Zur auswärtigen Lage.

Der Kampf gegen das Dentschtum in Südtirol.

Wien, 6. Nov. Nach Mitteilungen aus Innsbruck hat gestern in Bozen ein Aufmarsch deutscher Frauen und Müt­ter vor der Uirterprüfektur stattgefunden, um gegen die Abschaffung des Unterrichts in der Muttersprache in der ersten Volksschulklasse zu demonstieren. Die deutschen Ab­geordneten Südtirols verlangten telegraphisch von Musso­lini den Widerruf der Verordnungen des Präfekten von Trient über den Sprachgebrauch bei den Behörden, da diese wegen ihres Ausnahmecharakters und der dadurch hervor- gerufenen ungleichen Behandlung der Staatsbürger deut­scher Zunge in der Provinz Trient vollkommen ungesetzlich seien.

Gin italienisch-türkischer Zwischenfall.

Rom, 6. Nov. Bei der Ausfahrt von Smyrna sind sechs große italienische Fischerbarken von einem türkischen Schleppdampfer durch Gewehrfsuer angehalten und in den Hafen von Smyrna zurückgebracht worden, wo die türki­schen Behörden die Ladung und alle Gerätschaften beschlag­nahmten. Die Barken sind noch nicht fxeigegeben worden. Die Besatzung von über 50 Mann ist heimgeschickt worden. Der italienische Konsul legte Protest ein und meldete vor­läufig einen Schadenersatzanspruch von 700000 Lire an. Die italienische Regierung nimmt sich des Falles an.

Bulgarien erfüllt die Bedingungen Südslaviens.

Belgrad, 8. Nov. Entsprechend den Bedingungen des Ultimatums hat gestern eine Abteilung der bulgarischen Armee mit Fahne vor dem Gebäude der jugoslavifchen Ge­sandtschaft in Sofia der serbischen Fahne Ehrenbezeugun- gen erwiesen. Auch die übrigen Forderungen des Ultima­tums wurden erfüllt.

Die Krisis im Innern.

Gin Brief des Kardinals Faulhaber an den Reichskanzler.

Berlin, 7. Nov. (Wolfs.) In Beantwortung eines Schrei­bens, das der Reichskanzler Dr. Stresemann an Kardinal- Erzbischof Faulhaber in München gerichtet hatte, ging dem Reichskanzler folgend« Zuschrift des Kardinals zu: Geehrter Herr Reichskanzler! In Ihrer geschätzten Zuschrift vom 13. Ok­tober haben Sie wiederholt einen Gedanken ausgesprochen, der auch in ihren öffentlichen staatsmännjschen Reden zum Teil wie­derklingt, daß nämlich nur in der sittlichen Wiederge­burt des deutschen Volkes die starken Wurzeln seiner wirt­schaftlichen und politischen Wiedererhebung liegen und daß die katholische Kirche für diese Rettung der Volksseele einen groben Einflug «unnützen izustande sei. Dieser Gedanke ist mir so ganz aus der Seele gesprochen und enthält eine so hohe Einschätzung der friedlichen Zusammenarbeit von Kirche und Staat, daß ich mich verpflichtet fühle, Eurer Exzellenz für den Brief vom 13. Oktober ergebenst zu danken. Es ist mir leider aus gesundheitlichen Gründen und aus kirchenrechtlichen Bedenken nicht möglich, für den in Ihrem Brief gemachten Vorschlag mich zur Verfügung zu stellen. Ich darf aber, ohne in rein politische Entwicklungen einzugreifen und zu allen politischen Tggesfra- gen von heute Stellung nehmen zu wollen, Eurer Exzellenz die Versicherung geben, daß die Kirche es als eine Gewissenspflicht empfindet, an der sittlichen Wiedergeburt des Volkes, im be­sonderen an dem Abbau der Genußsucht und an der Pflege des Autoritätswesens, an dem Abbau des Hasses und der Standes­gegensätze und an der Pflege des Gemeinschaftssinnes, an dem Abbau der Selbstsucht und an der Pflege des Opfersinns nach Kräften mitzuarbeiten. Ich schreibe diesen Brief auf meine persönliche Verantwortung, weiß mich aber gedankeneinig mit dem diesjährigen Hirtenschreiben der in Fulda versammelten Bischöfe. Wie sollen die berufenen Staats­männer auf die Dauer den Mut haben, in der Regierung die Last der Verantwortung zu tragen, wenn ihnen fortwährend ihre Zirkel gestört und alle Kundgebungen und Maßnahmen der Regierung mit unfruchtbarer rein negativer Kri- t i k statt mit positiver Mitarbeit beantwortet werden? Wie sollen wir über die ins riesenhaft« gewachsene wirtschaftliche Not, über das mit Arbeitslosigkeit kommende Elend dieses Winters Herr werden, wenn nicht alle sittlichen Mächte ohne Unterschied der Konfession und der Stan bes­pricht und Partei zusammen helfen? Wie wollen wir sonst den Hatz abbauen, der blindwütig über unsere israelitischen Mitbürger oder über andere Volks­gruppen in Bausch und Bogen ohne Schuldnachweis von Kopf zu Kopf den Stab bricht, den Bürgerkrieg nährt, der un­absehbare neue Verwüstungen anstiften und die Verelendung un­seres armen Volkes durch Selbstzerfleischung besiegeln würde? Nach dem Zeugnis der Geschichte waren die Bürgerkriege noch immer die erbittertsten, blutigsten und wundenreichsten Kriege. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, daß ich die föderalistische Umgestaltung der Weimarer Ver­fassung für eine staatsmännische Notwendigkeit halte, um die schleichenden Bürgerkriege zu beenden und wertvolle Kräfte aus dem Eigenleben der deutschen Volks­stämme für den Dienst am Ganzen zu gewinnen. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, datz alle Reichsschulgesetzversuch« die bisher zu Recht bestehende Bekenntnisschule in ihrem Rechts­zustande zu bedrohen und damit in die Freiheit des Elternge­wissens einzugreifen und das Vertrauen weiter Kreise zum Reich zu erschüttern geeignet waren. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, datz die Treue des bayrischen Volkes zu seinem Königshaus« das Recht der völkischen Selbst­bestimmung für sich in Anspruch nimmt. Das aller darf

aber nur auf verfassungsmäßigem und unblutigem Weg« ge- schehen, nicht durch Umsturz und gewalttätige und b l u- tige Eingriffe in den Gang der Entwicklung. Möge es mit Gottes Hilfe gelingen, in erster Linie unserem armen Volke Brot und Arbeit zu geben, mit den Nachbarvölkern zu einem friedlichen Ausgleich auf dem Boden der Gerechtigkeit und Bil­ligkeit zu kommen und die Schwere eines Bürgerkrieges fernzu­halten. Es war mir ein Bedürfnis, geehrter Herr Reichskanzler, Ihnen als Antwort auf Ihren geschätzten Brief zu schreiben. Mit dem Ausdruck ausgezeichneter und aufrichtiger Hochschätzung ver­bleibe ich Euer Exzellenz ergebener

Kardinal Faulhaber, Erzbischof von München.

Eine deutschnationale Stimme zum Briefwechsel StresemannFaulhaber.

München, 7. Nov. Der Briefwechsel FaulhaberStrefe- man-n wird bis jetzt nur von derMünchen-Augsburger Abendzeitung" kommentiert. Das Blatt untersucht die Ur­sachen, weshalb der Reichskanzler den bayrischen Kardinal Faulhaber in die Kreise seiner Politik einzuziehen suche und sagt dann, die Antwort liege klar aus der Hand: Die große Autorität des Kardinals solle von der Reichsregie­rung zur Beseitigung eines gewissen Widerstands in Bayern benutzt werden. Ein solches Verfahren, so urteilt das Blatt, müßte auf das Bestimmteste abgelehnt werden Das Blatt verlangt, daß auch der Brief des Reichskanzlers der Oeffentlichkeit unterbreitet wird.

Der Kampf der bayrischen Bolkapartei gegen Stresemann.

München, 7. Nov. Eine Vertrauenskundgebung für den Eeneralstaatskommissar Dr. von Kahr wird am Don­nerstag abend im Münchner Vürgerbräukeller stattfinden. Dr. v. Kahr wird dabei eine Rede über die politischen Zu­kunstsaufgaben halten .

München, 7. Nov. Der Arbeitsausschuß des Vorstandes der Bayer. Volkspartei, der heute Nachmittag in Anwe­senheit des bayer. Ministerpräsidenten Dr. v. Knilling zu- sammgetreten war, hat, veranlaßt durch die Gerüchte, datz Reichskanzler Dr. Stresemann sich um die Unterstützung der bayer. Volkspartei für die Neubildung seines Kabinettes bemühe, einmütig beschlossen, die Reichstagsfraktion der Partei telegraphisch zu benachrichtigen, daß eine Beteili­gung an einem Kabinett Stresemann aus sachlichen und persönlichen Gründen nicht in Frage kommen könne.

Keine Einbeziehung der Deulschnationalen in das Reichskabinett.

Berlin, 7. Nov. Die Besprechungen über die Frage der Kabinettsbildung wurden heute im Reichstag fortgesetzt. Wie die Blätter glauben, kann von einer Einbeziehung der Deutschnationalen in das Reichskabinett keine Rede sein. Der Wunsch, in das Kabinett einzutreten, ist auch bei einer Unterhaltung zwischen dem Reichskanzler uirb dem Abgeordneten Hergt, die gestern stattfand, von dem deutschnationalen Führer nicht geäußert worden. In Par­lamentskreisen hält man es aber für wünschenswert, datz die Bayer. Volkspartei in die Regierung eintritt. Ob dies geschehen wird, bleibt jedoch noch abzuwarten. Ist schon cchgelehnt worden.

Die Reichswehr in Sachsen.

Dresden, 6. Nov. Das Wehrkreiskommando IV teilt mit: Die zur Zeit in der Gegend Chemnitz, Zwickau und Werdau liegenden Truppen werden in den nächsten Ta­gen zum Teil dort weggezogen. Die Reichswehr wird nun­mehr über das gesamte Gebiet des Freistaates Sachsen ver­teilt werden, um die Ruhe und Ordnung auch in Zukunft aufrechtzuerhalten. Durch Zuteilung von Kraftfahrverbän­den ist dafür Sorge getragen, daß die Reichswehr, wenn di« Lage es erfordert, auch in Gegenden, die von ihrem Stand­quartier entfernt liegen, schnell verschoben werden kann. Die Befehlshaber werden in engem Einvernehmen mit den Zivilbehörden arbeiten.

Thüringischer Protest gegen den Einmarsch der Reichswehr.

Weimar, 8. Nov. Das Thüringische Presseamt teilt mit: Die thüringische Regierung ist bei der zuständigen Regie­rungsstelle in Berlin persönlich gegen die Art des Ein- Marsches der Reichswehrtruppen in Thüringen vorstellig geworden, da hierzu keinerlei Veranlassung vorliege. Da­raufhin hat der Reichswehrminister der Thüringischen Re­gierung geantwortet, der Auftrag des Generals Rein­hardt laute dahin, Thüringen auch gegen jeden Einfall von Banden von auswärts zu schützen. Er sei überzeugt, datz die Schutzpolizei und die Reichswehr für diese Aufgabe völlig genügten, datz daneben aber bewaffnete Organisa­tionen unmöglich seien, weil sie eine Gefahr für die Be- völkerung und die Truppe bildeten.

Gin Erlaß des militärischen Befehlshabers in Thüringen.

Erfurt, 8. Nov. Folgende Bekanntmachung an die thü­ringische Bevölkerung wurde gestern veröffentlicht: Zahl­reiche Hilferufe der thüringischen Bevölkerung aller Schich­ten zeugen von Gewalttätigkeiten und ungesetzlichem Ein­greifen in das Wirtschaftsleben durch die kommunistischen Hundertschaften. Trotz des ausdrücklichen Verbots der

Nskchsröglerung" und' des beauftragten Militärbefehls. Habers bestehen diese Verbände weiter und betätigen sich in einer Weife, die für die Autorität des Reiches und für die vollziehende Gewalt unerträglich ist. Der Militär­befehlshaber des Wehrkreiskommandos V hat mich beauf- tragt, im Freistaat Thüringen mit den mir zur Verfügung stehenden Truppen alle Maßnahmen zu treffen, die zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung im Lande nötig sind und die die Durchführung der Befehle des Inhabers der vollziehenden Gewalt gewährleisten. Hierzu wurde die thüringische Landespolizei mit den staatlichen und kommu- nalen Polizeiorganen im Freistaat Thüringen mir unter­stellt und erhalten von mir. die erforderlichen Befehle. Die zu treffenden Maßnahmen richten sich nicht gegen die ord- nungsliebende Bevölkerung. Ich vertraue vielmehr auf deren Mitwirkung. Auf der anderen Seite wird rücksichts­los jeglicher Widerstand, der sich meiner Truppe und der Landespolizei entge-genstellt, mit allen zur Verfügung stehenden Machtmitteln gebrochen. In Erkenntnis der schweren Notlage, in der sich der überwiegende Teil der Bevölkerung befindet, wird die Truppe dem Lande nicht zur Last fallen. Sie führt ihre Verpflegung mit sich. Die mit der militärischen Leitung an Ort und Stelle beauf- tragten Befehlshaber handeln in meinem Namen. (Eez.j: Hasse, Generalleutnant und Kommandeur der 3. Kavalle- riedivision.

Deutschland.

Nochmalige Erhebung der Devisenabgabe.

Berlin, 8. Nov. Um die zur Behebung der äußersten Not des Volkes nötigen Devisen für die Einfuhr des un- entbehrlichsten Lebensbedarfs, insbesondere für die Ge­treide- und Fettzufuhr zur Verfügung zu halten, hat sich die Reichsregierung trotz schwerster Bedenken entschlösse«, die Devisenabgabe aus der Grundlage der Brotversor­gungsabgabe sofort noch einmal zu erheben. Als Gegen­leistung wird eine neue Goldanleihe gewährt werden. Wei­tere Devisen sollen durch die Ausfuhr einer beschränkten Menge Zucker beschaffen werden. Die Not des Volkes zwingt zu diesem Schritt, um durch die Ausfuhr Devisen zur Be- zahlung von Getreide und Fett zu erlangen. Die für den Verbrauch an Mundzucker unerläßliche Menge bleibt er­halten. Beide Maßnahmen werden eine wesentliche Ent­lastung des Devisenmarktes herbeiführen. Zur vorläufigen Festigung des Kurses der Papiermark und zu der demnäch- stigen Herstellung eines festen Verhältnisses der Papier­mark zu einem wertbeständigen Wert hat die Reichsregie­rung in Ergänzung ihrer bisherigen Entschließungen fol- gendes beschlossen: Alle Vorbereitungen sind getroffen worden, damit die Rentenbank mit der Ausgabe der Ren­tenmark am 15. Nov. beginnen kann. Von diesem Zeit- punkt ab wird der Bedarf des Reichs nicht mehr durch die Neuherstellung von Papiermark gedeckt werden. Die Pa­piermarkinflation wird damit ihr Ende erreichen. Die dann feststehende Menge an Papiermark soll gegen Gold- anleihe des Reichs eingetauscht werden können. Zu diesem Zwecke wird einer besonderen Stelle eine mit Sicherheiten ausgestattete Eoldanleihe des Reiches zur Verfügung ge­stellt werden.

Die Vorarbeiten zur Ausgabe der Rentenmark.

Berlin, 7. Nov. Mit der Herstellung der Rentenmark, scheine wurde noch vor dem Inkrafttreten der Verordnung über die Rentenbank begonnen. Die starke Inanspruch­nahme der Reichsdruckerei und der zehn mit ihr zusammen arbeitenden Privatdruckereien für Zwecke der Herstellung von Reichsbanknoten und Eoldanleihestücken hat die tech­nischen Möglichkeiten der Herstellung erheblich einge­schränkt. Dabei muß man sich vor Augen halten, daß die Herstellung eines so hochwertigen Zahlungsmittels, wie es die Rentenmark ist, im Interesse der Verkehrssicherheit weitgehende Vorsichtsmaßregeln verlangt. Die erste Menge der Rentenbankscheine war am 30. Oktober fertiggestellt und zwar wurde damals zunächst der kleine Betrag von 150 000 Mark erreicht. Am 31. Oktober war er auf 450 000 Mark, am 1. Nov. auf 2950000 und am 5. Nov. auf 17 750 OM Mark gestiegen. Am 12. Nov. werden 105 Mil­lionen Rentenmark fertiggestellt sein. Bis zum 15. Nov. soll dann der Betrag der bis dahin insgesamt hergestellten Rentenmarkscheine auf 243 Millionen steigen. Auch die Herstellung der Rentenpfennige ist in die Wege geleitet und die Berliner Münze wird, nachdem alle Vorarbeiten unter Inanspruchnahme der Privatindustrie getroffen sind, noch in dieser Woche mit der Prägung beginnen. Der Tag, an welchem das Rentengeld in den Verkehr kommt, »läßt sich jetzt noch nicht mit Sicherheit angeben, weil eine gleichmäßige Verteilung über das ganze Reich vorher er­folgen muß. Man darf aber damit rechnen, daß die Ren­tenmark und die Rentenpfennige bald in die Hauptkanäle des Zahlungswesens eindringen und dem Verkehr zur Ver­fügung stehen werden. An dem gleichen Tage, an dem mit der Herausgabe der Rentenmark begonnen wird, hört ent­sprechend den Bestimmungen über die Rentenbank die In­anspruchnahme der Reichsbank durch die Diskontierung von Reichsschatzwechseln mit der weittragenden praktische» Bedeutung auf, daß die Jnflationsquelle verstopft und dir Tätigkeit der Notenpresse stillgelegt wird.