Ein Flüchtlingskommissar
Genf, 10. Okt. Der 2. Ausschuß der Völkerbundsversammlung nahm heute bei deutscher Stimmenthaltung eine Entschließung an, die dem Völkerbundsrat empfiehlt, einen Kommissar für die deutschen Flüchtlinge zu ernennen und die interessierten Negierungen und privaten Verbände aufzufordern, ihrerseits Vertreter in einen hierfür geschaffenen V e r w a l t u n g s r a t zu entsenden. Der Völkerbundskommissar und der Verwaltungsrat sollen selbständige, vom Völkerbundsrat unabhängige Organe sein. Die Kosten der Arbeiten sollen durch private Spenden gedeckt werden. Um jedoch die Arbeiten unverzüglich beginnen zu können, soll der Völkerbund einen Vorschuß von 25 000 Schweizer Franken leisten. Die Entschließung soll allen Mitgliedern und Nichtmitgliedstaaten des Völkerbunds zur weitgehenden Mitarbeit zugeleitet werden.
Englisches Niesenslugboot
London, 10. Okt. Ein neues schwer bewaffnetes Riesenflugboot für die englischen Luftstreitkräfte mit dem Namen „Perth", das in den Werken der Blackburn Flugzeuggesellschaft in Brough-Dorkshire fertiggestellt worden ist, wurde am Montag getauft. Es handelt sich um das erste Flugboot eines neuen Typs, von dem 4 Maschinen in Auftrag gegeben worden sind. Die „Perth" besitzt 3 Rollsroyce-Motoren von je 930 PS-, hat eine Reichweite von 1500 Seemeilen (etwa 2700 Km.) und eine Stundengeschwindigkeit von 132 Meilen. Die Ausrüstung besteht aus einer im Bug angebrachten Schnellfeuerkanone von 3,75 Zentimeter Kaliber, die in der Minute 100 Granaten abfeuern kann, drei Maschinengewehren und einer Bombenladung von 2000 Pfund (907 Kg.) Gewicht. Die Besatzung ist fünsköpfig. Der Namenstaufe folgte eine Vorführung der Schnellfeuerkanone, mit der auf eine ein Unterseeboot darstellende Zielscheibe geschossen wurde.
Keine Fachschaften in der Polizei
Berlin, 10. Okt. Ministerpräsident Göring hat jede Tätigkeit nationalsozialistischer Fachschaften in der ganzen uniformierten Vollzugspolizei und die Beteiligung der Polizei an ihnen verboten mit der Begründung, daß nach Wiederherstellung des Berufsbeamtentums und Ausmerzung aller für den nationalsozialistischen Staat nicht unbedingt zuverlässigen Elemente in den festgefügten Polizeikörpern keine Notwendigkeit für das Wirken der nationalsozialistischen Fachschaften mehr bestehe.
Aufhebung der landw. Grundvermögenssleuer
Berlin. 10. Okt. Lurch Verordnung des preußischen Finanzministers Popitz ist in Preußen die staatliche Grundvermögens st euer für die landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich und gärtnerisch genutzten Grundstücke vom ^ 1. Oktober 1933 an aufgehoben worden. Die Steuer wird j vom Staat weiter veranlagt, aber nur zu dem Zweck, daß , die Gemeinden, deren Zuschlagsrecht bestehen bleibt, ihre Steuer berechnen und erheben können.
Warum deutsche Erzeugnisse?
Von Oberbürgermeister Dr. Strölin - Stuttgart
In der Zeit vom 15. bis 21. Oktober findet in Württemberg und Hohenzollern eine Werbewoche für das deutsche Handwerk gemeinsam mit einer Deutschen Woche zur Werbung für deutsche Erzeugnisse statt. Ich begrüße diese im ganzen Reich bevorstehenden Veranstaltungen und, wünsche ihnen einen vollen Erfolg.
Warum ist es notwendig, deutsche Erzeugnisse zu bevorzugen? Alle Glieder der deutschen Wirtschaft sind unlösbar auf Gedeih und Verderben miteinander verbunden. Eine gesunde Landwirtschaft ist der Jungbrunnen der Nation, der leistungsfähige Handwerkerstand bildet den Kern eines gesunden und tüchtigen Mittelstands. Wissenschaft und Technik stellen die Kräfte zur Leitung der Volkswirtschaft, eine leistungsfähige Industrie muß Millionen von Volksgenossen Arbeit und Brot schaffen. Die deutsche Woche hat sich aus der Not unseres Volks entwickelt. Es ist notwendig, jedem einzelnen Volksgenossen immer wieder seine Verantwortung
aegenuver oem Mlksganzen als Kaustr Mm Bewüßstem rn bringen, m erster Linie Erzeugnisse unseres Heimatbodens und Erzeugnisse deutscher Arbeit zu kaufen. Das Ziel mutz Beseitigung der Arbeitslosigkeit und Schaffung von Arbeit und Brot für unser deutsches Volk. Mögen die Werbe- woche für das deutsche Handwerk und die Deutsche Woche mr Werbung für deutsche Erzeugnisse dieses Ziel zu ihrem TUl mit fördern.
Württemberg
Sternschnuppenregen
Ein außerordentlich schönes Schauspiel am Himmels- zeit konnte, wie schon kurz berichtet, am Montag etwa von 8 Uhr an beobachtet werden. Wohl über tausend Stern schnuppen schossen, anscheinend im Zenith aus dem Sterm bild des Drachen kommend, in östlicher Richtung am klaren nächtlichen Himmel hin. Darunter befanden sich helleuchtende Körper, die einen langen leuchtenden Schweif hinterliehsn. Durch die Instrumente der Sternwarte in Bergedorf wurden rund 350 fallende Sternschnuppen als Höchstzahl in der Minute festgestellt. Der Sternschnuppenfall dauerte rät abnehmender Stärke bis gegen 10 Uhr an.
Sternschnuppenfälle größeren Umfangs pflegen in den Nächten um den 12. November einzutreten. Sie werden auch die Leoniden genannt, nach ihrem Ausgangspunkt aus dem Sternbild des Löwen. Diese Sternschnuppen erreichen alle 33 Jahre ihren Höhepunkt. Weniger dicht, aber gleichmäßiger wiederkehrend sind die Sternschnuppenregen um den 10. August, Perseiden genannt, weil sie aus dem Stern- bild der Perseus kommen. Außerdem werden auch vom 18. bis 20. April, 26. bis 30. Juni und 9. bis 12. Dese.nber Sternschnuppenfälle beobachtet. Um den 9. Oktober aber ist die Erscheinung noch nie oder nur in ganz vereinzelten Fällen aufgetreten. Die Sternschnuppen sind bekanntlich nach der heutigen Erklärung der astronomischen Wissenschaft Splitter eines durch den Weltenraum sausenden Kometen, das heißt eines durch Zusammenstoß aus der Bahn geworfenen und zertrümmerten Sterns oder Himmelskörpers. Kommt unsere Erde bei ihrem Umlauf um die Sonne in die Nähe der Bahn, die ein solcher Komet durchläuft und in der seine Splitter noch schwirren, so werden diese von der Erde angezogen und verbrennen vollends durch die Reibung in die Erd-Atmosphäre. Die Reste gelangen also nicht mehr auf die Erdoberfläche oder doch nur dann, wenn es sich, was sehr selten ist, um sehr große Stücke handeln sollte. Diese Sternschnuppen sind indessen nicht mit den Meteoren zu verwechseln, die bisweilen von der Erde angezogen werden und die eine außerordentliche Größe haben können. In Sibirien soll vor einigen Jahren durch ein Meteor ein ganzer Wald vernichtet worden sein.
Die Sternschnuppen haben nach den astronomischen Beobachtungen eine Geschwindigkeit von 15 bis 50 Kilometer und noch mehr in der Sekunde; sie leuchten auf (im Mittel) in einer Höhe von etwa 100 Kilometer und verlöschen in einer Höhe von 30 Kilometer; es sind aber schon weit größere Höhen berechnet worden. Da, wie gesagt, um die gegenwärtige Jahreszeit -derartige Ste rnschnupp enschmärme noch nie beobachtet worden sind, vermutet man in astronomischen Kreisen als Ursache ein außergewöhnliches Ereignis, das möglicherweise auf eine Katastrophe im Weltall zurückzuführen ist.
Stukkgark. 10. Oktober.
Der Dank des Reichspräsidenten. Der Herr Reichspräsident hat dem Herrn Ministerpräsidenten für die ihm zu seinem Geburtstag namens der Württ. Regierung und des württembergischsn Volks übermittelten Glückwünsche in einem persönlichen Schreiben seinen herzlichen Dank ausgesprochen.
Alle über 65 Jahre allen Arbeiter müssen ausscheiden.
Um Arbeitslose unterbringen zu können, hat Oberbürgermeister Dr. Strölin angeordnet, daß alle städtischen Arbeiter, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, spätestens drei Monate nach diesem Zeitpunkt aus -dem städtischen Dienst ausscheiden müssen.
Arbeiksmarkt Südwestdeutschland. Am 30. September standen in der versicherungsmäßigen Arbeitslosenunterstützung 20914 Personen (16407 Männer, 4507 Frauen), in der Krisenfürsorge 69622 Personen (55 213 Männer, 14 409 Frauen). Die Gesamtzahl der Hauptunterstützungsempfänger ist um 3888 oder um 4,1 v. H., nämlich von 94 424 auf 90 536 Personen (71 620 Mäfl-
gefordert, sü schießen, wck? dilstk üttch WM hübe. Tr gibt Sie Möglichkeit zu, daß-die beiden Feuerscheine von einer Person herrührten. Vorsitzender: Wie haben Sie sich nach dem Schuß des Polizeibeamten weiter verhalten? Zeuge? Ich blieb kurze Zeit an meinem Standort stehen, wurde dann aber mit den übrigen Fußgängern, die sich inzwischen angesammclt hatten, vom Ueber- fallkommando zurückgedrängt. Die Passanten gingen auseinander und ich ging in Richtung Lehrter Bahnhof über den Platz. Als ich an der Siegessäule angelangt war, sah ich mich noch einmal um und da bemerkte ich plötzlich einen glutroten Schein in der Suppet des Reichskagsgebäudes. Ich vermutete dort sofort einen umfangreichen Brandherd, lief zurück und teilte der Feuerwehr meine Beobachtungen mit.
Es werden dann durch Oberreichsanwalt Dr. Werner, sowie durch die Verteidiger Dr. Seussert und Teicherk an den Zeugen Thaler eine Reihe von Fragen gerichtet. Der Zeuge erklärt sehr bestimmt, daß die erste Gestalt, die zuerst eingestiegen sei, rechts und die Person, die nachfolgte, links von seinem Standort gestanden habe. Der Zeuge hält es für ausgeschlossen, daß es sich bei der zweiten um einen Schallen handeln konnte. Es wird beschlossen, die drei Tatzeugen einander gegenüberzustellen und ferner eine Augenscheinnahme des Tatbestandes, wie er am 27 Februar abends war, vorzunehmen.
Dimilrofs hat hierauf wieder mal das Bedürfnis, Fragen an die Zeugen zu richten. Senatspräsident Dr. Bänger läßt mit großer Geduld diese Fragen zu.
Dan der Lubbe wird darauf an den Zeugentisch geführt- Vorsitzender: Haben Sie gehört, was die Zeugen heute ausgesagt hoben? Eine Antwort van der Lübbes ist im Saale nicht zu hücen. Der Dolmetscher, der sich über van der Lubbe beugt, erklärt schließlich, van der Lubbe habe leise Ja geantwortet. Vorsitzender: Ist es richtig, wie die Zeugen es bekundet haben, daß Sie, vom Portal ausgesehen, in das erste Fenster eingestiegen sind, u-d zwar über den Balkon? Van der Lubbe (leise): Ja. Vorsitzender: Können Sie ganz genau sagen, daß keine zweite Person dabei war? Van der Lubbe antwortet wieder so leise mit Ja, daß sein Dolmetscher es wiederholen muß. Schließlich erklärt Dimilrofs: van der Lubbe solle hier eine ganz klare und offene Antwort vor dem Gericht und vor der ganzen Welt geben. Vorsitzender: „Antworten Sie, van der Lubbe, haben Sie den Reichstag allein angesteckk oder nicht?" Alles blickt gespannt auf den Haupt- ongeklagten. Dr. Bünger mahnt noch einmal sehr eindringlich: Antworten Sie: van der Lubbe: Ja. Vorsitzender: Ich will noch- mals fragen: Haben Sie den Reichstag allein angesteckt? Dimi- lrosf ruft in höchster Erregung: Unmöglich! Ausgeschlossen! Dr. Bänger zu Dimitroff gewandt: Schweigen Sie, ich entziehe Ihnen hierfür das Wort. Angeklagter van der Lubbe. haben Sie den Reichstag allein angesteckt? van der Lubbe: Ja. Dr. Bünger: Haben andere die Brandstiftung vorbereikek, Ihnen dabei geholfen? van der Lubbe: Das kann ich nicht sagen.
Es wird dann mit der Zeugenvernehmung fortgefahren.
Kommunistischer Anschlag auf das deutsche Konsulat in Beirut
Berlin, 10. Okt. Nach einem Bericht aus Beirut (Syrien) ist in der Nacht zum 23. September gegen 10 Uhr gegen das deutsche Konsulat ein Anschlag von kommunistischer Seite verübt worden. Die Kommunisten begnügten sich dabei nicht damit, nur die Martern M bemalen, sondern haben gegen das Konsulatsgebäude Kanonenschläge geworfen, von denen einer auf der Veranda, einer oberhalb des Fensters der Kanzlei und zwei oberhalb der Fenster der Wohnung Dr. Ziemkes erplodierten. Materialschaden in größerem Umfang wurde nicht angerichtet. Gleichzeitig wurde an die Konsulatsmauer ein Papier angeklebt, das mit Hammer und Sichel geschmückt war und in dem in arabischer Schrift gegendie Regierung Hitlers protestiert wurde.
Nach Angabe der Augenzeugen haben sich die Täter gleich nach' der Tat im Kraftwagen entfernt. Sie konnten bis jetzt nicht gefaßt werden. Inzwischen hat der stellvertretende Leiter des diplomatischen Büros dem deutschen Konsul das Bedauern des Oberkommissars über den Unfall ausgesprochen. Er hat zugesagt, daß die gerichtliche Verfolgung der Täter mit aller Entschiedenheit durchgeführt werde und daß das Konsulat von nun an mit größter Sorgfalt überwacht werden solle.
Verbot von Vort-Kgen über die neuen landwirtschaftlichen
Gesetze
Berlin, 10. Okt. Reichsernährungsminister Darrö hat zwecks Vermeidung von Unruhe Vorträge über das Reichserbhofgesetz, das Reichsnährstandgesetz sowie über die Neugliederung der landwirtschaftlichen Marktorganisation v e r- boten, sofern nicht der zuständige Landesbauernführer ausdrücklich die Genehmigung gibt, bzw. in Zweifelssällen die Genehmigung des Reichsministeriums erteilt ist.
Münchener Kriminalroman von Hans Klingenstein Urcheberrechtsschutz durch Verlagsanstalt Mcmz, Regensburg.
24. Fortsetzung. Nachdruck verboten.
„Das ist doch merkwürdig, gnädige Frau!" Spannagel schüttelte den Kopf. „Die Polizei recherchiert seit zwei Tagen unermüdlich nach jedem Pfennig, den Riedl in letz- i ter Zeit verausgabt hat. Wir sind auf keinen Posten gestoßen, der außergewöhnlich ist. Wir fiselten seine Tischrechnungen im Preysing-Palais durch, die Rechnungen des Schneiders, der Schuh- und Krawattenhäuser, alle Ausgaben bei den kleinen Privatfahrten und jeden Pfennig, den er in Oberaudorf verbrauchte. Wir wissen sogar, wieviel Zigaretten er rauchte und gewissermaßen wie oft er die j Hemden wechselte. Es ist nichts da, gnädige Frau."
„Und doch, es muß etwas da sein. Irgendwo ist ein ! unterirdischer Strom, in dem die Tausende von Mark da- s vonfließen. Ich schwöre es. Das Wasser muß meinem Mann ^ am Mund gestanden haben, ehe er zu mir kam und mich um ' einige Tausend Mark anbettelte. Ich habe mich weiter erkundigt. Der Kredit bei seinen Freunden war erschöpft. Ich meine seine Freunde, von denen die Bank nichts weiß. Und er hatte solche Freunde, aus seiner Fliegerzeit, seinen Studentenjahren; er war ein durchaus nobler Mann und man half ihm gerne aus jeder Verlegenheit. Aber ich wiederhole es, sein Kredit bei diesen Freunden war erschöpft. Es blieb ihm nur noch seine Frau."
„Und die gab ihm das Geld nicht?"
„Nein!" sagt Frau Cora kurz.
„Und dann ging er hin und nahm es aus seinen Tresors. Aber wem schuldete er es?"
„Wenn Sie mir das sagen, Herr Kommissar, dann werden wir das ganze Rätsel um Riedl gelöst haben, und ich bin bereit, ein Vermögen dafür zu bezahlen."
„Ich sehe, wir kommen hier nicht weiter", seufzte Span- «agel und versank ins Brüten.
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Da erlöste ihn ein Mädchen, das herein kam und meldete, der Herr Kommissar Spannagel werde ans Telephon gewünscht. Der Chef war da:
„Ich muß Ihr tete a tete stören, Spannagel. Aber es ist gut, wenn Sie Folgendes wissen: Der Portier des Rsgina- Palast-Hotels hat sich gemeldet. Er hat im Aufträge von Riedl bei dem Büro der Hapag ein Billett nach Buenos Aires bestellt. Datum: — Erschrecken sie nicht — 23. Dezember, einen Tag vor dem Weihnachtsabend. Er hat es sicher nicht seiner Cora auf den Gabentisch gelegt. Bohren Sie leise, ob Riedl nicht etwa schon damals durchbrennen wollte? — Und noch eines, aufgepaßt. Die berühmte Unbekannte der Kriminal-Romans erscheint! Ich war gestern im Herrenklub. Der Ober erzählt mir, daß Riedl zweimal mit einer blonden, sehr, sehr hübschen Frau zusammen im Preysing-Palais gespeist hat. Datum: Ende Oktober und Mitte November. Das zweitemal war ein im Preysing-Palais unbekannter, gut aussehender Herr bei ihnen. Ob Sie auch dieses der Frau Cora flüstern wollen, bleibe dahin gestellt. Gibt es Neues Ihrerseits? — Aber sprechen Sie lieber nicht davon, Sie wissen, man muß am Telephon sehr vorsichtig sein!"
Spannagel hörte noch das Kichern des Chefs und das Gespräch war zu Ende. Als er in das Besuchszimmer zurückkam, stand Frau Riedl am Fenster. Sie schien sich wieder ganz gefaßt zu haben. Die Aussprache hatte ihr Herz erleichtert. Spannagel fand, daß das resignierte Lächeln dem Gesicht reizend stand.
„Darf man hören, was der gestrenge Chef meldete?"
Spannagel überlegte. „Es ist ganz unwesentlich ... Aber unterdessen ist mir ein Gedanke gekommen. Von wann ab, gnädige Frau, bemerkten Sie eine Aenderung in dem Benehmen Ihres Mannes?"
„Seit einem halben Jahr. Aber fragen Sie mich nicht, auf was ich das zurückführe. Ich habe mir nächtelang den Kopf zerbrochen und kam nicht dahinter."
„Also schon vor Weihnachten?"
„Sicher."
„Und an Weihnachten selbst?"
„Nun werden Sie bitte nicht sentimental. Weder Riedl noch ich litten an Ueberschwang der Gefühle. Letztes Jahr, als Mutter noch lebte, stellten wir an ihrem Krankenbett ein kleines Bäumchen auf, und bedachten uns gegenseitig mit Geschenken." :
„Und dieses Jahr?"
„Fiel jegliche Vorstellung aus. Im Gegenteil, ich erinnere mich sogar, daß wir uns dieses Jahr am Weihnachtsabend etwas zankten. Eine lächerliche Geschichte! Wir wollten zusammen abends in die „Jahreszeiten" essen gehen und ich hatte mich in Parade geworfen. Ausgerechnet an diesem Abend ließ mich Sigismund, der sonst ein Muster von Pünktlichkeit war, zwanzig Minuten lang warten, angeblich, weil er noch einen Freund getroffen hatte. Dummerweise benahm ich mich kindisch und schmollte. Vielleicht — sehen Sie, ich erzähle Ihnen alles mit rührender Offenheit — war auch das blonde Frauenhaar schuld, das ich am Smoking meines Herrn Gemahls entdeckte, eben wie ich mit ihm zur Türe schritt. Bei Gott, ich war eifersüchtig. Nun ja, der Abend war uns auf jeden Fall gründlich verdorben. — Aber Sie hören ja gar nicht zu?"
Spannagel errötete. Seine Gedanken waren auf Abwege geraten. Das blonde Frauenhaar?! Was sagte der Chef von einer blonden Frau, mit der Riedl zweimal soupiert habe? Und das, Billett nach Buenos Aires? Es zuckte in seinem Hirn. Die Sache war klar. Er stürzte auf. „Entschuldigen Sie einen Augenblick, Gnädigste, es fiel mir etwas furchtbar heiß aus die Seele. Sie gestatten, daß ich telephoniere?" ,
Spannagel rief Renner an. „Lassen Sie doch bitte beim Passagier-Büro der Hapag in Hamburg feststellen, welche Dame aus München mit dem Dampfer am 1., 2., 3. Januar, kurzum, die ersten Tage im neuen Jahr nach Buenos Aires fuhr? Dringend! Es muß eine hübsche blonde Frau gewesen sein. Näheres, Herr Inspektor, mündlich." '
(Fortsetzung folgt.)
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