Wahl des Verwaltungsrars der Reparationsbank

TU. Paris, 21 . Febr. Am 10. März werden in Rom die Leiter der 6 Notenbanken zusammcntresfen, um den Bcrwal- tungSrot der BIZ. zu bilden. Ferner werden auf der Sit­zung. die sich voraussichtlich 3 oder 4 Tage hinziehen wird, das leitende Personal der Bank ernannt, sowie die Zetch- nungsbedingungen deS Kapitals geprüft werden. Der Gou­verneur der französischen Staatsbank, Moreau, wird auf seiner Reise nach Rom vom Vizepräsidenten Moret und dem Direktor des wirtschaftlichen Studiendienstes Ouesnay be­gleitet. Die Kandidatur Ouesnays für den Posten eines Generaldirektors der Bank wird mit größtem Wohlwollen betrachtet.

Krisenqerüchte aus Memcl

TN. Memel 21. Febr. Die Ausweisung der re'chsdeut- ichen Lehrer aus dem Memelgebiet hat zu einer krisenhaf­ten Zuspitzung der Lage in Memel geführt. Wie zuverlässig verlautet, sind die MehrheitSparteicn des memelläudtschen Landtages entschlossen, dem Präsidenten des Landesdlrek- tvr umS, Kadgehn. wegen seiner Haltung in der Auswet- sungsfrage das Mißtrauen auszusprechen.

Zur Kabinettsbildung in Frankreich

Der Präsident der Republik hat Chautemps mit der Neubildung des Kabinetts beauftragt. Er war seinerzeit F nanzmtntster tm Kablnett Herrnot. Chautemps (unser Bild» gehört dem rechten gemäßigten Flügel der radikal­sozialen Partei an, der tm Gegensatz zum linken Flügel, dessen Führer Daladier Ist. sich stets für eine Zusammen-

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»ibett mit den republikan scheu Mittelparietev bis tief tn das rechte Zentrum hinein enlgcsetzt hat. Sene Berufung erfolgte unter strenger Beobachtung der französischen par­lamentarischen Tradition, die verlangt, baß der Führer der jeweiligen stüksten Fraktion der siegle chen Opposition mit der NegierungSblldung betraut werde.

Kleine politische Nachrichten

Erweiterte Ha.tung der Ncichspost. Der Verkehrsaus­schuß des Reichstages beschäftigte sich mit einer Eingabe zur Aenderung des Passgesetzes. Darin wird eine erweiterte Haftung der Rcrchspost bei Reisen mit Postkrastwagcn ver­langt. Die Eingabe wurde der Nethsregicrung zur Erwä­gung, soweit sie sich mit der Reform der Haftpflicht befaßt, zur Berücksichtigung überwiesen. Ferner will der Ausschuß einen Antrag eiubr ngcn, wonach die Haftung aller Neichs- betriebe für den öffentlichen Verkehr neu geregelt wer­den soll.

Landwtrtschaftsminsster Dr. Steiger über die Verschul­dung d.-r Landwirtschaft. Im Preußischen Landtag äußerte sich am Donnerstag anläßlich der Beratung des Landwirt- schaftöhaushalts Landwsrtschaftsminisser Dr. Steiger über die Verschuldung der deutschen Landwirtschaft, di« von 670Z

Das neue Singen

Zur Einführung für die Calwer Abend-Singivoche

Von H. Mall.

Eine der stärksten geistigen Bewegungen, die gegenwär­tig durch die Lande fluten, ist die deutsche Singbcweguug. S.e hat sich zur Ausgabe gesetzt, einneues Singen" unter das Volk zu bringen. Was hat es den» eigentlich für eine Bewandtnis mit diesemneuen Singen", was soll es denn bedeuten? Diese Frage wurde s»on viel und oft gestellt. Es wirb sich lohnen, den Strom rückwärts zu schreiten und den Quelle» nachzuspüren, von denen aus die Stngbewe- gung gespeist wird. Eine neue geistige Bewegung setzt immer da ein, wo man mit einem seither bestehenden Zustand nicht mehr zufrieden ist, wo man also einem alten verknöcherten Wesen neue Lebenskräfte einhauchen will, um es wieder zum Leben zu erwecken. Was war auf dem Gebiet des Sin- gens basAlte?" Worin bestand bas seitherige Singen? ES wäre ungerecht, zu sagen, man hat wen g gesungen. Hat doch jedes kleine Oertchen seine zwei oder gar noch mehr Vereine, die ihre bestimmten Satzungen haben, jedes Jahr e ne Generalversammlung halten, eS zu ihren heiligsten Verpflichtungen zählen, von Zeit zu Zeit festliche Anlässe zu feiern mit Lied und Sang. Also man sang seither bei festlichen Veranstaltungen, wenn es recht feierlich hcrgchcn sollte, wenn der Patriot Sinus rief, wenn Gefühle der Freude oder des Leids hcrvorgezaubert werden sollten. Der Kirchenchor sang, um die Gemeinde zu erbauen und sich selbst. M in mußte also alle Mittel anwendcn, daß baS Sin­gen auf üaS Gefühl des Hörers wirkt. Das ganzeEr­bauen" war demnach durchaus eiue Angelegenheit des Ge­

Um die Sanierung der Reichsfinanzen

Das crmaliete Gewissen der sinanz

Nachdem seit zwei Jahren tägl ch und stündlich von der Notwendigkeit einer Haus-Haltssäuberung mit dem Ziele einer umfassenden Lastensenkung gesprochen worden ist, wird ln de» Fraktionszimmern, bei den Ministerberatungen, in­nerhalb der Eerüchtbildungsgruppen tm Reichstag ans- schlteßlrch der Begriff Steuererhöhung hin- und hergewen- det. DaS ist wahrlich schwer zu begreifen! D e Befürworter des Aoungplanes haben sich darauf geeinigt, baß er eine Lastensenkung von rund 70!» Millionen im laufenden Haus­haltsjahr ergeben werde. Das Finanzministerium läßt er­läutern, daß es bei voller Aufrechnung dieser 700 Millionen uoch weitere 700 Millionen benötigt, nm bas Defizit zu decken, bas also insgesamt Hüll Millionen Mark betragen würde. Das sind in der Tat Ziffern und Zustände, bei denen man das Gruseln lernen konnte, wenn mau nicht genau wüßte, ivle willkürlich amtlich und nichtamtlich bei uns in Soll- und Haben-Angelegenheiten gewirtschastct wird. Diese Erscheinung bildet die Grundlage der Zwei­felsucht und des erbitterten Mißtrauens, das breiteste Ve- völkerungssch chten gegenüber unserer finanz- und wirt- schaftspolitischen Führung hegen und von dessen Ernst man sich im Reichstag bestimmt in zu geringem Grade Rechen­schaft gibt. Es wäre sonst nicht möglich, daß nicht das Schick­sal von Land und Volk, sondern immer noch sehr unter­geordnete Frakt vnswiinschenr Rücksicht auf unsere Wähler" im Vordergrund des parlamentarischen Mei­nungsaustausches stehen. Die Gewissen machen den Ein­druck der Ermattung tn einem Augenblick, tn dem das Par­lament wie niemals un letzten Jahrzehnt zuvor zu ze gen hätte, baß es gewillt ist, das Volk zu vertreten, zu führen und zur Ueberwindung einer Lebensgefahr zusammen zu

balle«.

Mag das errechuete Deftz't von 1100 Millionen durch de» Nonngplan nur bis auf 700 Millionen vermindert wer- deni Mögen restliche 700 Millionen auf irgendwelchen We­gen zu decken sein: Dennoch stehen Negierung »nd Parla­ment vor der Notwendigkeit der Steuersen­kung! Wenn d e Ikeberschreitung der Haushaltsausgaben in den letzten Jahren um rund 1400 Millionen möglich ge­wesen ist, daun beweist das nicht die Uuvermeidbarkelt wer­terer Steuererhöhnngen, sondern ganz allein die unauf- sch ebbare Notwendigkeit der gründlichen Säuberung -er Ausgabcnseite von entbehrlichen Posten, »veil eine Ver­waltungs-Mißwirtschaft eingcrissen ist, die das Leben von Staat, Wirtschaft und Volk ernstlich bedroht. Es gilt end­lich, die Dinge wieder nach ihrer Wichtigkeit nebene nander zu stellen. Die Leistungen von Volk und Wirtschaft allein ermöglichen das Leben des Staates: seine Einrichtungen und die Verwaltung sind nur Mittel und nicht Zweck, einschließ­lich der Volksvertetung, durch die sich das Volk tn diesem Augenblick so wenig und so mangelhaft vertreten fühlt. Es gibt ke ne Gesundung der Kassenlage, keine Ordnung der öffentlichen Haushalts- und Finanzkrise ohne die Wieder­ankurbelung der Wirtschaft. Und dieses Ziel ist ausschließ­lich durch Bescit gung der Wlrtschaftslähmungeu zu erzie­len, die auf den Deckungszwang für die aufgeblähten Staats- auögabcn zurttckzuführen sind.

Wer heute noch daran denken kann, der Bevölkerung

Millionen im Jahre 1928 auf 727,0 Mill. Rin. im Jahr 1929 gestiegen sei. Der Zinscingang bei den Nealkrebitinstituten habe sich nicht nur nicht verschlechtert, sondern auf einigen Gebieten sogar merklich gebessert. Le der sei ein vollkom­mener Verzicht auf ausländische Arbeiter noch nicht mög­lich. Bei der Wtrtschaftsberatung verdiene das Versuchs­ringwesen besondere Beachtnng. Die Meliorationstätlgkett habe tm vergangenen Jahr eine wesentliche Steigerung er­fahren.

Rücktritt Colbans? Aus Völkerbundskre'scn wird berich­tet: Der Direktor der Abrüstungsabtetlung des Bölkcrbunds- sekretartats. Colban, der durch seine Tätigkeit als Direk­tor der Minderheltenabteilung des Völkerbundes bekannt

und wirlschastspolitischen Führung

und der Wirtschaft neue Mittel zu entziehen, der leistet die Arbeit jener Schmarotzer in der Pflanzenwelt, die ihre» W rt und dadurch schließlich sich selbst um das Dasein brt«. gen. Das Etneinhalb-Milliarden-Destzit. bas selbst durch die Annahme des Aoungplanes nur um die Hälfte vermin­dert wirb, ist mU aus der bewußten Unterschätzung der Ausgaben und der bewußte» Ueberschätzung der Einnahmen durch jenen Fünferausschuß entstanden» der eingesetzt wor­ben ivar, um den Haushalt von 1929 znsammenzustreichen. Das ist eine unrühmliche und traurige Wahrheit. Im Ver­lauf der letzten Monate verschärfte sich jedoch daS Defizit sehr wesentlich auch durch unerwarteten Einnahme­ausfall. DaS Ncichssinanzmtn sterium selbst schätzt den Rückfall der Eingänge unter den normalen Stand aus mehr als 87,0 Millionen, eine Summe, die sich aus Mindereinnah­men an Zöllen und Steuern zusammensetzt. Die Wirtschaft erwies sich in dieser Zeit unfähig zur Aufrechterhaltung der Eiuftihr in Deutschland zu veredelnder Rohstoffe und Halb­fabrikate und verlor damit gleichzeitig die Aussicht aus Durchhaltung ihrer Arbeitnehmerschaft. Und einer derartig bedrängten W rtschaft will man neue Lasten auferlegen!

Das wäre das wirkungsvollste Mittel einer weiteren Drosselung der Unternehmungslust, einer Verschärfung der Kapitalflucht ins Ausland und einer Verschlechterung des Arbcitsmarktes über den augenblicklichen verhängnisvollen Grad hinaus. Das wäre der gerade Weg in den unvermeid­lichen Zusammenbruch. Es ist jetzt endlich Zeit, die Wahr­heit über Wünsche und Möglichkeiten, über Wollen und Können zu verbreiten. Das gilt gegenüber demUnmöglich" der Staatssekretäre und Min sterialbirektoren in den gro­ßen Verivaltungen des Reiches und der Länder in gleichem Grade wie gegenüber den Funktionären, die sich nach außen hin so mannhaft vor die gar nicht bedrohte, aber reform- reife Arbeitslosenversicherung stellen, die für d e Verschlim­merung der Finanz- und Wirtschaftskrise und für die Ar­beitslosigkeit unmittelbar nicht weniger mitbestimmend ge­wesen ist 'als die Verschwendungssucht der Verwaltung.

Im Verlauf der kurzen Zeitspanne bis zum Ende des Monats, der die Verabschiedung der Aounggesetze bringen soll, haben sich Reg ernng und Parlament endlich zu dem Entschluß der Steuersenkung burchzuringen. Der Netchs- finanzniintster Dr. Moldenhauer gewann sich das Vertrauen der Wirtschaft und der Bevölkerung mit der Zusage einer Verbesserung des Htlfcrdingschcn Steuersenkungs-Pro­gramms und erzielte dadurch wenigstens einen Augenblick des Aufatmens und der Hoffnung. Diese ist sehr klein ge­worden angesichts des parlamentarischen Geschiebes nach den Notausgängen. Regierung und Parlament stehen vor der verantwortungsschweren Entscheidung, ob sie ihre Pflicht der Führung und der Bannung von Gefahren ausüben oder sich von den Geschehnissen w e bisher treiben lassen wollen. In der gegenwärtigen Lage gibt es keine Hilfe von außen, sondern nur eine Befreiung auS eigener Kraft. Sie Ist zu gewinnen aus der schon viel zu lange verzögerten Be­achtung des einen Unmögl ch, das wirkliche Geltung bean­spruchen kann, des Unmöglich von neuen Steuercrhöhun- gen und des Unmöglich eines Weiterbestchens von Wirt­schaft und Volk ohne Lastensenkung.

geworden war, soll, wie verlautet, seinen Abschied etngcreicht haben. Colban nimmt zurzeit als Beobachter deS Völker­bundes an der Londoner Flottenkonferenz teil. Maßgebend für den Rücktritt Colbans soll die Absicht der norwegischen Negierung sein, Colban zum Gesandten in Paris zu er­nennen. Hierdurch würde Colban bei der auf der nächsten Vollversammlung des Völkerbundes erwarteten Wahl Nor­wegens zum BülkerbunöSrat in den Rat «Inzichen.

DeMMehWMldenWgel!

fühls. Damit wird nun eigentl ch nichterbaut", sondern höchstensgestreichelt" und hinter der vermeintlichen Er­bauung stand keine sittliche Verpflichtung als Inhalt des Gesungenen. Damit tm Hörer, ob er in der K rche saß oder ln erner Feier außerhalb der Kirche, der Gesühlsimpuls ein wirklich dringlicher war, und all d ese Zwecke ihre rich­tige Erfüllung fanden, mußteschön" gesungen werden. Die schönhcitSdurstige Seele ergötzte sich am Wohllaut der Me­lodie, berauschte sich an der Fülle des Klangs, die womög­lich noch Lurch ein kolossales Orchester gcste gert wird, an der Farbigkeit der Harmonien und an der verfeinerten Melodiegestaltung. Im Zusammenhang damit mußten solche Aufführungen natürlich außerordentliche Leistungen sein. Man fragte dabei wen ger nach demWas", dem Stoff des Slngens: im Vordergrund stand dasWie". Man konnte also zu einem solchen Singen nur gute Sänger brau­chen, daher war man möglichst darauf bedacht» ausgebildete Stimmen tm Chor zu haben. Ein weiteres Erfordernis war ein guter Dirigent, der eine feine Auffassung hat und diese den Sängern beibringen kan». Er muß also seine Partitur studieren, dort seine dynamischen Bezeichnungen hinein­machen usiv. Der Chor muß funktionieren wie ein Instru­ment. Der äußere Erfolg einer solchen Arbeit kann natür­lich nicht ausblelben und der Chor mit seinem ausgezeichne­ten Dirigenten schneidet beim Sängerfest oder beim Konzert gut ab. Er hatte zum Einüben ja auch eine herrliche Hilfs­kraft, bas Klavier, mit dem der Dirigent so lange hämmerte bis alles klappte. Es ist interessant, ln diesem Zusammen­hänge eine Autorität auf dem Geb ete des Gesanges zu hören. Hermann Schcrchcn sagt in seinem soeben erschiene­nenLehrbuch des Dirigierens", der Gesang sei dasGrund­gesetz aller Musikdarstcllung" und nennt daS Klavier alS Elnübinstrumcut eiue »Seuche", d.e verheerend t» der Musik wütet.

Wie kam es zu einem neuen Singen?

Es ist nicht verwunderlich, daß diese Bewegung gerade nach dem verlorenen Kriege einsctzte. Auf die Not der Kr egs- und Nachkrlegsjahre setzten Bestrebungen ein zur Erweckung eines neuen LebensgefühlS. Dieses bildet sich besonders stark tn den Reihen der deutschen Jugendbewe­gung. Sie sonderte sich in Beziehung auf Musik ab vom alten, wehrte sich gegen die oben geschilderte mechanisierte Art -cs Musizierens. Die deutsche Jugendbewegung merkte bc zeiten, daßSingen" nicht nur Freude an der Kunst be­deutet, oder Freude am Klang, oder Erbauung und anderes mehr, sondern das Singen wurde zu einem Erlebnis, zu einer Verpflichtung, den ganzen Menschen umzugestalten. Singen tm richtigen Sinn wird also zur Krastgnclle tn der Umgestaltung der Menschen. Wie konnte d e Musik so ge- sinnungsändernü wirken? Warum tat sic das nicht früher? Wer Musik tn sich zum Erleben bringe» will, muß zuerst zum Erleben des Textes kommen. Da, ivo wirklich gesun­gen wird, muß die Sprache wieder zu ihrem Recht kommen. Denn Singen bedeutet doch in erster Linie Gestaltung des Worts (Inhalt"» und nicht bloß Gestaltung einer musikali­schen Idee. Damit ist die Musik wieder in ihre richtige Stel­lung eingesetzt worden. D e primäre Ausgabe aller Musik ist, einem sinngebendcn Text zu dienen. Daraus folgt, daß eine Umwertung aller Werte eintreten muß. indem die reine Vokalmusik wieder ganz rm Vordergrund steht. Damit ist erklärt, welch hohes Erlebnis d e sprachgewaltigen alten Volkslieder »nd Choräle, bet denen die Musik ganz vom Text geführt wird, für die Jngendmusikbewegung waren. Bei Liefen Liedern steht ganz das Wort tm Vordergrund. Es muß also sinngemäß gesungen werden, nicht jeder Zei- lenschiuß darf mit e ncr langen Fermate versehen sein, wie wir das seither so gewohnt waren.

(Schluß folgt.»