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Nürnmer 171

Fernruf 179

Montag, den 26 Juli 1926

Fernruf 179

61. Jahrgang

Die sieben magere Jahre

Sieben Jahre sind verstrichen, seit zu Berlin im Juki 1919 das Reichsgesetzüber den Friedensschluß zwischen Deutschland und den alliierten und assoziierten Mächten" verkündet wurde, wodurch unter schwerstem Zwang der Versailler Vertrag in Kraft gesetzt wurde. Sieben Jahre, in denen wir, nach amerikanischem Urteil, den erstaunlichsten Kriegstribut aller Zeiten zahlten, sieben Jahre einer kata­strophalen Geldentwertung und einer kaum minder opfer­reichenStabilisierung", sieben Jahre äußerer und innerer Erschütterungen des Volksdaseins, mit dem Ergebnis, daß heute eine Erwerbslosigkeit und eine Kapitalsknapvheit von früher nie gekanntem Ausmaß wertvolle Kräfte unserer Pro­duktion feiern läßt.

Mit diesen sieben Jahren ist die Leidenszeit des deutschen Volks und Staats noch keineswegs zum Abschluß gebracht. Zwar ist das Joch, das uns bedrückt, an manchen Stellen ein wenig erleichtert morden. Das kann aber nicht vergessen machen, daß der Vertrag selbst heute noch vollkommen, ohne Abänderung auch nur eines einzigen Paragraphen, fortbesteht und uns weiter zu Boden drückt-

Deutschland fordert erneut die Aufhebung des Versailler Vertrags, der unerträglich und unerfüllbar ist. Man möchte wohl sagen, wir haben gut fordern: was tun, wenn die Gegenseite nicht will? Nun, die Gegenseite hat in diesen Jahren auch Erfahrungen eigener Art gesammelt, die man sich wohl nicht träumen ließ, als man einst zu Versailles die Unterschriften unter die Urkunde setzte.Der Deutsche wird alles bezahlen!" So hieß es damals. Sieben magere Jahre für Deutschland, sieben fette Jahre für die anderen! Wäre dies in Erfüllung gegangen, dann könnten wir vielleicht aus die Abänderung noch bis in alle Ewigkeit warten. Indessen, die Entwicklung verlief ganz anders, als die Verbands- Machthaber von 1919 es sich träumten. Stärker als der kürze Diplomatenverstand erwies sich die unerbittliche Logik der wirtschaftlichen Naturgesetze. Die Krise, in die man Deutschland hineinzwang, teilte sich von Mitteleuropa aus allen Nachbargebieten mit. In England Arbeitslosigkeit, Generalstreik, Bergarbeiterstreik. In Frankreich, Belgien, Italien, Rumänien unaufhaltsamer Währungsverfall. In der Tschechoslowakei wirtschaftliche Gegensätze und Auf­lösungserscheinungen. In zahlreichen Ländern Störung des verfassungsmäßigen Daseins. Dazu allgemeiner Rückgang der Stellung Europas im Welthandel, wachsende Diktatur Amerikas in der Weltwirtschaft. Trostlos der Ausblick aus die weitere Verarmung des Erdteils, der teils durch Steuern und Geldverschlechterung, teils durch Kriegsentschä­digungen einen ungeheuren Rüstungsaufwand bezahlen muß, der aus dem schlechten Gewifsen und der Furcht der Sieger vor den Besiegten geboren ist.

Daß auch die Gewinner des Kriegs unter den Zuständen, die vor sieben Jahren als das neue Recht Europas ver­kündet wurden, nicht minder zu leiden haben als jene, die einst den Krieg verloren, nur das ist die realpolitische Grundlage, auf der die Abänderung des Versailler Vertrags erwachsen kann. Vielleicht ist es heute noch nicht ganz so weit. Aber die Zeit wirkt für uns. So kann Frankreich fi­nanziell nicht gefunden, solange »s das jetzige Maß seiner durch die Angst bedingten Rüstungen beibehält. So wird der englische Pandel nicht wieder auf einen grünen Zweig kommen, wenn es dabei bleibt, daß Deutschland, um die Raten des Dawesplans zu bezahlen, seine Ausfuhr mit schärfsten Mitteln anspannen und ausbauen muß. So wird der Zwang zu wirtschaftlichen Gewaltleistungen weiter auf die Lebenshaltung der breiten Massen in allen Ländern drücken und den ganzen Erdteil mit ständiger Sorge vor so­zialen Unruhen erfüllen. Man wird es zunächst weiter mit kleinen Mitteln probieren und der Hauptaufgabe aus dem Weg gehen. Aber dadurch wird nichts aus die Dauer gebes­sert sein, und eines Tags wird man nicht mehr um >die Frage herumkommen: Abänderung oder nicht?

Ob dieser Tag bereits nahe oder noch fern ist, das weiß heute niemand. Gewiß ist nur, daß er kommen wird. Der unmittelbare Anstoß wird wohl aus der Durchführung des Dawesplans zu erwarten sein. Heute steht bereits fest, daß eine wichtige Hoffnung der Dawesgläubiger, die Erholung der deutschen Wirtschaft innerhalb der vorgesehenenAtem- vause , sich nicht erfüllt hat. Ebensowenig wirb es möglich sein, die Barzahlungen von Land zu Land auszusühren, die zunehmen sollen, je mehr die Jahresrate anwächst, während die eigene Erzeugung der GläubMrländer sich gegen die Einfuhr der Sachleistungen sträubt. Schon in nächster Zeit wird die Weltwirtschaftskonferenz des Völkerbunds tagen. Wird sie auch zu den Dawes-Aufgaben Stellung nehmen? Ob ja oder nein, das wird über Wert oder Unwert ihrer Arbeit entscheiden. Daß der unbedingte Glaube an den Dawesplan selbst bei seinen unmittelbaren Nutznießern be­reits erloschen ist, das zeigt nichts deutlicher als die soge­nannte Schutzklausel im neuen Schuldenabkommen Frank­reichs mit England, die Klausel, die Frankreich heute auch in Amerika durchdrücken will, und die besagt, daß das Schrch-

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Der Reichspräsident hak gegen dieRote Fahne" und denKnüppel" Strafantrag wegen Beleidigung gestellt.

Es wird bestätigt, daß die Reichsregierung für die Rok- standsarbeiten eine Anleihe von 300 Millionen Mark auf­zunehmen beabsichtigt.

Die franzüsisch-völkerbündliche Regierungskommifsion des Saargebiets hat alle öffentlichen Umzüge bis auf weiteres verboten. Der Schuhverein des Saargebiets hat die Re­gierungskommission ersucht, unverzüglich den Markumlauf statt des französischen Franken zu gestalten, wie es im Ver­sailler Vertrag ausdrücklich bestimmt ist.

Ein französischer Ministerialertaß ordnet die Dienstent­hebung von vier elsässischen Bürgermeistern an, die den Aufruf für die Selbstverwaltung für Elsaß-Lothringen unter- zeichnet haben.

Rach Pariser Blättern soll Prinz Karol von Rumänien wieder in seine früheren Rechte als Kronprinz eingesetzt werden.

Die britische Reichskonserenz wird voraussichtlich auf Antrag Kanadas wegen der Wahlen in Kanada Ende Sep­tember vom 5. aus 19. Oktober verschoben werden.

denabkommen losort zu ändern sei, wenn der Dawesplan nicht mehr richtig geht.

Stimmung gegen den Parlameutarismus in Frankreich Diktatur Poincares?

Der PariserMatin" veröffentlicht einen stark fas- zistisch gehaltenen Artikel, der die Bevölkerung aufruft, das unfähige Parlament nicht nach seinem Willen schalten und walten zu lassen, sondern sich in jeder Stadt und in jeder Provinz zusammenzutun, um den Abgeordneten ihre Pflicht scharf ins Gedächtnis zu rufen. Die Mißwirtschaft des Par­lamentarismus könne nicht weitergehen. In ähnlichem Sinn sprechen sich verschiedene andere Pariser Blätter aus. Ebenso erläßt die einflußreiche Berliner Handelskammer einenAuf­ruf", den gegenwärtigen Zuständen müsse schnellstens ein Ende gemacht werden: Industrie und Handel können keine Rohstoffe mehr einkaufen, weil sie teurer einkaufen als ver­kaufen müssen. Diese Drohungen gegen die Parlamentarier fallen am Lande auf fruchtbaren Boden, Herriot hat also mit seinem ungeschickten Angriff gegen Brrand-Caillaux gerade für die Diktatur gearbeitet, die er abwehren zu wollen behauptete.

Vielfach wird in Len führenden politischen Kreisen Franst reichs behauptet, Poincare warte nur auf den Zeitpunkt, bis die übrigen in Betracht kommenden Politiker sich ge- nirgend verbraucht haben, um einem kräftigen Eingreifen von seiner Seite Raum zu schaffen. Er hat also zwei Trümpfe in der Hand: die allgemeine Verbitterung gegen das un­fähige Parlament und Verbrauch von Ministern. Um die Radikalen, die seine Ministerpräsidentschaft am schärfsten bekämpfen, lahmzulegen und gegebenenfalls zu einem um so stärkeren Schlag gegen sie ausholen zu können, hat er drei Radikale ins Kabinett ausgenommen- Die Sozialisten und Kommunisten, ebenso die Monarchisten sind ausgeschlossen. Das Kabinett stellt sich also als das des Bürgerblocks dar. Politisch spielt der neue Ministerpräsident ein scharfes Spiel, auf die Dauer wird aber die sachliche Arbeit zur Auf­richtung der Finanzen den Ausschlag geben. Es verlautet, Poincare lehne den größten Teil des Gutachtens der Finanz­sachverständigen ab. Es scheint auch, - er den abgesetzten Präsidenten der Bank von Frankreich, Robineau, wieder heranziehen will. Wenn der verhältnismäßig kleine Rest der Morgan-Anleihe verbraucht sein wird, dann wird aber auch die Regierung Poincares zu einer neuen In­flation d. h. zu weiterer Ausgabe ungedeckter Geldnoten schreiten müssen.

Untersuchungen über Wein-, Obst- und Gemüsebau

Im wirtschaftlichen Reichsuntersuchungsausschuß er­stattete das Mitglied Hoffmann über Wein-, Obst- und Gemüsebau folgenden Bericht:

Im allgemeinen arbeitet der deutsche Weinbau unter ungünstigeren Erzeugungsbedingungen als der Weinbau in andern Ländern, besonders in Spanien, Italien und Frank­reich. Auch innerhalb des deutschen Weinbaus ist die Lage recht verschieden. In Süddeutschland treiben die Winzer häu­fig nebenbei Acker- oder auch Obst- und Gemüsebau, so daß sie durch eine Weinbaukrise nicht so hart betroffen werden, wie z. B. die Winzer an der Mosel, die zum überwiegenden Teil ausschließlich Rebenbau treiben. Der häufig gehörte Vorwurf, der deutsche Weinbau habe sich stärker ausgedehnt, als sich auf Grund seiner allgemeinen Lage rechtfertigen lasse, ist nicht stichhaltig. Vor hundert und zweihundert Jah­ren war der Rebenbau in Deutschland viel weiter verbreitet

als gegenwärtig. Der den Winzern häufig erteilte Rat, sie möchten doch einfach ihre Erzeugung auf rentablere land­wirtschaftliche Erzeugungszweigeumstellen", ist wertlos, da sich-die Weinberge fast durchweg nicht zu andern Kulturen eignen. Abgesehen von den Wirkungen der neudeutschen Zollpolitik haben die Tatsache des sinkenden Weinverbrauchs in Deutschland und die ungünstigen Ernten in den letzten Zähren die Lage der Winzer verschlechtert. Man habe die Winzer immer auf den Weg der Selbsthilfe verwiesen und ihnen besonders nahegelegt, sie möchten sich eine landwirt­schaftliche Grundlage schaffen. Man habe sogar vorgeschlagen, die mindern Lagen an der Mosel einfach aufzugeben und die beschäftigungslos gewordenen Winzer auf Oedland an­zusiedeln. Es sei allerdings ein schwerer Entschluß, einen immerhin nicht unbeträchtlichen Teil des deutschen Er- zeugungskapitals einfach preiszugeben. Die Aufhebung der Weinsteuer habe, wie der Vortragende in der Pfalz fest­stellen konnte, bereits zu einer Vermehrung des Weinverbrauchs geführt und damit die seinerzeit von den Interessenten gehegte Hoffnung erfüllt. Wichtig sei die Zusammenfassung und planmäßige Ausgestaltung der Werbetätigkeit für den Genuß deutscher Nebenerzeugnisse. Für alle angeregten Einzelfragen müssen Sachverständige herangeholt werden.

Zur Frage des Gemüsebaus verwies Hofsmann aus den ausländischen Wettbewerb, besonders aus Holland und Frankreich. Vor allem in Holland herrschen weit günstigere Erzeugungsbedingungen als in Deutschland. Weiter kom­men den Holländern die alten Kulturen zugute. Sie waren stets auf die Ausfuhr angewiesen und haben daher früh­zeitig und mit Erfolg ihre Erzeugung dem Auslandsgeschmack angepaßt. In Deutschland ist auf diesem Gebiet wenig ge­schehen. Man hat zu wenig Gewicht auf die Auswahl, Sor­tierung und die Verpackung gelegt. Die deutschen Obst- und Gemüsezüchter stehen jetzt aus dem Standpunkt, daß hier mit aller Beschleunigung etwas geschehen müsse. Insgesamt bezieht Deutschland für reichlich eine halbe Milliarde Mark im Jahr Obst und Gemüse aus dem Ausland. Es lohnt sich also, die inländischen Erzeugungskräfte so anzuregen, daß wir den Bedarf aus inländischer Erzeugung decken können. Auch beim Obstbau sind früher Fehler gemacht worden, man hat zuviele verschiedene Sorten gezogen und daher den Absatz gehemmt. In Bonn-Poppelsdorf werden übrigens schon seit längerer Zeit für die verschiedenen Bodenarten und klimatischen Verhältnisse nur die geeigneten Sorten empfohlen. Wichtig ist es, in Deutschland der Kultur von Frühgemüse größere Aufmerksamkeit als bisher zuzu­wenden. Obst- und Gemüsebau seien als Zweige ausgespro­chen intensiver Bodenbewirtschaftung auch für die Sfird- lungsfrage wichtig.

Neue Nachrichten

Poincares Pläne

Paris, 25. Juli. Das neue Kabinett Poincare wird sich am Dienstag, nachmittags 3 Uhr, der Kammer vorstellen, in der es etwa 400 Stimmen haben wird. Deshalb wird Poin­care wenigstens vorläufig davon absehen, sich vom Parla­ment außerordentliche Vollmachten geben zu lassen. Er soll vor allem darauf bedacht sein, die Kapitalisten zu beruhigen und sie zu bewegen, ihre ins Ausland geschafften Gelder zurückzuführen. Im Staatshaushalt soll ein Gleichgewicht zwischen Ausgaben und Einnahmen geschaffen werden. Dem Journal" zufolge soll beabsichtigt sein, der gegenwärtigen Kammer eine um zwei Jahre verlängerte Lebensdauer durch Hinausschiebung der Neuwahlen zu geben mit der Begrün­dung, die Wiederaufrichtustg der Finalen werde mindestens drei bis vier Jahre in Anspruch nehmen. Mindestens so lange möchte also Poincare im Amk bleiben. i

Die Feindeseligkeiten gegen die Fremden m Paris wie­derholen sich täglich. j

Wahlniederlage der englischen Regierung

London, 25. Juli. Bei der Ersatzwahl im Kreis WaS» send siegte die Bewerberin der Arbeiterpartei Margarete Bondfield mit über 9000 Stimmen über den konservativen Bewerber. Bei der letzten Wahl war Fräulein BondfieK» durchgesallen. Sie ist das sechste weibliche Mitglied des Unterhauses. ^

Polnische Kriegsvorbereiinngen gegen Litauen?

Moskau, 25. Juli.Iswestija" undPrawda" melden aus Minsk, der polnische Generalstab treffe gegen Litauen gerichtete Kriegsvorbereitungen an der litauischen Grenze. Mit französischen Gewehren versehene und von Offizieren ge­führte Pfandfinder, schätzungsweise 8000 Mann, sollen bei den Stationen Jgnalin, Linkmenen und Kaltinen eingetrof- sen sein. Aus polnischen Quellen verlaute, daß Polen hier­mit eine Verschwörung gegen Litauen längs des garqen Grenzgebiets vorbereite, in der Absicht, einen Aufstand pol­nischer Bewohner Litauens gegen den litauischen Grenzschutz hervorzurufen, um dann diese Aufständischen alslitauische Schützen" zu erklären, die Wilna angreisen, und mit,Leus el-

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