rein menschenfreundliche Absichten, dos gehl schon nur dem Folgenden hervor: In den britischen Kolonien werden o: l? Millionen Pfund Tee gepflanzt. Ader die britischen Te>> gesellschaften sind mit dem jährlichen Absatz und d m la.. senden Reingewinn von 4 Millionen Pfund Sterling nicht zufrieden. Dies Perdienst verschaffen ihnen die Engländer mit ihrem Fünfuhrtee. Die Amerikaner trinken um 5 Uhr Kaffee. Sie haben im vergangenen Kalenderjahr beinahe anderthalb Milliarden Pfund Kaffee verbraucht, also sechshundert Millionen mehr als vor dem Krieg. Der Menschenfreund Higham meint, das komme daher, weil man die amerikanische Kaffeeleidcnschaft nie ernsthaft bekämpft habe, und es sei eine Kleinigkeit, den Kaffeedurst in Teedurst umznwandeln. Nun hak der Herr sich von den britischen Teegesellschaften einen hübschen Vorschuß zahlen lassen und wird als Wanderredner durch die neue Welt pilgern. Er wird vor seinen Zuhörern die Hand aufs Herz legen und sagen: daß er nur ihr Bestes wolle. Er wird sagen, daß Tee weit weniger Magensäfte wegnehme als Kaffee, und daß Teetrinker im Durchschnitt zwanzig Jahre alter werden als Kaffeekrinker.
Die Zünde im Grab Tut anch-Amons. Auf Anordnung der ägyptischen Regierung waren 1923 die Forschungsarbeiten im Grab des alten Aegypterkönigs Tut-anch-Amon eingestellt worden. Vor einigen Wochen erst hat man nun den Sarg des Königs aus der inneren Grabkammer ans Tageslicht gebracht. Es sind drei goldene Särge, ineinander, und im innersten fand man die Mumie des Königs, mit goldener Gesichtsmaske, aber vollkommen zerfallen: nicht viel mehr als ein Skelett, mit Juwelen und Gold bedeckt. Wie Howard Carter in seinem eben veröffentlichten Buch, dem zweiten Teil seines Werks, erklärt, ist der Zerfall durch die zur Erhaltung des Körpers verwendeten Oele herbeigeführt worden, da die leinenen Bandagen vollkommen verbrannt aussahen. Diese Oele bilden eine harte schwarze Kruste, in der die Mumie eingebettet liegt. Man hat verflicht, das Schmelzen dieser Kruste dadurch herbeizuführen, daß man den Sarg ans Tageslicht brachte und den glühenden Strahlen der Sonne aussetzte. Aber Ra, der Sonnengott, wollte seinen Sohn nicht nach 3500 Jahren aus dem Schlaf erwecken. Trotz des Verfalls lassen sich die Gesichtszüge der Mumie noch einigermaßen erkennen. Wenigstens ist es unzweifelhaft, daß es ein jugendliches Gesicht ist. Wenn aber, wie in einer englischen Zeitung behauptet wird, einige Gelehrte in den Zügen des Pharao eine Aehnlichkeit mit einem Vorgänger, dem „Ketzerköniq" Echnaton, erkennen wollen, so ist dies unsinnig, denn Echnaton war nicht der Vater, sondern der Schwiegervater Tut-anch-Amons. Unter den Schätzen, die dem toten König in den Sarg gelegt wurden, befindet sich ein prachtvolles Diadem und goldene Sandalen. Außerdem steckt jeder der Zehen in einer goldenen Kapsel, auf der der Nagel deutlich abgezeichnet ist. Eine sorgfältige Untersuchung der Luft und des Staubs hat ergeben. daß das Grab gänzlich frei von Bakterien oder lebenden Keimen irgendwelcher Art ist. Ebenso fand sich die Luft frei von giftigen Gasen.
Verhaftungen in Budapest. Die Polizei in Budapest nahm eine Reihe Verhaftungen vor, und zwar wurden der Landgerichtsrat Dr. Stefan Nagy und etwa 20 Advokaten bzw. Buchsachverständige verhaftet. Nagy, der Zwangsaus- gleichsverfohren zu bearbeiten hatte, hat auf Grund von privaten Vereinbarungen Advokaten zu Vermögensvergleichen bestellt, ihnen sehr hohe Gebühren zugesprochen, die er dann mit ihnen hälftig teilte. Hierdurch erwarb er sich ein großes Vermögen an Bargeld, Aktien und Grundstücken.
Zord freigssprochen. In dem Prozeß, den der Rechtsanwalt Schapiro in Chikago gegen den Automobilfabrikanten Henry Ford in Detroit wegen Beleidigung angestrengt hatte, wurde Ford freigesprochen. — Ford hatte behauptet, die von Schapiro betriebene „Hilfsorganisation für die Farmer" sei in Wirklichkeit nichts als eine Mache zum Vorteil der jüdischen Getreidespekulanten. Schapiro hatte Ford auf eine Million Dollar eingeklagt. 200 Zeugen waren zur Verhandlung geladen.
ep. Zunahme der Frauenarbeit. Eine wesentliche Ursache der Erwerbslosennot liegt, — neben der Tatsache, daß das deutsche Heer nicht mehr 400 000, sondern 100 000 Mann zählt und die Marine um ein Vielfaches kleiner geworden ist, wodurch etwa 300 000 Männer „frei" geworden lind und auch die großen Lieferungen, Bauten usw. für Heer und Marine auf einen verhältnismäßig kleinen Teil zusammengeschrumpft sind, — darin, daß die Zahl der auf Erwerb angewiesenen Personen heute in Deutschland bedeutend höher ist als vor dem Kriege. Im Augenblick liegt das endgültige Ergebnis der Berufs- und Betriebszählung aus dem gesamten Reich noch nicht vor, Teilergebnisse zeigen aber schon die bedeutsame Zunahme der Erwerbstätigkeit. So weift gegenüber dem Jahre 1907 (infolge einiger Mängel der damaligen Statistik ist die Gegenüberstellung nicht ganz exakt) Württemberg i. I. 1925 ein Ansteigen der Erwerbstätigkeit um etwa 10 v. H., nämlich von 49,4 v. H. auf 59,6 v. H. der Gesamtbevölkerung auf und steht damit an der Spitze der bisherigen Ergebnisse. Auch in Hessen und Thüringen beträgt die Zunahme rund 10 v. H.. in Sachsen fast 12 v. H., dagegen in B a ^ e n nur 4 v. H., in B a y e r n 2 v. H. Den Hauptanteil an der Steigerung trägt die F r a u e n a r b e i t. Sie ist im gleichen Zeitraum in Sachsen um mehr als 11 o. H., in Oldenburg, Hessen und W ü rite m b e r g um 14 v. H. gestiegen. Das bedeutet für Württemberg, daß heute jede 2. Frau erwerbstätig ist. Daß durch diese Entwicklung die Frau immer mehr aus ihrem eigentlichen Wirkungskreis der Familie, verdrängt wird, ist für das deutsche Volkstum eine sehr ernst zu nehmende Tab fache. Auch die Wichtigkeit der Maßnahmen für den Schutz der Arbeiterinnen geht aus dieser Statistik hervor.
Karawanenzug der Hanomag. Die Hannoversche Ma- sch:nenbau-A.-G. Hanomag in Hannover-Linden beabsichtigt mit ihren Zugmaschinenfabrikaten wie Straßenzugmaschinen, Ackerradschlepper, Kettenschlepper in Verbindung mit den hierzu gehörigen Anhängegeräten in Form einer Karawane Südwestdeutschland, beginnend in Friedrichshafen a. B., am 10. d. M. nordwärts durch Württemberg, Baden, Hessen elc. zu durchziehen, woselbst sie am 27. Mai in Dortmund bei der Ausstellung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft einzutreffen gedenkt. Die Reise führt über Tettnang, Ravensburg, Waldsee, Biberach, Buchau, Saulgau, Riedlingen, Ehingen, Münsingen. Reutlingen, Herrenberg, Leonberg, Pforzheim usw.
Die Auswanderung im Jahr 1926. Die Amtliche Beratung für Auswanderung teilt in ihrem Jahresbericht mit: Der Drang zur Auswanderung ist besonders auch bei Industriearbeitern sehr stark, doch mußte vielen vor unüber- legier Auswanderung dringend abgeraten werden. Die meisten der Auswandernden begehrten in N ordamerika unterzukommen. Dabei ergab sich, daß die Einwanderungsvorschriften je nach der Auffassung der einzelnen Einwande- rungskommiffariate mehr oder minder scharf ausgelegt wer- Lrn. Die AusrvsnderuvL nach GÜHs W-» rft k L Uetz yM,
da auch in Lateinamerika zurzeit Wirtschaftskrise herrscht und Arbeitsmangel ein Durchkommen außerordentlich erschwert. Im übrigen drängen wirtschaftliche und soziale Einflüsse Lateinamerika immer mehr zu einem engern Zusammenschluß mit Nordamerika, und es wird dadurch schon in absehbarer Zeit der europäischen Einwanderung auch in Südamerika ein Riegel vorgeschoben werden. Südafrika bot,im Lauf des Jahrs geeigneten und mit Barmitteln versehenen Einwanderern gute Unterkunftsmöglichkeit und verhältnismäßig rasches Fortkommen. Nach den meisten europäischen Ländern konnte eine Auswanderung nicht empfohlen werden, weil es auch da überall an Arbeit infolge Absatzstockung mangelt. Mancher Auswanderungswillige konnte keine Einreiseerlaubnis in fremde Länder erhalten, weil die Eintragungen in sein Führungszeugnis das nicht zuließen. Bestrafte werden heute ganz allgemein meist nicht zugelafsen.
Der Dichter Chr. Daniel Schubart im Adler in Hofen. Nachdem Chr. Daniel Schubart von „Aschenberg", wie er den Asperg nannte, frei geworden war, verkehrte der Dichter mit seinem fürstlichen Gönner gerne im „Adler" in Hofen. Einmal warf der Herzog Kar! einen Dukaten Schubart ins Weinglas und sagte: „Bis ich im Sattel sitze, muß Er ein Jmprompte auf diese Aktion fertig haben, dann ist der Dukaten sein". Der Herzog stieg auf und Schubart rief mit dem Glas in der Hand vom Fenster hinab: „Zwei Götter können sich in einem Glase nicht vertragen, darum geh du Pluto in den Sack (damit fischte er das Goldstück heraus und schob es ein) und du Bachus in den Magen!" und leerte das Glas. — Ein andermal vertraten drei lose Spaßvögel dem in weinseliger Laune den Adler verlassenden Schubart bei stockfinsterer Nacht den Weg und erklärten, ihn nicht eher freizugeben, bis er sich durch ein Stegreifgedicht ausgelöst habe. Sofort rief in komischer Verzweiflung der Improvisator: „Herr Gott, aller Welten Richter, kennst im Dunkeln alle G'sichter: sag' doch deinem armen Kind, was das für drei Schlingel sind!" Lachend gaben die so titulierten Herren den Weg frei.
Der Mnnecke-Ksmek. Am 3. März ist von der amerikanischen Terkes-Sternwarte der in diesem Jahr erwartete Winnecke-Komet im Sternbild des Bootes als noch äußerst lichtschrvaches Gebilde der 16. Größenklasse gefunden worden. Er wurde zuerst 1871 von dem Astronomen Pons (Paris) entdeckt, aber erst Winnrcke, der Begründer der Sternwarte in Karlsruhe, ein Hannoveraner, hat seine kurze Umlaufzeit von 5,8 Jahren berechnet und der Komet wurde daher nach ihm benannt. Er ist ein sogenannter teleskopischer Komet, der mit bloßem Auge nicht gesehen werden kann. Er bewegt sich in nordöstlicher Richtung im Sternbild des Bootes fort und wird nach der Vorausberechnung noch bis in den Juni d. I. am nördlichen Himmel aufwärtssteigen, um schließlich bis in das Sternbild des Drachen zu gelangen, in dem er umwendet, um dann in enorm schnellem Lauf nach Südosten abwärts zu schreiten und schon Ende Juni im Wassermann den Aequator zu durchlaufen. Kurz vorher, im Juni, befindet sich der Komet in seiner Sonnennähe und bald darauf auch der Erde am nächsten: der Erde wird er sogar bis auf 61- Millionen Kilometer nahe kommen. Er kann sich der Sonne bis auf 145 Millionen Kilometer (nahezu Erdabstand von der Sonne) nähern und sich non ihr bis auf 828 Millionen Kilometer (mehr als Jupiterabstand von der Sonne) entfernen.
Die Versteigerung der russischen kronjuweien in London hat eine große Zahl von Juwelenhändlern aus England und anderen Ländern angezogen. Das prachtvoll« Brautdiadem der Zarin ging um den billigen Preis von 122 WO ^ in den Besitz eines Händlers in Paris über. Der Wert des ganzen Kronschatzes wird auf 3S0 Millionen Goldrubel (700 Millionen Goldmark) geschätzt.
Verhinderter Eisenbahnanschlag. Auf den D-Zug 103 wurde zwischen den Stationen Rastede und Ofenerdik (Oldenburg ein Anschlag verübt. Unbekannte Täter hatten einen großen Karren quer über das Gleis gelegt. Durch die Geistesgegenwart einer Krankenwärterin, die dem Zug enkge- grulief und ihn durch Warnungszeichcn kurz vor dem Hindernis zum Stellen brachte, wurde ein Unglück verbüket.
Zengjusicmg ein Madjare? Der Richter Igor Fengya in der früher ungarischen, jetzt tschechoslowakischen Stadt Kofice, sah kürzlich das Bild des „christlichen Chinesengenerals Fengjusiang in einer deutschen Bilderzeitsch.nft. Sofort kam ihm der Gedanke, daß dies sein Bruder Irenius sei, der mit 17 Jahren nach Amerika ausgewandert und nach mancherlei Abenteuern kurz vor dem „Boxerkrieg" 1900 nach China gesaugt war. 1911 tauchte er noch einmal in Washington auf, seitdem hat man nichts mehr vor ihm gehört. Die amerikanischen Zeitungen beschäftigen sich lebhaft mit der Sache. Die Chinesen behaupten, Fengjusiang sei in China geboren und von amerikanischen Missionaren mit zweifelhaftem Erfolg zum Christentum bekehrt worden. Der Richter Fengya und die amerikanischen Zeitungen hoffen, daß Fengjusiang nach Beendigung der chinesischen Wirren doch seinen Bruder in Kofice anerkennen werde.
Einrichtung von Obstbauversuchsringen. Gestützt auf die günstigen Ergebnisse der landw. Versuchsringe hat die Württ. Landwirtschaftskammer in ihrer letzten Hauptversammlung beschlossen, auch im Obstbau Versuchsringe einzurichten. Cs sind zwei verschiedene Arten von Obstbauversuchsringen gebildet worden: a) der bäuerliche Obstbauversuchsring und b) der Obstbauversuchsring. Einen bäuerlichen Obstbau- versuchsring können Landwirte einer oder mehrerer Gemeinden bilden. Vorteilhaft ist der Zusammenschluß aller Obstzüchter einer Gemeinde. Den eigentlichen Obstbauversuchsringen gehören nur größere Obstzüchter an, die über wenigstens 500 Obstbäume verfügen. Der Zweck des bäuerlichen Obstbauversuchsrings ist in der Hauptsache die Hebung des Obstbaus der in ihm vereinigten Obstzüchter. Deshalb befaßt er sich nicht nur mit der sachgemäßen Ausführung und Unterhaltung der Obstanlagen, sondern auch mit der Verwertung des Obstes. Zu diesem Zweck wird von der Landwirtschaftskammer zusammen mit dem Vorstand des bäuerlichen Obstbauversuchsrings ein Arbeitsplan aufgestellt, dessen Durchführung einem der Landwirtschaftskammer unterstellten zuverlässigen, möglichst geprüften Baumwart übertragen wird. Die Ningmitglieder haben somit eine Sicherheit dafür, daß ihre Anlagen musterhaft ausgeführt und unterhalten werden. Es werden nur die Arbeiten ausgeführt, die notwendig sind, um die Obstanlagen wirtschaftlich zu gestalten. Eigentliche Versuche unterbleiben in der Regel. Die entstehenden Kosten werden zunächst von der Landwirtschaftskammer übernommen und können auf die umgelegt werden. Die eigentlichen Obstbau- denselben Zweck. Da es sich hier um die^Snrl^nmnll'? sind auch Versuche, die namentlich
iress^, in ""d Schädlingsbekämpfung be-
treffen, in Aussicht genommen. Die Auskübrnnn d-v S» beiten wird ebenfalls Baumwarten übertragen deren An' stellung durch die Betriebsinhaber erfolgt. Die Landwirt, schaftskammer wird die Versuche nach Möglichkeit durch Bei- Hilfen unterstützen.
Zehn Gebote für die faszistische Miliz. Die faszistischs Parkeileitunq gibt durch die Presse folgende „zehn Gebote des Milizsolda'ten" bekannt: 1. Wisse, daß der Faszist, besonders der Milizsoldat, nicht an den immerwährenden Frieden glauben darf. 2. Gefängnisstrafen sind immer verdient. 3. Man dient dem Vaterland auch als Schildwache vor einem Benzinfaß. 4. Der Kamerad sei dein Bruder, denn er lebt mit dir und denkt wie du. 5. Das Gewehr, die Patronentaschen usw. sollst du für den Krieg aufsparen, nicht unnütz verbrauchen. 6. Sag' nie: die Regierung zahlt's, denn du zahlst es selber, und die Regierung hast du gewollt und du trägst ihre Uniform. 7. Manneszucht ist die Hauptsache im Heer, ohne sie gibt es keine Soldaten, nur Verwirrung und Unordnung. 8. Mussolini hat immer recht. 9. Der Freiwillige hak bei Ungehorsam keine Milderungsgründe zu erwarten. 10. Ueber alles teuer sei dir das Leben des Ducs (Mussolini).
Was ist uns unser Tübingen?
Von Professor Dr. A. D i e h l.
Ganz Württembergs Anteilnahme begleitete den Landtag, als er im Sommer 1914 auf dem Tübinger Schloß die vierhundertjährige Gedenkfeier des Tübinger Vertrags beging. Begreiflich. Blieb doch diese Magna Charta ständischer Rechte in unserem Land jahrhundertelang, wenn auch oft angefochten und umkämpft, die feste Grundlage des politischen Lebens und der Volksvertretung, deren sich Württemberg, nur unterbrochen durch die kurze Zeit des Absolutismus in der napoleonischen Zeit, dauernd erfreuen durfte. Doch enger noch als mit dem politischen Leben des Landes ist Tübingen mit dessen kultureller Entwicklung verbunden, seitdem im Jahr 1477 Graf Eberhard im Bart in dem alten Pfalzgrasenstädtlein zu Füßen des trutzigen Schlosses für seinen Uracher Teil der damals geteilten Grafschaft eine Universität gründete, damit als erster Graf dem Beispiel mächtigerer Fürsten folgend. Ein kühnes Unterfangen, in einem so kleinen Gebiet eine Universität zu schaffen. Doch die Zuversicht, mit der er ans Werk ging, und die Hoffnung, die er in der Gründungsurkunde aussprach, daß aus dem „Brunnen des Lebens", den er graben helfen wollte, „von allen Enden der Welt unversieg- lich geschöpft" werde, sie sind nicht zuschanden geworden.
Tübingens Bedeutung für unser Land und Volk kann nicht hoch genug angeschlagen werden. Wieviel Tausende haben, seit jene ersten zweieinhalb Hundert Studenten im Gründungsjahr einzogen, auf der Landesuniversität das geistige Rüstzeug für ihren Beruf geholt! Doch als im Jahr 1877 die alten Musensöhne nach Tübingen zogen, um dort dankbaren Herzens die Jubelfeier zu begehen, da feierte das ganze Land mit ihnen. Und wenn nicht alle Anzeichen trügen, wird es auch diesmal bei der Feier des 450- jährigen Bestehens nicht anders fein. Und solche Teilnahme ist wohlbegründet. Sind doch aus dem Quell, der durch die ganze Zeit nie versiegend in Tübingen floß, Ströme des Segens ins ganze Land bis in die entlegensten Teile geflossen. Es gibt wohl kein Lebensgebiet, das nicht von der Landesuniversität her befruchtet ist. Wie sie den Kirchen ihre Geistlichen heranbildet, so schult sie dem Staat seine Beamten für alle Gebiete staatlicher Tätigkeit, für Erziehung und Unterricht so gut wie für Berwaltung, Rechtsprechung und Finanzwesen. Mag auch das Wirtschaftsleben von Technischer und Landwirtschaftlicher Hochschule unmittelbarer beeinflußt erscheinen, so wird es doch auch durch die Arbeit der Universität auf den verschiedensten Wissensgebieten gefördert. Und was verdankt der Landesuniversttät die Pflege der Volksgesundheit! Ganz abgesehen davon, daß die meisten württembergischen Aerzte in Tübingen ausgebildet sind, wieviele Tausende haben in den Tübinger Universitätskliniken Heilung oder Linderung ihrer Leiden gefunden!
Dank der Freizügigkeit der Hochschullehrer und der Studenten war die Universität auch zu allen Zeiten ein Bindeglied, das Württemberg mit dem ganzen deutschen Geistesleben verband, lange vor der politischen Einigung, gerade in Zeiten politischer Zerrissenheit einigend wirkte und zur Ueberbrückung der Stammesunterschiede beitrug. Mit Freude darf man auch daraus Hinweisen, daß Tübingen eine der Hochschulen ist, die frühe nach dem Weltkrieg die kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung des Deutschtums im Ausland richtig würdigten und zu den Volksgenossen draußen neue Bande anknüpften. Und wenn es schwäbische Eigenart ist, daß wir schroffe soziale Trennung der Stände nicht kennen, so hat die Landesuniversität ihren Anteil an diesem Vorzug. Allezeit kamen die Hörer aus allen Volksschichten. So hat sie, darin unterstützt von Stift und Konvikt, ihrerseits wieder zum sozialenAus- gleich beigetragen. Für den Tüchtigen hat sie je und je die Bahn zum Aufstieg ebnen helfen. Aber gerade diele gesunde soziale Mischung der Studentenschaft und ihre segensreiche Wirkung für das Land war unter den Nachwirkungen des Weltkriegs schwer gefährdet. Schien es doch e'ne Zeitlang, als sollte der Besuch der Hochschule das Vorrecht der Wohlhabenden werden. Es ist ein Ruhmesblatt in der Geschichte der deutschen Universitäten, vor allem auch unseres Tübingen, daß diese Gefahr gebannt wurde, gebannt dank dem Idealismus, mit dem viele Studenten die größten Entbehrungen aus sich nahmen, aber auch dank dem kräftigen sozialen Sinn, mit dem die Studentenschaft, die Tübinger in vorbildlicher Welse, wirtschaftliche Selbsthilfeeinrichtungen schuf. Ist für die Studenten die Zeit der größten wirtschaftlichen Not wohl überwunden, so steht der Nachwuchs der Hochschullehrerschaft noch mitten in der Krise drin. Auch hier droht die Gefahr, daß für die Wahl der akademischen Laufbahn wirtschaftliche Verhältnisse entscheidender sein müssen, als es sür die geistige Höhe der Universitäten gut ist, daß mancher Hochbegabte die Laufbahn aus Mangel an Mitteln nicht Anschlägen kann. Hier helfend eia- z »greifen ist eine Angelegenheit, die nicht nur die Hochschule, sondern das ganze Volk berührt.
Es war eine stolze Tat, als nach dem Zusammenbruch vor hundert Jahren das verarmte und verkleinerte Preußen, in der Erkenntnis, daß man durch geistige Kräfte ersetzen müsse, was an physischen verloren war, die Universität Berlin gründete. Heute ist Deutschlands Lage ähnlich der damaligen Preußens. Die deutschen Staaten dürfen es sich zum Ruhm anrechnen, daß sie ihre Hochschulen durch aOe Nöte der Zeit hindurchgerettet haben. Aber freilich reichen die staatlichen Mittel auch in Württemberg lange nicht aus, um alles zu leisten, was nötig oder wenigstens wünschenswert ist. Hier helfend einzugreifen ist die Aufgibe der Spende, die unserer Landesuniversität zu ihrem Jubelfest überreicht werden soll. Wie die Blüte der Universität dem ganzen Land zugute kommt, so will das ganze Land mithelfen, ihr Gedeihen zu fördern.