Sluiigark, 3. Juni. Verhaftung eines Post- marders. Der beim Postamt 1 in Stuttgart angestellte Oberpostsekretär K. wurde ertappt, als er auf der Briefpostabfertigung eine Anzahl Briefe an sich nahm. Es stellte sich heraus, daß K. den Briefdiebstahl und die Briefberaubung schon längere Zeit betrieb und daß er diese Tätigkeit auch am Postlagerschalter, dem er früher zugeteilt war, ausübte. K. wurde verhaftet.
Gärung in der Demokratie. Die „Südd. Zeitung* und der ..Schwöb. Merkur* melden, daß am Montag in Bietigheim eine Versammlung der Landesvorsitzenden und Land- kagsabgeordneken der Demokratischen Partei in Württemberg, Baden und Hessen statlgefunden habe, die sich mit der Haltung der Berliner Großstadt-Demokratie in der Frage der Fürstenenteignung befaßte und ihren Unwillen über das alles Maß übersteigende Entgegenkommen gegen die Sozialdemokraten zum Äusdruck brachte. Die Berliner Haltung stehe in scharfem Widerspruch zu den Auffassungen der süddeutschen Demokratie in dieser Frage. Es wurde namentlich mißbilligt, daß die Berliner Partei die Abstimmung für den 20. Juni freigegeben habe.
Aus dem Lande
Waiblingen, 3. Juni. W e r b e - P o st st e m p el. Seit 1. Juni verwendet das hiesige Postamt einen Werbestempes als Tagesstempel. Er zeigt das schöne Bild der Stadt, von Osten aus, und trägt die Aufschrift: „Waiblingen im Remstal, alte Ghibellinenstadt, ehemalige Kaiserpfalz. — Hie Welf! Hie Waiblingl"
Gmünd, 3. Juni. Vom deutschen Sängerbund. Bom 2g. bis 31. Mai tagte hier der Gesamtausschuß des Deutschen Sängerbunds, der sich hauptsächlich auch mit dem 10. Deutschen Sängerfest, das im Juli 1923 in Wien stattfindet, befaßte. Zu diesem Sängerfest haben sich mehrere württ. Gesangvereine angemeldet, darunter auch der Stuttgarter Liederkranz zu einem Einzelvortrag.
Göppingen, 3. Juni. Immer noch Verschlechterung des Arbeitsmarkts. Die Arbeitsmarktlage hat sich gegenüber der Vorwoche weiter verschlechtert. Die Nachfrage nach Arbeitskräften war sehr flau und weitere Entlassungen sind in Aussicht gestellt worden. Gegenüber der letzten Woche sind 103 neu hinzugekommen, sodaß am 2. Juni 2309 Erwerbslose gemeldet waren. Kurzarbeiter waren 5635 (6190) gemeldet.
Owen u. T., 3. Juni. Masern. Unter der Kinderwelt treten gegenwärtig die Masern sehr stark auf. Sie haben schon zwei Todesopfer gefordert.
Dirkcnfeld OA. Neuenbürg, 3. Juni. Lebensmüde. Der 65 Jahre alte frühere Waldhüter Adolf Müller erhängte sich in einem Zustand von Schwermut.
Diefenbach OA. Maulbronn, 3. Juni. Tödlicher Unfall. Die 47 I. a. Ehefrau Ziegler geb. Haus wurde beim Ueberschreiien der Straße von einem Radfahrer angefahren, umgeworfen und so schwer verletzt, daß sie alsbald verstarb.
Rottweil. 3. Juni. Einweihung. Vorgestern wurde in Altstadt-Rottweil der von dem Stifter, Hotelier Adolf Armleder von Genf, mit einem Gedenkstein für Arm- leder geschmückte Armlederplatz feierlich eingeweiht. Der Platz soll für die Jugend eine Stätte leiblicher Betätigung und für die Alten eine Stätte der Ruhe sein.
Rottweil, 3. Juni. Versuchter Raub. Emil Maier, Taglöhner von Ditzingen OA. Leonberg, wurde vom Schöffengericht Rottweil wegen versuchten Raubs zu 1 Jahr Gefängnis und 2 Jahren Ehrverlust verurteilt. Maier hat am 4. Mai ds. Js. zwischen Rottweil und Billingendorf die 23 I. a. Emilie Nester von Villingendorf zu berauben versucht.
Schramberg. 3. Juni. Aukobrand. Nachmittags fuhr ein von Schwenningen kommendes, schwer beladenes Lastauto mit Anhänger die Oberndorfer Straße herunter. Durch zu starkes Bremsen wurden die Lager heiß und der Benzintank geriet in Brand, wodurch der Wagen zum Teil verbrannte. Die Ladung erlitt keinen Schaden.
Vom Bodensee, 3. Juni. Am Genuß unreifer Beeren gestorben. An den Folgen des Genusses unreifer Stachel- und Johannisbeeren ist das 6jährige Mädchen des Schlossers Haas in Lindau-Reutin gestorben.
Cannstatt, 3. Juni. Auszeichnung. Studienrat Dr. Bet s ch an der Mädchen-Realschule hat für eine Preisarbeit über Fiktionen in der Mathematik von der Akademie der Wissenschaften in Wien den 1. Preis, den Vaihinger Preis, erhalten.
Weil im Dorf. 3. Juni. Straßenbahn. Die bis-
Schwere Ketten.
Erzählung von F. Ar ne fei dt.
55 Autorisierte Ueberichnna
„Noch nicht, noch nicht!" murmelte sie. „Erst muß ich den Richter gesprochen, erst muß ich meine Rache ge- nommen haben an ihr und an ihm, dann brich herein. Wahnsinn! Nacht, verschlinge, begrabe mich. Ha, ha!" lachte sie und erschrak selbst vor dem hohlen, schaurigen Klange ihrer Stimme. „Sie seine Frau — und ich — ich — seine Dirne. Die Schmach kann nur abgewaschen werden in beider Blut."
, Der Gerichtsrat trat ein.
„Sie haben mich zu sprechen gewünscht, mein Frau- lein", eröffnet? er das V-rhör in Form eines Gespräches. „Haben Sie mir etwas mitzuteilen, was auf den beklagenswerten Mord Ihres Herrn Vaters Licht zu werfen imstande Ware?"
„Viel, sehr viel", antwortete Helene mit wogendem Busen und hörbar gehendem Atem. „Ich weiß allesl"
„Alles?" wiederholte der Richter betroffen.
„Tie Schuldige bin ich!" schrie sie auf.
Der Gerichtsrat erschrak. Er hatte den entsetzlichen Austritt zwischen Helene und dem Musiker belauscht und war von tiefstem Mitleid für sie erfüllt. Sollte der Elende mit seiner Behauptung Recht haben? Hatte die stelische Tortur, die sie soeben ausgestanden, ihren Geist verwirrr? „Mein Fräulein, bedenken Sie, was Sie sagen", bat er, „Sie haben dem Untersuchungsrichter Mitteilungen von hoher Wichtigkeit zu machen verlangt."
Sie nickte. „Ich weiß, daß ich im Verhör bin, — den- noch wiederhole ich, ich bin die Schuldige."
„Wir tauschen die Rollen", sagte der Richter freundlich, »Ich muß Ihr Geständnis abweisen. Sie waren
her noch immer offen gewesene Frage, ob die Straßenbahn von der Stadt Stuttgart oder von der Stadtgemeinde Feuerbach gebaut wird, ist nun erledigt. Die Straßenbahn wird von Feuerbach gebaut.
Heilbronn, 3. Juni. Betriebsstillegung. Anläßlich der Verschmelzung der süddeutschen Zuckerfabriken wurde beschlossen, verschiedene Nebenbetriebe der Konzerngesellschaften aufzulösen. Hievon wurde auch die Freiherrlich von Neurathsche Gutsschlächterei Kleinglattbach betroffen, die mit der Zuckerfabrik Stuttgart kommanditiert war und demnächst ihren Betrieb einstellen wird.
Dettingen OA. Urach, 3. Juni- Das Haus des Landwirts Adolf Ederle ist nachts, vermutlich infolge Kurzschlusses, vollständig abgebrannt. Dem Feuer fielen auch 500 Mark Bargeld und die Aussteuern der drei Töchter zum Opfer. Eberle ist nur ungenügend versichert.
Langenargen, 3. Juni. AushebungeinesFalsch- münzerneftes. In der Nacht zum 2. Juni wurde hier durch mehrere Landjäger ein Falschmünzernest ausgehoben. Verhaftet wurden der Mechaniker Ämann und sein Bruder, ein Stiefsohn des ersteren, sowie ein Schlasgänger. Dieselbe Gesellschaft ist im vorigen Jahre wegen Wilddiebstahls verurteilt worden. Beschlagnahmt wurde falsches Silbergeld und ein Apparat zu seiner Herstellung.
Baden
Pforzheim, 3. Juni. Beim Spiel am Steinbruch wurde der 12jährige Eugen Wurst, Sohn eines Goldarbeiters, von einem Stein, den ein anderer Junge geworfen hatte, an den Kopf getroffen. Er erlitt einen schweren Schädelbruch.
Rastatt, 3. Juni. Nachmittags fuhr auf der Landstraße Bietigheim—Rastatt ein Motorradfahrer in ein Lastauto, das die Straße überquerte. Er stürzte und blieb bewußtlos liegen, sodaß er ins Krankenhaus verbracht werden mußte. Das Motorrad ist schwer beschädigt. An dem Unfall ist der Motorradfahrer, der auf der linken Seite und zu rasch fuhr, selbst schuld.
Heidelberg, 3. Juni. Vor 14 Tagen fuhr eine Mutter mit ihrem Kind mit dem Schnellzug von Hannover nach Heidelberg. Auf einer Unterwegsstation erfolgte durch all zustarkes Auffahren einer Schiebmaschine, die den Zug von hinten Nachdrücken sollte, ein so heftiger Anprall, daß das Kind mit dem Kopf gegen das Tischchen am D-Zugsfenster anstieß. Infolge der schweren Verletzung ist das Kind jetzt gestorben.
Nach den Feststellungen des Stadtschularztes sind in diesem Jahr fast die doppelte Anzahl der Kinder dringend erholungsbedürftig wie im vergangenen Jahr. Bei über 1300 Schulkindern ist die Unterbringung in einem Erholungsheim dringend notwendig, während sie bei weiteren 690 Kindern sehr zu wünschen wäre. Gegen 400 Kinder sollten infolge schwerer gesundheitlicher Gefährdung in Heilstätten oder an der See untergebracht werden.
Singen, 3. Juni. Nachmittags fuhren auf dem hiesigen Güterbahnhof drei mit Holz beladene Wagen auf einen im Bahnhof stehenden Zug aus, von welchem der Packwagen auf einen anderen Wagen geschoben wurde. Der Materialschaden soll ziemlich groß sein. Personen kamen glücklicherweise nicht zu Schaden.
Emmendingen, 3. Juni. Ein Oberpsleger, der über 25 Jahre seinen verantwortungsvollen Dienst in einer Heilanstalt versehen hatte, mußte zur Wiederherstellung seiner Nerven selbst in der Freiburger Psychiatrischen Klinik Aufnahme suchen. Da er die dort erhoffte Heftung nicht finden konnte, ist er freiwillig aus dem Leben geschieden.
Engen, 3. Juni. Seit Dienstag wird der 16l1 I. a. Schmiedelehrling Gallus Holl von Neuhausen vermißt. Er wollte sich nach seiner Lehrstelle nach Ueberlingen bei Singen begeben, ist aber dort nicht eingetrosfen.
Waldshuk, 3. Juni. Wegen Urkundenfälschung und öffentlicher Beleidigung des Dekans Horn wurden der Maurer Bertold Müller von hier zu einer Gefängnisstrafe von 6 Monaten und der Schmied Wilhelm Wiesler wegen Beihilfe zu drei Monaten Gefängnis verurteilt.
Lörrach, 3. Juni. Gestern morgen versuchten auf der Straße nach Kandern in der Nähe des Dorfs Wittlingen Handwerksburschen auf ein in Fahrt befindliches Lastauto aufzuspringen. Dabei geriet einer unter die Räder und zog sich eine schwere Verletzung zu.
weit von Wendenburg entfernt, als der Mord geschah."
„Ist bloß der der Schuldige, dessen Hand die Tat voll- führt? nicht auch der, der Anlaß dazu gibt?"
„Das kommt auf die Umstände an."
„Ich bin schuldig!" fuhr sie leidenschaftlich fort. „Mein Bruder Richard ist schuldig, mein armer Vater selbst war schuldig."
„Liebes Fräulein, besinnen Sie sich!" mahnte der Gerichtsrat, dem es immer mehr zur Gewißheit ward, daß bei Fräulein von Wenden eine geistige Störung eingetreten sei. Sie bemerkte es und sagte mit eisigem Lächeln:
„Halten Sie mich nicht für wahnsinnig, — noch bin ich es nicht. Mein Vater und mein Bruder haben die Schlange am Busen genährt, sie hielten die Schwedin für einen Ausbund oller Vollkommenheiten und hörten nicht auf mich, die ich sie durchschaute, und ich — ich habe den Mörder meines Vaters ins Haus gebracht, ich habe ihm den Weg gewiesen."
Sie brach in ein lautes, krampfhaftes Weinen aus. Ter Gerichtsrat wartete geduldig, bis sie sich beruhigt hatte; dann sagte er: „Wollen Sie mir einige Fragen beantworten?" Sie neigte zusünnnend Pas Haupt.
„Bernini gab Ihnen Klavierunterricht?"
«Ja.»
„Und kam oft nach Wendenburg?"
„Sehr oft!"
„Sie sahen ihn häufig allein?"
„Ja", erwiderte sie leise.
„Wo?"
„Meistens im Parke."
„Und hatten ihm zu diesem Znxck, den Zchtüssel zu der Pforte gegeben?"
«Ja."
Lokales.
WiIdbad, dm 4, Juni 1926.
Noch eine Wellingtonie. Im „Wildb. Tagbl." Nr. 125 vom 2. Juni weist Herr Medizinalrat Dr. Schober auf ein hier seltenes Ziergewächs, die Wellingtonie, chin. Diese Exemplare kommen nicht nur auf dem Wildbader Kopf und in den Kuranlagen vor, sondern ein selten schönes Exemplar findet man auch in dem Garten des Cafe Hotel Bergfrieden in Wildbad. Wem also der Weg zum Wildbader Kopf zu anstrengend sein sollte, ist Gelegenheit geboten, sich ein selten hübsches Exemplar in dem Garten- cafö des Hotels Bergfrieden anzusehen, um dort gemütlich unter diesem Baume eine Tasse Kaffee zu trinken.
Landeskurtheaier am 2. Juni 1926. „Dolly", ein moderner Operettenschlager. Das war es auch, mehr als modern, sowohl in Text wie in Musik. Lebemänner und solche, die Neparationspillen brauchen, können so etwas „glänzend" finden, aber für die Oeffentlichkeit, für Jugendliche und Erwachsene ohne Unterschied, ist das keine Kost. Und die Kritik hat auch diesem Teil gerecht zu werden. Wenn man aus finanziellen Gründen glaubt, solche Stücke zu bevorzugen, weil sie mehr!„ziehen", so glaube ich, das Gegenteil behaupten zu können. Bon dieser Verurteilung des Stücks sollen aber unsere Künstler in keiner Weise betroffen werden. Das was wir gestern in Szenerie, Gesang und Schauspiel genießen durften, war wirklich „glänzend". Wenn so eine jugendliche Künstlerin wie Frl. Luder die Titelrolle führr, so will das was heißen, aber sie hat ihre Aufgabe vorzüglich erfüllt. Frl. Gretel von Ja uner hatte wieder die Rolle inne, die ihr am besten liegt. Auch die Männerrvllen waren gut besetzt und wurden von den Einzelnen ausgezeichnet durchgeführt. Sämtliche Darsteller ernteten dafür reichen Beifall, x.
Martha Körner im Kursaal-Konzert. Bei dem am Sonntag abend im Kursaal stattfindenden Konzert wird die beliebte Opernsängerin Fräulein Martha Körner aus Stuttgart einige Lieder singen. Ueber diese Künstlerin lesen wir im „Schwöb. Merkur" gelegentlich einer Konzertkritik vom 28. 5. 26: „Zur Ausschmückung des Abends war Opernsängerin Martha Körner gewonnen worden, die mit Lotte Roser als Begleiterin die Arie der Königin der Nacht ans der „Zauberflöte", drei Richard Strauß- Lieder und Johann Strauß' „Frühliugsstimmen-Walzer" hören ließ. Man kennt Fräulein Körner von ihren Gastspielen vom Landestheater her; sie fand auch hier dank ihrer glänzenden Technik, die sie Schwierigkeiten der Koloratur leicht überwinden läßt, sehr lebhaften Beifall."
Steuertermine für Juni 1926
5. Iuni: Zahlung der einbehaltenen Lohnidzugsbeträge sin bis Zelt vom 21. bis'31. Mai 1926 mit einer Erklärung über di« Vollständigkeit der elnbehnllenen und gezahlten Beträge im Mal 1926. Hierfür gibt es keine Schonsrist.
10. Ir.ni. tlnisatzsleuervoranmeldung und Ums itzsteueroorous- zahlung der Monats,zahler für den Monat Mai. Durch den Ar- tilel 2 des Slsuermilderungsgesitzes zur Erleichterung der Wirtschaftslage vom 31. März' 1926 ist die allgemeine Umsatzsteuer mir Wirkung vom 1. April 1926 an von 1 v. H. uns 0,75 v. H. ermäßigt und die Luxussteuer, dle bisher 7.S v. H. betragen har. völlig aufgehoben worden. Die ermäßigte allgemeine Umsatzsteuer kommt daher bei der Junivorauszahlung weiter in Betrachr. Die Schonsrist für die Anmeldung und Zahlung läuft bis zum 17. Juni 1926. Bei verspäteter Anmeldung ist mit einem Zuschlag gemäß 8 170 Absatz 2 der Reichsabgabenordnung zu rechnen, bei verspäteter Zahlung werden Verzugszuschläge erhoben.
10. Juni: Die Einkommensteuer- und Körperschafkssteueroor- auszahlungen der für ein Kalenderjahr Veranlagten erfolgen nur noch knlendervierteljährllch. Die nächsten Vorauszahlungen für das Kalenderjahr 1928 brauchen demnach erst am 10. Juli entrichtet zu werden.
15. Zuni: Zahlung der einbehnlienen Lohnabzugsbeträge für die Zeit vom 1. bis 10. Junl 1926. Hierfür gibt es keine Schonfrist.
25. Juni: Abführung der elnieballenen Lohnabzugsbetrüge für die Zeit vom 11. bis 20. Juni 1926. Auch hierfür kommt eine Schonfrist nicht in Betracht.
Kleine Nachrichten aus aller Welt
Berlepsch ch. Staatsminister a. D. Freiherr von Berlepsch ist auf Schloß Seebach bei Erfurt unerwartet verschieden. Er war einer der letzten Minister der Bismarckschen Zeit
„Wußten Sie, daß zwischen ihm und der Gouvernante ein so nahes Verhältnis bestand?"
„Nein! Nein!" rief sie aufspringend. Zorn, Scham, Haß malten sich in ihrem Gesicht, die Leidenschaft raubte ihr die Sprache. „Nein", wiederholte sie, nach Atem ringend, „erst heute, erst in dieser Stunde habe ich die niederschmetternde Kunde erfahren. Hätte ich das früher gewußt, nie — nie —", ihre Stimme erstarb in einem undeutlichen Murmeln. Nach einer Pause begann str wieder:
„Ich beargwöhnte sie, ich glaubte ein paarmal Blicke, schnell und leise gewechselte Worte zu erhaschen, meine Eifersucht erwachte, und einmal belauschte ich eine Zusammenkunft im Park."
„Was hörten Sie?"
„Nichts, ich kam zu spät, sie trennten sich soeben. In meinem Zorn verriet ich meinem Bruder Richard, was ich gesehen. Ich wußte, daß es ihn so tief treffe, wie mich, denn er liebte Hertha."
Sie hatte die Worte in ihrer Leidenschaft hervorgesprudelt. Nun bereute sie doch, das Geheimnis des Bruders verraten zu haben. Der Gerichtsrat ging anscheinend leicht über die Mitteilung weg, aber sie war ihm von großem Werts; sie gab ihm die Erklärung für viele Widersprüche im Verhalten des jungen Barons.
„Mein Bruder riet mir. Bernini schriftlich den Unterricht zu kündigen", fuhr Helene fort. „Ich tat es nicht, ich stellte ihn mündlich zur Rede, und er beteuerte mir mit heiligen Eiden, daß es sich bei der Zusammenkunft zwischen ihm und Hertha nicht um Liebe, sondern um ein schwerwiegendes Geheimnis gehandelt habe."
(Fortsetzung folztZ j