Der Dank Hindenburgs
Berlin 4 Ok. Die Ansprache, die der Herr Reichspräsident heute als Dank sür die ihm enigegengebrachten Gluck- wünsche und erwiesenen Aufmerksamkeiten im Rundfunk
hielt, hat folgenden Wortlaut:
..Zur Vollendung des SS. Lebensjahrs sind mir aus allen Teilen des Reichs und auch von , den Deutschen jenseits unserer Grenzen zahlreiche Glückwünsche zugegangen. AU diese Grütze und Gaben von groß und klein, von reich und arm haben mich tief berührt. Ich habe diese vielen Zeichen perfönlick m Gedenkens zugleich als Beweis.treuer vaterländischer Gesinnung und Verbundenheit begrutzt. 7Mt besonderer Befriedigung habe ich auch davon Kenntnis erhalten, datz der Ruf der Hindenburg-Spende, die meinen alten lriegsbeschädigten Kameraden und ihren Hinterbliebenen in Fällen der Not bisher so segensreich geholten hat. guten Widerhall gefunden und neue Mittel zu diesem Zweck erbracht hat. So danke ich denn heute von ganzem Herzen allen, die meiner gedacht, die in meinem Sinne vielen Ve- dürftigen Hilfe gebracht und die mich durch das Gelöbnis treuer Mitarbeit am Wiederaufbau des Vaterlands erfreut
stehen vor schweren Ausgaben. Rach außen ringen wir um unsere Freiheit und unser Recht, im Innern um Arbeit und Brot. Rach wie vor w,rd es mein S'e» sein, als gerechter Sachwalter des gesamte" Volks über den Parteien stehend alle Deutschen hierfür zusammenzuschließen. Ich baue
dabei auf den gesunden Sinn des deutschen Volks, besten Geschichte lehrt, datz es sich auch in früheren Zeiten der Rot und Gefahr einig hinter eme starke und vom nationalen Willen beseelte Führung gestellt HA..Es geht nicht um die Anschauungen und Wunsche von Per-
sonen. Gruppen und Parteien, es geht um das Vaterland, es geht um Deutschlands Zukunft.
Dieser zu dienen, für sie Opfer zu bringen, mutz der Wille jedes deutschen Mannes, jeder deutschen Frau sein.' Wer ln dieser Erkenntnis zu mir steht und hilft, hat mir die beste Geburtstagsfreude bereitet. Tn diesem Sinn:
Vorwärts mit Gott!"
Berlin. 4. Okt. Seine Heiligkeit PapstPiusXI. hat dem Herrn Reichspräsidenten zu seinem 85 Geburtstag durch den apostolischen Nuntius in Berlin seine besten Gluck- und Segenswünsche übermittelt.
Wclleinberg
Württ. Bauern- und Weingärtnerbund
Stuttgart, 4. Okt, Der Landesausschutz des Württem- bergischen Bauern- und Meingärnerbunds nahm in seiner Tagung am Sonntag in Stuttgart Stellung gegen die Notverordnung der württ. Regierung betr. Einführung der Schlacht st euer. Der Landesausschutz erwartet, datz die Negierung die Steuer zurückziehe. Der Bauernbund werde eine Regierung mit den schärfsten Waffen bekämvfen, die -er Notlage der Landwirtschaft zu wenig Rechnung trage, wie es durch die Einführung dieser die Landwirtschaft schwer drückenden Steuer geschah.
Au den politischen Vorgängen der letzten Monate im Reich nimmt der Württ. Bauernbund folgende Stellung ein: Das nach dem inneren Ilmsturz aufgerichtete neudeutsche Regierungssystem ist in diesem Jahr an seiner eigenen Unfähigkeit zusammengebrochen. Es hat sich gezeigt, daß der Parlamentarismus für Deutschland nicht taugt. Die Verderblichkeit dieses Systems erkannt und daraus die praktische Folgerung gezogen zu haben, ist das Verdienst des Reichspräsidenten v. Hindenburg. Der am 31. Juki 1932 gewählte Reichstag hatte weder eine arbeitsfähige noch eins nationale Mehrheit. Einen solchen Reichstag mußte dis Reichsregierung auflösen. Der Regierung Papen steht der Württ. Bauernbund vollkommen frei und nabhängig gegenüber. Er wartet ihre Leistungen für die deutsche Landwirtschaft ab. Wir fordern Einlösung der der deutschen Landwirtschaft gemachten Versprechungen.
Wie immer, so geht auch diesmal der Württ. Bauernbund als selbständige politische Organisation in den Wahlkampf. Es solle dafür gesorgt werden, daß am 6. November die Schande vom 9. November 1918 ausgewetzt werde.
Landesversammlung der Volksrecht-Partei
Stuttgart, 4. Okt. Am Sonntag hielt die Volksrecht- Partei hier eine außerordentliche Landesversammlung ab, die aus allen Teilen des Lands gut besucht war. Nach eingehender Aussprache beschloß die Versammlung, daß die Volksrecht-Partei sich am neuen Wahlkampf energisch beteiligen wird. Der Vorstand wurde ermächtigt, zur Auswertung der Stimmen ein geeignetes Listenabkommen ab
zuschließen. Als württ. Spitzenkandidat würde durch Zuküs Abgeordneter Bauser aufgestellt. Zum Wirtschastspro- gramm der Reichsregierung wurde folgende Stellungnahme beschlossen: Der mutige Versuch einer umfassenden Belebung der Wrtschaft ist zu begrüßen, und es ist zu wünschen, daß er zum Erfolg führt. Die Volksrecht-Partei muß aber aussprechen, daß sie in manchen Einzelheiten erhebliche Bedenken hat, und daß sie vor allem mit dem übermäßigen Abbau der sozialen Maßnahmen nicht einverstanden sein kann. Die Aktion der Regierung bedarf ferner notwendig der Ergänzung durch Maßnahmen, die die Wirtschaft von der Kaufkraft her beleben. Die Volksrecht-Partei wird der Reichsregierung erneut entsprechende Vorschläge unterbreiten.
Förderung der Wiederinstandsetzung des Hausbesitzes
Verhandlungen -es handwerkskammerkags
Unter Vorsitz der Vorortskammer Stuttgart fand eine Sitzung des Württ. Handwerkskammertags mit Vertretern der Württ. Landeskredikanstalt und der württ. Haus- und Grundbesihervereine statt, um in gemeinsamen Verhandlungen eine möglichst zweckmäßige und einfache Durchführung der von der Neichsregierung gegebenen Richtlinien für die Wiederinstandsetzung des hausbesihes zu erreichen. Die von der Württ. Landeskreditanstalt herausgegebsnen Verfahrensvorschriften wurden als durchaus geeignet angesehen.
Die Organisationen des Haus- und Grundbesitzes und des Handwerks sind sich einig, daß sie auch jetzt noch an ihren bisherigen Forderungen auf Gewährleistung der Gebäudeinstandsetzung durch Steuernachlaß, aus Aufhebung der Wohnungszwangswirtschast und auf Beseitigung der Gebäudeentschuldungssteuer festhalten und den Kampf bis zur Erreichung dieses Ziels weiterfühl en müssen. Das Vertrauen der Reichsregierung zur freien Wirtschaft und insbesondere die Bestrebungen zur Stützung und Kräftigung des deutschen Mittelstands legen dem erwerbstätigen Bürgertum in Handwerk, Gewerbe und Hausbesitz die Pflicht auf, den Kampf gegen die ungeheure Arbeitslosigkeit ungesäumt aufzunehmen, indem dem ordnungsmäßigen Handwerk und Gewerbe Arbeit gegeben wird, um das große Werk der Reform von Staat und Wirtschaft weiterzuführen.
Aufgabe aller beteiligten Stellen, vor allem auch der Bürgermeisterämter, ist es, in gegenseitiger Zusammenarbeit die Schwarzarbeit restlos auszuschatten. Die Hausbesitzer werden dringend aufgefordert, Versuche der Beschäftigung von Schwarzarbeitern in ihrem eigensten Interesse überhaupt nicht zu unternehmen, da neben der Verweigerung des LOprozentigen Reparaturkostenzuschusses die Beschäftigung von Schwarzarbeitern bei Unfällen und sonstigen Schadenersatzfällen geradezu existenzvernichtende Folgen für den Hausbesitzer nach sich ziehen kann. Aber auch für die Arbeitnehmerorganisationen dürfte die Entwicklung des schwarzen Arbeitsmarkts eine Warnung sein.
Vordrucke zu Anträgen auf Gewährung von Reichszuschüssen für Wohnungsinstandsetzungsn usw. können vom Verlag Wilh. Kohlhammer in Stuttgart, von den Bürgermeisterämtern, den Handwerkskammern und den Haus- und Grundbesitzerorganisationen bezogen werden. Die Anträge sind durch das Bürgermeisteramt an die Württ. Landeskreditanstalt zu richten.
Im Hinblick auf die jetzt allgemein in Angriff zu nehmenden Arbeiten des freiwilligen Arbeitsdienstes beschäftigte sich der Württ. Handwerkskammertag eingehend mit der Frage der Beschaffung der erforderlichen Kleidung, Lebensmittel, Werkzeuge und dergl. für die Arbeitswilligen. Das Handwerk drückt die Erwartung aus. daß es bei der Erteilung von derartigen Aufträgen ebenfalls berücksichtigt wird.
Große Enttäuschung löste die Tatsache aus. daß die praktische Verwirklichung des Beschlusses des Württ. Landtags vom März 1932 wegen der Errichtung der Reukralen Lchiedssielle im Vergebungswesen noch immer auf sich warten läßt. Das Handwerk wird sich gegen eine weitere Verzögerung niit aller Entschiedenheit wenden.
Stuttgart, 4. Oktober.
Vom Landtag. Die nationalsozialistische Fraktion hat einen Antrag eingebracht, der Regierung die Mißbilligung auszusprechen, daß der Landtag bei der Deckung des Fehlbetrags im Staatshaushalt ausgeschaltet worden sei. Die Regierung solle ersucht werden, die Notverordnung betr. Schlachtsteuer unverzüglich zurllckzuziehen und in Zusammenarbeit mit dem Landtag neue Deckungsvorschläge zu machen. Das Körperschaftsforstgesetz solle geändert und die Frage des 8. Schuljahrs und der Filialgewerbesteuer durch Gesetzentwürfe geregelt werden.
l-iekt Ewigkeit
Roman von Erich Kunter.
28 . Fortsetzung Nachdruck verboten.
Und, in einem Anfall von tollem Wagemut im Spiel mit der Gefahr fügte er hinzu: „Vor sechs Wochen nun, als ich meine ergebnislose Reise in die Heimat machte, kam es mir auf der Rückreise in den Sinn, den Vater meines verstorbenen Freundes zu besuchen. Das heißt, nein, die Absicht, ihn zu besuchen, hatte ich nicht. Sondern ich wurde auf eine merkwürdige Art in die Stadt, die ich nie vorher gesehen hatte, geführt und geriet unversehens an das Haus Ihres Bruders."
Die letzten Worte hatte Brilon ganz leise und zögernd gesprochen, als könne er selber nicht daran glauben. Er stand in sich rsunken da und murmelte: „Ich kann Ihnen das nicht erklären, Herr Andermatt."
„Tut nichts. Aber die Hauptsache: lernten Sie dann meinen Bruder noch kennen?"
„Nein, ich traf ihn nicht an."
„O, das ist schade. Nun können Sie leider das Versäumte nicht mehr nachholen. Denn inzwischen, wie ich Ihnen schon sagte, wurde mein Bruder ermordet. Oder war es vielleicht schon, als Sie ihn aufsuchen wollten?"
„Ich weiß es nicht", sagte Brilon, heiser vor Erregung.
„Denken Sie, Herr Brilon, durch den unglücklichen Zufall, daß ich am Tage vor dem sckrecklichen Ereignis aus Amerika zu meinem Stiefbruder auf Besuch kam, geriet ich selber in den Verdacht, der Mörder zu sein."
Brilon sah den Deutschamerikaner betroffen an. Dessen Blick hakte sich in den seinen und schien ihn nicht loslassen
zu wollen. Bert wandte sich in Qual vor dem Hellen forschenden Blick, der in seinem Innern zu lesen schien.
Da kam Constanze in das Gemach.
„Ah, da sind ja die beiden Helden des Tages", klang ihre melodische, heitere Stimme. „Wie kommt ihr dazu, euch meiner Tafelrunde zu entziehen, ihr Ungetreuen! Kümmern sich Ritter um ihre Edelfräuleins so wenig?"
Sich höflich entschuldigend, trat Andermatt an ihre Seite und auch Brilon schloß sich mit einem verlegenen Gestammel an.
Die Herrschaften sahen im Wintergarten an dem großen elipsenförmigen Tisch, der schon manche lustige Tafelrunde gesehen hatte, beim Wein in fröhlicher Unterhaltung.
Vor der Glasveranda träumten die üppigen exotischen Pflanzen ihren herbstlichen Traum in den kleinen hübschen Gewächshäusern.
Die Tannen des Grunewalds standen bis tief in den Garten hinein, über dem schon die Schwermut des beginnenden Winters lag. Die Künstler all in dem gemütlichen Raum spürten einen Hauch des schönen Naturbildes.
„Dies Glas auf die Schönheit!" sagte der Kritiker Eduard Kant. „Das einzige, was untadelhaft und nicht zu kritisieren ist: Die Schönheit der Natur und die Schönheit unserer Gastgeberin."
„Und die Unverfälschheit dieses edlen Rheinweins!" setzte Buxhorn hinzu.
Die Trinksprache jagten einander. Anlässe dazu waren genug vorhanden.
„Es lebe unser gemeinsames Werk und sein Dichter!" rief Constanze, das Glas schwingend. Alle erhoben sich zu Ehren Brilons.
Stuttgart. 4. Okk. Zusammentritt de? Lan?-'' tags. Der Landtag wird aus kommenden Dienstag, den 11. Okober einberufen werden. Den Hauptgegenstand der Beratungen wird voraussichtlich die Aussprache über die ö. und 6. Notverordnung des Staatsmmisteriums zur Sicherung des Haushalts in Staat und Gemeinden vom 24. September bilden.
Besichtigung der Kleinsiedelungen. In den letzten Ta- gen besichtigte unter Führung der Landeskreditanstalt der Vertreter des Reichsarbeitsministeriums, Ministerialrat Dr. Schmidt, eingehend die vorstädtischen Kleinsiedlungen in Württemberg. Sein Eindruck von ihnen war überaus günstig. Das Interesse der Gemeindebehörden an dem zunächst umstrittenen Unternehmen hat stark zugenommen. Die Siedler zeigten den ernsthaften Willen zur Uebernähine ihrer neuen Lebensaufgabe. Nach Musterungen von Mini- sterialrat Dr. Schmidt besteht Aussicht auf weitere Fortführung der Aktion. Dabei soll Württemberg angemessen be- rücksichtigt werden.
Das italienische Konsulat geschlossen. Das italienische Konsulat in Stuttgart ist ab heute von der italienischen Regierung geschlossen worden. Die Konsulatsgeschäfte werden vom italienischen Generalkonsulat in Frankfurt a. M. weiterbesorgt. Es liegt im Interesse der württ. Wirtschaft, daß bei Wiederkehr normaler Wirtschaftsverhältnisse das Stuttgarter Konsulat möglichst bald wieder seine Pforten öffnet.
Das erste Terrorurkeil. Am Dienstag kam die Terror- Notverordnung vom 9. August 1932 hier zum ersten Mal in Anwendung. Betroffen wurde ein 26 Jahre alter Metzgergeselle, der am 12. August einem Polizeibeamten, der ihn wegen Ruhestörung festnehmen und ihm die Handschließen anlegen wollte, drei Faustschläge auf die Brust versetzte. Die Große Strafkammer beim Landgericht Stuttgart verurteilte den Gesellen zu der gesetzlichen Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus. Das Gericht legte dem Verurteilten nahe, auf dem Weg der Gnade eine Milderung der Strafe herbeizuführen.
Verworfene Berufung. In einer mehrtägigen Sitzung und unter Aufbietung eines großen Sachverständigen- und Zeugenapparats hatte die Große Strafkammer einen Fall zu behandeln, der schon vor zwei Jahren das Große Schöffengericht beschäftigte. Damals wurde der beim Oberami Leonberg tätige Obersekretär Otto Bruderzu einem Jahr zwei Monaten Zuchthaus verurteilt, weil er nahezu 8060 Mark unterschlagen und Bücher gefälscht haben soll. Gegen dieses Urteil legte er Berufung ein, die erst jetzt, da immer neue Beweisanträge gestellt wurden, durchgeführt werden konnte. Neben der Verwerfung der Berufung ist am interessantesten, daß der Verurteilte seitdem seinhalbes Gehalt bezieht, da ein Disziplinarverfahren erst dann gegen ihn eingeleitet werden kann, wenn das Strafrechtsurteil rechtskräftig geworden ist. Daraus ergibt sich die sonderbare Erscheinung, daß ein Beamter, der dem Staat 8000 Mark veruntreute, durch Gehalt noch 9000 Mark bezieht und noch weitere Bezüge erhalten wird, da er gegen das Urteil der Großen Strafkammer Revision einlegen will.
Die Fleischpreiserhöhung kommt. Eine sehr stark besuchte Landestagung des Metzgergewerbes beschäftigte sich in Stuttgart mit der Einführung der Fleischsteuer in Württemberg. Von 68 Innungen waren 63 vertreten. Der Regierung wurde vorgeworfen, sie habe ihr dem Metzgergewerbs gegebenes Wort, in Württemberg werde ein- Fleischsteuer wohl überhaupt nicht, keinesfalls aber im laufenden Jahr, unter gar keinen Umstünden jedoch ohne vorherige enge Fühlungnahme mit dem Metzgergewerbe eingeführt werden, gebrochen. Die Schlachtsteuer sei gekommen wie ein Blitzstrahl aus heiterem Himmel. Selbstverständlich könne das Metzgerwerbe, das die Fleischsteuer einmütig ablehne, diese Steuer nicht selber tragen, sondern müsse sie auf die Verbraucher abwälzen. Nach dem Ergebnis der Aussprache wird eins Verteuerung des Fleisches, sowie der Fleisch- und Wurstwaren in voller Höhe der Schlachtsteuer gegen Ende dieser Woche wirksam werden. Vorräte aus steuerfreien Schlachtungen sollen ohne Aufschlag zum Verkauf gelangen. In einer einstimmig angenommenen Entschließung erhob dis Tagung Protest gegen die Einführung der Schlachtsteuer, stellte sich aber im übrigen auf den Standpunkt, daß eine Zurücknahme der Verordnung vorerst nicht zu erreichen sei. Man will sich daher auf eine Eingabe an Landtag und Re- gierung beschränken und um Milderungen der Verordnung ersuchen.
Reue Reklame. Heute fuhr ein Lieferauto mit entsprechendem Aufbau durch die Straßen Stuttgarts, das dem Publikum durch ein eingebautes Grammophon mit entsetzlichem Lautsprecher ein weithin hörbares Konzert bot. Die neuartige Reklame einer Zigarettenfabrik lockte viele Zuschauer und Hörer an.
Andermatt trank ihm besonders zu und sagte nebenbei: „Darf ich mir erlauben, Herr Brilon, Sie morgen nachmittag zu besuchen? Wir könnten ein wenig über unsere Heimat plaudern."
„Bitte, kommen Sie!" antwortete Brilon fast demütig und ergeben. Ein Gefühl von Kälte legte sich in seine vom Wein erhitzten Adern.
*
Vormittags war, wie jetzt alle zwei, drei Wochen, Probe zu „Erlöserin". Naumann tobte sich auf der Bühne aus und gebärdete sich wie ein Wilder. Der Dichter Bert Brilon wagte nur selten, ihm etwas dreinzureden; Naumann war ihm verschiedene Male grob gekommen.
Brilon war ein feiner, empfindsamer Mensch, er steckte die Grobheiten ein, es war nicht seine Art, auf den groben Klotz einen groben Keil zu setzen."
Er war auch mit sich selber zu sehr beschäftigt. Seine Seele war erfüllt von Sorge. Eine unbestimmte Bangigkeit erfüllte sie immer und drückte sie nieder.
Bert riß sich zusammen, er mußte sich einmal gewaltsam Luft schaffen, der Moment, wo dieses Sich-Luft-schaf- fen eintrat, war gerade als sich Regisseur Naumann wieder einmal recht flegelhaft benahm und Bert auf einen Einwand hin anbrüllte: „Inkommodieren Sie mich nicht mit solchen Lächerlichkeiten! Gesamtwirkung . . . Ensemblekunst . . . groß im Vogen! Wenn ich Ihr jämmerliches Werk nicht hochreiße, dann wird's ausgepfiffen! Jawoll ausgepfiffen! Sie schaffen den Erfolg nicht, mein ehrenwerter Dichter, so weltfremd dürfen Sie denn doch nicht mehr sein! Den Erfolg machen wir!"
Da lief Bert die Galle über und er wurde herzerfrischend grob. (Fortsetzung folgt.)