Württemberg

Stuttgart. 14. April. Bom Landtag. Der Finanz- ausschuß begann gestern die Beratung des Staatshaushalts 1926 beim Abschnitt des Ministeriums des Innern. Vorweg­genommen wird die Wohnungsfrage. Berichterstatter Schermann besprach die verschiedenen Eingaben hierzu- Minister Bolz erörterte die Beschaffung der Mittel. Es werde möglich sein, Bauzuschüsse für 6000 bis 7000 Woh­nungseinheiten für 1926 zu geben. Die bis jetzt eingegan­genen Gesuche können befriedigt werden, und wenn die Gebäudeentschuldungssteuer sicher eingehe, können noch wei­tere Gesuche beschieden werden. Die Verteilung des Reichs- Zuschusses von 200 Millionen sollte im Verhältnis zum Auf- kommen der Gebäudeentschuldungssteuer unter die Bundes­staaten verteilt werden, die württ. Regierung habe aber da­gegen Einspruch erhoben, da Württemberg !m Wohnungs­bau bisher verhältnismäßig mehr geleistet habe als die übri- gen Länder. Die Aufrechterhaltuug der B a u st o f f st e l l e sei nach der Stimmung im Landtag nicht mehr möglich. Die privaten Baugenossenschaften sollen auch künftig gefördert werden. Der Betrieb derG e m e i n s ch a f k d e r Freunde" sei anfang; reines Glücksspiel gewesen; die Ge­meinschaft werde nun durch das Eingreifen des Ministe­riums in eine G.m.b.H umgewandelt und sie habe dem Ministerium bis 15. Avril einen genauen Plan ihres Ge­schäftsbetriebs vorzulcgcu. damit nachgeprüft werden könne, ob sie als Depositenbank zugelasscn werden könne. Redner des Zentrums, der Bürgerpartei, des Bauernbundes und der Deutschen Volkspartei stellen sich auf den Boden des Regierungsprogramms. Ein Kommunist erklärt sich gegen die Gemeinschaft der Freunde. Ein Redner der sozialdemo- kratie tritt für die Baustoffstelle ein. Verschiedene Anträge der Demokraten, Kommunisten und Sozialdemokraten wer­den abgelehnt.

ep Abschied von Prälat Dr. Hoffmann. Am Sonntag Dielt Prälat Dr- Hoffmann seinen letzten Gottesdienst hier als Pfarrer der Leonhardskirche, an die er nach Auflösung der Hosgemeinde 1919 übergekreken war. Die Kirche fahle die vielen kaum, die den geistvollen, tiesdringenden Prediger noch einmal hören wollten. Am Montag abend veranstaltete die Leonhardsgemeinde ihrem scheidenden ersten Pfarrer im Furtbach-Bereinshaus unter größtem Zudrang ewe" schiedsgemeindeabend, um ihrem Dank und ihren Wünschen für ihn Ausdruck zu geben, Präsident v. Nestle leitete den Abend. Staötpfarrer Löffler sprach in eindrucksvollen herzlichen Worten von dem aufrechten, gütigen an allen ohne linlerschied des Standes gleich warm teilnehmenden, aufs Große gerichteten Wesen und Wirken des Scheidenden, dem man in allem die Sorge abqespürt habe, daß das große Ganze unserer Kultur nicht gottlos werde. Weitere Ansprachen hielten Stadtpfarrer Langbein, Chefredakteur Wais, Prof. Buder. Auch poetische Abschiedsgrüße wurden dar­geboten, ebenso reiche musikalische Gaben vom Kirchenchor und einem jugendlichen Streichorchester. An feiner Welse dankte Prälat Hoffmann für alle ihm und den Seinen zu­teil gewordenen Beweise der Liebe-

Stuttgart. 14. April. Verkehr mit Milch. Das Ministerium des Innern gibt bekannt: Das Reichsgericht hat durch Urteil vom 15. Januar 1926 zu Recht erkannt, daß die Vermischung von Vollmilch mit Vor- oder Ansangs- gemelk eine Verfälschung und hienach strafbar ist. Der Fett­gehalt der Milch steigt während des Melkens an. Die zu­erst ermolkene Milch ist am fettarmsten, die zuletzt ermolkene Milch ist am fettreichsten. Als Vollmilch kann nur solche, Milch gelten, die beim Melken eines Milchtieres durch voll­ständiges Ausmelken des Euters in einem Zuge gewonnen wird, die also unverändert alle Bestandteile der dabei zu Tage geförderten Milch enthält. Daher ist auch das Ver­mischen von Vollmilch mit zuerst ermolkener Milch (Vor­oder Anfangsmelk) einem teilweise» Rahmentzug der Milch gleichzuachten, über dessen Strafbarkeit kein Zweifel mehr besteht.

Krankheitsstakistik- In der 13. Jahreswoche vom 28. März bis 3. April wurden folgende Fälle von gemeingefährlichen und sonstigen übertragbaren Krankheiten amtlich gemeldet: Diphtherie 15 (tödlich), Kindbettfieber 1 (2), Lungen- und Kehlkopftuberkulose 14 (29), Milzbrand 1 (), Scharlach

Ablehnung der Werkbundsiehlung. Die Bauabteilung des Gemeinderats hat in einer Sitzung vom letzten Samstag in Einzelabstimmung die vom Werkbund geplante Wsrkbnnd- siedlung abgelehnt.

Die Wirte gegen das Gemeindebestimmungsrechk. In einer Landesversammlung des Landesverbands der Wirte Württembergs wurde in einer Entschließung gegen die Ein­führung des Gemeindebestimmungsrechts Einspruch erhoben, das zur langsamen Vernichtung des gesamten Wirtestands

führen würde. Es sei unwahr, daß dieses Recht das Gast- wirtsgewerbe nicht schädigen würde; es wäre nur der An­fang einer Trockenlegung Deutschlands, die zur Vernichtung vieler Hunderttausender Angestellter und Arbeiter in den Brauereibetrieben usw. führen würde, ohne daß der Miß­brauch des Alkoholgenusses verhindert würde, gegen den auch die Gastwirte ankämpfen. Die Frage, ob neue Schank­stätten errichtet oder das Weiterbestehen vorhandener Gast­stätten im Fall eines Besitzwechsels genehmigt werden sollen, könne nicht von Volksabstimmungen abhängig gemacht wer­den. Gegen das ileberhandnehmen von Schankstätten bieten die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen genügende Hand­habe und der Entwurf des neuen Strafgesetzbuchs enthalte wichtige Richtlinien zur Bekämpfung des Alkoholmißbrauchs. Ein Gemeindebestimmungsrecht sei daher durchaus über­flüssig.

Parkeiwahl. Bei den Wahlen der Funktionäre des Maleroerbands in Stuttgart verloren die Kommunisten sämt­liche Stellen. Die Posten wurden mit Anhängern drr Amster­damer Richtung besetzt.

Lohnabbau. Die Transportunternehmer habe« den Tarif gekündigt, um einen Lohnabbau vorzunehmen.

Vom Tage. Beim Gitiersteg in Cannstatt sprang eine 48 Jahre alte Frau in den Neckar- Die Leiche konnte alsbald geborgen werden. In einem Haus der Schulstraße in Gaisburg versuchte sich ein 37jähriger Mann durch Gas zu töten. Er wurde mit dem Sauerstoffapparat ins Leben zurückgerufen.

Auf einem Sportplatz auf dem Abelsberg wurde einem 11 Jahre alten Schüler, der mit anderen jungen Leuten auf einem Rollwagen Erde absühne und hiebei unter den Holl« geriet, der linke Unterschenkel abgedrückt.

Aus dem Laude

Beinstein OA. Waiblingen, 14. April. Brand. Das An« wesen (Haus mi! Scheuer) des Christian Kuhnle an der Straße nach Kleinheppach ist nachts abgebrannt.

Markgröningen, 14. April. EineHundertjähi ige. Am 15 April vollendete hier die Witwe Frau Katarina, Dorothea Renz ihr 100. Lebensjahr. Ihr Gesundheitszustand ist noch gut, wenn auch Gesicht und Gehör nachgelassen haben. Sie hat ernste und schwere Jahre hinter sich, denn sie verdiente für sich und ihre acht Kinder das Brot durch Waschen.

Markgröningen, 14. April. W i l d e r e r u n w e s« n. Jagdaufseher Alfons Baur hat im vergangenen Winter vier Wilderer aus Markgröningen sestgestellt, die dann allerdings mit gelinden Geldstrafen wegkamen. Kürzlich hat er wieder einen berüchtigten Wilderer, den August Köhler ovn Unterm­berg OA- Ludwigsburg, erwischt. Köhler wurde wegen Be- drohung und Wiiderns zu 9 Monaten Gefängnis und Stel­lung unter Polizeiaufsicht, sein Iagdgenosse Bienzle zu 6 Wochen Gefängnis und 50 -1l Geldstrafe verurteilt. Obgleich Jagdaufseher Baur fast täglich Drohbriefe erhält, versieht er unerschrocken seinen Dienst.

An Pfingsten findet hier der Erste Schwäbische K a u f m a n n s j u g e n d t a g des Deutschnationalen Hand­lungsgehilfenverbands statt. Neben beruflichen Wettkämpfen sind Gottesdienste, Festzug, Schäfertänze, Fackelzug und sportliche Betätigungen vorgesehen.

Heilbronn. 14. April. Brand st iftung. Der 27 I. a. Schuhmacher Ludwig Haas von Frauenzimmern, der in der Nacht zum 30. Dezember 1925 in Frauenzimmern eine Scheune mit Stroh und Heuvorräten, die zu einem Drittel seinem Großvater gehörte, anzündete, um die Versicherungs­summe zu erhalten, wurde vom Schöffengericht wegen Brand, stiftung und Versicherungsbetrug zu einer Zuchthausstrafe von 3 Jahren, sowie zum Verlust der bürgerlichen Ehren­rechte auf 3 Jahre verurteilt.

Neckarsulm. 14. April. Gefundene Kindsleiche. Die Leiche eines Kindes wurde in dem Abort einer Besen­wirtschaft gefunden. Die Mutter soll bekannt sein.

Lendsiedel OA. Gerabronn, 14. April. Diamantene Hochzeit. Am Sonntag feierte Schultheiß a. D. Heinrich Schuster mit Frau Henriette geb. Beckersdorff in körper­licher und g iftiger Frische das Fest der diamantenen Hoch­zeit.

hohenmemmingen OA. Heidenheim, 14. April. Miß­glückter Einbruch. Zwei junge fremde Leute wollten in einem hiesigen Anwesen einen Einbruch verüben. Der Besitzer hatte die Sck>elme beobachtet und sich sogleich zu einem Angriff gerüstet. Wie nun der eine in das Schlaf­zimmer einsteigen wollte, sprang der Besitzer hervor. Die Burschen nahmen schleunigst Reißaus.

Nürtingen, 14. April. Zur Mordtat. Das von dem

Musiker Franz Eigenhäuse'r auf dem Tasgenberg hier er­schossene ledige Dienstmädchen war die Ellse Mainzer aus Stuttgart. Ciaenhäuser, der ins hiesige Krankenhaus ge­bracht wurde, ist verheiratet und wohnt in Birkach. Hinter- iassene Briefe dürften über die Tat Aufschluß geben.

Tübingen. 14. April. S t u de n , e n h i l f e. Der Verein Tübinger Studentenhilfe bat das Gasthaus zum Löwen, in dem eine der drei Küchen des Vereins eingerichtet war, ver­kauft, um den Betrieb in dem StudentenheimPrinz Karl", in dem die Küche nunmehr weiter ausgebaut ist, umso nach­drücklicher führen zu können. Das dem Verein gehörige Gasthaus zur Sonn^, in dem ebenfalls eine Küche eingerichtet war, bleibt für die dort untergsbrackten studentischen Werk­betriebe Vorbehalten. Die neuen Maßnahmen bedeuten keine Emschränkung des Betriebs.

Rottenburg. 14. April. 60. Geburtstag. Domkapi­tular Karl Aigeltinger konnte gestern seine» 60. Geburistag feiern.

Areudenstadt. 14. April. Gewerbebank. Eine außer­ordentliche Generalversammlung der Gewerbebank wählte mit 265 von 283 Stimmen Kurt Haensch aus Stuttgart zum Direktor.

Rvttweil. 14. April- L e i ch e n I ä n d u n g. Der seit 4 Wochen vermißte Schuhmeckermeisier W. Emminger wurde oberhalb der König-Karl-Brücke als Leiche aus den; Neckar gelandet.

Schramberg, 14. April. Mordversuch. Der hier wohn­hafte verh. Fabrikarbeiter Gottwd Strecket in St. Geoigsn hat vor dem Hause seiner früheren Geliebten deren jetzigen Liebhaber, den ledigen 23jährigen Fabrikarbeiter Friedrich Weber, meuchlings durch drei Revoloerschüsse lebensgefährlich verletzt. Strecker, ein wegen Eigentumsvergehens mehrfach vorbestrafter Mensch, ist nach der Tat mit einem Fahrrad flüchtig gegangen.

Ulm, 14. April. 1l e b e r f a h r e n. Am letzten Sonntag wurde in der Olgastraße ein Radfahrer von einem Auto der Reichswehr überfahren, wobei ihm die Räder über die Brust gingen. Er wurde schwer verletzt.

Biberach a. R.» 14. April. Aufwertung. Der Be- zirksverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke hat in den Jahren 1922 und 1923 Teilschuldverschieibungen mit einem Z'nsfuß von 5, 6 und 10 v. H ausgegeben. Diese gelten als Neubesitz im Sinn des Anleihe-Ablösungsgesetzes und sind daher in Ablösungsanleihen im Nennbetrag von 2,5 o. H. des Goldwerts, den die Markanleihe zur Zeit ihrer Be­gründung hatte, umzutauschen, lieber die Art und den Zeit­punkt der Tilgung dieser Ablösungsanleihe sind noch Be­stimmungen von der Landesregierung zu erlassen. Gün­stigenfalls kann damit gerechnet werden, daß dieselben mit dem lOfachen Betrag des Nennwerts, also mit 25 o. H. ihres Goldwerts inneihalb 30 Jahren zu tilgen sind. Der Bezirksverband ist aber jetzt schon bereit, diese Teilschutd- Verschreibungen zu einem Preis zurückzukausen, der rund 45 v. H. ihres Goldmarkwert? ausmacht. Es kann daher jedem Inhaber solcher Schuldverschreibungen »mpsohle» werden, dieselben direkt oder durch Vermittlung einer Bank einzusenden, worauf ihm der entsprechende Betrag alsbald ohne Abzug irgend welcher Kosten zugestellt wird.

Biberach, 14. April. Besuch aus den Lüften. Gestern abend nahm der FreiballonMauxion" bei Reichen­bach eine Landung vor. Nach Ablassen des Gases und Ab­montage wurde der Ballon auf ein Lastauto geladen und zur Bahn nach Biberach gebracht. DerMauxion" war am Dienstag morgen um 9.45 Uhr in Gersthofen bei Augsburg mit fünf Schülern der Würzburger Sportschule aufgestiegen.

Alkshausen OA. Saulgau, 14- April. PetriHeil. Der Fischfang im hiesigen Altweiher war in letzter Zeit durch Einlegen eines im Bodensee gebräuchlichen großen Netzes sehr ergiebig. Dieser Tage gelang es dem Fischmeister Jäggle. einen Hecht mit 15 Pfund und einen Zander mit 10 Pfund Gewicht zu erbeuten.

Hechingen, 14. April. Motorrad-Anfall. Ein Motorradfahrer aus Rottwei! verunglückte in der Zoller­straße dadurch, daß ihm ein Hund in die Maschine sprang. Der Motorradfahrer stürzte und erlitt verschiedene Ver­letzungen. Auch das Nad wurde beschädigt.

C-münd, 14. April. M ü n st e r p l a tz Münster- g a s s e. Im Anschluß an die Mitteilung der Münsterpsarrei von der Genehmigung der Bezeichnung Münster für die Heiligkreuzkirche wird der Kirchplatz Münsterplatz ,»d die Kirchgasse Münstergasse genannt.

Sulzbach, OA. Gaildorf, 14. April. Die 8. Tochter. Der Staatspräsident hat den Eheleuten I. Bahn in Mühlen- l erg aus Anlaß der Geburt einer 8. Tochter den herzlichen Mückwunsch namens der württ. Staatsregierung ausgespro­chen und eine Ehrengabe oerwilligt

Schwere Ketten.

^ Erzählung vvn F. Ar ne sei dt.

I' Autorisierte ttcberietzung.

Würden es schon satt bekommen! Sehen auch nicht ich als ob Sie viel Echausfement vertragen könnten,"

Im Gegenteil, mein etwas träges Blut bedarf so!« .l.er Auffrischung. Machen Sie den Versuch, geben Sie mir Helenen."

Der Baron fab den Amisrat forschen), an. Seine Tochter war ihm seit ihrer Rückkehr aus der Pension recht unbequem geworden. Der Gedanke, sie bald aus dem Hause zu bekommen, besaß viel Verlockendes für ihn. Wendenburg, das allerdings ein fürstlicher Besitz war. fiel an seinen Sohn; das Barvermögen, das den Töch­tern zukam, war im Vergleich dazu mäßig, und der Amts­rat konnte sich an Reichtum mit ihm messen. Cr Ware ihm ein sehr willkommener Schwiegersohn gewesen.

»Ich gebe sie Ihnen von Herzen gern", sagte er ohne Umschweife.

, »Aber wird sie mich wollen?" fragte der NmtZrat mit rührender Bescheidenheit.Wißen Sie, Vetter, ich hin nicht dumm genug, zu glauben, daß sich ein Mäd­chen, wie Heleene, mir nichts, dir nichts in mich ver­siebt. Die will verdient sein."

' Der Baron schlug die Hände zusammen.Sie wollen doch nicht sieben Jahr um sie dienen, Vetter? Das tun Sie mir nicht anl"

' »Das möchte ich mir selber nicht ankun", lochte Spit­zen,aber mit der Tür ins Haus fallen darf ich nicht. Langsam, vorsichtig muß ich zu Werke gehen." Der Ba« ron seufzte.

Lassen Sie mich beginnen, mich ihr angenehm zu machen, indem Sie ihr ans meine Bitte den Unterricht bei dem Italiener erlauben," fuhr der Amtsrat fort.

Der Baron lachte.Da? nenne ich schlau, jetzt soll ich Ihnen die Kastanien ans dem Feuer holen."

Keineswegs. Was ist denn weiter dabei, wenn Sie dem Kinde den Wunsch gewähren? Sie hat ein Recht, dergleichen von Ihnen zu fordern. Tie Jugend unv Le­benslust haben so gut ihre Rechte, wie das Alter und di? Kränklichkeit. Es ist nicht wohlgetan, das überschän- mende junge Blut hier in der Einsamkeit zu vergraben; ich habe schon lange mit Ihnen darüber reden wollen."

Der Amtsrat war warm geworden, und Herr von Wenden mußte nun doch den ihm zugedachten Sermon entgegennehmen und tat dies geduldiger in dem Ge« danken, er werde ihm von seinem Schwiegersohn in spe gehalten.

Zuletzt entlockte ihm Spitzen wirklich die Zusage, He­lenen den Musikunterricht bei Bernini zu gestattest, und eilte triumphierend davon, um dem geliebten Mädchen die freudige Nachricht zu bringen. Daß er sich damit einen gefährlichen Rivalen herbeiziehen könne, fiel ihm in seiner Harmlosigkeit gar nicht ein vielleicht auch in seinem Hochmuts. Fräulein von Wenden und ein reisender Vir­tuose!

Richard dachte anders darüber. Ihm war der von dem Amtsrat erfochtene Sieg über seinen Vater sehr unangenehm. Er kannte Helenens leidenschaftliches, leicht erregbares Wesen, und Bernini flößte ihm ein tiefes Mißtrauen ein. Indes, es ließ sich daran vor der Hand nichts mehr ändern; er beschloß, die Augen offen zu hal­ten, daß kein Unheil entstehe. Für heute fühlte er sich

jedoch nicht in der Stimmung, den Musiker zu sehen; um chm ans dem Weae zu gehen, befahl er, sein Pferd zu satteln, unv ritt sogleich nach dem Frühstück nach einem zur Herrschaft Wendenburg gehörigen benachbarten Gute, wo er den Tag in Geschäften zubringen wollte.

Der junge Baron von Wenden hatte die Universität besucht und auch kurze Zeit beim Militär gestanden. Sein Vater hatte aber sie Last der Verwaltung eines großen Grundbesitzes für sich allein zu schwer gefunden und ihn noch Hause bernsen, um einen Teil davon aus ihn ab­zuwälzen.

Richard hatte gegen seine Gewohnhenit Hertha, die den Morgen mit Nina im Schulzimmer zuzubringcn pflegte, nur flüchtig begrüßt iw keine Gelegenheit gefun­den, ihr von dem Verlaufe des gestrigen Konzertes zu er­zählen. Helene hütete sich, ihr zu sagen, daß sie den Be­such des Klavierspielers erwarte, und der Baron war viel zu aufgebracht über die ihm abgedrungene Zusage, als daß er der Sache erwähnt hätte.

Die Meldung des Dieners war für Hertha daher ge­wissermaßen eine Ueberraschung, obgleich sie aus mehr als einem Grunde auf Berninis Erscheinen in Wenden­burg vorbereitet sein konnte. Unwillkürlich gab sie dem Wunsche nach, eine Begegnung mit dem Gemeldeten zu ! vermeiden, und wollte sich entfernen. Als sie durch den ! Anruf des BarouS diese Absicht vereitelt sah, faßte sie ^ sich gewaltsam.

!Ob jetzt, ob später", redete sie sich zu,dem Ver­hängnis entgehst Tu nicht. Es ist eine nutzlose Feigheit, i heute einem Zusammentreffen ausweichen zu wollen, zu den. Du morgen doch gezwungen bist."

(Fortsetzung folgt.)