linden 76 ausführte. Zur Zeit der Tat habe er die Jalousien des Dachraumes in dem Hause gestrichen. Der Angeklagte, der bisher alle Fragen flüssig und klar beantwortet hatte, begann nun vor jeder Antwort lange zu überlegen. Als er erwähnte, daß er den Boden des Hauses durchstöbert und dort Bücher und Zeitungen gefunden hätte, fragt r der Vorsitzende den Angeklagten, ob er dabei noch etwas anderes l gefunden habe. Der Angeklagte schweigt minutenlang. Auch z auf den Hinweis des Vorsitzenden, daß er die Handgranate doch irgendwo gesunden haben müsse, und wie er selbst zugebe, sie herabgeschleudert zu haben, gibt. Schulz keine Antwort. Vorsitzender: Es scheint mir fast, als ob sie doch mit irgend einer Wahrheit hinter dem Berge halten als ob sie noch etwas zu erklären haben, was Sie bisher nicht gesagt haben.
Nach langem Schweigen bricht der Angeklagte plötzlich in Tränen aus. Er ruft mit lauter Stimme: „Das ist die Wahrheit, daß ich es nicht getan habe. Bestrafen Sie mich nur für meinen Schwindel. Die Handgranate habe ich nicht geworfen. Es war nur eine Angstlüge von mir. Jetzt liege ich drin. Keiner glaubt mir. Wenn ich die Handgranate geworfen hätte würde ich es zugeben. Ich bin in eine Sache verwickelt worden, mit der ich gar nichts zu tun habe.
Der Vorsitzende weist den Angeklagten jetzt sehr ernst und eindringlich daraus hin, daß er doch sechs Geständnisse abgelegt und dabei Einzelheiten angegeben habe, die niemand wissen könne als diejenige Person, die die Handgranate geworfen hätte. Auch zu Beginn der heutigen Verhandlung habe er doch ohne jede Beeinflussung ein klares Geständnis abgelegt, ebenso wie seinerzeit vor der Polizei und dem Untersuchungsrichter.
Der Angeklagte erwidert darauf nur, daß «r während der Arbeit eine Detonation gehört habe, und zunächst geglaubt habe, eine Flasche sei geplatzt. Als er aut die Straße hinuntergeeilt sei. habe er die Polizei stehen sehen.
Trotz eindringlicher Ermahnungen blieb der Angeklagte bei dem Widerruf seines Geständnisses und schweigt verstockt.
Nach kurzer Unterbrechung der Verhandlung fragt der Vorsitzende den Angeklagten, der sich inzwischen mit seinem Verteidiger beraten hat: „Nun, Schulze, was sagen Sie jetzt?"
Der Angeklagte schweigt.
Sein Verteidiger gibt hierauf die Erklärung ab, daß es ihm nicht gelungen sei, aus dem Angeklagten ein« eindeutige Erklärung herauszubekommen.
Vorsitzender: „Ich habe das Gefühl, als wenn das Geständnis zwar stimmt, der Angeklagte jetzt nur Angst davor hat, die Einzelheiten der Tat zu schildern."
--Zeug« Willy Noack vernommen, der als Jalousienbauer zusammen mit dem Angeklagten Schulze in dem gleichen Raume gearbeitet hat. Als die Explosion ertönte, habe er sich zur Wand umgedreht; so viel er sich erinnern könne, habe Schulze hinter ihm gestanden. Ob Schulze an ihm vorbei zum Fenster und wieder zurückgelaufen sei, könne er nicht sagen. Der Zeuge bekundet weiter, daß Schulze die Treppe hinuntergelaufen sei, um festzustellen, was passiert sei. Nach einiger Zeit sei er zurückgekommen und habe erzählt, ! auf der Straße stände ein beschädigtes Auto und er nehme an, ! daß der Benzintank explodiert sei. Es werden dann eine Reihe - von Augenzeugen vernommen, die übereinstimmend aussagen. dag di« Handgranate aus der Dachlucke des Hauses Unter den 76, m der Schulze arbeitete, geworden, wurde.
Gegen das DenunzianteniM
Berlin, 16. Mai. Der Reichsminister des Innern hat vor einige» Tagen ein Schreiben an die Landesregierungen gerichtet, das die Bekämpfung des Denunziantentums zum Ziel hat. Er hat ersucht, die Polizeibehörden anzuweisen, gegen die leichtfertige Erstattung ungerechtfertigter Anzeigen auf Grund des Paragraph 161 des Strafgesetzbuches in der neuen Fassung vom
ich ganz verblödet sein muß, weil sie immer an mir etwas auszusetzen haben. Fräulein Lobe nörgelt jetzt so oft an meinen Briefen. Sie findet sie nicht sauber genug getippt, und dabei...Du weißt doch, Tante, wie oft ich mir die Hände wasche, damit ja alles recht korrekt aussieht. Das habe -ich doch schon immer zu deiner Zufriedenheit gemacht, wenn ich früher deine kleinen Rechnungen und Kundenbriefe erledigte. Ich habe es nicht vergessen, daß du oft sagtest: ,Km-d, der Brief muß die Visitenkarte des Absenders sein!' Und nun passiert es mir so oft, daß sie sagt: ,Fräulein Neuß wie können Sie sich nur erlauben, dem Herrn Direktor so schmutzige Briese in die Unterschriftsmappe zu legen?' Oder oft greift -sie mich auch persönlich an und sagt, wenn ich morgens komme: ,Na, nicht ausgeschlafen? Bei Ihnen fleckt's wieder mal gar nicht. Wer weih, wo Sie sich gestern abend wieder herumgedrückt haben.' Dann lachen die anderen natürlich, während ich heulen könnte. Aber ich heule nicht, Tante. Lieber beiße ich ganz fest die Zähne zusammen. Ich kann doch nichts gegen sie machen. Sie steht nun einmal unserer Abteilung vor und da muß man sich fügen."
Die arme Kleine! Tante Bergmann war entsetzt über Rosemaries Worte und bedrückt zugleich. Rosemarie mußte sich nach einer anderen Stellung umsehen, das war klar — aber wo gab es heute noch eine Stellung? Es war ja so ein Zufall gewesen, daß sie damals bei Bachstedt untergekommen war.
„Und dann..." Rosemarie berichtete weiter: „Da ist doch in unserer Firma der Doktor Wangenheim, das ist! ein Neffe des Chefs, und sozusagen sein Stellvertreter. Ich glaube, Tante, die Lobe liebt ihn, denn ich habe gemerkt, sie quält mich doppelt, seitdem er neulich einmal zu mir sagte: ,Na, wollen Sie für mich einmal Stenogramm aufnehmen, kleine Schönheitskönigin? Es war doch nur ein I dummer Scherz von ihm, Tantchen: aber es hat sie wohl I schwer erregt. Dabei habe ich noch nie den Eindruck gehabt,
I daß er sich etwas aus ihr macht."
„Kind, du mußt dich jetzt aber fertig machen. Wir haben über diesen unangenehmen Dingen fast vergessen, daß du heute abend noch soviel Schönes erleben wirst. Also schnell fertig machen! Ein viertel nach acht Uhr wollte Ilse mit ihren Eltern kommen."
Rosemar-ie sprang auf. „Ja, jetzt schnell! Es dauert bei mir nicht lange."
Sie schlüpfte hinüber ins Schlafstübchen und stand wenige Minuten später vor der Tante, die -nun doch selbst -von der Lieblichkeit der Nichte überrascht war.
Alles, was sie soeben noch schwer bedrückt hatte, war von ihr gewichen. Ihre schönen blauen Augen leuchteten in Freude und Dankbarkeit.
Einen Augenblick lang durchfuhr -Frau Bergmann ein stechender Schmerz. Wie lange noch würde Rosemarie ihr so bleiben? So kindlich-freudig, so engelsrein? Sie war unsagbar schön, wie sie jetzt so in ihrer knospenhaiften Lieblichkeit vor der Tante stan-d. Aber die Tante hatte auch wohl gesehen, wie die Blicke der Männer der Nichte folgten, wenn sie durch die Straßen gingen. Wer würde als Erster seine Hand nach der lieblichen Blüte ausstrecken? Und war er Rosemaries würdig?
„Schon wieder grübelst du, Tantchen! Was geht dir denn heute nur immer durch den Kopf? Es wird Zeit, daß du mal ein paar Wochen ausspannst. Zu dumm, daß ich nicht etwas unsanfter mit dir verfahren bin, als du heute abend -wieder zu Hause bleiben wolltest, wo. es doch mein erster Ball ist", beschloß sie träumerisch ihre scherzhafte Gardinenpredigt.
„Du weißt doch, Herzchen, daß ich bis zum Zwölften die Garderobe -für Frau Direktor Schönholz fertig haben muh. Und heute ist schon der Siebente. Da heißt -es, sich sputen. Und die Zeiten -sind nun mal so, daß man keinen Kunden vor den Kopf stoßen darf, indem man ihn nicht auf die Stunden pünktlich beliefert."
(Fortsetzung folgt.)