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Nummer 98
Fernruf SM
Donnerstag, den 28. April 1932
Fernruf 479
67. Jahrgang.
Wner bei HisheMg
Kein Reichsbannerverbot
" Berlin, 27. April. Reichsinnenminister Grüner wurde gestern nachmittag vom Reichspräsidenten emp- fangen, um über die Ergebnisse des Materials über das Reichsbanner und dessen „Schufo" Bericht zu erstatten. Grüner sprach sich dahin aus. daß er ein Verbot des Reichsbanners nicht für gerechtfertigt ansehe. Das Reichsbanner habe seine Kampforganisationen, insbesondere die Schufo, nunmehr abgebaut, und die Leitung habe die Zusicherung gegeben, daß sie nicht beabsichtige. Die aufgelösten Formationen in verschleierter Form wieder ms Lehen M, rufen. Cr (Grüner) habe die Absicht, mit Hilfe staatlicher Mittel eine große Sport-Organisation ins Leben zu rufen, die auch den aufgelösten nationalsozialistischen Verbanden offen stehen wurde. Das Ergebnis der jetzigen Landtagswahl in Preußen habe Verhandlungen über die Neubildung der preußischen Regierung notwendig gemacht, die dadurch erleichtert werden, daß die NSDAP, auf den Stand der übri gen politischen Parteien zu rückgeführt worden sei.
Reichspräsident von Hindenburg scheint sich jedoch von den Darlegungen des Reichsminisiers nicht ganz haben überzeugen lassen. TU. erfährt von gut unterrichteter Seite, der Reichspräsident habe gewünscht, d a ß alle Sonder-Organisationen der Parteien mitmilitärifchemCharaktergleichmäßigbe- handelt werden müssen. Eine entsprechende Entschließung des Reichspräsidenten werde allerdings erst erfolgen, wenn der Reichskanzler aus Genf zurückgekehrt sei und mit dem Reichspräsidenten in der Sache Rücksprache genommen habe. Es stehe dann zu erwarten, daß das Verbot der SA. dahin ergänzt werde, daß der Reichsregierung eine gleichmäßige Behandlung derartiger Organisationen zur Pflicht gemacht und sie aufgefordert werde, noch bestehende Verbände sorgfältig zu überwachen. Mit einem Verbot des Reichsbanners überhaupt dürste nicht zu rechnen sein. Grüner soll sich den Wünschen des Reichspräsidenten gefügt haben.
Me KMionsstW in Preußen
Zentrum und Nationalsozialismus
Antwerpen, 27. April. Die hier erscheinende Tageszeitung „Neptuns" veröffentlicht eine Unterredung, die der Zentrumsabgeordnets Ioos einem Vertreter des Blatts in Köln egwährte. Auf die Frage, ob ein Regierungsbündnis zwischen dem Zentrum und der äußersten Rechten möglich sei, habe Joos u. a. geantwortet: Das Zentrum wird sich niemals zu irgendwelchen Experimenten bereitfinden. Wenn die Sozialdemokraten die Unterstützung durch das Zentrum hatten, so geschah dies, obwohl wir ihre Lehre bekämpften. Wir hatten vor ihrer Disziplin und vor der politischen Reife ihrer Führer Achtung. Die Sozialdemokratie hat stets, obwohl sie ihre Ideen verteidigt, einen klaren Blick für ihre Verantwortung gegenüber dem Lande gezeigt. Wenn die .Hitlerpartei unsere Unterstützung sucht, darf sie nicht aus Trugbildern bauen und muß ihren revolutionären Charakter aufgeben. Soweit die Hitlerpartei die Fehler des Marxismus, die Demagogie der Gesetzgebung, das kollektive System, das den Individualismus tötet, vermeidet, können wir ihr nur beistimmen. Aber wir hätten keinen Gewinn von der Ersetzung der marxistischen Demagogie durch die Hitlersche.
' Die Haltung der Kommunisten
Berlin, 27. April. Der Hauptausschuß der Kommunistischen Partei erklärt, er werde zu gegebener Zeit im Einvernehmen mit der preußischen Landtagsfraktion die Entscheidung über das künftige Verhalten der Kommunisten zu bestimmten Fragen im preußischen Landtag treffen. All« jetzigen Mutmaßungen seien haltlos.
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Tudiell kMM Mt «sch Gess
Genf, 27. April. Die hier anwesenden Staatsmänner werden Ende dieser Woche von Genf abreisen. Besonders von englischer und amerikanischer Seite war Tardieu nahegelegt worden, vor den französischen Wahlen am Sonntag (1. Mai) nocheinmal zu einer Aussprache nach Genf zu kommen. Tardieu telegraphierte aber an Paul-Boncour, er könne wegen einer starken Kehlkopfentzündung nicht kommen.
Reichskanzler Dr. Brüning hatte heute Ilnterredun- . m norwegischen Außenminister Braadtland unh dem schwedischen Außenminister Baron Remele,
Tagessviegel
Das deutsche Auswärtige Amt hat die tschechoslowakische Regierung eingeiaden, die Besprechungen über wirtschaftliche Fragen in Berlin wieder aufzunehmen. Es handelt sich u. a. um die böhmische Hopseneinsuhr nach Deutschland und um die beiderseitigen Devisenmaßnahmen.
Rach Zeikungsmeldungen wird Staatssekretär Dr. Schaffer vom Reichssinanzministerium in nächster Zeit aus dem Rcichsdiensk ausscheiden und eine leitende Stelle im Rllstein- Verlag antreten. Schösser steht im After c-on 48 Jahren.
Im Reichskagsausschuß für Sozialpolitik wurde von dem Regierungsverkreter bestätigt, daß bei der Invalidenversicherung ein erheblicher Fehlbetrag festzustellen ist.
Rach amtlicher Mitteilung ist bis jetzt die Errichtung von 49 000 Kleingarlenskellen bewilligt worden, der Rest von 2000 Stellen soll in kürze bewilligt werden, kleinsiedlerstellen sind 15 546 bewilligt.
An dem am Samstag skattfindenden Parteitag der preußischen Zcnkrumspartei werden der Reichskanzler und Prälat k kaas keilnehmen. In nächster Woche solle nach Zeitungs- I berichten eine Fühlungnahme zwischen kaas und Hitler beginnen. In politischen Kreisen verlautet, falls die preußischen koaiitionsvcrhandlungen scheitern, werde die Reichsregierung durch Rotverordnung auf Grund des Artikels 48 der Re'ichs- versassung die Verwaltung Preußens übernehmen.
Auch von nationalsozialistischer Seite wird festgestellt, daß bis jetzt keine Verhandlungen zwischen RSDÄP. und dem Zentrum stattgefunden haben.
Der Reichsausschuß der Wirtschaftspakte» hat einstimmig den Reichstagsabgeordneten Drewitz wieder zum Par- teivorsitzenden gewählt, nachdem die gegen ihn erhobenen Borwürfe gerichtlich geklärt sind. Fraktionsvorsitzendcr bleibt Mollakh. Der zwischenzeitliche Parkeiführer Prof- Dr. Bredk ist noch immer leidend.
Der parlamentarische Untersuchungsausschuß in Thüringen gegen den früheren Minister Dr. Frick empfiehlt dem Landtag, gegen Dr. Frick Strafantrag wegen Urkun-^ denvernichkung und Verletzung der Eidespflicht zu erstatten und ihn wegen Verletzung der Verfassung vor dem Staats- gerichtshof anzuktagcn. Es handelt sich um Fricks Versuch, Hitler zwecks seiner deutschen Einbürgerung im thüringischen, Staatsdienst anzusiellen, was inzwischen in Braunschweig geschehen ist. Die „Durchsetzung der Polizei mit Rational-^ sozialiften" durch Dr. Frick entspreche ferner nicht dem Gedanken der Lauterkeit der Verwaltung. ?
Die Landkagssraktion der Thüringer Rationalsozialisten fordert in einer Pressenotiz im „Rationalsozialisl" die Thüringer Landesregierung aus, sofort zurückzutrelen. Es liege im Interesse der bürgerlichen Parteien, hier ihr unnatürliches Zusammengehen mit den Sozialdemokraten aufzugeben und mit den Rationalsozialisten auch in Thüringen die Sozialdemokratie zu bekämpfen. !
Das Verbot von Versammlungen und Aufzügen unter freiem Himmel ist auf den ganzen Freistaal Braunschweig ausgedehnt worden. i
Der Stadkrat von Rürnberg hat in geheimer Sitzung beschlossen, dem Reichspräsidenten von hindenburg das Ehrenbürgerrecht zu verleihen und die am Gefallenendenks mal im Luitpoldharn vorbeiführende Schultheiß-Alles Hin- denburg-Allee zu benennen. Der Wokanplah wurde in Friedrich Eberkplatz umbenannk.
Der Goethepreis der Stadl Frankfurt a. M. für 1932 <10 000 Mark) wurde dem Dichter Gerhark Haupkmann zu- geschrieben mit Rücksicht darauf, daß er in diesem Jahr den 70. Geburtstag feiert. Die bisherigen Preisträger sind Stefan George, Albert Schweitzer, Leopold Ziegler, S. Freud und Ricarda Huch.
Bei einem Mitglied des Reichsbanners in Augsburg wurden 178 Seitengewehre beschlagnahmt. i
Die deutsche Abordnung hat im Unterausschuß für Luft- fahrt der Abrüstungskonferenz einen Antrag auf wirksame Abrüstung der gesamten Militärluftfahrt und Verbot des Bombenabwurfs aus Luftfahrzeugen eingebracht.
Aus verschiedenen Städten Spaniens werden wieder schwere Unruhen vom 26. April gemeldet. In Larmona versuchte die Menge ein Kloster in Brand zu stecken.
Die Zahl der Arbeitslosen in den Bereinigten Staaken beträgt nach einer Mitteilung des Allgemeinen Arbeiler- verbands 7 950000 .
Ein Wasserflugzeug, in dem sich der brasilianische Minister für öffentliche Arbeiten befand, kenlerke beim Nieder- gehen in Bahia. Der Minister wurde verletzt. 3 Personen getötet.
Die Unterredung Stimson—MacDonaid—Brüning
Paris, 27. April. Der in Genf weilende Berichterstatter dsr.üELküMkLrÄMü Mnc.
son—Mac Donald—Brüning eine besondere Bedeutung bei. Ein Protokoll über die Besprechung sei der französischen Abordnung übergeben worden, während Grandi telephonisch von dem Verlaus unterrichtet worden sei. Es sei zum Ausdruck gekommen, daß die Beseitigung der Angnffswaffen eine solide Grundlage sei, auf der man aufbauen könne. Jeder Nation soll eine „absolut feststehende" Menge solcher Waffen zugestanden werden, die nach ihren innenpolitischen und grenzpolitischen Bedürfnissen errechnet werde, wob i die Deutschland durch den Versailler Vertrag zustehenden kaksächlichen Bestände als Maßstab gelten könnten für das, was ein 64-Millionenvolk brauche. Zu dieser Menge könne dann noch eine veränderliche Anzahl geschlagen werden, die den Notwendigkeiten der nationalen Verteidigung und den Anforderungen der inkernalionalen Sicherheit entspreche. Die Urheber dieses Systems rühmten seine „Geschmeidigkeit".
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Das «Echo de Paris" bezeichnet einen derartigen Plan als nicht besonders verlockend für Frankreich, und in diesem Sinn hätten sich auch französische Militärsachverständige in Genf geäußert. Grandi dagegen trete für ihn ein. Brüning habe gestern auf der Unterredung mit Stim- fon und Mac Donald Bedenken geäußert und besonders betont, daß Deutschland im Versailler Vertrag eine zu ge- ringe Truppenstärke erhalten habe. Diese Frage würde jedenfalls bei der Besprechung am Freitag welker behandelt werden.
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Schlichtung des fernöstlichen Streits
Genf, 27. April. Der Reunzehner-Ausschuß der außerordentlichen Vollversammlung des Völkerbunds hat nach eingehenden Besprechungen mit den Vertretern Japans und Chinas eine Einigungsformol ausgearbeitet, für die er die ^usLrmmung der b-eiden Länder erreichen möchte. Rach' Eingang der Antwort der japanischen Regierung soll am Donnerstag in geheimer Sitzung weiter beraten werden.
Die japanische Regierung hat ihre Zustimmung zu der von dem englischen Gesandten La mp son vorgeschlagenen Verständigungsformel bei den in Schanghai geführten Verhandlungen erteilt. China hat die Formel bereits angenommen.
Tl>z«»g der Vtlm»«WkM der Reichsbahn
Berlin, 27. April. Vom 25. bis 27. April tagte ln Berlin der Verwaltungsrat der Deutschen Rvichsbahngesell« schasr. Er genehmigte Geschäftsbericht und Bilanz für das Rechnungsjahr 1931 und beschloß die Ausschüttung einer 7prozentigen Dividende auf die ausgegebenen Vorzugsaktien Serie 1—5. In der Verkehrsentwicklung im ersten Vierteljahr des Jahres 1932 drückt sich die weitere Verschlechterung der Wirtschaftslage in vollem .Maß aus. Der Güterverkehr erbrachte gegen di« gleiche Zeit des Vorjahrs 31 Prozent weniger Eimtähmen, gegen 1929 sogar 52 Prozent weniger. Beim Personenverkehr machte sich ein Einnahmeausfall gegenüber dem Vorjahr von etwa 17 Prozent, gegen das Jahr 1929 von nahezu 26 Prozent bemerkbar.
Um den Reiseverkehr zu beleben, gab der Verwaltungsrat seine Zustimmung zu einer vorgeschlagenen Fahrpreisermäßigung. Danach wird vom 1. Juni d. Ir ab der Schnell- und Eilzugszuschlag um die Hälfte ermäßigt/ Das Spannungsverhältnis bei den Monats- und Schülermonats- und Teilmonatskarten wird geändert, so daß «in«. Ermäßigung zwischen 8 und 21 Prozent «intritt. Außerdem werden nunmehr Urlaubskarten für di« Zeit vom 1. Juni bis 15. Oktober 1982 eingesührt mit einer ,20prozentigen Fahrpreisermäßigung und einer Geltuii'gs- dauer von zwei Monaten, wobei die Reise sich mindestens auf 200 Kilometer erstrecken muß und die Rückreise nicht vor dem 11. Geltungstage angetreten werden darf. Vorausgesetzt wird, daß diese Urlaubsfahrten sich auf Re isezi e l« in Deutschland beschränken.
Reue Nachrichten
Kürzung der Arbeitszeit j
Berlin, 27. April. Am Donnerstag findet im Aeichs- orbeitsministertum eine Besprechung mit den Wirtschafts- Ministern der Länder über die Kürzung der Arbeitszeit statt. Am Freitag ist eine Verhandlung mit den Fach- verbänden des Ruhrbergbaus über diese Frage angeseht, -an die sich voraussichtlich eine Aussprache der ReichS- beHörden mit den Spitzenverbänden der Wirtschaft, Arbeitgebern und Arbeitnehmern anschließt. Als Ergebnis dieser Verhandlungen ist dann eine entsprechende Vorlage des .Reichsarbeitsininisteriiims zu erwarten, die nach Fühlungnahme mit dem Reichsrat von der Reichsregierung als Rotveror-nuflg p?MlM würde-