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Drvü, Verlag und Tchriftleitungi Theodor SaS WtldLvü, Wiiheisftraß« 8 «. Telephon 179 .
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Nummer 139
Fernruf 179
Montag, den 17. Zunt 1929
Fernruf 179
64. Jahrgang.
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Von Richard Posselt
In der öffentlichen Meinung aller Länder nimmt man das Pariser Konferenzergebnis im allgemeinen als eine Tatsache hin, die Kompromisse erforderte, um das Ziel der Liquidierung eines Produkts Versailler Geistes zu erreichen. Völlig ist das bestimmt nicht gelungen; die Tatsache allein, daß man zwei Generationen mit einer Tributleistung belastet, ohne daß hiefür eine rechtliche oder moralische Grundlage besteht, bedeutet nicht die Liquidierung des Krieges, sondern bestenfalls eine mildere Forinulierung eines in Versailles betätigten Machtwillens.
Der GedankederKriegsliquidierung könnte aber in Verbindung mit den Pariser Vereinbarungen eine impulsive Anwendung finden, wenn sich die Gegenseite entschlösse, aus einer angeblich rein finanziell-wirtschaftlich ge- troffenen Regelung die politischen Konsequenzen zu ziehen. Wenn man die Erörterungen in der ausländischen Presse, vor allem auch in der französischen, liest, dann möchte man glauben, daß der Wille hierzu vorhanden ist. In Deutsch- land'hat man aber aus Erfahrungen gelernt. Die Mißtöne klingen um so häßlicher, als versucht wird, uns einzureden, daß dieser Kontrollausschuß an Stelle der Rheinlandbesetzung in Wirklichkeit sin „Versöhnungs"-Ausschuß sein solle. Jedenfalls bemüht man sich in Frankreich, das Wort „Kontrolle" zu vermeiden, es zu umschreiben. Es gelingt nicht immer und vor allem: es überzeugt nirgends.
Was soll ein Versöhnungs-Ausschuß? Wen soll er versöhnen, worin soll seine Aufgabe bestehen?
Nach laugen Kämpfen kam im September v. 3. in Genf unter den sechs Mächtevertretern eine Vereinbarung zustande, die nach dem damals gemeinsam ausgegebenen Kommunique zum Ziele hatte: die Eröffnung von Verhandlungen über einevorzeitige Räumung des Rheinlandes, über eine vollständige und endgültige Regelung des Reparationsproblems und über öle Einsetzung einer Kommission der Feststellung und Versöhnung. Von diesen drei Punkten ist der mittlere im wesentlichen wohl abgeschlossen. Logisch müßte man daher nunmehr über die vorzeitige Räumung des Aheinlandes sich einig werden, da diese Folgerung eigentlich bereits im Wesen der Vereinbarungen liegt. Frankreich spricht aber nur von Räumungsmöglichkeiten, sofern man sich über die Kontrollfrage einigt.
Für Deutschland entsteht die Frage: Was beabsichtig t F r a n k r e i ch m i t e i n e m a l s „Versöhnungs- Kommission" bezeichneten Kontrollsystem? Hinter dieser Forderung Frankreich skeht-'Än politisches Ziel Frankreichs, das nicht erst im September v. I. in Genf, auch nicht erst während der Versailler Diktatverhandlungsn, nicht erst während der französisch-russischen Verhandlungen im Jahre 1917 über das Kriegsziel der Alliierten, sondern noch wesentlich früher ausgestellt wurde, damals nämlich, als Richelieu die These von „unserem abgerundeten Land" proklamierte, auf die sich Briand in seiner vertraulichen Instruktion an den französischen Botschafter in London, Paul Cam- bon, im Januar 1917 berief, als er diesem nahelegte, die Forderung Frankreichs auf die Wiedererlangung „einer verlorenen Erbschaft der französischen Revolution" zu propagieren. Es ist Frankreichs Drang nach dem Rhein, der im Verlaufe der Jahrhunderte sich in der verschiedensten Form, aber immer mit dem gleichen Ziele gezeigt hat. v
^ll diese angebliche Versöhnungs-Kommission versöhnen. Denkt Briand etwa daran, die moralischen, politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Schäden zu beseitigen, ^.« jahrelange Besatzung in den Rheinlanden angerichtek hat? Das beabsichtigt Frankreich mit dieser „Versöhnungs"- nommlsiwn bestimmt nicht. Man hat vielmehr eine Kommission nn Auge, die ähnlich wie die Interalliierte Rhein- «lle Vorgänge politischer, wirtschaftlicher und kultureller Art beobachtet, uni jederzeit in der Lage zu sein, sestzustellen, ob sie sich mit den politischen Interessen rirankreichs vereinbaren. Wege-, Brücken-, Bahnbauten Auffassung im Rheinland nicht kul- deutuvn ^ ,?ri^schaftliche, sondern allein militärische Benehmens k?n«^ ^ Anschlußgleis eines Jndustrie-Unter- se FrankLs°K^'^rösischer Auffassung in der Lage w ckluna der ff'cherheit zu bedrohen. Auch die Ent-
linksrheinischen Gebiet" ha? 5 k ^ne hmen im Mission Interesse. Im Rheinland Versohnungs-Kom- Beobachtung nur zu böse Crfabr»/on"°" mit dieser Art man etwas anderes hinter einer von ^
Versöhnungs-Kommission schen kan/ als di? Fortiekuna der politischen und wirtschaftlichen Schnüffelei nüe üe oll die Jahre hindurch nicht nur lästig, sondem hemmend und schädigend im Rheinland empfunden worden ist.
Aber Frankreich will diese Kommission nicht nur. auf die noch besetzt gebliebenen Gebiete, sondern aufdas ganze linksrheinische Gebiet und auf die sogenannte neutrale Zone ausgedehnt wissen, sie ferner zu einer Dauer-
lagesfpiegel
Der Beginn der Mark-Verhandlungen brachte scharfe Gegensätze. Dr. Ritter soll eine Höchstdauer von 10 Jahren für die Zahlung von 25 Millionen Goldmark vorgeschlageu haben.
Infolge der gereizten Stimmung, die zwischen der Wiener Studentenschaft herrscht, war zu fürch en, daß es am Samstag zu Zusammenstößen zwischen deutschnatio- nalen und jüdischen Studenten kommen würde. Infolgedessen hat der Rektor die Schließung der Universität und aller Universitätsanstalken angeordnet.
Der Republikaner Hastings überraschte das Repräsentantenhaus mit dem Antrag, Amerika solle die diplomatischen Beziehungen zu Frankreich abbrechen, bis ein Abkommen erreicht sei, durch das die Schuldenrückzahlung ihre endgültige Regelung finde.
einrichtung machen. Nach ven September-Vereinbarungen wird Deutschland allerdings nicht darum herumkommen, sich mit den Besatzungsmächten über diese Kontrollkommission zu unterhalten. Dabei wird sich aber für die den' schen Unterhändler die zwingende Notwendigkeit ergeben, der Gegenseite zu erklären, daß für eine Kontrollkommission die heutige politische Lage und- das Friedensverlangen der Völker keine Voraikssetzungen mehr bieten; die Schaffung einer Versöhnungs-Kommission aber erübrigt sich, nachdem man in Locarno einen Pakt geschlossen hat, der alle Möglichkeiten vorsieht, irgendwelche im Westen auskommenden Streitpunkte auf freundschaftlichem und schiedsgerichtlichem Wege im Geiste der Versöhnung und der Friedenssicherung zu lösen.
Neuer Zusammenstoß Skresemann—Zaleski im Völkerbundsrat
Madrid, 15. Juni. Am Nachmittag trat der Völkerbundsrat zu einer geheimen Sitzung zusammen, in der die Aufnahme einer internationalen Anleihe der Saarregierung auf die Septembertagung des Völkerbundsrates verschoben wurde/ In öffentlicher Sitzung behandelte der Völkerbundsrat am Freitag die Beschwerde der deutschen Abgeordneten des polnischen Sejms über die
Enteignung des deutschen Grundbesitzes in Polen.
Diese Beschwerde hatte Dr. Stresemann als dringliche Angelegenheit erklärt und sie als deutschen Antrag auf dis Tagesordnung des Rates gesetzt. Dr. Stresemann gab eine längere Erklärung ab, in der er betonte, daß diese Frage unter dem doppelten Gesichtspunkt einer Frage des Minderheitenrechts und einer Frage der rechtlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen seit vielen Jahren erörtert worden sei.
Die Bemühungen der deutschen Regierung, mit der polnischen Regierung zu einer Verständigung zu gelangen» seien bisher an der Haltung Polens gescheitert.
Die Dinge lägen so, daß Polen einer großen Zahl von Eigentümern das Recht auf die polnische Staatsangehörigkeit aberkenne, obwohl es dazu nach deutscher Auffassung nicht befugt sei. Das zeige, daß in der ganzen Angelegenheit nicht die deutsch-polnischen Rechtsbeziehungen, sondern die Frage im Vordergrund stehe, ob jene Eigentümer für sich in Anspruch nehmen könnten, als Angehörige der deutschen Minderheit angesehen zu werden.Es handle sich somit um eine Minderheitenfrage, für die der Völkerbundsrat zuständig sei. Die große Bedeutung dieser ungeklärten Frage zeige sich daraus,
daß nach Auffassung der polnischen Regierung heute noch von Polen etwa 50 000 Hektar ländlichen Grundbesitzes und etwa 6000 Hektar städtischen Grundbesitzes enteignet werden könnten, während nach denkscher Auffassung nur etwa 10 v. H. der Enteignung unterlägen.
Die deutsche Negierung habe die bisherigen Vorschläge Polens nicht als geeignete Grundlage anerkannt, da sie den Staatsangehörigkeitsverhältnissen in keiner Weise Rechnung trügen. Im Namen der deutschen Regierung könne er dis Erklärung abgeben, daß sie Gegenvorschläge, die eine gerechte Lösung auf dem Wege der Verständigung vorsehen, ihre Zustimmung geben würde. Er nehme dabei an, daß die polnische Regierung sich zu der Zusage, von der Durchführung der Enteignung bis zur endgültigen Klärung abzusehen, ohne weiteres bereit finden könne. Er wolle nicht davon sprechen, was es überhaupt bedeute, daß zehn Jahre nach Friedensschluß noch das System der Enteignung von Eigentum zur Anwendung gebracht werde.
Der polnische Außenminister Zaleski nahm darauf sofort das Wort zu einer kurzen Erklärung. Er erhebe Einspruch gegen die Gepflogenheit, Minderheitenfragen unmittelbar
^"Völkerbundsrat ^ bringen, statt sie auf dem üblichen Weg? der Dreierausscküste für MinderheitenfraLW
zunächst behandeln zu lassen/ Er sprach der deutschen Regierung amtlich das Recht zu einem derartigen Verfahren ab.
Streiflichter
Die Beratung des Haushalts des Reichs mini- steriums des Innern ist am Mittwoch nach mehrtägiger, nicht immer gleichwertiger Aussprache durch eins Flut von Abstimmungen erledigt worden. Unter ihnen verdienen zwei Entscheidungen eine besondere Erwähnung. Zunächst darf als recht erfreulich sestgestellt werden, daß das Ersuchen der demokratischen Fraktion an die Reichsregierung, die Länder zur /ufhebung überflüssiger Gesandtschaften zu veranlassen, Zustimmung fand. Nur die Deutsche Volkspartei und die Deutschnationalen wandten sich gegen diesen Antrag, der selbst bei den berufsmäßigen Neinsagern des Reichstags Beifall gefunden hat. Leider wandten sich dieselben beiden Parteien auch gegen einen anderen demokratischen Antrag, der die Reichsregierung ersucht, „mit größter Beschleunigung ein neues Reichswcchlgesetz vorzulegen, in dem unter Beibehaltung des Grundsatzes der Verhältniswahl die offensichtlichen Mängel beseitigt werden, die sich aus der bisherigen Anwendungsform des Verhältniswahlsystems ergeben haben, und ein engeres Verhältnis zwischen der Wählerschaft und den Abgeordneten hergestellt wird". Dieser Antrag wurde schon am 13. Juli 1928, also schon genau vor einem Jahr, eingebracht. Das heutige Abstimmungsergebnis hat gezeigt, daß eine Mehrheit des Reichstags sich auch heute noch nicht klar darüber geworden ist, wie man draußen im Lande, vor allem im politischen Nachwuchs des deutschen Volks, über die Reform unseres Wahlsystems denkt. Nur die Fraktion der Antragsteller und die des Zentrums setzten sich für den Antrag ein. Daß sologar eine Partei wie vie Soziaioemokraren, me, wie immer das Wahlrecht aussieht, sich um die Stärke ihrer Fraktion kaum Kopfzerbrechen zu machen braucht, ebenfalls gegen eine bescheidene Wahlreform gewesen ist, gibt doch für die Zukunft der Wahlresorm zu denken. Diese Abstimmung im Reichstag läßt keinen Zweifel mehr darüber, daß die Entscheidung über die Umgestaltung des Wahlrechts nur außerhalb des Parlaments ge ucht werden kann.
*
Trotz Rückeroberung von 14 Sitzen und dem auffälligen Zuwachs ihrer Stimmen in Brüssel, wo diese von 74 303 (9. Juni) auf 89 540 stiegen, sind die Liberalen nicht als der Sieger in den Provinzialwahlen anzusehen. Ihre Verluste verhindern die Sozialisten nicht, ihre absolute Mehrheit in der Provinz Hennegau und die Stimmengleichheit :n dsr Provinz Lüttich, wo die drei gewählten Autonomisten das Zünglein an der Waage bilden, zu behaupten. In Luxemburg. Limburg und Westflandern behalten di« Katholiken die absolute Mehrheit, während sie in der Provinz Namur die Stimmengleichheit gegen die frühere sozialistischliberale Koalition 30 gegen 21 -t-9) erlangen. In Antwerpen stehen sich 39 Katholiken (—1), 9 Frontisten (-K4), 27 Sozialisten (—4), 14 Liberale (-l- 1) und 1 Mittelstand gegenüber, in Ostflandern 42 Katholiken (—7), 8 Frontisten (-K 5), 25 Sozialisten (—3) und 15 Liberale (-l-5). Diese beiden letzten Ergebnisse genügen, um die Wahl zu einem ausgesprochenen Sieg der Radikalflamen zu stempeln. Nicht nur gewinnen sie im ganzen 25 Sitze, wovon 8 in Limburg, 4 in Westflandern und 4 in Brabant, sondern dadurch ist auch der Beweis erbracht, daß sie für die Katholische Partei den Ausschlag geben. Mit den Frontisten zusammen steht dieser die sehnlichst erwünschte absolute Mehrheit im Senat schon jetzt in Aussicht: ein weiteres schlichtes Anzeichen für die Zukunft der klerikal-liberalen Koalition. Das Schicksal der letzteren dürfte von der Gruppierung ins Rote der Provinz Brabant abhängen. Diese hat 30 Katholiken (—4), 2 Sozialisten (—4), 27 Liberale (/5), 4 Frontisten (-14 und einen Kommunisten (—1) gewählt. Bleibt hier das sozialistisch-liberale Bündnis bestehen, so wird cs schwer sein, in Namur, Ostflandern und Antwerpen eine liberal-klerikale Einigung zu erzielen, und der Rückschlag auf das schon so brüchige liberal-klerikale Bündnis in den Kammern wird schwerlich vermieden werden können.
Doch Tariferhöhung?
Die Vorschläge der Reichsbahn <
Berlin, 15. Juni. Der angekündigte Tariferhöhunasantrag der Reichsbahn ist, wie wir hören, bei der Reichsregierung eingegangen.
Es wird vorgeschlagen, diejenige Tarife, die im vorigen Iahre geschont worden sind, zur Erzielung von Mehreinnahmen heranzuziehen,
also eine Reihe von Gütersätzen und im Personenverkehr dis Tarife für die 2. Klasse, während die Preise in der 3. Klasse unverändert bleiben. Im einzelnen sollen, wie versichert