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Gleiwih, 23. August. Vor dem Sondergericht begann heute ein Prozeß gegen 12 Kommunisten. In der Nacht zum 20. April waren die Angeklagten nach einem Festgelage in Hindenburg-Porempa wegen ruhestörenden Lärms von einer Schupostreise ermahnt worden, worauf sie mit dem Ruf: „Ran an die Polizei!" mit Plastersteinen und Schußwaffen die Beamten angriffen.
Paderborn, 23. August. Das Svndergericht Paderborn verurteilte den arbeitslosen Elektriker Flohr aus Herbram, der wegen versuchten Totschlags vor Gericht stand, wegen gefährlicher Körperverletzung und unbefugten Waffenbesitzes zu 2 Jahren 2 Monaten Gefängnis. Der Angeklagte hatte vor einiger Zeit im Arbeitsamt Paderborn mit der Pistole auf einen Beamten geschossen. Ferner verurteilte das Gericht den früheren Nationalsozialisten Lückert aus Lippspringe, der dort einen Kommunisten erschossen hatte, wegen Körperverletzung mit Todesfolge und Vergehens gegen das Schußwaffengesetz zu 1 Jahr 7 Monaten Gefängnis. Der Staatsanwalt hatte 5 Jahre Zuchthaus wegen Totschlags beantragt. ,
Feuerüberfall auf die Wohnung eines Nakionalsozialisten
Duisburg-Hamborn, 23. Aug. Ein planmäßiger Feuerüberfall wurde heute früh auf die Wohnung eines Nationalsozialisten in Duisburg-Meiderich, der bis vor kurzem der KPD. angehört hatte, ausgcführt. Durch ein Fenster gaben mehrere Personen etwa acht bis zehn Schüsse in die Moh nung ab, wodurch die im Bett liegende Ehefrau des Na kionälsoziallsten am rechten Unterschenkel verletzt wurde Die Täter flüchteten auf Fahrrädern in Richtung Hamborn Drei vermutlich an der Tat beteiligte Personen, Mitglie der der KPD„ wurden verhaftet.
Reue Nachrichten
Reichsregierung und Reichstagsauflösung
Berlin, 23. August. Zu der in den letzten Tagen viel erörterten Frage, ob die Reichsregierung zur Auflösung des Reichstags entschlossen sei, wenn sie keine Mehrheit-Möglichkeit im Reichstag erkenne, erfährt CNB. von unterrichteter Seite, daß Beschlüsse der Neichsregierung nur zum Zusammentritt des Reichstags gesoßt werden können. Beschlüsse darüber hinaus liegen noch nicht vor. Daher ist die Auffassung, als sei die Reichsregierung von vornherein zur Auflösung des Reichstags entschlossen, unzutreffend.
Vertreter der SPD. beim Reichskanzler
Berlin, 23. August. Die soz. Abgeordneien Wels und Stampfer erschienen heute beim Reichskanzler v. Popen, um gegen die Amtsenthebungen von So- zialdemokraten Beschwerde zu führen. Dies komme einer Infamierung der Sozialdemokratischen Partei gleich und sei mit dem Geist der Verfassung nicht vereinbar. Dis kommissarische Negierung in Preußen sei zu solchen Maßnahmen nicht berechtigt. Das Zuchthausurteil in Brieg sei unerhört und es habe nur zustande kommen können, weil die Angeklagten widerrechtlich ihrem ordentlichen Richter entzogen worden seien. Der Unterredung! wohnten Dr. Bracht und Staatssekretär Planck an. Am Schluß der Aussprache erklärten die beiden Partei- vsrtreter, sie seien von den erhaltenen Aufklärungen nicht befriedigt.
Präsidentenwahl im Thüringer Landtag
Weimar, 23. August. Der neue Landtag von Thüringen, der heute vormittag zu seiner ersten Sitzung zusammentrat, wählte zuni ersten Präsidenten den nationalsozialistischest Abgeordneien Marsch! er. Erster Vizepräsident wurde eia Abgeordneter des Landvolks, zweiter Vizepräsident ein Nationalsozialist. Die Sozialdemokraten hätten ihrer Stärke nach Anspruch aus den ersten Vizepräsidenten gehabt. Als der neue Präsident Marschler der Opfer der „Niobe" gedachte, erhoben sich die Kommunisten nicht wie die anderen Abgeordneten von den Plätzen. Der Präsident schloß darauf die gesauste kommunistische Fraktion auf drei Tage von der Sitzung aus.
Vertreter der Hansestädte in Berlin
Hamburg, LZ. August. Eine Abordnung der Senate und der Handelsrammern der Hansestädte hat sich nach Berlin begeben, um im Reichswirtfchaftsministerium und im Reichsminislerium für Ernährung und Landwirtschaft grundsätzliche Fragen der deutschen Handelspolitik zur
Sprache zu bringen. Es handelt sich dabei vor allem um NL angekündigten Kontingentierungsmaßnahmen zur Verminderung der Einfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse, ferner um Maßnahmen für eine stärkere Verwendung einheimischer Erzeugnisse.
Die preußischen kol litionsverhandlungen wieder vertag«
Berlin. 23. August. Der nationalsozialistische Fraktionsvorstand des Landtags hält heute und am Mittwoch eine Besprechung ab, in der Landtagsprösident Kerrl über seine bisherigen Koalitionsverhandlungen mit dem Zentvums- abgeordneten Dr. Graß berichtet. Diese Verhandlungen wurden daher unterbrochen und tonnen frühestens am Freitag oder Samstag fortgesetzt werden.
Das Lausarmer Anleiheprotokoll angenommen
Wien, 23. August. Der Nationalrat hat heute nach längerer Aussprache mit 82 gegen 80 Stimmen den Beharrungsbeschluß über das Lausanner Anleiheprotokoll gefaßt. Damit ist das Anleiheprotokoll trotz des Einspruchs des Bundesrats in Kraft gesetzt. Mit dem gleichen Stimmenverhältnis wurde ein Antrag der Großdeutschen auf Volksabstimmung über das Lausanner Abkommen abgelehnt.
Frankreich ist cefichert
Paris, 23. August. Der französische Abgeordnete L a- moureux, Generalberichterstatter der Kammer für den Haushaltplan, ist von einem großen Teil der Pariser Presse scharf angegriffen worden, weil er nach einer amtlichen Besichtigung der neuen französischen Befestigungen an der Grenze gegen Deutschland u. a. berichtet hatte: „Der Grenz- besestigungswall bietet Frankreich volle Sicherheit und Schutz gegen jeden Angriff." Gegen diese Angriffe wandte sich nun Lamourcux in einer Rede, die er am Sonntag einem Frontkämpfsriag in Vichy hielt. Er wiederholte mit allem Nachdruck, er sei fest davon überzeugt, daß die französischen Befestigungen allen Sicherheitsbedürfnissen im Fall eines plötzlichen Angriffs vollauf gerecht werden.
Schobers Tagebücher
Wien, 23. August. Wie das „Neue Wiener Abendblatt" mitteilt, hatte der verstorbene Bundeskanzler Dr. Schober die Gewohnheit, Tagebücher außen- und innerpolitischer Art zu führen, die er in Geheimfächern seines Schreibtisches verwahrte. Für die Ueberlassung der Tagebücher zum Zweck der Veröffentlichung waren ihm von Verlagsgeschäften in Deutschland, England und Amerika bedeutende Summen angeboten worden, Schober lehnte die Angebote ab. Der Schreibtisch Schobers in der Polizeidirektion wurde amtlich versiegelt. In einem besonderen Fach waren streng geheim zu haltende Aktenstücke verwahrt, darunter die amtlichen Schriftstücke über den Tod des Krön- Prinzen Rudolf in Mayerling. Diese Aktenstücke hat jetzt der neue Leiter der Polizeidirektion in Verwahrung genommen.
Bombenanschläge in Rio de Janeiro
London, 23. August. Nach Meldungen aus Rio de Janeiro sind dort von Aufständischen zwei Bomben zur Explosion gebracht worden, die jedoch keinen Schaden angerichtet haben sollen. Die Gerüchte eines Aufstandes in Rio de Janeiro werden für falsch erklärt. Die Marine sei durchaus treu.
Arbeilsmarkt im Bezirk Südwestdeutschkan-
In der versicherungsmähigen Arbeitslosenunterstützung standen am 15. August 1932 40 790 Personen, in der Krisenfürsorge 74300 Personen. Die Gesamtzahl der Hauptunterstützungsempfänger ist um 1880 oder um 1,6 v. H. nämlich von 116 970 Personen auf 115 090 Personen (89 395 Männer, 25 695 Frauen) gefallen; davon kamen auf Württemberg 47909 gegen 48727, auf Baden 67 181 gegen 68 243 am 30.sIuli M2. Im Gesamtbezirk des Landesarbeitsamts kamen am 15. August 1932 auf 1000 Einwohner 22 9 Hauptunterstützungsempfänger in der Arbeitslosenversicherung und Krifenfürsorge. Die Gesamtzahl der bei den württembergischen und badischen Arbeitsämtern gemeldeten Arbeitsuchenden ist zum 15. August um 599 Personen auf 293 631 leicht gestiegen:
Vsi"i"s1 SN Woilmsnn
Von G. Panstingl.
Lop^rißdt 1932, vr. 0. Banstillßl, Tire Haßue, Hollanä.
71. Fortsetzung Nachdruck verboten.
Es dauerte ungewöhnlich lange, bis Hermas Antwort kam. Volle sechs Tage. Helene wunderte sich, da ihre Schwester sonst rasch im Antworten war. Noch mehr aber wunderte sie sich über den Inhalt des Briefes.
„Liebste Sis!
Es hat mir eine rechte Freude gemacht, daß Du Dich in Holland wohlfühlst. Nach allem, was wir von dort gehört haben, war es auch nicht anders zu erwarten.
Also Du hast den Bankier Wernoff kennengelernt! Wohnt er nun im Haag? Er hat doch in Amsterdam gewohnt. Du willst wissen, welche Eindrücke ich von ihm habe! Das ist mit wenigen Worten nicht zu sagen. Es liegen starke Widersprüche in seiner Natur. Daher kommt es auch, daß Du und Dein Gastherr ihn so ganz verschieden beurteilen. Das Leben hat ihn nicht gut behandelt. Und nun noch etwas! Etwas sehr, sehr Ernstes! Wenn Du öfters Gelegenheit hast, ihn zu treffen, behandle ihn freundlich! Zwischen unserer Familie und ihm liegt eine alte Schuld, von der ich nicht sprechen darf und kann und auch nicht sprechen will. Bitte, liebste Sis, lege es mir nicht übel aus, daß ich Dich ersuche, nicht in mich zu dringen. Nimm die Dinge, wie sie eben sind, und begnüge Dich damit! Wenn Wernoff sprechen will, dann erst darf ich sprechen. Laß ihn nicht merken, daß ich Dir diese Andeutungen gegeben habe. Vielleicht bin ich damit schon weiter gegangen, als ich durfte. Es ist möglich, daß Du in späteren Zeiten einmal den ganzen Sachverhalt er
fahren wirst, und dann wirst Du auch begreifen, warum ich Dir diesen Brief geschrieben habe, der Dir im Augenblick geheimnisvoll erscheinen muß. Also nochmals — sei freundlich zu ihm, aber nur bis zu jener Grenze, die Dir Dein Inneres vorschreibt. Ich will nicht, daß er eine Enttäuschung erlebt. Unter keiner Bedingung! Er hat zuviel im Leben schon zu tragen gehabt.
Es küßt Dich Deine Herma."
Helene las den Brief dreimal Wort für Wort durch. Aber er war und blieb ihr ein überraschendes Rätsel. Sie lief zerstreut im Hause herum und konnte an nichts anderes denken als an Hermas dunkle Worte. Sie war fest entschlossen, Hermas Wünsche zu achten und weder in sie zu dringen noch auch Wernoff gegenüber sich zu verraten. Obwohl sie eigentlich nicht wußte, was sie nicht verraten durfte! Aber nichts und niemand konnte sie hindern, über den Inhalt des Briefes nachzudenken. Abends, als sie allein in ihrem Zimmer saß, las sie den Brief wieder durch, und versuchte den Zusammenhang selbst zu ergründen. Sie kam nicht allzuweit damit. Immerhin löste sie die Tatsachen und Wahrscheinlichkeiten heraus, die zwangsmäßig oder naheliegend waren, obschon sie dabei nicht immer den richtigen Schluß zog.
Vor allem stellte sie fest, daß Herma Wernoff schon seit langem gekannt haben mußte und nicht erst in diesem Sommer kennengelernt hatte. Dann aber kam sie auf einen Abweg. Wernoff war Russe, und daraus schloß sie, daß die Bekanntschaft erst nach dem Krieg begonnen haben müsse. Damals war aber Herma schon lange verheiratet gewesen. Daher, so schloß sie weiter, war es sehr gut möglich, daß die alte Schuld auf seiten ihres verstorbenen Schwagers Fred zu suchen war, der so manche Schuld auf sein Gewis-
119 427' entfielen auf die' Urk>ePzMFsLMle'"l!s Mr» ' berg und Hohenzollern und 174 204 auf die badischen Bezirke. Von den Arbeitsuchenden waren 277 046 als arbeitslos zu betrachten und zwar 109 331 in Württemberg und 167 715 in Baden. Bei den Maßnahmen des freiwilligen Arbeitsdien st es hatten nach der letzten Zählung von Ende Juni rund 7200 Mann als Arbeitsdienftwillige Beschäftigung; in der ersten Hälfte des August hat der Ausbau des freiwilligen Arbeitsdienstes weitere erfreuliche Fortschritte gemacht. Bei den Maßnahmen der wertschaffenden Arbeitslosenfürsorge waren Ende Juli rund 5700 Mann als Notstandsarbeiter unter gebracht.
Siukkoark, 23. August.
Wirkschaftsminister Dr. Maier ist auf Einladung des Reichsernährungsministers in Königsberg eingetroffen, um sich über die Fortschritte des ländlichen Siedlungswesens in Ostpreußen zu unterrichten.
In den Ruhestand. Prof. Dr. Marx, Vorstand der Hauptbücherei der Technischen Hochschule, tritt kraft Gesetzes mit Ablauf des Monats August dieses Jahres in den Ruhestand.
Todesfall. Im Alter von 58 Jahren ist heute vormittag der Vorstand des Landesjugendamts, Ministerialrat Ernst Schmid, gestorben. Er war auch Vorsitzender des Prüfungsausschusses für die staatliche Prüfung der Wohlfahrtspflegerinnen. Von 1918—1921 wirkte er als Oberamtmann in Göppingen.
Bahnausbau Degerloch — Ssnnenberg. Der dreigleisige Ausbau der Filderbahn Degerloch—Möhringen, der seinerzeit von der Mehrheit des Gemeinderats beschlössen wurde, ist zurzeit wegen der Kosten (650 000 -K) nicht durchführbar. Nun soll, wie die „Südd. Zeitung" hört, der Finanzabteilunq ein Plan vorgelegt werden, zunächst die Teilstrecke Degerloch—Sonnenberg dreigleisig zu machen.
Deutsches Luftfahrt-Museum. Das Deutsche Luftfahrt- Museum konnte in der vergangenen Woche den diesjährigen 9000. Besucher zählen. Für den 10 000. Besucher hat das Deutsche Luftfahrtmuseum einen Freiflug auf der Strecke von Böblingen nach Karlsruhe und zurück ausgesetzt, der von der Direktion der Luftverkehr Württemberg AG. gestiftet wurde.
ürankheiksstakistik. In der 32. Jahreswoche vom 7. August bis 13. August 1932 wurden in Württemberg folgende Fälle von gemeingefährlichen und sonstigen übertragbaren Krankheiten amtlich gemeldet: Diphtherie 12 (—): Lungen- und Kehlkopftuberkulose 12 (21); Milzbrand 2 (—): Scharlach 39 (—); Unterleibstyphus 1 i—): Paratyphus 7 (—): Fleischvergiftung 17 (—); spinale Kinderlähmung 2 (—j.
Zwei Brüder beim Baden ertrunken. Gestern nachmittag wurden beim früheren Jsoüerwerk bei Hedelfingen die Leichen der allem Anschein nach schon gestern beim Baden im Neckar ertrunkenen 26 und 23 Jahre alten Brüder Grüner aus Hedelfingen geborgen. Sie wurden heute von einem Badenden beim Tauchen in einem Baggerloch entdeckt. Da die Leichen aneinandergeklammert waren, vermutet man. daß der eine der Toten beim Rettungsversuch seines Bruders von diesem mit in die Tiefe gerissen wurde.
Vom Tage. Eine aus Donnuwörth stammende Am gestellte, die in einem hiesigen Gastwirtsbetrieb tätig ist, verbrühte sich mit siedendem Wasser so «rhMich beide Füße, daß sis mit dem Saniiätsauto ins Spital verbracht werden mußte, nachdem ihr ein Notverband angelegt worden war.
Selbstmord durch Einnehmen von Arsenik verübte am Montag in einem Haus der Seestraße ein« 41 Jahre alte Hausangestellte.
Aus dem Lands
Fellbach. 23. August. Po st neubau. Am Sonntag wurde der Postneubau eröffnet. Postmeister Nufer, der zugleich das 40jährige Amtsjubiläum begehen konnte, dankte der Oberpostdirektion für den prachtvollen Bau.
Eßlingen, 23. August. 8 0. Geburtstag. Am Mittwoch begeht der zu Welzheim geborene frühere Kassenbots der Ortskrankenkasse Eßlingen Karl Weiß seinen 80. Geburtstag. 30 Jahre lang, von 1896—1926 hat Weiß der Ortskrankenkasse treue Dienste geleistet. Sein ältester Sohn ist Stadtpfarrer in Gaisburg.
Ludwigsburg. 23. August. 7 0. Verband stag der Württ. Gewerk» evereine. Am 10. und 11. September findet hier der 70. Berbandstag des Verbands Württ. Gewerbovereine und Handwerkervereinigungen statt. Mit dem Verbandstag ist das 90. Stiftungsfest des Gswerbe- und Handelsvereins Lndwigsburg verbunden. Auf der Tagesordnung der Hauptversammlung steht ein Vortrag von Generalsekretär Hermann-Berlin über die wirtschaftlichen Grundforderungen des deutschen Handwerks.
sen geladen hatte. Dann aber stimmte Hermas Ermahnung nicht recht dazu. Warum schrieb ihr Herma so ausdrücklich, daß sie diesem Manne keine Enttäuschung bereiten solle? Helene schätzte Herma als aufrechten, ehrlichen und starken Charakter. Sie mußte tiefe Gründe haben, um solche Worte ^ zu schreiben.
„Ich will nicht, daß er eine Enttäuschung erlebt. Er hat zuviel im Leben schon zu tragen gehabt."
Also war er schon enttäuscht worden, und zwar durch „unsere Familie". Bedeutet dies die Familie Hasenauer oder Hochstätten? Aber nichts in diesem Brief gab ihr einen Anhaltspunkt, um diese Frage zu lösen. Helene war froh, daß Hermas Brief an einem Tage gekommen war, an dem Wernoff seinen Besuch nicht angesagt hatte. So blieb ihr Zeit, um den tiefen Eindruck des Briefes zu verarbeiten.
An Herma schrieb sie noch am gleichen Abend zurück und berührte die Angelegenheit Wernoff nur mit der ihr eigenen Zurückhaltung.
„Was Du mir über Wernoff schreibst, hat mir Stoff zum Nachdenken gegeben. Es tut mir leid, daß Du nicht mehr sagen kannst. Sei aber jedenfalls überzeugt, daß ich Deinen Wünschen gemäß handeln werde."
Dies war alles, und Herma war ihr dankbar, daß sie die Sache so zartfühlend behandelt hatte.
Vor Helenes Augen stand der Russe nun freilich in einem anderen Licht als früher, und sie hatte Mühe, ihm ebenso unbefangen gegenüberzutreten wie bisher. Am Abend holte er sie wieder zu einer Fahrt nach Scheveningen ab. Aber diesmal schlug sie sein Angebot, das Kurhauskonzert zu besuchen, aus. Sie setzten sich auf die Terrasse vom Pa- lace-Hotel, wo sie ungestört von Musik und Menschen plaudern konnten. (Fortsetzung folgt).