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Amtsblatt Nr M'dbad. Chronik und Anzeigenblatt

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Fernruf 179

Donnerstag, den 18. November 1926

Fernruf 178

61. ZahrMim

Der Sieben-Monats-Streik

Es ist noch nicht ausgemacht, ob nicht England und sein Weltreich durch den Krieg gründlicher verändert worden ist als Deutschland. Der ältere Chamberlain sah die Zukunft des britischen Weltreichs auf dem Weg zu einem Bundes­staat, mit einheitlicher Volksvertretung, einheitlicher Zoll­gesetzgebung und einheitlicher Landesverteidigung. Das England von heute muß zufrieden sein, aus den Stürmen des Weltkriegs einen locker gefügten Siaatenbund gerettet zu haben, der zusammenhält, solange das Mutterland keine allzu großen Anforderungen an die Opferwilligkeit der ein­zelnen Teile stellt. Und da das Mutterland sich wohl hütet, das zu tun, so mag er denn auch Zusammenhalten bis zum nächsten Weltkrieg. Erschüttert ist bei den Dominions namentlich, wie in der übrigen Welt auch, der Glaube an die Unbesiegbarkeit der englischen Flotte zur See er liegt begraben auf dem Feld der Skagerrak-Schlacht und damit der Glaube der Dominions an den. Schutz, den ihnen das Mutterland unter kritischen Weltumständen gewähren könnte. England verwendet heute ein gut Stück der über­legenen Geschicklicb-keit in Führung seiner auswärtigen Ge­schäfte darauf, die Veränderungen, die sich im Aufbau des britischen Weltreichs vollzogen haben, nicht offenkundig wer­den zu lasten. ^

Nicht minder tiefgreifend sind die Veränderungen, die sich im Wirrschafts- und Gesellschaftskörpor Großbkitanniens selbst vollzogen haben oder zu vollziehen noch im Begriff sind. Ein Zeichen dafür, das sich nun allerdings nicht so bequem verschleiern läßt, ist der große Kohlen streik, der jetzt, im siebenten Monat seiner Dauer, zu Ende geht. Aeußerlich gesehen, mit einer Niederlage der Streikenden. Als der Krieg anders zu verlaufen begann, als seine Macher sich das vorgestellt hatten das kindlich-vergnügteein Geschäft wie gewöhnlich" hatte ja nicht allzulange Geltung

da ward, neben anderen Arbeiterschichten, vor allem der englische Bergarbeiter eine Macht. In England taten die Arbeiter bis zuletzt ihre Pflicht gegen bas Vaterland, setzten aber Forderungen durch, die ihnen in fortdauernder Friedenszeit so leicht nicht bewilligt worden wären. Dis,letzte dieser Forderungen war der Staatszuschuß, den die Kohlenindustrie bekam, um die Löhne allgemein auf einer Höhe halten zu können, die durch die Wirtschaftslage der Welt längst nicht mehr gerechtfertigt war. Dieses Ver­fahren nennt man in England Dumping und verdammt es als eine der verwerflichsten Handlungen, die böse Gemüter ersinnen können, wenn es von einer deutschen Regierung geübt wird. Wenn es dagegen eine englische Regierung übt, so ist es natürlich ein gutes Werk, so lange wenigstens, als die herrschende Oberschicht damit einverstanden ist.

Auf dis Dauer ging es aber doch nicht an, die Löhne der Bergarbeiterschaft aus dem allgemeinen Steuersäckel künstlich Hochhalten. Auch wenn dis Regierung gewollt hätte die öffentliche Meinung, die im Staatszuschuß zur Gleichmachung der Löhne den ersten Schritt zur Soziali­sierung witterte, hätte es nicht geduldet. Als der Zuschuß aber sein Ende hatte, drängten die Bergwerksbesitzer auf Rückkehr zur distriktsmäßigen Regelung' von Lohn und Arbeitszeit. Darum ging der Kampf, der von beiden Seiten mit verbissener Zähigkeit geführt worden ist.

Die öffentliche Meinung war den Streikenden anfangs nickt ungünstig gesinnt. Je näher aber der Winter heran­rückte vollends als bereits Kohlenkarten ausgsgeben wer­den mußten um so entscheidender forderte die öffentliche Meinuna die Beendigung des Streiks, zumal ihr der Streik­führer Cook als Anwalt des Bolschewismus verdächtig war. Die öffentliche Meinung wünschte anscheinend aber auch nicht, daß die Bergarbeiter zur Unterwerfung auf Gnade und Ungnade gezwungen und dadurch dem Radi­kalismus erst recht in die Arme getrieben würden. Sie hätte offenbar einen Ausgang am liebsten gesehen, wobei es weder Sieger noch Besiegte gegeben hätte. Das ist im AULn wohl auch die Meinung des Ministerpräsidenten Kewesen, gewöhnlich wagte er gegen die Schärfen seiner eigenen Partei nicht entschieden aufzutreten.

Die Ruckwirkung der öffentlichen Meinung ans die weiche ittattung der Regierung hat sich bereits mehrfach gezeigt. Als der Innenminister gegen Cook und seine Agitatoren Polizei in Bewegung setzen wollte, muckte die öffentliche Meinung derart auf, daß die Regierung schleunigst von ihrem Vorhaben abließ. Und was mehr ist: bei den Ge­meindewahlen errang die Arbeiterpartei in allen Industriegebieten Englands und Schottlands einen durch­schlagenden Erfolg.

Ob die Früchte der Baldwinschen Schaukelpolitik rasch oder langsam reifen, hängt nun nicht allein von den inneren Zuständen Englands ab; daß sie reifen werden, beweist unter anderem auch der fortschreitende Verfall der liberalen Partei. Es ist kaum verkennbnr, l die gesunde politische Witte­rung des Engländers zurzeit, über die Leiche der liberalen Partei hinweg, zum . Z w e i p a r t e i e n s y st e m zurück- drangt wobei Uebeöraschungen indes Vorbehalten bleiben müssen.

- Kaum begreiflich will es erscheinen, wie über eine Million

Tagesspiegel

Das Reichskabinett ha» dem Reichshaushalkplan für 1S27 zugesinnmt.

Nach einer Reukermeldung aus Berlin soll der bisherige deutsche Botschafter in London. Dr. Skhamer (Hamburger) von seinem Posten abberusen und durch den Ktaatssekrekär im Auswärtigen Amt v. Schubert erseht werden.

Die Ali-Sozialdemokraten in Sachsen, die allerdings nur 4 Abgeordnetensitze haben, sprachen sich für die Bildung der Großen Koalition von der Sozialdemokratie bis zur Deutschen Volkspartei aus.

Das Mitglied der Schutzpolizei in Duisburg. Daniel Ivos, wurde vom Reichsgericht wegen Spionage für die Franzosen zu 3 Jahren Zuchthaus und 5 Jahren Ehrverlust verurteilt.

Dem Vorsitzenden der Ueberm'.achungskommission. dem französischen General Walch, wurde der Rang eines Kom­mandierenden Generals verliehen. Der Mann hal s ver­dient.

Die Wahlen zum ungarischen Reichstag finden vom 8. bis 17. Dezember für das Abgeordnetenhaus und vom 3. bis 10. Januar für das Oberhaus statt.

Der polnische Sejm, der aufs neue mit Pilsudski auf gespannten Fuß geriet, ist auf unbestimmte Zeit vertagt worden.

In Bulgarien wurde eine neue kommunistische Ver­schwörung aufgedeckk, an der 150 Kommunisten in Sofia und über 600 im Lande beteiligt sein sollen. Der verhaftete Kom- munisienführer Pawloff Hai ein Geständnis abgelegt.

Die spanischen Truppen in Marokko haben bei einem An­griff des Stamms der Bern Jder eine Schlappe erlitten und mußten ihre Stellungen räumen.

Vergarvetter 4o Monale lang, uno orei Vierteile davon gar ein halbes Jahr lang, im Streik aushalten konnten. Aus Sowjetrußland sind die Streikgelder ja reichlich ge­flossen, aus den Ländern der zweiten Internationale aber nur knapp, die Kassen waren leer und allgemeine Steuer­gelder stehen hier eben nicht zur Verfügung wie in Sowjet­rußland. Die Familien der Streikenden erhielten Armen­unterstützung in Form von Lebensmitteln, davon haben die Ernährer, so gut es eben gehen wollte, mit leben müssen. Außerdem zahlten natürlich die Gewerkschaften, und erst als der weitere Zufluß dieser Streikgelder gesperrt wurde, brach der Widerstand zusammen. Es liegt auf der Hand, daß ein so langer und erbitterter Kampf tiefe Spuren in der Gesellschaft und in dem Wirtschaftskörper hinterlassen muß, innerhalb deren er geführt wurde.

Auch außerhalb Englands wird man das Ende des Streiks zu spüren bekommen. Auf 6 Milliarden Mark be­rechnet die englische Wirtschaft ihren Ausfall, er muß wieder eingebracht werden. Frankreich, Belgien, Deutschland werden es bald genug empfinden, wie das geschieht. Zurzeit hat noch nicht die Hälfte der 800 000 Bergarbeiter die Arbeit ausgenommen, die die Industrie wieder einzustellen geneigt ist. Ein paarmal Hunderttausend werden also draußen liegen bleiben, und die werden am ehesten bereit sein, den Lehren des Sowjet-Kommunismus auch in England Ein­gang zu verschaffen.

Aufgaben und Aussichten der Reichsbahn

Eine Rede Dr. Dorpmüllers

Bei einem Empfang von Vertretern der Presse in Berlin hielt Generaldirektor Dr. Dorpmüller eine Rede über die Hauptfragen der Reichsbahn. Eine Neuordnung der Normalgütertarife sei eingeleitet. Der Entwurf sehe vor. die Spannung zwischen den einzelnen Wagenladungs- klassen durch Einführung neuer Wagenladungsklassen zu verringern und die Frachten für Eilgut in Wagenladungen, abgesehen von der Klasse A, zu ermäßigen. Auf die so viel umstrittenen Durchfuhrtarife könne nicht verzichtet werden. Auslandstransporte sollen nicht um Deutschland herumlaufen. Bei nachweisbarer Schädigung der deutschen Wirtschaft im Einzelfall solle ein solcher Durchfuhrtarif auf­gehoben werden. Oberstes Gesetz müsse immer eine geord­nete Finanzverwaltung bleiben. An der Güte der deutschen Reichsbahn-Schuldverschreibungen sei bisher kein Zweifel geäußert worden. Das Geschäftsjahr 1925 sei ein Dawes-Schonjahr gewesen. Die Entschädigungszahlungen hättennur" 400 Millionen Mark betragen. Von den zur Entlastung des Jahrs 1926 vorgetragenen 153 Millionen wurden in der ersten Hälfte des Jahrs 100 Millionen und mehr in Anspruch genommen, bis der e n g l i s ch e K o h l e n- arbeiter streik eine Entlastung brachte. Wir konnten 1926 keine Mittel mehr aus dem Betriebe für Anlegungen herausrvirtschasten. Hier kamen uns drei Kreditmaßnahmen

des Reichs mit erträglichem Zinsdienst zu Hilfe. Ich warne aber vor übertriebenem Optimismus. Die finanzielle Aus­wirkung des englischen Kohlenarbeiterstreiks für die Reichs­bahn schütze ich "für 1926 auf etwa 100 Millionen, aber mit solchen erhöhten Einnahmen, wie 1926, wage ich für die fol- aenden Jahre nicht zu rechnen. Dazu kommt, daß die Z i n s- zahlungen für die Dawes-Schuldverschreibungen und die Zurückzustellende Ausgleichsrücklage steigen. Nimmt man hierzu die Dividende der für die Entschädigungslast der Eisenbahn übergebenen Vorzugsaktien und die von der Reichsbahn zu erhebende Verkehrs st euer, so erwarten uns folgende Lasten: für 1926 975 Millionen und für 1927 eine Milliarde Mark.

Die Ruhegehälter sind von 114 Millionen Mark vor dem Krieg aus 409 Millionen Mark im Jahre 1926 gestiegen. Unsere sachlichen Ausgaben für Kohle sind um 5Y bis 60 Prozent gestiegen, die Kosten für einen Kilo­meter Gleisneubau um 65 Prozent. Im Jahr 1913 entfielen aus 100 Mark Betriebseinnahmen nur 72,12 Mark Betriebsausgaben: heute sind sie auf 83,68 Mark gestiegen. Erhaltung und Erhöhung der Betriebssicherheit verbieten auf diesem Gebiete ein weiteres Sparen.

Die beklagenswerten Unglücksfälle haben mich ver­anlaßt, durch besondere Ausschüsse den Oberbau, den Sicher­heitsdienst, den Fahrdienst und die Beanspruchung des Per­sonals nachprüfen zu lassen. Als vorläufiges Ergebnis kann ich feststellen, daß voneiner Gefährdung der Betriebssicherheit keine Rede sein kann. Unsere Pflicht ist, dafür zu sorgen, daß keine Ueber- bürdung des Personals eintritt. Was den Ober­bau betrifft, so betreibe ich die Durchführung des Umbaus, so daß wir wieder aus den Friedensstand kommen. Die Sicherungseinrichtungen der Reichsbahn werden dauernd entsprechend der fortschreitenden Technik vervollkommnet. Das Personal soll in der Höhe seines Lohns nicht schlechter stehen, als vergleichbare Arbeitnehmer in der privaten Wirt­schaft. Deshalb sollen in den Bezirken, wo höhere vergleich­bare Jndustrielöhne gezahlt werden, auch die Löhne der Reichsbahnarbeiterschaft an diese angeglichen werden. Den Beamtender Reichsbahn soll das Berufsbeamten­tum gewährleistet sein. Das Personal wird in Zu­kunft vor einem weiteren Abbau gesichert.

Wir beabsichtigen, mit Kraftwagen und Flug­zeug zusammenzuarbeiten und die Zusammenarbeit der verschiedenen Verkehrsmittel mit uns zu organisieren. Wir wenden uns gegen den Bau von Kanälen, wenn wir diesen Verkehr mit unseren Eisenbahnanlagen ebenso billig und wirtschaftlich bewältigen können, wie z. B. gegen den Hansa-Kanal, den Aachen-Rhein-Kanal. Mit meiner Stellung gegen den Bau dieser Kanäle will ich mich nicht gczen das Arbeitsbeschaffungsprogramm wenden. Im Gegenteil, die Eisenbahn soll eine arbeitschafsende Stelle ersten Rangs bleiben. Wir befruchten die Wirtschaft da­durch, daß wir zurzeit noch jährliche Aufträge in Höhe von rund einer Milliarde verteilen. Wird uns aber der Verkehr entzogen, so müssen wir an persön­lichen und sachlichen Ausgaben sparen. Wenn die Ausgaben und Einnahmen der Reichsbahn nicht durch die Einwir­kungen von außen gestört werden, werden wir im Jahr 1926 mit geordneten Finanzverhältnissen abschließen. Da der englische Bergarbeiterstreik sich noch mindestens bis in die Hälfte des nächsten Jahres günstig auswirken wird, hoffe ich auch für 1927 auf einen annehmbaren Abschluß. Hebt sich künftig die Wirtschaft, so verbessert sich auch unsere Lage. Wir sind mit der deutsches Wirtschaft auf Gedeih und Verderb verbunden.

Neue Nachrichten

Neue Verstimmung in München München, 17. Nov. In München und Bayern hat e» -nieder viel böses Blut gemacht, daß an der Münchner Feier für die 13 000 gefallenen Münchner Söhne die Reichswehr auf Weisung der Reichsregierung sich nicht beteiligen durfte, weil der Reichswehr die Beteiligung anpolitischen Kund- gedungen" verboten sei- Die Blätter fordern vom Reichs- wehrminister Geßler eine Erklärung, aus welchen Gründen er das Verbot erlassen habe für eine Totenfeier, an der nicht nur alle Parteien, sondern die ganze Be­völkerung ohne Rücksicht auf die Parteistellung und den Stand sich beteiligt Hobe. In Berlin entfaltet man ein gewisses Geschick, eine stimmungsmäßige Trennungslinie zwischen Nord und Süd zu schassen.

Industrie und Landwirtschaft Düsseldorf, 17. Nov. In einer Sitzung der Wirtschafts­stelle des Vereins zur Wahrung der gemeinsamen wirt­schaftlichen Interessen der Industrie und Landwirkschaft wurde bemängelt, daß man bei den Reichsnotstandsarbeiten von allen möglichen Kanalarbeiten höre, daß dagegen die viel üri«aenderen Arbeiten .wr Abwehr von Hochwasserschä^

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